Bayreuther Festspiele 2017: Eröffnungspremiere "Die Meistersinger von Nürnberg"

  • Zwar erschließt sich mir der Sinn des obigen Einwurfes nicht gänzlich,

    Was gibt es da zu erschließen? Und hier ist auch meinerseits kein Einwurf erfolgt!
    Ich habe als gutgemeinten Service für die Interessenten an diesem Thema den TV - Video - Text wörtlich kopiert und hier reingestellt, nicht mehr und nicht weniger.
    Von mir ist kein Wort dazu. Die Diskussion zu diesem Thema überlasse ich Euch.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber caruso,


    wie Du weiter oben geschrieben hast, gehst Du im Monat mehrmals in die Oper und das schon seit ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Das würde Dich in meinen Augen schon als einen überdurchschnittlich bewanderten Opernkenner ausweisen ;)


    Wenn ich dann aber von Dir lese:

    Oft aber gibt es Inszenierungen, da bin ich darauf angewiesen, dass mir Philosophen oder Semiotiker, Theologen, Kunstwissenschaftler oder Anthropologen auf die Sprünge helfen! Wenn es dann aha-Effekte gibt, ist das wunderbar!

    dann stellt sich mir schon die Frage, für wen wird in einigen Opernhäusern Theater gemacht, wenn sich selbst Experten wie Dir, Inszenierungen erst nach Konsultation von Fachwissenschaftlern erschliessen? Gibt es da nicht vielfach eine immense Kluft zwischen dem, was seitens der Macher transportiert werden soll (und ich unterstelle mal, das im besten Falle eine solche Botschaft besteht), und dem, was dem Publikum zugänglich ist?


    Ich höre immer wieder das Argument, das Publikum würde viele Stücke heute nicht verstehen, und das Werk müßte für die Jetztzeit erlebbar gemacht werden. Aber wenn ich zum Verstehen des Gesehenen/Gehörten (das eigentlich schon die Übersetzung für mich als Mensch der Jetztzeit ist) Expertise in mindestens drei zusätzlichen Fachgebieten brauche, geht es in meinen Augen an der Realität vorbei und verfehlt vielfach das Ziel.


    beste Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Zitat

    Zitat von Orsini: Aber wenn ich zum Verstehen des Gesehenen/Gehörten (das eigentlich schon die Übersetzung für mich als Mensch der Jetztzeit ist) Expertise in mindestens drei zusätzlichen Fachgebieten brauche, geht es in meinen Augen an der Realität vorbei und verfehlt vielfach das Ziel.

    Lieber Orsini,


    du hast mir wieder einmal aus der Seele gesprochen. Wenn nur noch gilt, dass man eine Inszenierung nur durch das Studium verschiedener Fachrichtungen verstehen kann, dann wird die Mehrheit der Zuschauer ausgeschlossen. Zudem sind bei jeder neuen Inszenierung andere Studien notwendig. Ich hatte schon immer den Eindruck, dass einige der Befürworter völlig außerhalb jeder Realität stehen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • dann stellt sich mir schon die Frage, für wen wird in einigen Opernhäusern Theater gemacht, wenn sich selbst Experten wie Dir, Inszenierungen erst nach Konsultation von Fachwissenschaftlern erschliessen? Gibt es da nicht vielfach eine immense Kluft zwischen dem, was seitens der Macher transportiert werden soll (und ich unterstelle mal, das im besten Falle eine solche Botschaft besteht), und dem, was dem Publikum zugänglich ist?


    Ich bin zwar nicht Caruso41, würde aber gerne folgendes zu Bedenken geben:


    Zweifellos gibt es verschiedene Ebenen des Verstehens und kaum jemand würde z.B. behaupten, er hätte Goethes Faust I verstanden allein, wenn er der Handlung folgen kann (extremer noch ist es beim Faust II, wo es schon mit der Handlung schwierig wird ...). Interessanterweise wird hier aber auch kaum erwartet, dass diese Werke unmittelbar zugänglich sind. Bei einer Operninszenierung aber sehr wohl. Warum ist das so?


    Für mich verhält es sich in groben Zügen etwa folgendermaßen: Es gibt immer zwei Geschichten, zum einen haben wir die Handlung der Oper erzählt durch Musik und Text und zum anderen die durch die Inszenierung erzählte Geschichte. Wenn es nicht so gut läuft, haben beide Geschichte zuwenig oder auch zuviel miteinander zu tun. Dann reicht es, sich das Ganze einmal anzuschauen und beim nächsten Mal die Augen zu zu machen. Ein Erkenntnisgewinn ist nicht zu erwarten.
    Wenn es hingegen gut läuft, haben die beiden Geschichten einerseits viel miteinander zu tun, d.h. sie beziehen sich in vielfältiger und vor allem kluger Art und Weise aufeiander, aber diese Bezüge sind eben nicht trivial und offensichtlich. Mithin reicht das eigene Wissen bzw. die eigene Interpretationsfähigkeit nicht für die Entschlüsselung aller Aspekte und man braucht u.U. zusätzliches Wissen von außen. Allerdings, und da gebe ich Dir vollkommen recht, ist das Thema verfehlt, wenn eine Entschlüsselung nur mit zusätzlichem, "externen Wissen" möglich ist. Wieder auf Goethes Faust bezogen hieße dies, der Faust I ist auch deshalb gut, weil er eine Interpretation aus sich selbst und aus den Erfahrungen des Lesers heraus erlaubt, während der Faus II m.E. dieses Kriterium nicht erfüllt ... wobei ich mich jetzt nicht soweit herauslehne und behaupte, der Faust II sei schlecht :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • So ist es. Und deshalb muss sich eine Inszenierung der "Meistersinger" jedenfalls in Deutschland irgendwie zu diesem Thema verhalten.

    "Irgendwie" verhält sich jede Inszenierung dazu, selbst wenn sie es nicht thematisiert.

  • Ist immer wieder spektakulär zu sehen, wie große Kunst als Projektionsfläche einer politischen Agenda missbraucht werden soll...sei es in der Diktatur des 3. Reiches oder dem Parlamentarismus

  • Zitat

    Ist immer wieder spektakulär zu sehen, wie große Kunst als Projektionsfläche einer politischen Agenda missbraucht werden soll...sei es in der Diktatur des 3. Reiches oder dem Parlamentarismus


    Absolut richtig. Dahinter kann man sich gut verstecken - interessant ist, daß der "Fürsprecher der Freiheit" - Friedrich von Schiller besonders gern vereinnahmt wird.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Und deshalb muss sich eine Inszenierung der "Meistersinger" jedenfalls in Deutschland irgendwie zu diesem Thema verhalten.

    Und warum erst jetzt? Warum nicht vor 70, 60 ,50, 40 oder 30 Jahren? Bitte erkläre es mir.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Der Kreis schließt sich dann mit Sachsens "Verachtet mir die Meister nicht!", wie er, weiter auch als Wagner-Figur, alleine auf weiter Bühne händeringend, ja verzweifelt an das Publikum appeliert, die Kunst zu schätzen und vor allem Mißbrauch zu schützen.

    Aber kann Wagner nicht einfach auch gemeint haben, daß er damit schon eine andere Auslegung als Mißbrauch bezeichnen würde? Ich muß zugeben, lange nicht meine 2 Wagner-Biographien gelesen zu haben und werde mich wieder einmal damit befassen. Über die Entstehungsgeschichte der Meistersinger steht unheimlich viel drin. Aber sicher kann man auch nachlesen, was sowohl für eine werkgetreue Inszenierung spricht als auch für das, was hier Regietheater genannt wird.


    Sicher ist nur eines: Nicht Wagner hat sich mit Auslegungen seiner Werke durch Philosophen des 20. Jahrhunderts befaßt (das wäre ja Utopie), sondern umgekehrt. Und da ist natürlich die Tür offen für Auslegungen in jede Richtung.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wenn ich dann aber von Dir lese:



    dann stellt sich mir schon die Frage, für wen wird in einigen Opernhäusern Theater gemacht, wenn sich selbst Experten wie Dir, Inszenierungen erst nach Konsultation von Fachwissenschaftlern erschliessen? Gibt es da nicht vielfach eine immense Kluft zwischen dem, was seitens der Macher transportiert werden soll (und ich unterstelle mal, das im besten Falle eine solche Botschaft besteht), und dem, was dem Publikum zugänglich ist?


    Lieber Orsini.


    MSchenk hat ja schon statt meiner eine Antwort gegeben!


    Ich kann nur wieder meinen Doktorvater zitieren, der nach der gemeinsamen Lektüre schwerer Texte zu sagen pflegte:


    "Wenn sie das Gefühl haben, dass sie nur die Hälfte verstanden haben, dann haben sie vielleicht ein Viertel verstanden! Damit können sie doch schon zufreiden sein!"


    Heute habe ich vielleicht andere Prozentzahlen als ich als Student hatte. Nicht nur bei Texten, die ich lese, sondern auch bei Inszenierungen, die ich im Opernhaus zu sehen bekomme.
    Aber dass ich alle Bedeutungs- und Sinnrecourcen einer anspruchsvollen Inszenierung auf Anhieb entschlüsseln kann, würde ich mir nicht anmaßen zu behaupten. Auch nach mehr als 60 Jahren, in denen ich viele, viele Opernaufführungen verschiedener Regisseure erlebt und ein bisschen was über Musik und Theater gelesen habe, nicht!
    Ist das ein Grund zum Schämen? Nein, eigentlich eher zur Freude!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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  • Die peinlichen Promistatements laß ich gerne weg, es bleiben daher nur 2 der veröffentlichten Aussagen im Nordbayerischen Kurier zur Eröffnungspremiere 2017 übrig:



  • Aber kann Wagner nicht einfach auch gemeint haben, daß er damit schon eine andere Auslegung als Mißbrauch bezeichnen würde?

    Ja, natürlich kann er auch das gemeint haben. Allein, wir können ihn nicht mehr befragen. - Es ist doch so, dass eine Inszenierung im Wesentlichen nichts anderes ist, als eine Interpretation des aufgeführten Werkes durch den Regisseur. Und weiter interpretiert der Zuschauer wiederum diese Interpretation. Wenn ich das nicht will, also lieber die Oper direkt und ohne den Filter des Regisseurs wahrnehmen möchte, bleibt mir kaum etwas anderes, als die Partitur zu studieren, denn auch das reine Anhören einer Einspielung läuft ja auf nichts anderes hinaus, als meine Interpretation der Interpretation der Aufführenden. Letztlich geht es dann um die Frage, ob die Interpretation des Regisseurs (oder des Aufführenden) sich nachvollziehbar bzw. aus dem Werk heraus begründen läßt und ob ich dieser Begründung folgen mag.
    Insofern kann ich es auch gut nachvollziehen, wenn jemand sagt/schreibt, er kann oder will einer Inszenierung/Interpretation aus ebenfalls nachvollziehbaren Gründen nicht folgen. Worüber ich hingegen nicht diskutieren muss, wenn eine Inszenierung/Interpretation einfach als beschissen, krank etc. abqualifiziert oder noch einfacher der Regie gleich jegliches Recht der Interpretation abgesprochen wird.


    Sicher ist nur eines: Nicht Wagner hat sich mit Auslegungen seiner Werke durch Philosophen des 20. Jahrhunderts befaßt (das wäre ja Utopie), sondern umgekehrt. Und da ist natürlich die Tür offen für Auslegungen in jede Richtung.

    Dieses "Problem" betrifft ja nicht nur Wagner oder die Oper an sich. Vielleicht hat es mit der Indirektheit zu tun, welche letztlich der Tatsache geschuldet ist, dass die allermeisten von uns eine Oper nicht alleine anhand der Partitur "verstehen" können. Leichter ist es z.B. bei der Beschäftigung mit Literatur, denn hier benötigt der Leser zumeist keinen Mittler, der das Gelesene (auf seine Art) verdeutlicht. Als Paradebeispiel in der Literatur wäre z.B. Kafka zu nennen, dessen Werk sich auf vielfältigste Weise interpreterien läßt und ja auch entsprechend interpretiert - und durchaus auch überinterpretiert - wurde.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • hallo Michael,


    Zweifellos gibt es verschiedene Ebenen des Verstehens und kaum jemand würde z.B. behaupten, er hätte Goethes Faust I verstanden allein, wenn er der Handlung folgen kann (extremer noch ist es beim Faust II, wo es schon mit der Handlung schwierig wird ...). Interessanterweise wird hier aber auch kaum erwartet, dass diese Werke unmittelbar zugänglich sind. Bei einer Operninszenierung aber sehr wohl. Warum ist das so?

    Für mich gibt es da eine relativ simple Erklärung:
    Es ist die andere Komplexität/literarische Struktur eines Opernlibrettos. Charaktere werden vereinfacht, holzschnittartiger, komplizierte Situation werden auf gewisse Stereotypen reduziert, um der Musik einen entsprechenden Unterbau zu geben, auf dem sich das musikdramatische Werk entfaltet.
    Insofern stehen typische Opernlibretti (von wenigen Ausnahmen wie Hugo von Hofmannsthal, Literaturopern wie Reimanns "Lear" o.ä. abgesehen) auf einer anderen Stufe als z.B. der von Dir erwähnte Faust I oder Faust II.
    Wenn man aber nun versucht, ein relativ einfaches Libretto (einfach im Sinne von: es gibt nur eine wirkliche Bedeutungsebene, im simpelsten Falle reden wir von einem Märchen wie Hänsel und Gretel) durch die Inszenierung auf ein Faust I oder Faust II Niveau von Bedeutungsebenen zu heben (plakativ würde ich es "überinterpretieren" nennen), laufen für mich die beiden Geschichten, die Du erwähnt hast (Geschichte von Text und Musik sowie die Geschichte der Handlung/Inszenierung), komplett auseinander. Damit verliert für mich die Aufführung ihren essentiellen Kern.


    Aber das ist auch eine Frage der persönlichen Erwartungshaltung: für mich sollten die beiden Geschichten zusammenlaufen, anderen mag es intellektuellen Anreiz bieten, wenn die Geschichten es nicht oder nicht vollständig tun.


    viele Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Für mich gibt es da eine relativ simple Erklärung: Es ist die andere Komplexität/literarische Struktur eines Opernlibrettos. Charaktere werden vereinfacht, holzschnittartiger, komplizierte Situation werden auf gewisse Stereotypen reduziert, um der Musik einen entsprechenden Unterbau zu geben, auf dem sich das musikdramatische Werk entfaltet.
    Insofern stehen typische Opernlibretti (von wenigen Ausnahmen wie Hugo von Hofmannsthal, Literaturopern wie Reimanns "Lear" o.ä. abgesehen) auf einer anderen Stufe als z.B. der von Dir erwähnte Faust I oder Faust II.

    Über die Oberflächlichkeit oder auch Tiefsinnigkeit von Operntexten wurde hier im Forum ja schon viel geschrieben, aber vermutlich hast Du nicht unrecht: In der allermeisten Fällen sind Opernlibretti zumindest aus literarischer Sicht eher Unterkomplex - wobei ich z.B. nicht glaube, dass dies auf Wagners Texte zutrifft. Andererseits ist aber eine Oper als Ganzes (ich vermeide jetzt mal den Terminus Gesamtkunstwerk ;) ) eventuell die komplexeste Kunstform (Ja, es gibt auch diverse Ausnahmen!), die der westliche Kulturkreis anzubieten hat. Und bei einer guten oder zumindest ernstmeinenden Inszenierung geht es dann auch darum, nicht nur den Text, sondern eben die jeweilige Oper als Ganzes zu inszenieren/interpretieren.


    Insofern sehe ich in einer Oper natürlich mehr, als nur eine, also die rein textliche Bedeutungsebene und halte es für angemessen, die Ebenen zu heben. Aber wie Du schließlich sagst, ist dies sicher auch ein Frage der persönlichen Erwartungshaltung.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Worüber ich hingegen nicht diskutieren muss, wenn eine Inszenierung/Interpretation einfach als beschissen, krank etc. abqualifiziert oder noch einfacher der Regie gleich jegliches Recht der Interpretation abgesprochen wird.

    Lieber MSchenk,


    Deinem gesamten Betrag 72 kann ich voll zustimmen. Leider hat kaum ein Normalbürger die Möglichkeit, sich anhand einer Partitur vom Vorhaben des Komponisten zu informieren. Wer kann schon Partitur lesen? Ich kann zwar Noten lesen, aber eine Partitur? Und ich behaupte mal ganz einfach, daß weniger als 0,5 % der Opernbesucher in einem normalen Theater das ebenfalls nicht können. Der Komponist hat ja eine Oper geschrieben, damit sie aufgeführt wird und damit einem breiten Publikum zugänglich wird. Bezweifeln muß ich aber, ob eine Ansiedlung des Rigoletto unter Affen oder die vielgescholtenen Bayreuther Inszenierungen der letzten Jahre einen Beitrag zum Werk eines Komponisten darstellen. Sie sind vielmehr ein Beitrag eines Regisseurs zu einem Werk eben dieses Komponisten Darunter sind auch Inszenierungen, bei denen ich mich nicht scheue, sie als beschissen usw. zu bezeichnen.


    Das gegenbeispiel war die halbszenische Rigoletto-Inszenierung aus Hannover. Ich habe im Thread über Aufführungen aus Rundfunk und Fernsehen ausführlich darüber geschrieben und bin soagr der Meinung, daß diese Aufführung in denselben Kulissen und Kostümen mir sogar ohne den Zusatz "halbszenisch" gefallen hätte, denn das Werk wurde toll gesungen, nichts neues hineininterpretiert und nicht dazugedichtet. So lasse ich mir sogar "Regietheater" gefallen, der Regisseur in Hannover hat gute Arbeit geleistet.


    Auf der Basis Deines Beitrages 72 sehe ich gute Möglichkeiten einer sachlichen Diskussion.


    Offen ist aber noch die Antwort von Bertarido auf meine Frage


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ist das nur bei mir, oder gibt es während der Übertragung fast jede Minute einen kurzen akustischen Aussetzer? Ich will's nicht verschreien, aber jetzt um 20:30 Uhr liegt der letzte Aussetzer schon vier Minuten zurück.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Ist auch bei mir so! Will man die dvd sponsern?


    Die Störungen ziehen sich durch die ganze Aufführung. So kann ich die Oper nicht genießen. Wer ordnet das an? Nach diesem Ärger werde ich mir die DVD ganz sicher nicht kaufen. Da greife ich lieber auf die Radio-Aufnahme zurück.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Aus reiner Verzweiflung über das ansonsten miserable Fernsehprogramm habe ich 3-Sat eingeschaltet.


    Als erstes fielen mir auch die Tonaussetzer auf. Damit sollte wohl verhindert werden, daß jemand aufzeichnet und Genuß konserviert. Dann habe ich viel Ähnlichkeit im Bühnenbild des 1. Aktes mit der zuletzt vor einem Jahr gesehenen Inszenierung in Chemnitz festgestellt. Da wurde der 1. Akt in ein Museum verlegt, und hier war es eben die Bibliothek oder das Arbeitszimmer in Wahnfried. Gefallen hat mir beides nicht. Aufgefallen ist mir trotz der Tonprobleme eine ordentliche musikalische Qualität, betreffend besonders das Orchester, aber auch gesanglich. Ein Grund zur Konservierung war es nicht, wobei mich zuallererst das Bühnenbild gestört hat. Aber auch da habe ich schon viel schlimmeres erlebt, aber eben auch viel besseres (z.B. Chemnitz vor 25 Jahren, Dresden vor 20 Jahren)


    Als die Tonstörungen nach 45 min noch nicht weg waren, habe ich sie als Alibi zum Abschalten genutzt. Schluß, aus vorbei, auch keine Mediathek, denn da sind sicher die Tonproblem auch da.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Wer hat denn gesagt, dass diese Notwendigkeit erst jetzt besteht? Sie bestand schon immer, gerade in Bayreuth


    Die Störungen ziehen sich durch die ganze Aufführung. So kann ich die Oper nicht genießen.


    Die Aufzeichnung gibt es immer noch in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks: http://www.br.de/mediathek/vid…le-konzert-video-102.html


    Mir sind keine Störungen aufgefallen, aber ich habe mir bisher auch nur einige kürzere Ausschnitte angeschaut.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Lieber La Roche,


    auch, wenn wir uns hier natürlich vom eigentlichen Thema, d.h. der diesjährigen Bayreuther Meistersinger-Neuinszenierung entfernen, mag ich trotzdem antworten:


    [...] Der Komponist hat ja eine Oper geschrieben, damit sie aufgeführt wird und damit einem breiten Publikum zugänglich wird. Bezweifeln muß ich aber, ob eine Ansiedlung des Rigoletto unter Affen oder die vielgescholtenen Bayreuther Inszenierungen der letzten Jahre einen Beitrag zum Werk eines Komponisten darstellen. Sie sind vielmehr ein Beitrag eines Regisseurs zu einem Werk eben dieses Komponisten.

    Hier verstehe ich nicht, was Du meinst, also wo der Unterschied liegt? - Ich denke, zuersteinmal ist jede Inszenierung ein Beitrag eines Regisseurs zu einem Werk eines anderen, was ja schlechterdings auch garnicht anders möglich ist (lassen wir den Spezialfall Regisseur = Verfasser mal außen vor). Ob so ein Beitrag dann sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt Papier.


    Aber was kann eigentlich sinnvoll sein? - M.E. gibt auch hier verschiedene mögliche Dimensionen und sicherlich sind weitere denkbar:

    • Ich kann mich als Regisseur innerhalb des Werkes bewegen und dort z.B. bestimmte Figuren- oder Handlungskonstellationen herausheben oder betonen, die mir in dem Stück besonders wichtig erscheinen.
    • Ich kann mich als Regisseur insofern über das Werk hinausgehen, als dass ich innere Aspekte des Stückes auf externe Aspekte abbilde; ein Vorgehen, dass gemeinhin - allerdings wohl nur vereinfachend - als Aktualisierung verstanden wird.
    • Ich kann mich als Regisseur dafür entscheiden, dass Stück genauso zu lassen, wie es ist - wobei auch das sicherlich keine triviale Entscheidung ist.

    Es ist unschwer zu erraten, dass ich die ersten beiden Ansätze für die spannenderen halte mit einem Stück umzugehen. Allerdings ist die Gefahr, bei a. oder b. Schiffbruch zu erleiden natürlich ungleich größer, als bei c., und das Resultat ist dann eben das Folgende:


    Darunter sind auch Inszenierungen, bei denen ich mich nicht scheue, sie als beschissen usw. zu bezeichnen.

    Da ist nichts gegen zu sagen. Allerdings lassen sich gegen ein solches Urteil, so es denn als reines Statement verbleibt, keinerlei Argumente ins Feld führen und eine Diskussion kann nicht zustande kommen. Auch dies halte ich für legitim, denn manchmal möchte man einfach nur sagen/schreiben, dass man etwas beschissen findet.
    Schwierig wird es, wenn man, wie z.B. Gerhard es gerne tut im selben Atemzug von seinem Gegenüber einfordert, er möge das Ganze doch bitte konkret und plausibel erklären, damit man die Inszenierung bitteschön nicht mehr beschissen fände. Ein solches unterfangen wäre so offensichtlich zum scheitern verurteilt, dass ich alleine die sich ständig wiederholende Aufforderung als unnötig provokant empfinde. Nicht nur schwierig, sondern geradezu unerträglich wird es für mich dann, wenn jemand es nicht bei der "beschissenen Inszenierung" beläßt, sondern von dort unumwunden auf die Beschissenheit oder gar psychische Krankheit des Regisseurs (und eigentlich auch derjenigen, welche die Inszenierung eben nicht beschissen finden) schließt. In einem solchen Moment ist dann der Boden einer Diskussion endgültig verlassen.


    Offen ist aber noch die Antwort von Bertarido auf meine Frage:

    Und warum erst jetzt? Warum nicht vor 70, 60 ,50, 40 oder 30 Jahren? Bitte erkläre es mir.

    Ich, obwohl nicht Bertarido, versuche es mal mit einer eher formal-analytischen Antwort: Wie Merlin weiter oben zwar trivial, aber doch vollkommen richtig bemerkt hat, verhält sich jede Inszenierung irgenwie zu einem Stück und seinem Umfeld im allerweitesten Sinne, und dies gilt nicht nur für die Inszenierung, sondern natürlich auch für das Stück selbst. Offenbar ist es hier sehr ähnlich zu dem, was Paul Watzlawick für die zwischenmenschliche Kommunikation feststellt: Man kann nicht nicht kommunizieren!


    Betrachten wir nun zwei zentrale Themen: Antisemitismus und Nationalsozialismus, so denke ich ich, dass sich Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg (und deren Aufführungen) schon immer zum Thema Antisemitismus verhalten hat, einfach weil das Thema viel älter ist, als die Oper. Entsprechend anders verhält es sich mit dem Thema Nationalsozialismus, da ein "sich zum Thema Nationalsozialismus verhalten" rein historisch ja erst seit ca. 80-90 Jahren möglich ist. - So weit, so logisch. - Etwas anderes ist es natürlich mit dem "Müssen": Wie gesagt läßt sich das Sich zu einem Themen Verhalten praktisch nicht verhindern (Watzlawick). Dies gilt insbesondere für das Stück selbst, welches in diesem Sinne ja gar keine Wahl hat; es muß nicht, sondern es tut durch schiere Existenz. Die Regie bzw. Inszenierung jedoch hat natürlich eine Wahl, wenngleich diese nicht darin besteht, ob oder ob nicht (weil nicht ja nicht geht und auch Verweigerung ein sich Verhalten zu etwas ist), sondern inwieweit und in welcher Form.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich bin ein großer Freund davon, Themen irgendwie "zusammenzuhalten", weshalb ich mir auch erlaube Sixtus Eindrücke zu den Bayreuther Meistersingern hierher zu kopieren:



    Eine falsche Bewegung hat meinen Bericht abrupt unterbrochen. Jetzt also weiter:
    Der 2.Akt spielt (statt in der Nürnberger Altstadt) in einer Art vergammeltem Innenhof, offenbar Teil des Gebäudes der späteren Kriegsverbrecherprozesse, natürlich ohne blühenden Fliederbaum. Die Atmosphäre der Mittsommernacht fehlt, Stolzing und Eva müssen sich hinter einer Kompostlege verstecken.
    Der 3.Akt findet zur Gänze (statt in der Schusterstube und später auf der Festwiese) im Gerichtssaal dieses Gebäudes statt. Also 2 Stunden leere Bühne, möbliert von Gerichtsbänken, die dann zuerst durch das Personal der Schusterstube, dann von der Nürnberger Bevölkerung gestürmt werden.
    Die Einzelheiten der dadurch verfremdeten Handlung zu beschreiben, erspare ich mir. Es funktioniert nach der Methode: Reim dich, oder ich fress dich. Die politisch unkorrekten Sätze von der deutschen Kunst muss Sachs vor leerem Saal sprechen, weil das Publikum rechtzeitig zwischengelagert wurde.


    Nicht ersparen kann ich mir die Feststellung:
    Wagner war zwar Antisemit (wie sehr viele seiner Zeitgenossen!). Aber er ist nicht verantwortlich zu machen für das, was lange nach seinem Tode aus seinem Werk gemacht wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Künstler wie er sich mit den tonangebenden Nazis auf eine Stufe gestellt hätte. (Was seine Familienmitglieder nach ihm getan haben, hat er nicht zu verantworten.) Deshalb sind die hier beschriebenen Zuordnungen willkürliche Manipulationen, die mit seinem Werk nichts zu tun haben - auch wenn derartige Zuordnungen heute Hochkonjunktur haben - meint Sixtus

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Als Grundlage, was sagt der Meister selbst dazu:


    Nach dem "Holländer" ging es zu meiner Erholung in ein böhmisches Bad. Hier fühlte ich mich bald leicht und frei.
    Gute Freunde hatten mir schon vorher das Schreiben einer komischen Oper, einer Oper "leichteren Genres" ans Herz gelegt.
    So kam es zu den Meistersingern.
    Ich faßte Hans Sachs als die letzte Erscheinung des künstlerisch produktiven Volksgeister auf und stellte ihn mit seiner Geltung der meistersingerlichen Spießbürgerschaft gegenüber.

  • OPERUS hat mir einen Text von Kammersänger Bernd WEIKL zukommen lassen, welchen ich mit dessen ausdrücklicher Bewilligung hier abdrucke:


    Meistersinger in Bayreuth 2017


    Wagner hatte damals auf den Rat von Freunden gehört und ein „Lustspiel“ geschrieben. Herr Kosky hat das gleich erkannt und umgesetzt. Den kapitalen Fehler bei dieser Inszenierung hat er zur Freude des Publikums gleich mit eingeschlossen.


    Wagner schreibt in seiner Partitur: Ort: Nürnberg. Zeit: 15. Jahrhundert, da gab es keine Juden, denen man die Position eines Stadtschreibers überantwortet hätte. Beckmesser kann also auf keinen Fall Jude sein. Auch war Hanslick kein Jude, für den er die Oper auch gar nicht konzipiert hatte.


    Beckmesser führt im ersten Akt als Stadtschreiber eine fürchterliche Gerichtsverhandlung nach Art des Obernazi-Richters Freisler gegen Stolzing und überzeugt dabei auch noch die anderen Meister – ohne Sachs. So eine menschenverachtende Tat würde ein Jude nie fertig bringen!


    Beckmesser wird auch nicht von der Gesellschaft ausgegrenzt oder verjagt. Er kann die stenografischen Notizen von Sachs nicht richtig lesen und singt auf der Festwiese miserabel. Dafür wird er ausgelacht. Darüber macht er coram publico Sachs heftige Vorwürfe, dieser hätte ihm das schlechte Lied aufgedrängt. Sachs holt sich den Zeugen Stolzing in die Mitte, und dieser führt - entgegen des üblichen, fürchterlichen Kunstgesanges der Meister - Wagners erweiterte Liedform ein. Der Komponist weist damit auf sein „Kunstwerk der Zukunft“ hin. Dann liest man in Wagners Regieanweisung: „Beckmesser verliert sich in der Menge“. Niemand verjagt den Stadtschreiber.


    An den theaterwissenschaftlichen Instituten wird dies anscheinend nicht vermittelt. Herr Kosky will es nicht wissen, die Sänger dürfen es nicht wissen, und das Publikum kann es nicht wissen. Die Medien, die darüber berichten, sollten es aber wissen.



    _________________________________________________________________________--


    mit freundlichem Dank für die Überlassung des Textes
    verbleibe ich
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nicht ersparen kann ich mir die Feststellung: Wagner war zwar Antisemit (wie sehr viele seiner Zeitgenossen!). Aber er ist nicht verantwortlich zu machen für das, was lange nach seinem Tode aus seinem Werk gemacht wurde.

    Ich sehe aber auch nicht, dass Kosky dies getan hätte (vgl. Beitrag 58)!?


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Künstler wie er [Wagner] sich mit den tonangebenden Nazis auf eine Stufe gestellt hätte.

    Ganz anderes Thema, aber Pfitzner, Strauss, Furtwängler etc. und wer von uns kann schon mit Sicherheit bestimmen, wie er sich von 1930 bis 1945 wirklich verhalten hätte?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Wagner schreibt in seiner Partitur: Ort: Nürnberg. Zeit: 15. Jahrhundert, da gab es keine Juden, denen man die Position eines Stadtschreibers überantwortet hätte. Beckmesser kann also auf keinen Fall Jude sein. Auch war Hanslick kein Jude, für den er die Oper auch gar nicht konzipiert hatte.


    Diese Argumentation ist haarsträubend. Dass im historischen Nürnberg des 15. Jahrhunderts kein Jude Stadtschreiber hätte werden können, heißt doch nicht, dass Wagner dieser Figur nicht bestimmte stereotype Züge eines Juden hätte verleihen können, so wie sie diesen zu seiner Zeit zugeschrieben wurden. Als ob es Wagner (oder irgendeinem anderen Dramatiker) darauf angekommen wäre, ein in Musik gesetztes Geschichtsbuch zu schreiben. Ort und Zeit dienen hier als Rahmen, um bestimmte Themen abzuhandeln.



    Beckmesser führt im ersten Akt als Stadtschreiber eine fürchterliche Gerichtsverhandlung nach Art des Obernazi-Richters Freisler gegen Stolzing und überzeugt dabei auch noch die anderen Meister – ohne Sachs. So eine menschenverachtende Tat würde ein Jude nie fertig bringen!


    Wer einmal Aufzeichnungen eines Freisler-Prozesses gesehen hat, wird über diesen Vergleich nur fassungslos den Kopf schütteln können.


    Vorsichtig formuliert: Herrn Weikls Werk-Analyse erreicht bei weitem nicht das Niveau seiner Sangeskunst.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ein Tip für Leute, die eine DVD herstellen wollen: ARD alpha strahlt diese Aufzeichnung morgen 20.15h aus. Vielleicht ohne Tonaussetzer...

  • Herr Weikl hätte es aber bestimmt auch nicht abgeleht , wenn Herr Kosky ihn gefragt hätte, ob er d3n Sächs singen würde. Kritik zu äußern wenn man selbst nicht mehr aktiv ist ist immer einfach.

  • Vorsichtig formuliert: Herrn Weikls Werk-Analyse erreicht bei weitem nicht das Niveau seiner Sangeskunst.

    Herr Weikl hätte es aber bestimmt auch nicht abgeleht , wenn Herr Kosky ihn gefragt hätte, ob er d3n Sächs singen würde. Kritik zu äußern wenn man selbst nicht mehr aktiv ist ist immer einfach

    Lieber Bertarido, lieber rodolfo 39,


    zumindest ist Bernd Weikl kein Sänger der schweigt. Er forscht, er veröffentlicht, schreibt, argumentiert,hält weltweit Vorträge - also alles das, was auch Ihr in einer lebendigen,engagierten Diskussion erwartet.


    Hezrlichst
    Operus

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  • Diese Argumentation ist haarsträubend. Dass im historischen Nürnberg des 15. Jahrhunderts kein Jude Stadtschreiber hätte werden können, heißt doch nicht, dass Wagner dieser Figur nicht bestimmte stereotype Züge eines Juden hätte verleihen können, so wie sie diesen zu seiner Zeit zugeschrieben wurden. Als ob es Wagner (oder irgendeinem anderen Dramatiker) darauf angekommen wäre, ein in Musik gesetztes Geschichtsbuch zu schreiben. Ort und Zeit dienen hier als Rahmen, um bestimmte Themen abzuhandeln.

    Na, aber so ganz unrecht hat Weikl auch nicht: Tatsächlich ist eines der Probleme in der Rezeptionsgeschichte der Meistersinger ja gerade, inwieweit die Behauptung, Wagner hätte der Figur des Beckmesser bestimmte stereotype Züge eines Juden (welche wären dies überhaupt?) verliehen, anhand des Textes oder der Musik(*) belegbar ist. Was wiederum Kosky - zumindest oberflächlich betrachtet - gemacht hat, ist, eine solche Sichtweise via Identifikation von Levi und Beckmesser zu implizieren. Und was wiederum Hermann Levi im Hause Wagners wiederfahren ist, wird mit dem adjektiv antisemitisch wohl nur unzureichend beschrieben.


    (*) Hierzu als Nebenbemerkung, dass in der hier in Rede stehenden Aufführung Beckmessers Vortrag im 3ten Aufzug m.E. tatsächlich Züge von Synagogengesang gehabt hat. Inwieweit dies interpretatorisch so gemeint gewesen sein könnte und ob bzw. wie dies begründbar ist, wäre sicherlich eine weitere Analyse/Diskussion wert. Immerhin soll Wagner die entsprechenden Passagen möglicherweise mehr als Parodie auf die französische und italienische Operntradition gemeint haben.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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