Ein paar Gedanken über den "Genusshörer" und ähnliche Phänomene in der klassischen Musik

  • Man munkelt zwischenzeitlich, daß viele der Festspielgäste aus ganz anderen Gründen Bayreuth aufsuchen:


    Liebesbier


    Das dürften wohl die wahren Genusshörer sein.

  • Mir hat bei Liebeskummer immer das 10. Bier geholfen.


    Bei mir war und ist es die Flasche Rotwein zur "Winterreise". Hilft aber nur temporär, und am anderen Morgen hat man auch noch einen Kater. 8|

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Bei mir war und ist es die Flasche Rotwein zur "Winterreise". Hilft aber nur temporär, und am anderen Morgen hat man auch noch einen Kater.


    Dann war der Wein aber nicht gut! :D

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Oder aber die "WINTERREISE" war nicht gut. Ich kenne einige defizitäre Aufnahmen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ist denn "Genuss" zu haben, etwas Schlechtes? Ich will mich erfreuen an der Musik, bei der Oper an den Stimmen und der gezeigten Handlungswiedergabe.
    Da habe ich sicher meine Ansprüche

    ... mit dem Werk entsprechendem passenden Bühnenbild und Kostümen! So ist es, nicht mehr und nicht weniger, absolute Zustimmung.
    Ich begreife nicht, warum diese völlig normalen Ansprüche, partout von einigen nicht verstanden werden können, besser, nicht verstanden werden wollen.
    Und wenn diese "einigen" andere Ansprüche haben, bitte, nichts dagegen. Aber man soll uns, die unsrigen lassen und nicht ständig schlecht reden!!!

    Biertrinken... Trotzdem schmeckt es noch, wenn auch ab dem 5. immer weniger.

    Das kann natürlich auch an dem jeweiligen Bier liegen. Vielleicht solltest Du mal die Sorte /Marke wechseln? :yes: :thumbsup:


    Herzlichst
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Agesehen von geistlichen Stücken, kam "unangenehme " und "erschütterende" Musik erst um 1900 auf die Spielpläne.
    Das 20. Jahrhundert hat viel unangenhme Musik hervorgebracht.

    ... ich finde die große Klage von Alcina (Händel) sehr erschütternde Musik, und das ist Barock, lieber Alfred! ;)


    Dass es Genuss gibt, gerade auch ästhetischen, ist ja unbestritten. Nur sagt der Titel "Genusshörer", dass es sich hier um einen Hörertyp handelt, der primär auf Genuss aus ist, Genuss sozusagen sucht. Dann steckt darin die Intention, Genuss zu suchen und ihn um jeden Preis haben, auf ihn nicht verzichten zu wollen - und entsprechend ist die Enttäuschung groß, wenn der Genuss ausbleibt.


    Das Stichwort angenehm-unangenehm ist auch richtig in diesem Zusammenhang: Genuss gibt es nur vom Angenehmen, das Unangenehme bereitet keinen Genuss, sondern Schmerz. "Mutter, ach Mutter, es hungert mich, gib mir Brot, sonst sterbe ich" ist eine höchst schmerzvolle Empfindung bis zum Herzzerreißenden, da kann man keinen Genuss empfinden. Der Genuss des Unangenehmen wäre tatsächlich pathologisch (Kaiser Nero!).


    Genuss hat immer etwas Narzistisches an sich. Deswegen war die aufgeklärte Forderung auch, den Genuss zu kultivieren, um ihn vor diesem Narzismus/Hedonismus zu bewahren. Kant setzte bekanntlich die Musik an die letzte Stelle der Künste, weil sie "mehr Genuss als Kultur" sei.


    Psychoanalytisch ist die Fixierung auf den Genuss eine "Technik der Leidabwehr", d.h. der Versuch, sich vor den unangenehmen Empfindungen abzuschotten. Warum wohl kommt der Satz immer wieder "das will ich auf der Bühne nicht sehen" - meist ist das Häßliche gemeint. Der Genuss an sich ist eine Normalität, wenn er aber zur Intention und Strategie wird, Genuss und nur Genuss in ungetrübter Form haben zu wollen, wird es problematisch.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Das Problem ist doch immer, wenn man sich einen Aspekt herausgreift ("Genuss", "Unterhaltung", "Erschütterung", "Katharsis", "Aufklärung" usw.) und den verabsolutiert. Selbstverständlich weisen die meisten Kunstwerke, einschließlich Opern, mehrere oder alle dieser Aspekte auf. Es ist daher fast immer auch sachlich-historisch falsch, wenn man behauptet, diese und jene Musik habe (nur oder hauptsächlich) Funktion X gehabt, "das Publikum" habe dies und jenes gewollt. Denn es galten eben zu unterschiedlichen Zeiten für unterschiedliche Musik- und Kunstwerke ganz unterschiedliche Motivationen, Anforderungen und Bedingungen.


    Es ist kaum zu bestreiten, dass die Entstehung der Oper um 1600 ein extrem "künstliches", "elitäres" Vorhaben kleiner Kreise hochgebildeter Musiker und Literaten gewesen ist. Das mag zwei Generationen später vergessen gewesen sein, aber deswegen ist es ja nicht irrelevant. Und es gab bekanntlich immer wieder Versuche, einen "ernsten" musikdramatischen Kern gegenüber "Virtuosenspektakel" herauszustellen. Und natürlich ist auch das, was Reformer gerne als plattes Virtuosenspektakel abwerten wollten, nicht immer so platt. Sonst wäre die erstaunliche Wiederbelebung zumindest einiger Werke der beinahe 200 Jahre lang als schematisch und flach verschrieenen Opera Seria des Hoch- und Spätbarock kaum zu erklären. Denn was den "Genuss" und das Divertissement betrifft, müssten heutige Musikhörer eigentlich andere Vorlieben haben als die Lords und Ladies in London 1725, nämlich eher Webber-Musicals oder Rockkonzerte als Händelopern.


    Genauso geht bei Instrumentalmusik das Spektrum von "Expertenmusik" (wie etwa Bachs WTK oder Kunst der Fuge), über private elitärer "Zerstreuung" (wie viele Kammermusik des Barock und der Klassik) bis zu idealistisch-ideologisch aufgeladenen "Volksreden" (wie Sinfonien von Beethoven oder Schostakowitsch) und eher virtuosen Schaustücken (Konzerte von Paganini o.ä.).


    Es ist auch naheliegend, dass sich mit zunehmender Ausdifferenzierung z.B. in geistliche und weltliche Kunst, private und öffentliche Musik, oder "Hoch-" und Populärkultur Schwerpunkte verschieben. Eine Matthäuspassion war nur in einem Gottesdienst denkbar, aber zur gleichen Zeit liefen in Hamburg Vertonungen der Brockes-Passion als Konzerte, anscheinend mitunter bewusst von unterschiedlichen Komponisten an mehreren Tagen, so dass die Zuhörer Telemann, Keiser und Händels Versionen "vergleichen" konnten. Für uns heute ist es nahezu selbstverständlich, geistliche Musik vollkommen losgelöst vom ursprünglichen funktionalen und inhaltlichen Kontext zu hören (etwa auszugsweise als "Genuss" zu Hause im Wohnzimmer). Andere Stücke, die seinerzeit vielleicht eher als Hintergrund-, Tanz oder Unterhaltungsmusik erklangen, nehmen wir heute viel ernster; so ist das Wiener Neujahrskonzert beinahe ein Paradox, weil Tanz/Unterhaltungsmusik aufgeführt wird wie eine ernste Sinfonie usw. Es stimmt daher auch nicht, dass wir auf einmal Musik viel ernster nähmen als das früher war. Wir weichen in allen möglichen Richtungen von den seinerzeitigen Kontexten der Musikrezeption ab. (Und wie gesagt, waren die Kontexte damals auch nicht so eindeutig. Geistliche oder allgemein erbauliche Inhalte konnten durchaus "unterhaltsam" dargestellt werden und auch das typische Publikum für ein barockes "Divertissement" kann nicht mit einem heutigen Massenpublikum verglichen werden, sondern war oft sehr musikkundig.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Das Problem ist doch immer, wenn man sich einen Aspekt herausgreift ("Genuss", "Unterhaltung", "Erschütterung", "Katharsis", "Aufklärung" usw.) und den verabsolutiert. Selbstverständlich weisen die meisten Kunstwerke, einschließlich Opern, mehrere oder alle dieser Aspekte auf. Es ist daher fast immer auch sachlich-historisch falsch, wenn man behauptet, diese und jene Musik habe (nur oder hauptsächlich) Funktion X gehabt, "das Publikum" habe dies und jenes gewollt. Denn es galten eben zu unterschiedlichen Zeiten für unterschiedliche Musik- und Kunstwerke ganz unterschiedliche Motivationen, Anforderungen und Bedingungen.

    Da hast Du natürlich ganz recht mit Deinem sehr lehrreichen Beitrag. Ich würde ergänzen, dass es letztlich um Gewichtungen geht. Und die Gewichte verschieben sich mehr oder weniger erheblich, ja nachdem welches Interesse in der Rezeption überwiegt. Bei der Unterhaltung geht es letztlich um divertissement, Abwechslung, Zerstreuung. D.h. der Unterhaltungssuchende kann auch ernste und besinnliche Passagen akzeptieren, wenn die Vorführung insgesamt abwechslungsreich bleibt und es nicht zu anstrengend wird. Kultivierte Unterhaltung kann auch Intellektuelles beinhalten (Kabarett), auch aktuelle politische Anspielungen, wenn sie eine anregende Wirkung haben. Bei den Genusshörern fällt auf, dass sie sehr viel Wert aufs Dekorative legen wie Bühnenbilder, Kostüme, denen also eine Wichtigkeit zumessen, die sie für andere Typen von Rezipienten nicht haben. Sie stören die politischen Anspielungen, welche die Unterhaltung nicht stören, sie mögen das "Intellektuelle" nicht, weil es der Passivität des Genießens abträglich ist etc.


    Schöne Grüße
    Holger


  • So also ist die Definition von Genuss?
    Ich habe oben bereits die Achterbahn erwähnt. Was ist mit Horrorfilmen, Geisterbahnen? Ist es nicht so, dass die Konsumenten das geniessen? Wie kann es dann sein, dass kleine Kinder es geniessen (!), erschreckt zu werden? Auch der kleine Schmerz der Peperoni steigert sehr wohl den Genuss am Essen.
    Es gibt so viele Beispiele, die diese einfache Definition ad absurdum führen.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • So also ist die Definition von Genuss?

    Habe ich den Genuss denn definiert? Ich glaube nicht! :D

    Ich habe oben bereits die Achterbahn erwähnt. Was ist mit Horrorfilmen, Geisterbahnen? Ist es nicht so, dass die Konsumenten das geniessen?

    Da ist dann die Frage: Warum können sie das? Derselbe Mensch, der einen Horrorfilm genießt, wird eben so gar nicht genießerisch reagieren, wenn der Nachbar seine Ehefrau schlägt oder er ein Propagandavideo ansehen muss, wo Menschen ganz real gefoltert und/oder hingerichtet werden.

    Wie kann es dann sein, dass kleine Kinder es geniessen (!), erschreckt zu werden?

    Was man sagen kann ist, dass Kinder das lustvoll erleben. Das als "Genuss" zu interpretieren, finde ich etwas gewagt.

    Auch der kleine Schmerz der Peperoni steigert sehr wohl den Genuss am Essen.

    Ja, der kleine Schmerz, aber eben nicht der große.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Genuss ist mMn schon durch den kulturellen Hintergrund unterschiedlich ausgeprägt, durch das Individuum wird der Begriff noch weiter gedehnt und verfeinert.


    Auch wird man aufpassen müssen, vom Genuss nicht unbemerkt in die Lust überzuwechseln.


    Aber eigentlich ist es viel einfacher:


    Alfred schrieb:
    Ich behaupte mal ganz ketzerisch, daß Oper generell dazu einlädt, bzw einladen sollte, sich gut zu unterhalten.


    Also Genuss im Sinne von guter Unterhaltung, Wohlfühlen und Entspannung vom Alltag.

  • Bei den Genusshörern fällt auf, dass sie sehr viel Wert aufs Dekorative legen wie Bühnenbilder, Kostüme, denen also eine Wichtigkeit zumessen, die sie für andere Typen von Rezipienten nicht haben. Sie stören die politischen Anspielungen, welche die Unterhaltung nicht stören, sie mögen das "Intellektuelle" nicht, weil es der Passivität des Genießens abträglich ist etc.

    Weil sich diese Disskussion gerade auf erfreulich hohem Niveau befindet bereitet sie bereits durch, Sprache, Stil, Wortwahl intellektuellen Genuss. Die ungemein intellektuell gelungene Verarbeitung, Variation und gigantische Steigerung eines einzigen Themas zum Beispiel in Ravels "Bolero" ist Genuss pur. Wenn ich Kritiken schreibe, unterhalte ich mich in der Pause oder nach dem Konzert gerne mit den sogenannten Genusshörern, um deren Meinung zu hören. Sie empfinden mit dem Bauch und damit wahrscheinlich weit normaler als Hörer, die in der Aufführung sitzen und sich womöglich mit dem Klavierauszug in der Hand fragen, halten die Trompeten im Triumpfmarrsch von "Aida" durch, wird der Siegfriedsruf auch wirklich tonrein geblasen, wie meistert der Konzertmeister sein schwieriges Solo in der "Scheherazade", wie sphärisch klingen die Streicher im "Parsifal" usw. Die Genusshörer lassen sich einfach von der Musik verzaubern, vom Feuer der Interpretation mitreissen und von Melodien beseligen. Das ist keine Passivität des Genießens, das ist aktives, ganzheitliches Miterleben von Musik. Der Intellektuelle beurteilt einen Wein zum Besipiel nach sagen wir 5 Kriterien, der Genussmensch schlürft ihn genüsslich und ist schon fröhlich, während der Intellektuelle mit dem Sommelier noch über die Tempreratur des Weines diskutiert. Ich breche also eine Lanze für den Genusshörer in der Musik.
    Wenn ein Genusshörer bereits hier im Tamino-Klassik-Forum mitliest und mitdiskutiert, ist er bereits auf dem Weg zum intellektuellen Hören und muss aufpassen, dass er sich von unseren hochgelehrten Intellektuellen nicht ein schlechtes Gewissen einreden lässt, wenn er heute Abend Beethovens "Pastorale" nur unendenlich schön findet und überhaupt nicht darüber nachdenkt Warum? oder beim "AVE MARiA" gestaltet vom Genussänger Benjamino Gigli mit seiner Holden nur dahinschmilzt. Es lebe der maßvolle Hedonismus!! Er ist eine wunderschöne Lebensphilophie


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die ungemein intellektuell gelungene Verarbeitung, Variation und gigantische Steigerung eines einzigen Themas zum Beispiel in Ravels "Bolero" ist Genuss pur.

    Dein Beispiel ist sehr schön, lieber Operus, weil es aus "Impressionismus" stammt, also ein sehr ästhetisches, paradiesisch-genüssliches Erleben meint. Ich bin auch ein ganz großer Liebhaber des Impressionismus. Allerdings ist dieses rein ästhetische Erleben eine ziemlich moderne Angelegenheit. Bezeichnend stammt die Begründung der Ästhetik aus dem Barockzeitalter. Das Theater ist aber viel älter. Man kann und darf davon ausgehen, dass man in der Antike Theater so gar nicht ästhetisch in diesem Sinne rezipiert hat. Eine Oper so zu erleben wie ein impressionistisches Bild zu betrachten, ist das also nicht eine Verfremdung?

    Wenn ich Kritiken schreibe, unterhalte ich mich in der Pause oder nach dem Konzert gerne mit den sogenannten Genusshörern, um deren Meinung zu hören. Sie empfinden mit dem Bauch und damit wahrscheinlich weit normaler als Hörer, die in der Aufführung sitzen und sich womöglich mit dem Klavierauszug in der Hand fragen, halten die Trompeten im Triumpfmarrsch von "Aida" durch, wird der Siegfriedsruf auch wirklich tonrein geblasen, wie meistert der Konzertmeister sein schwieriges Solo in der "Scheherazade", wie sphärisch klingen die Streicher im "Parsifal" usw.

    Der Kenner von Klaviermusik z.B. hört natürlich den facettenreichen Klang von Horowitz. Solche "klaviertechnischen" Dinge gehören dazu und steigern den Genuss. Ebenso ein besonders schön geblasenes Posthornsolo bleibt in Erinnerung.

    Die Genusshörer lassen sich einfach von der Musik verzaubern, vom Feuer der Interpretation mitreissen und von Melodien beseligen.

    Das Mitreißende kann aber auch manchmal wie eine große Flut die Landschaft wegspülen...

    Der Intellektuelle beurteilt einen Wein zum Besipiel nach sagen wir 5 Kriterien, der Genussmensch schlürft ihn genüsslich und ist schon fröhlich, während der Intellektuelle mit dem Sommelier noch über die Tempreratur des Weines diskutiert. Ich breche also eine Lanze für den Genusshörer in der Musik.

    Der Weinkenner schmeckt allerdings auch mehr. Sein Genuss ist wesentlich differenzierter.

    Wenn ein Genusshörer bereits hier im Tamino-Klassik-Forum mitliest und mitdiskutiert, ist er bereits auf dem Weg zum intellektuellen Hören und muss aufpassen, dass er sich von unseren hochgelehrten Intellektuellen nicht ein schlechtes Gewissen einreden lässt, wenn er heute Abend Beethovens "Pastorale" nur unendenlich schön findet und überhaupt nicht darüber nachdenkt Warum?

    Ich analysiere längst nicht immer und brauche das auch nicht. Bei Chopins Ballade g-moll benötige ich zwei Takte um zu hören, ob das so geht oder nicht. Das ist intuitiv, dahinter steckt aber die Hörerfahrung eines ganzen Lebens. Der Hörgenuss ist letztlich nur ein begleitendes Gefühl einer Ausdrucks-, Sinn- und Bedeutungserfassung. Wenn der Ausdruck nicht stimmt, der Vortrag etwa stilistisch daneben ist, dann stellt sich beim gebildeten Hörer auch kein Genuss ein trotz der schönen Musik an sich. Hörer, welche kein solches Stilempfinden haben, empfinden aber trotzdem Genuss. Das ist das Problem der Kultivierung des Genusses, was ich angesprochen hatte. Man kann eben oberflächlich hören und Genuss haben oder ein tieferes Verständnis von Musik (und auch tieferes Erleben) und auch Genuss haben.


    Das ist keine Passivität des Genießens, das ist aktives, ganzheitliches Miterleben von Musik.

    Diese Differenzierung gibt es tatsächlich in der Ästhetik, die Unterscheidung eines rein sinnlichen und eines "geistigen" Genusses, welcher die Totalität eines ästhetischen Erlebnisses spiegelt. Die Frage ist nur, ob diese Ganzheit im Genuss zu finden ist oder nicht vielmehr in der Verbindung des Genusses mit anderen Erlebnissen, welche mehr sind als bloßer Genuss (s.o.!).


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Zitat

    Zitat von Operus: Sie empfinden mit dem Bauch und damit wahrscheinlich weit normaler als Hörer, die in der Aufführung sitzen und sich womöglich mit dem Klavierauszug in der Hand fragen, halten die Trompeten im Triumpfmarrsch von "Aida" durch, wird der Siegfriedsruf auch wirklich tonrein geblasen, wie meistert der Konzertmeister sein schwieriges Solo in der "Scheherazade", wie sphärisch klingen die Streicher im "Parsifal" usw. Die Genusshörer lassen sich einfach von der Musik verzaubern, vom Feuer der Interpretation mitreissen und von Melodien beseligen.

    Lieber Hans,


    genau das ist es doch. Es ist doch bekannt, dass die meisten Entscheidungen im Leben eher mit dem Bauch als mit dem Gehirn getroffen werden. Ich glaube daher auch und weiß es aus meinen Gesprächen mit Klassikhörern und Opernbesuchern, dass diese weitestgehend, wie du es auch erkannt hast, mit dem Bauch empfinden und nicht in die Oper gehen, um zu analysieren. Ich habe in dieser Hinsicht viele Gespräche - auch z.B. mit den Künstlern, die ja noch weit tiefer mit vielen Originalwerken vertraut sind als wir, und anderen Gästen in Ölbronn - geführt.
    Niemand versteht den heutigen Trend, alles nur für Leute zu inszenieren, die etwas brauchen, was sie analysieren können, wozu sie - so habe ich das Empfinden - ohne Anleitung meist auch nicht fähig sind? Oder glaubst du, dass die meisten von ihnen auch ohne eine Einführung in das, was sich der Regisseur wohl bei der Veränderung der Handlung gedacht haben mag, auf Anhieb erkennen, was diese willkürlichen Abwandlungen besagen sollen?
    Wer sich nicht einfach mal der Musik und einer dazu passenden Inszenierung überlassen kann, ist in meinen Augen ein armer Mensch und tut mir - ehrlich gesagt - leid.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat

    Dass es Genuss gibt, gerade auch ästhetischen, ist ja unbestritten. Nur sagt der Titel "Genusshörer", dass es sich hier um einen Hörertyp handelt, der primär auf Genuss aus ist, Genuss sozusagen sucht. Dann steckt darin die Intention, Genuss zu suchen und ihn um jeden Preis haben, auf ihn nicht verzichten zu wollen - und entsprechend ist die Enttäuschung groß, wenn der Genuss ausbleibt.


    Ich würde das nicht so absolut formulieren - wie übrigens einiges andere auch nicht.
    Der "Genußhörer" ist ja nur ein eher allgemeiner seichter Begriff - übrigens von den sogenannten Genußhöreren selbst geprägt - der nicht unbedingt einen Menschen bezeichnet, der "Genuß sucht und ihn "um jeden Preis" haben will, sondern eher einen, der Musik "nebenher hört" a la: "Ja von der Oper XY da hab ich einen Querschnitt - WUNDERBARE Stimmen "" - Wer da singt ? Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht, da müssen Sie meine Frau Fragen, die kauft die CDs ein. - Ob mir denn ein Querschnitt ausreicht ? Eigentlich schon. Die schönen Arien sind sowieso meist alle drauf, das andere ist nur langweilig - vor allem gesprochene Texte." In der Oper selber, da ist das was anderes, da ist die schöneDekoration und die hübschen Kostüme.....)


    Der Genußhörer ist also an einer sogenannten Auseinadersetung mit dem Werk nicht wirklich interessiert.
    Dieser Hörertyp macht übrigens - meiner Meinung nach - mindestend 95% aller Klassikhörer aus -- eher mehr als weniger.


    Dr Kaletha schrieb:

    Zitat

    Bei den Genusshörern fällt auf, dass sie sehr viel Wert aufs Dekorative legen wie Bühnenbilder, Kostüme, denen also eine Wichtigkeit zumessen, die sie für andere Typen von Rezipienten nicht haben. Sie stören die politischen Anspielungen, welche die Unterhaltung stören, sie mögen das "Intellektuelle" nicht, weil es der Passivität des Genießens abträglich ist etc.


    Ich pflichte in zwei Punkten bei, nämlich im jenem, daß ein Schwerpunkt auf das Dekorative gelegt wird.
    Dieser Schwerpunkr war eigentlich immer schon vorhanden, und wurde über Jahrhunderte hinduch gepflegt, die finanziellen und technischen Möglichkeiten mit einbezogen, bzw durch idese limitiert.
    Aber es ist eine Parallele, zu den Umgangsformen, den Bekleidungsvorschriften und auch des Baustils- So gut wie alles, das von Bedeutung war wurde verbrämt, verziert und dekoriert. Gewisse Bekleidungsmerkmale wares sogar ausschliesslich dem Adel vorbehalten, damit dessen Wichtigkeit und Vorragstellung betont wurde.
    Erst in Laufe des 20. Jahrhundertrs begann man all das über Bord zu werfen.


    Die Anspielungen auf Politisches kamen natürlich vor, aber nicht überallo und schon garnict auf Ereignisse, die sich zur Zeit der Entstehung von Werken noch gar nicht ereignet hatten. Ich betrachte derlei übrigens als "versuchte Manipulation"
    Wenn jemand beispielsweise eimem Fußballspiel beiwohnt, dann möchte er einer Sportberanstaltung beiwohnen, nicht über den "Hunger in der dritten Welt" belehrt werden. Das glt übrigens für JEDE Art des "Genusses" - Man will hier den Zuseher auf etwas aufmerksam machen, was den gar nicht interessiert.
    Warum man oft gar nicht vorhandene Doppelbödigkeiten als des "Intellektuelle" bezeichnet entzieht sich meinem Verständnis.
    Oder - ehrlicher formuliert - es entzieht sich NICHT meinem Verständnis, sondern ich sehe es als leicht zu entlarvende Schutzbehauptung, die schon in "Des Kaisers neue Kleider" ins Lächerliche gezogen und ad absurdum geführt wurde (Wer die Kleider nicht sieht, der ist dumm)- Das mag allenfalls bei geistig mittelmäßog begabten Politikern als Argument gelten, denen man so ziemlich alles einreden kann, weil sie eigentlich auf Grund ihrer limitierten eigenen Inellektualität gar nicht einschätzen können was wirklich intellektuell ist und was Scharlatanierie ist. Das hat schon der Astronom Johannes Kepler gewusst, die sich das Geld von den Mächtigen über den Umweg der Astrologie holten. ER, ein Verächter der Astrologie erstellte Horoskope und begründete das, daß das närrische Töchterelein Astrologie, die weise Mutter Astronomie ernähren müsse, da sie anders nicht lebensfähig sei....


    Beste Grüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    manchmal kann Vereinfachung hilfreich sein, es muss bei der Bewertung/Anwendung aber klar sein, dass es sich um eine Vereinfachung, ein grobes Raster handelt.


    Wenn ein Mensch sich an der in Noten festgehaltenen schwierigen Satztechnik, Harmonik, Rhythmik etc. berauscht, ist das nun ein emotionaler Genießer oder ein rationaler Intellektueller? Dieses Beispiel lässt sich verschiedenartig variieren.


    Musik ist ein akustisches, kein optisches Erlebnis - dabei gehe ich davon aus, dass nur eine kleine Minderheit der Menschen den optischen Noteneindruck ad hoc in ein akustisches Erlebnis umwandeln kann, das dem entspricht, wenn das akustische Erlebnis über den "normalen" Weg erfolgt.


    Seit langer Zeit und in zunehmendem Umfang hat die Wissenschaft/Forschung den Beweis erbracht, dass die im Ohr aufgenommenen Schallwellen ans Gehirn weitergeleitet werden und zwar dort zuerst -und das in Millisekunden - an die äußerst schnell arbeitenden Gehirnteile, die für den emotionalen Bereich zuständig sind, dort als Musik erkannt, grob Katalogisiert werden und dann folgend an die langsam arbeitenden rationalen Gehirnteile, wo dann ein gegenseitiger Austausch und eine vorläufige "Endbewertung" stattfindet. Das findet ohne rationale Steuerung, also automatisch, und insgesamt sehr schnell statt, ohne dass sich der Mensch dessen bewusst ist/wird.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Die ungemein intellektuell gelungene Verarbeitung, Variation und gigantische Steigerung eines einzigen Themas zum Beispiel in Ravels "Bolero" ist Genuss pur.

    Das ist nicht schlecht argumentiert. Es wid suggeriert, dass das Intellektuelle und die Analyse nur den Komponisten angeht aber nicht den Hörer, denn Resultat im Höreindruck sei reiner Genuss. D.h. die Analyse sei im Grunde tautologisch und überflüssig, könne ohnehin nur das bestätigen, was gehört wird. Eine interessante These, die aber falsch ist. In Franz Liszts Sonate h-moll steht die Fuge z.B. in der falschen Tonart. Hier soll sich der Hörer fragen: Warum ist das die falsche Tonart? Der reine Genusshörer wird aber gar nicht merken, dass hier die falsche Tonart steht, weil er gar nicht weiß, was eine richtige oder falsche Tonart ist. Der Sinn ist eben nicht etwas, was sich dem puren Genuss erschließt. Übrigens auch in impressionistischer Musik nicht.

    Es ist doch bekannt, dass die meisten Entscheidungen im Leben eher mit dem Bauch als mit dem Gehirn getroffen werden.

    Demnach wären die Bauchmusiker die besten Interpreten. Und was das Leben angeht: Ein leuchtendes Beispiel, wo das hinführt, haben wir Donald Trump.


    Zu den anderen Punkten von Alfred später.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Der Intellektuelle beurteilt einen Wein zum Besipiel nach sagen wir 5 Kriterien, der Genussmensch schlürft ihn genüsslich und ist schon fröhlich, während der Intellektuelle mit dem Sommelier noch über die Tempreratur des Weines diskutiert. Ich breche also eine Lanze für den Genusshörer in der Musik.

    Lieber Hans,


    auch ich bekenne mich ausdrücklich zur Sparte der Genußmenschen. Das betrifft alle mir angenehmen Sparten, vom Fernsehen über Kino und Sport bis hin zur Musik, vom Essen übers Trinken bis zum Anblick schöner (auch weiblicher) Bilder.


    Für mich kann es Genuß sein, den Bolero zu hören, aber auch Mahlers 9. (besonders den Schlußsatz). Ich habe Genuß an einer guten Tosca-Aufführung und auch an einer Salome oder Elektra. Selbst die Frau ohne Schatten gehört zu den Opern, die ich genießen kann. Und dabei lasse ich eine szenische Aufführung bewußt außen vor, ich rede nur von der Musik. Die kann ich aber nicht genießen, wenn eine inszenatorische Deutung mein Empfinden stört. Wenn ich belehrt werden will, sehe ich mir ne Doku an.


    Übrigens kann ich Noten lesen, aber ich brauche das nicht, wenn ich zu Bruckner gehe. Da reicht mir die Musik.


    Weintrinken hat sich mir nicht erschlossen, deshalb geht es bei mir nur nach dem Geschmack. Ich mag es süßlich, alles andere ist mir egal. Wein löst die Zunge, und damit ist es ein gutes Mittel zur Kommunikation, auch über Oper, auch über Musik. Aber nicht über die Rolle von Antisemitismus bei den Meistersingern, da reicht mir eine gut interpretierte Musik.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Tannhäuser sich heftig erhebend
    "O Walther, der du also sangest,
    du hast die Liebe arg entstellt!
    Wenn du in solchem Schmachten bangest,
    versiegte wahrlich wohl die Welt.
    Zu Gottes Preis in hoch erhabne Fernen,
    blickt auf zum Himmel, blickt zu seinen Sternen!
    Anbetung solchen Wundern zollt,
    da ihr sie nicht begreifen sollt!
    Doch was sich der Berührung beuget,
    euch Herz und Sinnen nahe liegt,
    was sich, aus gleichem Stoff erzeuget,
    in weicher Formung an euch schmiegt, -
    dem ziemt Genuß in freud'gem Triebe,
    und im Genuß nur kenn' ich Liebe!"


    Große Aufregung unter den Zuhörern.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der Bolero ist ein schönes Beispiel für das Thema "Genusshörer".


    In einer der vielen Musiksendungen von Gerd Albrecht wurde dieses Werk Ravels detailliert vorgestellt.


    Man glaubt ja gar nicht, was für seltene und auch wieviel Instrumente da zum Einsatz kommen.


    Schon die am Beginn verwendeten kleinen Trommelstöcke,


    Trommelstöcke


    die ganz am Rande der Trommel aufschlagen, überraschen den ahnungslosen Hörer.


    Ich habe die Sendung aufgezeichnet und später mit meiner Frau bei Gelegenheit mal abends angeschaut.


    Ohne irgendwelche Absichten.


    Da sagt mir meine Frau einige Tage später, daß sie den Bolero über längere Zeit und sogar im Schlaf noch im Ohr hatte, weil sie durch das intensive Beschäftigen mit dem Werk (dank Herrn Albrecht) einen ganz anderen Zugang zum Stück bekommen hat.


    Nette Grüße


    Karl

  • dem ziemt Genuß in freud'gem Triebe,
    und im Genuß nur kenn' ich Liebe!"

    köstlich, lieber Rheingold. Und trotzdem hat der Genuß meiner Frau und mir über 50 gemeinsame Jahre beschert. Tannhäuser hat da Pech gehabt, bei ihm hats nicht geklappt!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zitat

    Das ist nicht schlecht argumentiert. Es wid suggeriert, dass das Intellektuelle und die Analyse nur den Komponisten angeht aber nicht den Hörer, denn Resultat im Höreindruck sei reiner Genuss. D.h. die Analyse sei im Grunde tautologisch und überflüssig, könne ohnehin nur das bestätigen, was gehört wird. Eine interessante These, die aber falsch ist.


    Natürlich ist nicht allse was hinkt ein Vergleich, aber allse wass ein Vergleich ist hinkt. DENNOCH sind Vergleiche manchmal ganz hilfreich um Standpunkte zu veranschaulichen.
    EIGENTLICH ist der Zweck eines Restaurantbesuchs, der, in (möglichst) angenehmer Atmospäre gute Speisen zu geniessen. dafür bezahlt man, und mit etwas Gück bekommt man das auch.
    Man kann nun - so man in Gesellschaft ist - zunächst versuchen über die Zutaten zu rätseln, danach über die Art der Zubereitung. Danach käme das Leid der geschlachteten Tiere zur Sprache. Beim Nachtisch kann man dann über die Vorzüge und Nachteiele künstlicher Süßungsmitteln sprechen, aber auch darüber nachdenken ob der Kaffee "fair Trade" gehandelt wurde.
    Aber eigentlich sollte und als Geniesser das alles eher wenig interessieren.


    Zitat

    Hier soll sich der Hörer fragen: Warum ist das die falsche Tonart?


    Wie schon richtig bemerkte werden 99% der Hörer es gar nicht bemerkrn, eigentlich so gut wie alle, die kein Instrument spielen, aber ich möchte auf etwas anders hinaus:
    vor alllem zwischen ca 1900 und 1960 haben viele Dirigenten (und auch Interpreten) über verschiedene Werke "nachgedacht", vorzugsweise dann, wenn die Partitur erhebliche "Brüche" und "unangenehm klingede Stellen" aufwies. Man kam oft zu dem Schluß, dies sei eine Fehllesitung des Komponisten gewesen, er habe (nur als Beispiel) das Problem eines Übergangs nicht befriedigend lösen können - und SOO wie das da in den Noten stehe, so könne man das nicht spielen. Man fand dann auch schon von Vorgängern Korrekturnotizen und fühlte sich in seiner Meinung bestätigt. Fazit: Unangenehme Brüche wurden je nach Geschmack "überspielt" oder "harmonisiert"
    Man hatte die Werke "verbessert" und "mundgerecht" aufbereitet. Das ging sogar bis hin zu Uminstrumentierungen und Bearbeitungen.
    HEUTE denken andere Dirigenten nach, und verurteilen die "Eingriffe" Sie spielen nicht nur die die unangenehmen Brüche, nein sie arbeiten sie sogar heraus.
    Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.


    Zitat

    Und was das Leben angeht: Ein leuchtendes Beispiel, wo das hinführt, haben wir Donald Trump.


    Ich weiß zwar nicht was Donald Trump in diesem Thread, bzw Forum zu tun hat, aber wohin hat das geführt ?
    Daß die Prognosen aller die meinten er könne die Wahlen sowieso nicht gewinnen, da er er "Trottel" sei sämtlich in die Hose gegengen sind, weil sie nicht verstehen konnten, daß ein Mann (man mag zu ihm stehen wie man will) der ein derartiges Wirtschafte-Imperium aufgebaut hat. ZWEI Wolkenkratzer sein eigen nennt mit 202 und 262 Metern Höhe. und es geschafft hat Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. Auf die Frage, ob er im Wahlkampf nicht die Grenzen des guten Geschmacks überschritten habe, soll er (aus dem Gedächtnis zitiert) genatwortet haben:"Nein. - Was wollen sie ? Ich habe die Wahl gewonnen."


    Damit sollte das Thema Donald Trump in diesem Forum beendet sein.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da sagt mir meine Frau einige Tage später, daß sie den Bolero über längere Zeit und sogar im Schlaf noch im Ohr hatte, weil sie durch das intensive Beschäftigen mit dem Werk (dank Herrn Albrecht) einen ganz anderen Zugang zum Stück bekommen hat.

    Lieber Karl,


    stimmt alles, was Du sagst. ich habe den Bolero sogar schon live erlebt mit 2 Trommlern, das Erlebnis war nachhaltig. Man hat aber darauf geachtet, ob einer der beiden aus dem Takt kommt. War nicht, haben fein durchgetrommelt, im gleichen Takt, im gleichförmigen crescendo. Bolero ist für mich immer Genuß.


    Sicher kommt jetzt jemand auf die Idee und erzählt uns, daß der Bolero auch als Folterinstrument für Gefängnisinsassen eingesetzt wurde. Aber dafür kann ja weder Ravel noch seine Musik etwas. Daß das Werk eigenartig ist, macht ja seine Einzigartigkeit aus. Bei der Premiere kam es zu Tumulten, manche Zuhörer bezeichneten Ravel als verrückt. Er selbst sagte, daß er "nur ein einziges Meisterwerk komponiert habe, eben den Bolero. Leider sei er völlig ohne Musik"


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Hallo La Roche,


    Zitat

    ...das Erlebnis war nachhaltig. Man hat aber darauf geachtet, ob einer der beiden aus dem Takt kommt.


    genauso ging es mir, wie ich dem Trommler erstmals zusah.


    Was für eine nervliche Belastung muss das sein, wenn sich alle auf dich konzentrieren und du den Schlagrhythmus mit diesen "Essstäbchen" exakt wie eine Maschine durchzustehen hast.


    Nette Grüße


    Karl

  • Die Beispiele des Bolero und der h-moll-Sonate von Liszt zeigen aber doch sehr schön, dass bestimmte Genüsse erst dann möglich werden, wenn man über die nötigen Kenntnisse verfügt. Ein in Musiktheorie Beschlagener wird Musikstücke anders und wahrscheinlich intensiver genießen können als ein Laie wie ich, weil sich ihm die Feinheiten der Komposition erschließen, die mir verborgen blieben. Er wird kompositorische Einfälle und Kniffe bemerken und sich an ihnen erfreuen, die an mir vorbeirauschen. Die DuMont-Kunstreiseführer (sie stehen nahezu komplett bei mir zu Hause) hatten das Motto: Man sieht nur, was man weiß. Ebenso kann man mit Recht sagen: Man hört nur, was man weiß. Daher bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass der Gebrauch des Verstandes keineswegs den Genuss verhindert, sondern im Gegenteil befördert.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Der Unterschied zwischen dem Horrorfilm und dem Schlagen der Ehefrau ist eben, dass das eine eine Simulation ist, das heißt, es ist vorher klar, dass nichts wirkliches passiert und ich also auch Angst und Gefahr auskosten kann - im sicheren Gefühl, tatsächlich ungefährdet zu sein.
    Meine Kinder haben es übrigens sehr genossen, erschreckt zu werden und es war ein oft gespieltes Spiel.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Daher bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass der Gebrauch des Verstandes keineswegs den Genuss verhindert, sondern im Gegenteil befördert.

    Das ist richtig. Aus diesem Grunde stehen in meinem Bücherschrank auch unzählige Biographien, und sie stehen da nicht nur, ich habe sie auch gelesen, manche Seite mehrmals, manche Passagen sicher 20 mal oder mehr.


    Wie wollte ich sonst eine Mahlersinfonie wie die 9. oder das Fragment der 10. verstehen? Mahler hat ja darin Hinweise auf seinen Gemütszustand verewigt, die in seiner Krankheit, seiner Trauer um seine Tochter, seiner Kenntnis um die im Prinzip nicht glückliche Liebe zu Alma entstanden. Das verhilft ungeheuer, beim Besuch eines Konzertes oder schon beim Hören einer CD. Der Genuß wird eindeutig größer, Kenntnisse der Biographie sind ein Gewinn für das Verständnis.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Der Unterschied zwischen dem Horrorfilm und dem Schlagen der Ehefrau ist eben, dass das eine eine Simulation ist, das heißt, es ist vorher klar, dass nichts wirkliches passiert und ich also auch Angst und Gefahr auskosten kann - im sicheren Gefühl, tatsächlich ungefährdet zu sein.


    Ja, aber es ist eben keine wirkliche Angst, die man beim Ansehen eines Films empfindet.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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