Bayreuther Festspiele 2017: Eröffnungspremiere "Die Meistersinger von Nürnberg"

  • Ganz bösartig könnte man natürlich mutmaßen, dass sich kaum einer traut, sich samt Foto als "ewig Gestriger" zu outen ;) Mit unbequemen Meinungen läuft man schnell Gefahr, als doof zu gelten. Da spielt sicher der Hurz Effekt eine Rolle. Erst gestern habe ich im Funk gehört, dass diejenigen, die "populistischen Meinungen" anhängen (köstlich, das Volk ist populistisch) idR "bildungsfern" sind.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ganz bösartig könnte man natürlich mutmaßen, dass sich kaum einer traut, sich samt Foto als "ewig Gestriger" zu outen ;) Mit unbequemen Meinungen läuft man schnell Gefahr, als doof zu gelten.


    Klar, wenn die Aussagen anders sind als erwünscht, dann können sie natürlich nicht ehrlich gewesen sein. Warum nicht einfach mal akzeptieren, dass die Inszenierung offenbar der Mehrheit des Publikums gefallen hat, auch wenn es nicht der eigenen Meinung entspricht?

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Klar, wenn die Aussagen anders sind als erwünscht, dann können sie natürlich nicht ehrlich gewesen sein. Warum nicht einfach mal akzeptieren, dass die Inszenierung offenbar der Mehrheit des Publikums gefallen hat, auch wenn es nicht der eigenen Meinung entspricht?


    Für "offenbar der Mehrheit" gibt es ebenso keine Belege. Ich habe außerdem im Konjunktiv geschrieben. Dass das Bild einhelliger Begeisterung, das da vermittelt werden soll, nicht der Wirklichkeit entspricht, wird klar, wenn man die deutlichen Buhrufe am Schluss erinnert. Entweder wurden also die "falschen" Leute befragt, die Antworten selektiert, oder die Verächter haben sich nicht getraut. Suchs Dir aus.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha


  • Klar, wenn die Aussagen anders sind als erwünscht, dann können sie natürlich nicht ehrlich gewesen sein. Warum nicht einfach mal akzeptieren, dass die Inszenierung offenbar der Mehrheit des Publikums gefallen hat, auch wenn es nicht der eigenen Meinung entspricht?

    Lieber Bertarido, es gab sehr deutliche Buhs beim Regie-Team. Wieso denkst Du, dass die Inszenierung "offenbar der Mehrheit des Publikums" gefallen hat?


    Unabhängig von der Aufführung...es gibt manchmal tatsächlich die Tendenz sich bestimmte Aufführungen schön zu reden, wenn man dafür viel Geld bezahlt hat. Manche Festspielaufführung ist von der Qualität nicht so festspielwürdig, wird aber trotzdem bejubelt.

  • Diese Inszenierung wurde ganz überwiegend positiv aufgenommen, was definitiv nicht die Regel ist im Bayreuth von Katharina Wagner. Ihre eigene, nun zehn Jahre alte "Meistersinger"-Produktion wurde schon damals viel mehr verrissen als diese Neuinszenierung jetzt. Die Bilder und kurzen Videoausschnitte, die ich bisher sah, sprechen auch dafür, dass das schon eine andere Liga ist. Die Kommentare von Bayreuth-Besuchern sind auch ziemlich einhellig. Ich habe bisher nur in die reine Tonspur hineingehört. Ein Freund, selbst Wagnerianer, schaute es sich auch im Kino an und war ebenfalls hellauf begeistert.


    Was das mit "German Trash" zu tun hat, sei mal dahingestellt. In diese Kategorie fällt wohl eher der "Biogashäuser" von vor ein paar Jahren. Was erwartet man denn auch? Es liefen gerade bei den "Meistersingern" eigentlich erstaunlich viele librettogetreue Produktionen in Bayreuth. Zunächst von Rudolf Otto Hartmann, danach jeweils zwei von Wieland und Wolfgang Wagner. Experimentiert wurde da vergleichsweise wenig. Unästhetisch kommt Koskys Inszenierung meines Erachtens nicht herüber. Allerdings wurde hier schon richtig gesagt, dass sich Diskussionen in diesem Forum zu diesem Thema eigentlich gar nicht mehr rentieren. Die beste Werbung fürs moderne Regietheater liefert hier in der Tat tagtäglich gerade die andere Fraktion.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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    Unabhängig von der Aufführung...es gibt manchmal tatsächlich die Tendenz sich bestimmte Aufführungen schön zu reden, wenn man dafür viel Geld bezahlt hat. Manche Festspielaufführung ist von der Qualität nicht so festspielwürdig, wird aber trotzdem bejubelt.


    Hinzu kommt, dass doch (siehe Kartensituation) inzwischen zu einem Großteil ausser den Adabeis - besonders bei der Premiere - überwiegend Leute nach Bayreuth fahren, die wissen, was sie erwartet, und die entweder einen Hang zum Regietheater haben oder diesbezgl. eine erstaunliche Indolenz aufweisen.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Diese Inszenierung wurde ganz überwiegend positiv aufgenommen, was definitiv nicht die Regel ist im Bayreuth von Katharina Wagner. Ihre eigene, nun zehn Jahre alte "Meistersinger"-Produktion wurde schon damals viel mehr verrissen als diese Neuinszenierung jetzt. Die Bilder und kurzen Videoausschnitte, die ich bisher sah, sprechen auch dafür, dass das schon eine andere Liga ist. Die Kommentare von Bayreuth-Besuchern sind auch ziemlich einhellig. Ich habe bisher nur in die reine Tonspur hineingehört. Ein Freund, selbst Wagnerianer, schaute es sich auch im Kino an und war ebenfalls hellauf begeistert.


    Was das mit "German Trash" zu tun hat, sei mal dahingestellt. In diese Kategorie fällt wohl eher der "Biogashäuser" von vor ein paar Jahren. Was erwartet man denn auch? Es liefen gerade bei den "Meistersingern" eigentlich erstaunlich viele librettogetreue Produktionen in Bayreuth. Zunächst von Rudolf Otto Hartmann, danach jeweils zwei von Wieland und Wolfgang Wagner. Experimentiert wurde da vergleichsweise wenig. Unästhetisch kommt Koskys Inszenierung meines Erachtens nicht herüber. Allerdings wurde hier schon richtig gesagt, dass sich Diskussionen in diesem Forum zu diesem Thema eigentlich gar nicht mehr rentieren. Die beste Werbung fürs moderne Regietheater liefert hier in der Tat tagtäglich gerade die andere Fraktion.

    Du hast sicher Recht mit Deiner Meinung, dass Katharina Wagners Inszenierung stark in der Kritik stand, ob mehr wissen wir noch nicht. Dazu ist es noch zu früh.
    Aber ich denke Kosky dürfte in den Feuilletons ganz gut wegkommen. Er ist ja auch ein Liebling der Feuilletons und in Interviews besticht er durch eine Art von Selbstironie, die unter Regisseuren nicht alltäglich ist. Rein handwerklich spielt Kosky auch in einer anderen Liga als Katharina Wagner, das macht die Regie aber nicht besser.


    Deine Aussage, dass die Kommentare der Bayreuth-Besucher einhellig sind, würde ich nicht unterschreiben. Die veröffentlichten Kommentare sind möglicherweise einhellig. Ich war mit meiner Frau und einem Kollegen im Kino, wir waren alle drei nicht angetan von der Inszenierung.


    Was ich mit "german trash" meine, sind u.a. die erwartbaren in der Inszenierung verwendeten Juden-Karikaturen aus dem "Stürmer" als Ballons und Maske, sowie die Kulisse des Nürnberger Prozesses bei der Festwiese. Es sind die immergleichen Versatzstücke, die in unterschiedlichen Formen daher kommen. Todlangweilig aus meiner Sicht.


    Du sagst zu Recht: Es liefen librettogetreue Inszenierungen in Bayreuth, aber wie lange ist das her. Mit 20 Jahre+ liege ich nicht falsch, oder?

  • Hallo!


    Ich finde es schade, dass ausgerechnet in Tamino keine Diskussion zu der Aufführung gestern in Gang kommt. Jeder hat - wahrscheinlich zu Recht - die Befürchtung, dass es wie immer enden würde. Dass sich ausgerechnet das führende deutschsprachige Klassikforum aus diesem Grund Keuschheit auferlegt, ist schade, aber nachvollziehbar.


    Ein Vorschlag: Jeder Tamino, der sich die Aufführung angeschaut hat, stellt seine Bewertung hier ein, ohne dass ein anderer Tamino die Äußerung kommentiert oder bewertet. Auf Verallgemeinerungen oder provokative Überzeichnungen sollte natürlich auch verzichtet werden, da Zurückhaltung der anderen sonst zur Qual würde.


    Wäre gespannt, ob es funktioniert. Ich selbst kann den Anfang leider nicht machen, da ich den 1. Akt weitgehend, den zweiten kaum und den dritten bislang gar nicht gesehen habe.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Misha schrieb

    Zitat

    Ganz bösartig könnte man natürlich mutmaßen, dass sich kaum einer traut, sich samt Foto als "ewig Gestriger" zu outen


    Und Bertarido antwortete;

    Zitat

    Klar, wenn die Aussagen anders sind als erwünscht, dann können sie natürlich nicht ehrlich gewesen sein. Warum nicht einfach mal akzeptieren, dass die Inszenierung offenbar der Mehrheit des Publikums gefallen hat, auch wenn es nicht der eigenen Meinung entspricht?


    Ich habe so gelacht als ich die Statements las:
    In Wien würde man sagen "Wie vom Plakat runtergerutscht" (soll heissen; jeglichem Klischee und Vorurteil hunderprozentig entsprechend und bestätigend)


    Die Leute haben all das gesagf, was man von ihnen erwartete, etwa wie in der TV Werbung:


    ("Auch ich empfehle Dr. Knausers Knusperwaffeln, weil sie so gut fürs Zahnfleisch sind. Ausserdem schmecken sie der ganzen Familie gut, auch wuffo der Hund nimmt sie gerne")
    oder:
    (Modisch gestyltes junges Moderatorenteam das sich an Blödheit und Grinsen perfekt ergänzt):


    Sie: Das Super tuper Pflegepolish gibst nur heute zum Sonderpreis von 49.99 Euro. Damit kann man alles polieren, sogar Essgeschirr ohne Spülmittel, Fenster wrden glasklar und aich für die Parkettpflege und als Lippenbalsam geeignet
    Er: (grinst glücklich) und das alles zu DIESEM Preis. Rein perönlich - ich benutze das Super Tuper auch als Haargel. Meine Freundinen finden das sexy
    Sie: Wie viele Packungen sind noch verfügbar ?
    Ee: Ohh - nur mehr 22 von 1000 . Da heissts rasch bestellen !! - die Nummer ist eingeblendet
    Später beim Händler kostet das Produkt etwa das vierfache !!


    Sorry - ist nur scheinbar eine Themenabweichung - trifft aber IMO in den Kern


    Wichtig war, das erwähnt wurde, daß Wagner unsympatisch sei. Das muß sich erst nach seinem Tod entwickelt haben zu Lebzeiten wurde er bewundert (vielleicht sogar über Gebühr ?)


    "Superleicht und sehr sehr schön"
    "... fand die Inszenierung sehr operettenhaft - was ihr allerdings sehr gut gefallen hat"
    "Bisher hatte jede Inszenierung immer etwas Eigenes"
    "Es kommen viele Anspielungen auf Wagners Leben und seinen Antisemitismus"
    "eine traditionelle Inszenierung, die auch Fragen aufgeworfen hat"
    "Es ist eine Comedy - Die Meistersinge sind in C-Dur geschreben - genauso wie Wagner es wollte "
    "Ich habe noch nie einen so guten ersten Akt gesehen, man kann es nicht besser machen - Daß es wahrscheinlich noch besser wird, das hoffe ich doch"


    Ja das ist wirklich zu hoffen . aber allzuviel Hoffnung würde ich mir da nicht machen.... :hahahaha:


    Die Aussagen sind von etwas gezeichnet, das ich hier nicht aussprechen will, aber meine "Zielgruppe" wird sofort wissen was ich meine.....


    WoKA schrieb:


    Zitat

    Wäre gespannt, ob es funktioniert. Ich selbst kann den Anfang leider nicht machen, da ich den 1. Akt weitgehend, den zweiten kaum und den dritten bislang gar nicht gesehen habe.


    Ich nehme an, daß dies auf fdie meisten Taminos hier im Forum zutrifft - Inszenierungen aus Bayreuth werden hier seit einigen Jahre weitgehend ignoriert....




    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Kosky kann was. Ich hatte seine "Jahrmarkt" Inszenierung in Berlin, die ich kürzlich sah, ja schon lobend erwähnt. Anders als KW beherrscht er sein Handwerk. Nur kann natürlich auch ein Könner Unsinn gekonnt umsetzen. Ob das bei den Meistersingern der Fall war, will ich nur auf Grund der kurzen Ausschnitte, die ich gestern gesehen habe, nicht beurteilen. Ich schau mir nächste Woche die Aufzeichnung in Ruhe an und gebe dann meinen Senf dazu.


    Merlin Ich glaube die letzte "konservative" Meistersinger Inszenierung (WoWa, Thielemann) habe ich 2002 in Bayreuth besucht.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ganz bösartig könnte man natürlich mutmaßen, dass sich kaum einer traut, sich samt Foto als "ewig Gestriger" zu outen ;) Mit unbequemen Meinungen läuft man schnell Gefahr, als doof zu gelten. Da spielt sicher der Hurz Effekt eine Rolle. Erst gestern habe ich im Funk gehört, dass diejenigen, die "populistischen Meinungen" anhängen (köstlich, das Volk ist populistisch) idR "bildungsfern" sind.

    Da gehe ich voll mit Dir mit, lieber Misha. Es ist weit gekommen mit unserem Kulturverständnis. Aber ich will den zitirten Besuchern der Vorstellung nicht unterstellen, daß sie keinen Gefallen gefunden haben an der Premiere. Unterstellen muß ich aber den Verantwortlichen, die diese Umfrageergebnisse eingestellt haben, eine Auslese getroffen zu haben. So gut wie keine negative Aussage, das sieht doch sehr frisiert und zensiert aus. Was nicht sein darf, muß verhindert werden. Selbst hier im Forum glaube ich nicht, daß diese Meistersinger von vielen bejubelt werden, zumal vor kurzer Zeit die Glyndebourne-Inszenierung mit dem überragenden Gerald Finley Maßstäbe gesetzt hat und hier nur positive Zuschriften fand (außer einer).


    Bezeichnend für die Einstellung des Regisseurs zum Publikum fand ich heute ein Interview mit dem Kosky (in BR 24), wo er sagte: "Die Zuschauer erwarten auf der Bühne (es ging um seine Meistersinger!!) Hakenkreuze und tote Juden - das bekommen sie aber nicht. " Wie gnädig von ihm, aber wie dumm seine Vorstellung von der Erwartungshaltung des Publikums.


    Mit einer solchen Einstellung jemanden mit der Inszenierung einer Wagneroper zu beauftragen erfordert schon ein großes Maß an Ignoranz, aber auch an Mut.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zitat von »dr.pingel«
    Der größte Murks war seinerzeit die Aufführung "Monteverdissimo" in der Komischen Oper Berlin. Da hat er alle drei Monteverdi-Opern hintereinander umgebracht; auch sängerisch und vom Orchester war es eine Schandtat der besonderen Art.



    Ich habe diese Aufführungen nicht gesehen, kenne aber sehr viele positive Stimmen dazu.

    Die Großtante meines Stiefenkels war auch drin, mit ihrem Baby. Sie fandens beide als Mist.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich habe die Aufführung nicht gesehen, nur gehört. Anschauen werde ich sie mir am Freitag in 3sat. Von der Eva abgesehen, hat mich alles sehr überzeugt. Vogt, den ich als Tannhäuser fehlbesetzt fand, ist nach dieser Aufführung für mich ganz klar ein Stolzing. Natürlich anders als die Stimmen von Kollo, Kmentt, Botha, aber wunderbar - wunderschön! Überwältigend gut auch Chor und Orchester, letzteres auch dank Jordan. Erstaunlich, wie das alles gelungen ist, obwohl für das Orchester diese Oper ja akustisch recht ungeeignet ist für das Festspielhaus. Da muss ja bis zum Gehtnichtmehr geprobt worden sein. Alle Achtung!


    Über die Moderatorin der Übertragung habe ich mich etwas gewundert, während offenbar das Regieteam auf die Bühne kam und in den überwiegenden Applaus auch einige Buhstürme einfielen, als sie wörtlich sagte: "Ich kann kein Buh, sondern nur Bravos und Begeisterung hören. Und jetzt wollen wir das kurz genießen." Was sollte das? Es klang, als sagte sie es, weil sie eben auch Buhs hörte. Wurde sie vom BR dazu gezwungen? Stalin ist doch schon lange tot. Außerdem hätte er keinen Einfluss auf Bayreuth und die deutsche Kulturpolitik gehabt.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Lieber Woka,
    Ich fang dann mal mit meiner Kritik am. Die Inszenierung von Barry Kosky hat mir gefallen, vor allem die ersten beiden Akte. Einen besseren Hans Sächs und Beckmesser, wie Michael Volle und Martin Kränzle, wird man zur Zeit nicht finden. Auch KFV hat mich als Stolzing überzeugt und Daniel Behle hatte als David auch einen sehr schönen Tenor. Frau Schwanewilms als Eva war leider, obwohl vom Regisseur so gewollt, denn er wollte eine ältere und reifere Sängerin als Eva haben, nicht glücklich besetzt. Die Buhrufe am Ende fand ich aber unnötig. Sehr gut hat mir das Dirigat von Herrn Jordan gefallen, das war nicht ganz so schwerfällig wie sonst. Ich könnte ein paar wenige Buhrufer hören, als das Regieteam auf die Bühne kam. Ansonsten gab es großen und langen Schlußjubelich
    Ich habe mal in Essen Helen Donath als Eva gehört. Da war sie zwar auch schon etwas älter, hatte aber immer noch einen sehr schönen lyrischen Sopran und war sehr textverständlich.

  • Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass es sich bei den veröffentlichten kurzen Stellungnahme von Besuchern in dem Presseartikel um leere Phrasen handelt.


    Nun haben ja einige Taminos offensichtlich die Aufführung ganz gesehen und können vielleicht erklären, warum ihnen die Inszenierung gefallen hat.
    Möglicherweise kann man ja über den üblichen Glaubenskrieg bezüglich akzeptabler Inszenierungen hinaus mal darüber diskutieren, welchen Erkenntnisgewinn beispielsweise diejenigen verzeichnen können, denen die Inszenierung gefallen hat.
    Zu welchen Einsichten in die Bedeutung des Werks und seine Aussage hat sie die Inszenierung geführt, die sie vorher nicht hatten?
    Ist die Inszenierung und sind die aus ihr zu gewinnenden Erkenntnisse (welche?)verständlich, und zwar verständlich auch für Leute, die sich nicht vorher ihr halbes Leben lang mit Wagner beschäftigt haben und möglicherweise auch nicht dem „Bildungsbürgertum“ angehören, also nicht ohne weiteres in der Lage sind, die Bezüge zu verstehen?
    Führ die neue Interpretation zu einenem Fortschritt in der Wagnerrezeption und ggf. zu welchem?
    Wenn man sich auf diese Fragen konzentriert, kann man die Diskussion ja eventuell versachlichen.
    Wie gesagt, eine eigene Meinung konnte ich mir noch nicht bilden.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Was nun die Bayreuther "Meistersinger" selbst anbetrifft, ........gäbe sehr viel dazu zu sagen. Näher will ich mich allerdings darauf nicht einlassen, weil das dann im üblichen Hauen und Stechen endet. Darauf habe ich nicht die geringste Lust. Ich empfinde es wirklich schade, dass im Forum eine sachliche Debatte zu so einem Thema nicht möglich ist.


    Ja, lieber Rheingold, ich gebe Dir in beiden Punkten recht:


    • Es gäbe sehr viel zu der Bayreuther Produktion zu sagen. Und es wäre auch nötig und absolut lohnend, die Konzeption sorgfältig zu diskutieren. Sie bietet viel Bedenkenswertes über das Werk und seinen Autor. Sie bietet aber auch Widerhaken! Es käme darauf an, zunächst die gesamte Absicht und Anlage zu klären und dann zu prüfen, wie sie umgesetzt wurde und was davon aufgeht und überzeugen kann. Dazu hätte ich Lust! Aber für die Diskussion über Inszenierungen habe ich eigentlich glücklicherweise einige Freunde, mit denen ich soetwas immer wieder beleuchten und debattieren kann - mit Gewinn für alle Seiten!


    • Dass wir hier im Forum eine solche Debatte führen könnten, habe ich keinerlei Hoffnung mehr. Solange schon vorher posaunt wird, dass man die ganze Produktion für Käse hält und keinesfalls bereit sei, sie sich auch nur anzusehen, habe ich dazu auch keine Lust mehr - zumal die mit der verstimmten Posaune dann doch ständig in die Diskussion hineintuten und wieder und wieder und wieder betonen, dass sie solche Produktionen für Frevel oder Schandtaten halten, wenn nicht gleich für Verbrechen.


    Darum habe ich seit etlichen Monaten auch nicht mehr über Aufführungen berichtet, obwohl ich meist mehr als 7 oder 8 in jedem Monat besuche. Man kommt nicht umhin, auch etwas über die Inszenierung zu sagen und dann gibt es immer wieder die üblen Attacken.
    Sich ganz auf die Sänger zu konzentrieren, ist auch keine Lösung. Wie will ich denn der Anlage des Hans Sachs durch Michael Volle - zumal der Interpretation des Wahn-Monologs - gerecht werden, wenn ich nicht auf Koskys Inszenierung , in der er ja agiert und singt, eingehe? Deshalb habe ich mich - was die Oper angeht - inzwischen auf die Sänger-Threads zurückgezogen!


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Darum habe ich seit etlichen Monaten auch nicht mehr über Aufführungen berichtet


    ... was für Taminos wie mich sehr schade ist. Ich habe nicht den Hintergrund, der es mir ermöglicht, eine solche Inszenierung wie die gestrige zu beurteilen und einzuordnen. Daher bin ich darauf angewiesen, kritischen Auseinandersetzungen von Menschen zu folgen, die eine Insznierung tatsächlich gesehen haben und sich in einen sachlichen Diskurs begeben.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • .....Ich habe nicht den Hintergrund, der es mir ermöglicht, eine solche Inszenierung wie die gestrige zu beurteilen und einzuordnen. ...


    Gruß WoKa


    Was kann und darf ein Regisseur an musikalischem, historischen, philosophischen Wissen usw. bei seinem Publikum voraussetzen?
    Ist es nicht ein grundsätzlicher und erheblicher Einwand gegen eine Inszenierung, wenn sie nur für "Fachleute" verständlich ist?

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • In den „Meistersingern“ nimmt Wagner mit viel Humor und Originalität Menschen und Strukturen des Kunst-Establishment aufs Korn.
    Dazu passend eine fiktive Frage/Antwort Runde:


    Führt die neue Interpretation zu einenem Fortschritt in der Wagnerrezeption und ggf. zu welchem?
    Antwort: Äh? Na ja, sie hat mir einfach gut gefallen.


    Zu welchen Einsichten in die Bedeutung des Werks und seine Aussage hat sie die Inszenierung geführt, die sie vorher nicht hatten?
    Antwort: Es ist ein recht einfach zu verstehender Handlungsablauf, der in Text und Musik gegossen wurde. Was soll ich da weiter verstehen?


    Wenn man sich auf diese Fragen konzentriert, kann man die Diskussion ja eventuell versachlichen.
    Antwort: Eine richtige Zielsetzung mit leider falscher Vorgabe.

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  • Ich habe nicht den Hintergrund, der es mir ermöglicht, eine solche Inszenierung wie die gestrige zu beurteilen und einzuordnen.


    Was kann und darf ein Regisseur an musikalischem, historischen, philosophischen Wissen usw. bei seinem Publikum voraussetzen?
    Ist es nicht ein grundsätzlicher und erheblicher Einwand gegen eine Inszenierung, wenn sie nur für "Fachleute" verständlich ist?


    Lieber WoKa!
    Lieber Misha!


    Der Gebrauch des Verstandes und das Verstehen sind nun mal voraussetzungsvoll!


    Mein Doktorvater pflegte zu sagen: "Wenn sie das Gefühl haben, dass sie nur die Hälfte verstanden haben, dann haben sie vielleicht ein Viertel verstanden! Damit können sie doch schon zufreiden sein!"
    Heute pflegen Professoren soetwas nicht zu sagen, aber falsch ist es eigentlich nicht. Nur heute haben sich viele Zeitgenossen angewöhnt, sich gemütlich in der Haltung einzurichten, dass ihnen gefälligst nichts schwer zu verstehendes zugemutet wird.


    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer sehr weiterführend ist, sich mit Anderen offen auszutauschen. Manchmal kommt man
    dabei erst auf die richtigen Fragen. Vor allem hilft ein Austausch mit Menschen, die andere Erfahrungen und Kenntnisse haben. Als gelernter Historiker hatte ich bei der gestrigen Inszenierung eigentlich weniger Probleme, den Ansatz und die Konzeption zu verstehen. Oft aber gibt es Inszenierungen, da bin ich darauf angewiesen, dass mir Philosophen oder Semiotiker, Theologen, Kunstwissenschaftler oder Anthropologen auf die Sprünge helfen! Wenn es dann aha-Effekte gibt, ist das wunderbar!


    Nicht-Verstehen und die Unsicherheit, wie man etwas beurteilen und einordenen soll, sind wirklich kein Makel. Aber wenn man sich darauf zurückzieht, dann ist das einfach nur traurig!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Ich schau mir nächste Woche die Aufzeichnung in Ruhe an und gebe dann meinen Senf dazu.

    Lieber Misha,


    ich mache es genau wie Du. In aller Ruhe anschauen, darüber nachdenken und erst danach urteilen. Obwohl mein Freund Bernd Weikl, der selbstverständlich die "Meistersinger" so gut wie kaum ein anderer kennt, mit seinen Kommentaren erhebliche Zweifel bei mir auslöste. Er fand den ganzen Antisemismus und Juden- und Nazivergleich schrecklich. Es kann schon die Frage gestellt werden, ob den Regisseuren, besonders wenn sie handwerklich so gut sind wie Kosky es sein soll, nichts originelleres, besseres einfällt, als das ständige Rühren in der ewig wieder aufgekochten Nazisuppe. Man muss uns Deutsche halt immer wieder an die Schuldfrage erinnern. So wird es wahren, innerlich gefestigten Frieden zwischen uns und den Juden, den sich sicherlich die meisten von uns wünschen, kaum geben, denn Frieden benötigt auch Verzeihen. Um das zu erreichen müssen die Wunden, die geschlagen wurden, vernarben um in Ruhe ausheilen zu können.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • ich mache es genau wie Du. In aller Ruhe anschauen, darüber nachdenken und erst danach urteilen. Obwohl mein Freund Bernd Weikl, der selbstverständlich die "Meistersinger" so gut wie kaum ein anderer kennt, mit seinen Kommentaren erhebliche Zweifel bei mir auslöste. Er fand den ganzen Antisemismus und Juden- und Nazivergleich schrecklich. Es kann schon die Frage gestellt werden, ob den Regisseuren, besonders wenn sie handwerklich so gut sind wie Kosky es sein soll, nichts originelleres, besseres einfällt, als das ständige Rühren in der ewig wieder aufgekochten Nazisuppe.


    Man sollte vielleicht festhalten, dass die aktuelle Bayreuther Inszenierung der Meistersinger m.E. mit keinerlei "Nazivergleichen" oder einer "aufgekochten Nazisuppe" (was auch immer das in diesem Zusammenhang genau sein mag) aufzuwarten vermag. Des weiteren ist das Thema Wagner und der Antisemitismus, sowie die Frage, ob bzw. inwieweit die Meistersinger und speziell die Figur des Beckmesser antisemitisch konnotiert sind, sicher älter, als das Regietheater.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Man sollte vielleicht festhalten, dass die aktuelle Bayreuther Inszenierung der Meistersinger m.E. mit keinerlei "Nazivergleichen" oder einer "aufgekochten Nazisuppe" (was auch immer das in diesem Zusammenhang genau sein mag) aufzuwarten vermag. Des weiteren ist das Thema Wagner und der Antisemitismus, sowie die Frage, ob bzw. inwieweit die Meistersinger und speziell die Figur des Beckmesser antisemitisch konnotiert sind, sicher älter, als das Regietheater.


    So ist es. Und deshalb muss sich eine Inszenierung der "Meistersinger" jedenfalls in Deutschland irgendwie zu diesem Thema verhalten.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich werde mich auch aus solchen Diskussionen heraushalten und nur noch von live erlebten Opernbesuchen berichten, oder in der Rubrik Neue Stimmen schreiben. Ich habe mal bei WIkepedia nachgeschaut , was Diskussion eigentlich bedeutet :


    Diskussionsstile
    Zu einem guten Diskussionsstil (siehe auch Streitkultur) gehört neben wechselseitigem Respekt unter anderem, gegenteilige Argumente und Meinungen zuzulassen und genau zu prüfen, anstatt diese vorschnell zu verwerfen. Ein guter Diskutant hört zu, lässt ausreden und ist konzentriert genug, um auf das vom Gegenüber Gesagte einzugehen und seine eigenen Argumente sachlich darzustellen. Im Idealfall ist er gelassen und höflich. Oftmals ist aber Gegenteiliges zu beobachten, zum Beispiel in der Politik (siehe auch Debatte)
    Noch ein letztes zu den Meistersingern Kosky hat auch die Schlußansprache des Hans Sächs so gelassen und sie nicht unterbrochen und umgedeutet. Der Schuß mit dem Statistenorchester hat mich an jüdische KZ Häflinge erinnert, die für die SS Offiziere zur Unterhaltung spielen mussten.

  • So ist es. Und deshalb muss sich eine Inszenierung der "Meistersinger" jedenfalls in Deutschland irgendwie zu diesem Thema verhalten.


    Lieber Bertarido!
    Lieber MSchenk!


    Dem kann ich wirklich nur voll zustimmen.


    Und Kosky hat es sehr sensibel und sublim getan!
    Mich zumindest hat insbesondere seine Idee, dass "Gericht gehalten" wird (großartig die Anknüpfung an die Zitate im Text der Oper selber!) über die Geschichte mit all ihren Fehlwegen, Verfehlungen und "unnütz toller Wut"! Und dann die Schlußapotheose, in der ganz mutig veranschaulicht wird, dass doch - was immer verurteilt werden muss und verurteilt wird - die "heil'ge deutsche Kunst" bleibt! Eine Kunst die nicht starren Regeln folgt sondern frei ist, Neues zu wagen!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Noch ein letztes zu den Meistersingern Kosky hat auch die Schlußansprache des Hans Sächs so gelassen und sie nicht unterbrochen und umgedeutet. Der Schuß mit dem Statistenorchester hat mich an jüdische KZ Häflinge erinnert, die für die SS Offiziere zur Unterhaltung spielen mussten.


    Eine sehr interessante Assoziation! - Vielleicht wäre es sogar konsequent gewesen, das Schlussbild darauf hinauslaufen zu lassen: Am Anfang haben wir einen Wagner, der irgendwann aus der Ecke seiner Stube sich und "den Seinen" bei einer Hausprobe der Meistersinger zusieht, der aber auch mit der Figur Levi-Beckmesser höchst zweifelhaft "umgeht". Am Ende des ersten Aufzuges tritt er aus diesem Raum heraus, der sich gleichzeitig in den Nürnberger Gerichtssaal wandelt. Wagner steht alleine und sieht sozusagen auf das Ende dessen, was möglich war und geschehen ist. Natürlich ist Wagner nicht Grund und Ursache des Dritten Reiches, aber er ist ein Teil des Weges dorthin.
    Der Kreis schließt sich dann mit Sachsens "Verachtet mir die Meister nicht!", wie er, weiter auch als Wagner-Figur, alleine auf weiter Bühne händeringend, ja verzweifelt an das Publikum appeliert, die Kunst zu schätzen und vor allem Mißbrauch zu schützen. Und dazu würde Dein Bild m.E. sehr passen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich enthalte mich einer Meinung, stelle aber mal als Service für alle Interessenten den TV - Video - Text rein:


    Seite:502/1 3satText 26.07.17 21:56:31


    Kultur Nachrichten


    Bayreuth: "Meistersinger" umjubelt


    Die Bayreuther Festspiele sind am Dienstag mit einer fast einhellig bejubelten Neuinszenierung
    von Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" eröffnet worden.
    Regisseur Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, hatte Wagners einzige komische Oper
    als eindringlichen Weckruf gegen Antisemitismus und Fremdenhass konzipiert.


    Unter den Ehrengästen der Premiere waren König Carl Gustaf von Schweden mit Königin Silvia.
    Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer waren dabei.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zwar erschließt sich mir der Sinn des obigen Einwurfes nicht gänzlich, aber zum Zwecke der Beckmesserei sei zumindest folgendes angemerkt:


    M.W. zählt auch Wagners Liebesverbot (nach Shakespeares Komödie Maß für Maß) zum Fach der komischen Oper :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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