Austausch über Höreindrücke zu den Sänger-Jubilaren

  • Lieber "Melomane".


    zuerst einmal ganz herzlichen Dank für deine beiden ausführlichen Beschreibungen deiner Höreindrücke - auch wenn ich nicht mit allen Details deiner Ausführungen einverstanden bin bzw. sie nicht teile, hast du deine Meinung sehr nachvollziehbar begründet und insofern akzeptiere ich deine - zweifellos aus Kompetenz gespeisten - Meinungen (als für dich gültig) voll und ganz!


    ihre Interpretation überzeugt mich aber nur bedingt, da sie für mich etwas zu ruhig und nicht aufgeregt genug klingt.

    Muss sie denn aufgeregt klingen? In der von mir 36x gesehenen Kupfer-Inszenierung an der Komischen Oper war die Susanna in dieser Szene gar nicht aufegregt, sondern reichlich abgeklärt. Sie weiß, Figaro liegt auf der Lauer und die Lektion für ihn läuft - ich kenne kaum eine unaufgeregtere Figur als Susanna in dieser Szene. Wenn anschließend Cherubino unerwartet kommt und mit seiner impulsiven Art die schönen Pläne durchkreuzt bzw. ihren Erfolg gefährdet, wird sie (wie auch die mit ihr an eine Strang ziehende Gräfin) freilich aufgeregter.


    Das Geniale an der Setzung dieser Arie durch Mozart und da Ponte ist die Uneindeutigkeit, die Unschärfe

    Ich würde es in dieser Arie als Doppeldeutigkeit bzw. Gleichzeitigkeit des Verschiedenen bezeichnen: Einerseits spielt sie Figaro, den sie auf der Lauer liegend weiß, einen Streich, erteilt ihm eine schmerzhafte Lektion, andererseits freut sie sich schon auf die gemeinsame Zeit nach der - längst eingerechneten - Versöhnung und auf die Hochzeitsnacht (also den ersten Sex, so war das damals bei guten Katholiken, und das sind die Spanier nunmal). Und diese Gleichzeitigkeit von Witzigkeit im Streichspielen und der Abgeklärtheit mit der Siegesgewissheit des guten Endes - das macht für mich den besonderen Reiz dieser Nummer aus.


    Natürlich wissen wir, dass Susanna als Adressaten eigentlich Figaro meinen muss, aber klingt die Arie nicht doch sehr aristokratisch? Könnte man sich nicht vorstellen, dass Susanna doch von den Privilegien träumt, die ihr eine Verbindung mit dem Graf bringen würde? Oder wechselt sie den Adressaten vielleicht sogar während der Arie? Natürlich hat sie den Grafen den ganzen "tollen Tag" lang zuvor an der Nase herumgeführt, aber könnte das ganze im Eindruck der Nacht sich nicht in eine andere Richtung entwickeln?


    Nun ist der Graf freilich nicht da. Figaro weiß sie auf der Lauer liegend, der Graf wurde hingegen noch nicht gesichtet, insofern glaube ich das nicht, dass der Graf ihr konkreter Adressat in dieser Szene ist. Es passt für mich auch inhaltlich überhaupt nicht: Eine legitime Verbindung mit dem - adligen und bereits verheirateten - Grafen ist völlig absurd, unvorstellbar, und eine Affaire würde ihren Ruf nur ruinieren und die Ehe mit dem Mann, den sie liebt und für die "unbefleckte" Erstbegegnung mit ihm sie so sehr kämpft, akut gefährden. Also mit Verlaub: Ich halte dieses "Gedankenspiel" für einen Schmarrn! :D


    So bleibt der Eindruck einer Sängerin mit Qualitäten und sehr sauberer Stimmführung, ihre Susanna hat mich persönlich aber leider nicht erreicht.

    Diese Einschätzung finde ich völlig legitim! Mir geht es da wie gesagt anders, was aber vielleicht auch mit unserer unterschiedlichen Einschätzung dieser Szene zu tun hat.


    Ich glaube nicht, dass sie am Grafen interessiert ist

    Ich auch nicht! Er ist an ihr interessiert, also daran, sie ins Bett zu kriegen. Sie liebt einen anderen (das sagt Mozarts Musik meines Erachtens ganz eindeutig!) und ist vor allem daran interessiert, den Grafen zu foppen und ihm seine Grenzen aufzuzeigen!



    Wenn Susanna so jemanden gerne hätte

    ... könnte man sich eigentlich die ganze Handlung sparen, die würde jegliche Brisanz verlieren, uninteressant und beliebig werden. Dass eine Vertreterin des dritten Standes (Susanna) dem Vertreter des ersten Standes (Graf) intellektuell überlegen ist und es schafft, dessen Pläne erfolgreich zunichte zu machen, anstatt ihnen doch nachzugeben und ihnen freiwillig zum Erfolg zu verhelfen, das macht für mich den "Kern" dieser Handlung aus. Es geht in dieser Handlung, schon in der literarischen Vorlage, gerade darum, dem Adel zu verklickern, dass man sich nicht mehr alles von ihm gefallen lässt. (Meine Meinung!)



    natürlich will Carmen José damit eifersüchtig machen, nicht ahnend wie tödlich diese Eifersucht einst für sie sein wird.


    Da sind wir uns hingegen mal wieder einig. Sie will ihn nicht nur eifersüschtig machen, sondern ihn überhaupt reizen und verführen, ihr die Flucht zu ermöglichen, um sich dann hinterher bei ihr den verdienten "Lohn" abzuholen...


    halt typisch Baltsa und vermittelt in dieser kurzen Konzertarie dem Open-Air-Publikum sehr gekonnt, worum es in diesem Stück Musik geht.


    Das sehe ich auch so! :yes: :hello:


    Und unseren Dissenz in der Beurteilung der Dramaturgie der Susanna-Szene müssen wir jetzt auch nicht weiter auswalzen, das mag zwar ein hochinteressantes Thema sein, aber es ist nicht das Thema dieser Rubrik.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe mir - entgegen meinem Grundsatz, mir keine Arien anzuhören, die nicht in der Originalsprache gesungen werden - die dt. Version der Rosenarie jetzt doch angehört.


    aber insgesamt ist mir das ganze zu brav, zu einseitig


    Das kann ich gut verstehen. Ich fand, dass sie stimmlich irgendwie wie eine lustige, etwas ältere Nebenfigur wirkt, eine nette Gouvernante oder so, aber nicht wie eine junge Frau Anfang 20. Auch klang mir das alles zu deutsch und zu bieder, mir ging da ein bisschen das südliche "Temperament" ab, was sicher auch an der Sprache liegt.



    Die Begrenzung in der Tiefe - da bin ich ganz bei "Stimmenliebhaber" - finde ich nicht weiter tragisch, damit geht sie sehr geschickt um.


    Das konnte ich wiederum nicht nachvollziehen. Ich weiß jetzt nicht, wie du für dich eine gute Tiefe definierst, aber ich fand schon, dass sie sauber nach unten gegangen ist, und die tiefen Töne auch noch halbwegs "laut" und ebenfalls sauber gesungen hat. In anderen Versionen klingt das schon irgendwie angestrengt, oder die Stimme wird besonders unschön oder fast heiser.
    Die hohen Töne am Ende wurden nicht "gebrüllt", und auch sauber ohne Anstemmen gesungen.



    Einmal mehr, ähnlich wie bei Jutta Vulpius' Königin - muss ich auch dem Dirigenten eine erhebliche Mitschuld an der Langweiligkeit des Vortrages attestieren, auch wenn er in diesem Fall Horst Stein heißt.


    Mozart möchte hier ein Andante haben, Leopold Mozart schreibt in seiner Violinschule:


    Zitat

    ANDANTE, gehend. Dies Wort sagt uns schon selbst, dass man dem Stücke seinen natürlichen Gang lassen müsse


    Ich fand das Tempo jetzt nicht zu zerdehnt, aber viel langsamer hätte es auch nicht sein sollen.





    LG,
    Hosenrolle1

  • Heute vor acht Jahren ist Elisabeth Söderström im Alter von 82 Jahren gestorben!


    Sie war sicher eine der klügsten und zugleich auch emotional überzeugendsten Sopranistinnen der letzten 60 Jahre. Ihre Mozart- und Strauss-Portraits sind nach wie vor hörenwert. Vor allem aber ihre Portraits die Frauengestlten von Leos Janacek.
    Auf Youtube ist sie merkwürdig unterrepräsentiert!
    Vielleicht hat auch darum Stimmenliebhaber kein Video in dem Jubilar-Thread von ihr angeboten!
    Immerhin gibt es ihre aufregende Aufnahme von Schuberts der Erlkönig, die mir geeignet scheint, sich über ihre Gesangskunst ein Urteil zu bilden!


    Meiner Meinung nach eine meisterhafte Interpretation.
    Söderström gibt allen drei Figuren der Ballade eine eigene Stimme. Das versuchen viele, aber in keinem anderen Falle ist es so überzeugend umgesetzt, wie in der Aufnahme von Elisabeth Söderström.


    Das erschreckte und von Fieberträumen geschüttelte Kind singt sie mit heller, mitunter leicht bebender, gar brechender Kinderstimme.


    Dem Vater gibt sie Ihr kräftiges, fast männlich wirkendes Mezzotimbre, die Vokale färbt sie dunkel und der Gesangslinie gibt sie Gewicht.


    In den Verlockungen und Verführungen des Erlkönigs aber setzt sie den ganzen Zauber ihrer eigenen Stimme ein, singt sie mit makellosem Legato und wundervoller Wärme und hinreißender Sinnlichkeit. Das ist schlicht überwältigend und leuchtet mir viel mehr ein als alle dämonischen Töne anderer Interpreten, die ja oft zur peinlichen Karikatur geraten.


    Und das Ganze hat nicht Elaboriertes oder Bemühtes sondern ist ein grandios angelegter dramatischer Bogen, mit einem unheimlichen Vorwärtsdrang und einer verhängnisvollen Ausweglosigkeit - von Badura-Skoda kongenial (wenn auchg nicht ganz ohne Fehler) mitgestaltet!



    https://www.youtube.com/watch?v=5fwt8XJjcNQ



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • In den Verlockungen und Verführungen des Erlkönigs aber setzt sie den ganzen Zauber ihrer eigenen Stimme ein, singt sie mit makellosem Legato und wundervoller Wärme und hinreißender Sinnlichkeit. Das ist schlicht überwältigend und leuchtet mir viel mehr ein als alle dämonischen Töne anderer Interpreten, die ja oft zur peinlichen Karikatur geraten.

    Lieber "Caruso41", ich danke dir, dass du hier auf Elisabeth Söderström hingewiesen, ein Beispiel Video eingestellt und deine Eindrücke sehr kompetent geschildert hast. :jubel:
    Das weiß ich sehr zu schätzen, auch wenn ich deine Eindrücke überhaupt nicht teilen kann - aber so subjektiv ist eben Stimmbeurteilung! :yes:


    Ich konnte mit der Stimme von Frau Söderström noch nie etwas anfangen - und das hat sich durch das Hören des von dir eingestellten Beispiels, Schuberts Erlkönig, auch nicht wirklich geändert. :S


    Die Stimme wirkt auf mich seltsam fragil, instabil, geradezu "ausgefranzt" - das mag alles sehr ungerecht sein, aber schön finde ich ihre Stimme nicht - und in den auf mich karikiert wirkenden stimmlichen Charakterisierungen von Kind und Erkönig weniger denn je. DAS ist für mich eine peinliche Karikatur! :untertauch:


    Nun muss ich freilich auch einräumen, dass ich gerade bei diesem Lied voreingenommen bin, weil ich es als ganz klares "Herrenlied" ansehe und wie einige andere Lieder auch von einer Frau gesungen nur ganz schwer ertragen kann - den "Erlkönig" noch weniger als andere Schubert-Lieder, die meines Erachtens auch nach einer Herrenstimme schreien. Mag sein, dass Schubert nicht explizit festgelegt hat, ob dieses Lied von einer Frau oder einem Mann zu singen ist, aber de facto waren es meines Wissens zu Schuberts Zeit Herren, die das sangen, vorangig der Tenorbariton Vogl - Helmut Hofmann weiß sicherlich mehr darüber und darf mich gerne korrigieren, wenn ich irren sollte und diese Lieder damals auch schon gleichberechtigt von Männern und Frauen gesungen sein sollten. :hail:


    Gerade beim Lied ist für mich die Sprachbehandlung essentiell wichtig, und hier offenbart Frau Söderström in der deutschen Sprache doch deutliche Defizite. Da stimmt die Färbung vieler Vokale überhaupt nicht - und dass das "ächzende Kind" über kein "K" verfügt, ist für mich nur der Höhepunkt einer schlampigen Sprachbehandlung! :untertauch:


    Lieber "Caruso41", bitte nimm es mit nicht übel, dass ich trotz deiner kompetenten Beschreibung nach meinem subjektiven Hörempfinden deine Begeisterung für diese Sängerin im Allgemeinen und für diese "Erlkönig"-Interpretation im Besonderen überhaupt nicht teilen kann! Es mag mein Verlust, mein persönliches Defizit sein, aber mein Vorsatz, bestimmt Lieder nur von Herrenstimmen und nicht von Frauenstimmen interpretiert anzuhören, ist nach diesem - für mich - "Negativbeispiel" leider bestärkt worden... :(


    Wenn es dir und anderen anders geht, dann freut mich das für euch! :) :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Ich frage nicht nach, weil ich diese Aussage kritisiere, sondern weil ich das öfter lese, und mich interessiert, was genau damit gemeint ist (unabhängig von Söderström).




    LG,
    Hosenrolle1

    Lieber "Hosenrolle1", damit meine ich vorrangig, dass offene Vokale als geschlossene Vokale gesungen werden und/oder umgekehrt. "Es ist" - das sind im Deutschen zwei offene Vokale, Frau Söderström singt aber zwei geschlossene Vokale. "Mit" und "sicher" sind bei ihr auch geschlossen statt offen gesungen. Dafür ist das "o" bei "Kron'" zu offen gesungen. "Und hörest du niecht, was Erlenkönig mir leise verspriecht" - usw...


    (Von den Konsonanten, den "danzenden Döchtern" schweigen wir jetzt in diesem Zusammenhang mal, das hat nichts mit Vokalfärbung zu tun. Das "den" bei "in den Armen" wird völlig verschmiert und gar nicht artikuliert - usw.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Elisabeth Söderström


    Ein paar Gedanken meinerseits zu diesem ungewöhnlichen Beispiel:
    Einleitend möchte ich sagen, dass ich bei Schubert-Liedern weniger nach "männlichen" oder "weiblichen" Liedern unterscheide. Ich höre z.B. auch "Die Winterreise" gesungen von Christa Ludwig oder Margaret Price sehr gerne. Bei Strauss-Liedern bin ich hingegen viel mehr voreingenommen, wer was singen sollte.
    Die Interpretation von Elisabeth Söderström ist für mich keine klassische Interpretation mehr "wie man Schubert halt normalerweise singen sollte", sondern hat schon veristische Züge. Am ehesten vielleicht mit Rosvaenges "Feuerreiter" von H. Wolf zu vergleichen.
    Ich kenne momentan keine andere Interpretation, wo der Solist mit vier verschiedenen Stimmen zu singen in der Lage ist (Erzähler, Vater, Sohn, Erlkönig). Bei vielen heute kurz angehörten Erlkönigen wird gerade mal ein zusätzlicher Stimmklang verwendet (meist entweder der Sohn oder Erlkönig - der Vater ist eh tiefer notiert). Oft wird nur durch die Lautstärke versucht, die Personen zu differenzieren. Zwar höre ich nicht wie Caruso41 in der Erlkönig-Stimme wundervolle Wärme und hinreißende Sinnlichkeit, aber die anderen Charkaterisierungen treffen es auch für meinen Geschmack sehr gut. Fast erschrocken war ich beim ersten Hören vom Klang, den Söderström für das Kind verwendet. Zu unterschiedlich die Stimme verglichen mit der normalen Söderström-Stimme. Stelle ich mir aber ein im Fieber delirierendes Kind vor, ist der Stimmklang durchaus zutreffend. Die von Stimmenliebhaber monierten sprachlichen Unebenheiten/Unzulänglichkeiten empfinde ich nicht als derart gravierend, dass sie für mich die gesamte Interpretation entwerten würden. Der Text bleibt über das gesamt Lied sehr gut verständlich (allerdings kenne ich den Text wie viele andere auch aber auch auswendig). Das die eine oder andere Silbe ggf. mal verschluckt oder phonetisch verschliffen wird, rechne ich wohlwollend eher der intendierten Interpretation zu.
    Insgesamt wirkt diese Interpretation auf mich fast hysterisch-gehetzt. Ein ungewöhnlicher Ansatz, aber der Stimmung des Gedichtes sehr wohl entsprechend. Ein ganzen Liederabend in dieser Art zu hören, mag ich mir nicht vorstellen. Als Solitär gehört hingegen eine beindruckende Interpretation.

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Lieber "orsini",


    besten Dank für deinen Beitrag mit der Schilderung deiner Höreindrücke, die in der Bewertung näher bei "Caruso41" als bei mir sind, aber damit kann ich gut leben. :hello:


    Die von Stimmenliebhaber monierten sprachlichen Unebenheiten/Unzulänglichkeiten empfinde ich nicht als derart gravierend, dass sie für mich die gesamte Interpretation entwerten würden.

    Das freut mich für dich, ich finde das aber nach wie vor nur schwer erträglich, weil ich über Sänger wie Dietrich Fischer-Dieskau, Siegfried Lorenz und kurz darauf auch Thomas Quasthoff die Kunstform (Kunst-) Lied kennen und lieben gelernt habe, die alle sehr viel Wert auf das perfekte Wort-Ton-Verhältnis gelegt haben und mir dabei Maßstäbe vermittelt haben, hinter denen ich nur ungerne zurückbleibe - gerade weil Gesang für mich eine wunderbare Verbindung aus Wort und Ton ist, bei der beides zu seinem Recht kommen muss, möglichst gleichberechtigt, was leider häufig nicht der Fall ist. Im konkreten Beispielfall bin ich weder mit dem Wort noch mit dem Ton glücklich, aber das ist mein Problem, nicht deines! :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich kenne momentan keine andere Interpretation, wo der Solist mit vier verschiedenen Stimmen zu singen in der Lage ist (Erzähler, Vater, Sohn, Erlkönig)


    Jessye Norman hat das auch gekonnt. Meine Lieblingsinterpretin dieses Liedes, das ich überhaupt nicht als "männlich" empfinde. Aber das ist natürlich sehr subjektiv.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Auch ich möchte gerne noch ein paar Sätze zu Elisabeth Söderström und ihrer Erlkönig-Interpretation beitragen. Ich muss vorweg sagen, dass ich kein sehr großer Fan von ihr bin, anders als "Caruso41" sehe ich ihre Potraits der Janácek-Heroinen in den an sich sehr verdienstvollen Decca-Aufnahmen unter Sir Charles Mackerras nicht ganz so positiv, das betrifft insbesondere ihre Katja und ihre Jenufa, denen meines Erachtens jegliche Mädchenhaftigkeit abgehen. Im zweiten Akt der "Jenufa" hat man absurderweise manchmal das Gefühl, dass Eva Randová ihre Tochter sein könnte so alt klingt hier die etwas ausgemergelte Stimme der Söderström im Vergleich zur saftigen vokalen Üppigkeit der Mezzo-Sopranistin.
    Aber man soll ja in dieser Rubrik unvoreingenommen hören und da kommt es mir vielleicht zu Gute, dass es mir völlig egal ist, ob Schubert-Lieder von einer Frau oder einem Mann gesungen werden, so lange mich die Interpretation mitnimmt. Und obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass mir das nicht gefallen würde, hat es mich doch gepackt. An den - von "Stimmenliebhaber" zurecht konstatierten - Vokalverfärbungen störe ich mich jetzt nicht so sehr, die Textdeutlichkeit ist trotz der zum Teil arg verwaschenen Konsonanten gegeben. Klar, muss man beim Lied immer Abstriche machen, wenn ein/e Nicht-Muttersprachler/in am Werk ist, aber es bewegt sich hier für mich noch absolut im Rahmen des für mich Erträglichen. Man kann zu den sehr unterschiedlichen Stimmen, die sie den drei "Figuren" angedeihen lässt, stehen wie man will, man kann es ordinär finden, aber mir bringt es den Inhalt des Liedes tatsächlich näher. Gerade das Kind verkommt für mich nicht zu einer Karikatur, sondern befindet sich förmlich in den letzten Zuckungen und bäumt sich mit letzter - auch vokaler - Kraft gegen das nahe Ende auf. So viel Mut zu vokalen Hässlichkeit ist in einer Liedinterpretation schon bemerkenswert und auch eine Gratwanderung, sie zahlt sich aber meine Erachtens aus, wenn sie nicht zum Selbstzweck verkommt. Im vorliegenden Fall wird aus meiner Sicht der Todeskampf des Kindes dem Zuhörer emotional sehr nahe gebracht. Paul Badura-Skodas Begleitung des technisch sehr anspruchsvollen Klavierparts unterstreicht das Existentielle dieser Aufnahme, indem selbst ein trügerischer Schönklang konsequent vermieden wird.
    Für mich ein Aufnahme, bei der Vokal-Ästheten nur bedingt auf ihre Kosten kommen. Der rasante Ritt, den der Vater vollführt, um das Kind zu retten wird für den Zuhörer jedoch mehr als deutlich. Erlkönigs lakonische Einwürfe, er ist ein höhnischer und zugleich verführerischer Todesbote inmitten der sich vergeblich mühenden Menschen, das, so finde ich, wird in dieser Interpretation schon sehr deutlich und darum gefällt sie mir.

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  • Ich kenne die Söderström von dieser HUG-Aufnahme von 1978, wo sie die Hexe gesungen hat.



    Wenn man auf 1:32:00 geht, hört man ihr "Hurr hopp hopp hopp", das ich zwar stimmlich gut finde, weil sie nicht wie eine junge Frau, sondern wirklich alt klingt, andererseits finde ich den Vortrag irgendwie langweilig, ohne jede Energie, ohne jeden Schwung, es klingt für mich zu gewollt, wie sie versucht eine Hexe zu spielen.


    Hier der Text dieser "Arie", falls es jemand nicht kennt:

    Hurr hopp hopp hopp, galopp lopp lopp
    mein Besengaul, hurr hopp, nit faul!


    So wie ich´s mag, am lichten Tag
    spring´ kreuz und quer um´s Häuschen her!
    Bei dunkler Nacht, wenn niemand wacht
    zum Hexenschmaus am Schornstein raus!


    Aus fünf und sechs, so sagt die Hex´,
    mach sieb´n und acht, so ist´s vollbracht
    und neun ist eins, und zehn ist keins
    und viel ist nichts, die Hexe sprichts!
    So reitet sie bis morgen früh!
    Brrrr! Besen hü!




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich muss vorweg sagen, dass ich kein sehr großer Fan von ihr bin, anders als "Caruso41" sehe ich ihre Potraits der Janácek-Heroinen in den an sich sehr verdienstvollen Decca-Aufnahmen unter Sir Charles Mackerras nicht ganz so positiv, das betrifft insbesondere ihre Katja und ihre Jenufa, denen meines Erachtens jegliche Mädchenhaftigkeit abgehen. Im zweiten Akt der "Jenufa" hat man absurderweise manchmal das Gefühl, dass Eva Randová ihre Tochter sein könnte so alt klingt hier die etwas ausgemergelte Stimme der Söderström im Vergleich zur saftigen vokalen Üppigkeit der Mezzo-Sopranistin.

    Lieber "Melomane",


    danke für deinen Beitrag. Diese "Jenufa" ist genau die Aufnahme, in der ich Elisabeth Söderström kennenlernte und nicht übermäßig schätzen lernte.


    Dass dir die Interpretation des "Erlkönigs" von ihr - im Gegensatz zu mir - gefällt, damit kann ich gut leben. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hier der Text dieser "Arie", falls es jemand nicht kennt

    Ich kenne den zwar, aber es war in diesem Falle schon ganz gut, dass der dabeistand...


    (Und wenn es nur ein einiziges Detail von vielen ist, dass sie nicht "um's Häuschen her", sondern "um Häuschen her" singt...)



    es klingt für mich zu gewollt

    Und genau das ist mein Empfinden bei ihrem "Erlkönig!" :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Bevor neue Tagesbeispiele komme: Für mich geht der "Erlkönig" mit Elisabeth Söderström gar nicht. Der Vortrag mit verteilten Rollen ist ein gewaltiger Irrtum. Die Kinderstimme finde ich nahezu unerträglich. Ich war erschrocken, als ich das hörte. Die Ballade - eine der großen Herausforderungen für Sänger - zerfällt hier in einzelne Bestandteile und bleibt nicht zusammen. Ein Manko, das auch der Pianist nicht ausgleichen kann. Aus Kunst wird Klamauk, hart am Schmierentheater. Diese Sängerin neigt zu Übertreibungen, die ich für den Feind jeder Interpretation halte. Das Hexenbeispiel von HR1 bestätigt mich in meinen Vorbehalten. Ich kenne keine Interpretation, mit der sie mich überzeugt. Freund Caruso will ich aber dennoch nicht zu sehr widersprechen. Vielmehr achte ich seine wohlbegründete Einschätzung. Er hat - wie so oft - den Vorteil, sie selbst auf der Bühne und sicher auch im Liederabend gehört zu haben. Dadurch entstehen, wie ich finde, andere und komplexere Eindrücke, als wenn man Sänger nur von den Konserven kennt. Konserve und live sind eben doch zwei unterschiedliche Dinge. Manche Sänger gibt es deshalb zweimal.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Für mich geht der "Erlkönig" mit Elisabeth Söderström gar nicht. Der Vortrag mit verteilten Rollen ist ein gewaltiger Irrtum. Die Kinderstimme finde ich nahezu unerträglich. Ich war erschrocken, als ich das hörte. Die Ballade - eine der großen Herausforderungen für Sänger - zerfällt hier in einzelne Bestandteile und bleibt nicht zusammen. Ein Manko, das auch der Pianist nicht ausgleichen kann. Aus Kunst wird Klamauk, hart am Schmierentheater.

    Lieber "Rheingold1876",


    vielen Dank für deinen Beitrag, der mir - irgendwie auch zu meiner inneren Beruhigung - zeigt, dass es in diesem konkreten Fall, Söderström und "Erlkönig", nicht nur mir (mit meinen Problemen dabei) so ging! :yes:
    (Ich hatte ja in Beitrag 184 dazu geschrieben: "DAS ist für mich eine peinliche Karikatur.") :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Das hatte ich sehr wohl gelesen. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Helmut Hofmann,


    falls du hier mitliest: Mich würde deine Einschätzung der Interpretation dieses "Erlkönigs" von Elisabeth Söderström wirklich brennend interessieren! Und solltest du dabei noch meine in Beitrag 184 an dich gestellte Frage beantworten können, wäre das geradezu perfekt! :jubel: :hail: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Willi hat heute in seiner Rubrik dankenswerterweise an den 40. Todestag von Paul Schöffler erinnert. Schon seit den frühen 1990er Jahren ist Paul Schöffler neben Ferdinand Frantz mein "historischer" (also nicht mehr live erlebter) Lieblings-Sachs. (Mein live erlebter Lieblings-Sachs ist Siegfried Vogel).


    Nun bin ich selbst gespannt, ob dieses vor mehr als zwei Jahrzehnten gebildete Urteil heute beim Hören seines Sachs-Monologes Bestand hat:



    https://www.youtube.com/watch?v=n-qy_slrMyw


    Die "Wahn"-Rufe zu Beginn könnten natürlich erderschütternder sein - so sind sie freilich wie aus dem stillen Schmerz heraus organisch entwickelt und damit nicht weniger eindrucksvoll, im Gegenteil! (Aber etwas unorthodox ist das allemal.)


    Nicht alle Vokale sind optimal gefärbt ("Wohin" mit geschlossenem "i", auch bei "Weltchronik" und "bis" und "in" usw., auch das "o" bei "davon" und das "u" bei "unnütz" sind zu geschlossen).
    Trotzdem ist die Textverständlichkeit gut und vor allem habe ich bei ihm in jeder Sekunde das Gefühl, dass er weiß, was er gerade singt - das ist gerade bei dieser Rolle viel wert!


    Schöfflers Stimme scheint sich in dieser Lage wohl zu fühlen, hört sich unangestrengt und bei aller Schmerzensklage schmelzreich und "sonnig" an. Er hat hier über weite Strecken einen lockeren Parlandoton und muss nur bei den wirklichen Höhepunkten Kraft dazu geben. (Ideale Voraussetzungen, um diese Mörderpartie am Abend auf der Bühne gut durchzustehen und durchzusingen.)


    "'s ist halt der alte Wahn" - da würde ich mir schon mal einen größeren Ausbruch auf "Wahn" wünschen, damit der Kontrast zu den später folgenden Piano-Stellen noch größer ist.


    Sehr gut gefällt mir sein Übergang zwischen den musikalischen Teilen bei "'s mag gehen oder stehen" - die Zurücknahme der Stimme bei Einsatz der neuen Melodie. (Trotzdem klingt mir "stehen" zu sehr nach "stöhen".)


    "Gott weiß, wie das geschah" - nach der dramatischen "Prügel-Stelle" wird das "Gott" noch in dieser Haltung gesungen, dann folgt eine wunderbare lange Zäsur nach dem "weiß" - und dann geht das "wie es geschah" im im wunderbar zarten Piano weiter - auch das empfinde ich als einen großartig gestalteten Übergang. Danach geht es sehr lyrisch im Piano weiter, der "Kobold" hätte trotzdem etwas mehr "k" vertragen können, auch beim "Flieder" sind die Ansatzkonsonanten "Fl" nur schwach artikuliert. Die "Johannisnacht" ist wunderbar im Piano gesetzt, nur die anschließende Steigerung auf "Johannistag" könnte machtvoller und ausladender sein, bei "-tag" wackelt sogar die Stimme etwas, ebenso beim letzten "gelingen" (kurz nachdem der hohe Ton beginnt).


    Mein Fazit: Es gibt sicherlich ausladendere Stimmen mit eindrucksvollerem Material, aber er macht sehr viel daraus. Eine überzeugende Interpretation, mit der ich sehr zufrieden bin, wenn auch nicht überschäumend begeistert.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Bei einer derart bekannten, oft gehörten Aufnahme ist das "unvoreingenommene Hören" natürlich nicht so leicht wie sonst, aber ich will es dennoch versuchen: Was in den ersten Takten bereits auffällt, ist, dass die Vokale "a" und "i" bei Schöffler immer etwas in Richtung "o" tendieren, so dass der Grundklang immer etwas mulmig bleibt. Zudem klingt die Stimme immer etwas dunkler als sie tatsächlich ist. Über ein ausladendes bass-baritonales Fundament verfügt sie von Natur her nicht unbedingt, viel von ihrem Klang wird durch die Gestaltung beeinflusst und umgekehrt. Sehr deutlich wird dies an der Stelle "Wohin ich forschend blick", da werden die abgedunkelten Vokal beinahe etwas künstlich langgezogen. Schöffler unterstreicht hier die historische, menschlich allgegenwärtige Dimension von Sachsens Zwiespalt, löst das aber nicht - wie manche dem Bassfach entstammenden Interpreten - durch eine stimmliche Autorität, sondern durch eine gestalterische Note.
    Das er das von Phrase zu Phrase anpasst kann man bei "S'ist halt der alte Wahn, ohn' den nichts mag geschehen..." erkennen - hier klingen die vokale viel weniger abgedunkelt, die Phrase erscheint leichter, ganz so als wäre die Erklärung, dass der "Wahn" etwas zutiefst menschliches, immer dagewesenes ist, ein innere Befreiung für den von widerstrebenden Gefühlen geplagten Sachs.
    Stellen, an denen das rein stimmliche Element im Vordergrund stünde, sucht man bei dieser Interpretation vergebens, ihre Basis ist nicht der Klang, sondern die Gestaltung, die Durchdringung des Textes. Selbst durch Kna's überaus feierliches Tempo bei "Wie friedsam treuer Sitten..." lässt sich Schöffler nicht zu einer pathetischen Interpretation der Phrase verleiten, durch einen natürliches Mezzofortegesang erhält die Stelle vielmehr eine nachdenkliche Komponente. Die folgende Parlandostelle ("Doch eines Abends spat...") wird mit der Erfahrung eines großen Mozart-Sängers leicht und prägnant zugleich mit einer souveränen, fast doppelbödigen Konsonantenbehandlung ("bei jugendheißen Gemüten"!) souverän, beinahe schon mit charmanter Witzigkeit gemeistert. Bei "Gott weiß, wie das geschah." bekommt sie Stimme sofort wieder einen sehnsuchtsvollen Gesang, die wunderbare, nachfolgende Streicherphrase wird inhaltlich so schon vorbereitet. Über das gelungene piano bei "Johannisnacht" hat "Stimmenliebhaber" bereits berichtet, natürlich ist das folgende "Johannistag" nicht von übermäßiger stimmlicher Ausladung geprägt, aber es ist wunderbar prägnant, fast schon pragmatisch und unterstreicht, dass Sachs nun, am Tag, die Verwirrungen der Nacht zu ordnen gedenkt.
    Sicher gab es einige Sachs-Interpreten, die Schöffler an vokalen Mitteln überlegen waren (hier denke ich vor allem an Friedrich Schorr oder Ferdinand Frantz), und sicher ist rein stimmlich der Sachs für Schöffler mit seiner sehr sehnigen Stimme nicht so eine Idealpartie wie der Pizarro oder der Sebastiano aus "Tiefland". Da die gestalterische Komponente für einen Sachs mindestens genauso bedeutend ist, wie die stimmliche (und - das kann man auf den Live-Mitschnitten aus Wien oder der Met nachprüfen - Schöffler sich die Partie genial einteilt), ist er als Sachs dennoch einer meiner absoluten Favoriten. Das betrifft ausdrücklich auch die hier vorliegende Aufnahme des "Wahn"-Monologes.

  • Ihr Lieben,


    mir war natürlich völlig klar, dass die Aufnahme sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen wird. Deshalb freue ich mich, dass Ihr so offen und dezidiert Eure Höreindrück und Urteile geschildert habt. Von Experten wird dieAufnahme eigentlich eher immer als Sternstunde gepriesen, aber ich finde die vorgetragenen Einwände, die teilweise ja auch in den zustimmenden Beiuträgen von Orsini und Melomane anklingen, absolut berechtigt.


    Lieber "Caruso41", bitte nimm es mit nicht übel, dass ich trotz deiner kompetenten Beschreibung nach meinem subjektiven Hörempfinden deine Begeisterung für diese Sängerin im Allgemeinen und für diese "Erlkönig"-Interpretation im Besonderen überhaupt nicht teilen kann!


    Für mich geht der "Erlkönig" mit Elisabeth Söderström gar nicht. Der Vortrag mit verteilten Rollen ist ein gewaltiger Irrtum.


    Für mich ein Aufnahme, bei der Vokal-Ästheten nur bedingt auf ihre Kosten kommen. Der rasante Ritt, den der Vater vollführt, um das Kind zu retten wird für den Zuhörer jedoch mehr als deutlich. Erlkönigs lakonische Einwürfe, er ist ein höhnischer und zugleich verführerischer Todesbote inmitten der sich vergeblich mühenden Menschen, das, so finde ich, wird in dieser Interpretation schon sehr deutlich und darum gefällt sie mir.


    Insgesamt wirkt diese Interpretation auf mich fast hysterisch-gehetzt. Ein ungewöhnlicher Ansatz, aber der Stimmung des Gedichtes sehr wohl entsprechen. Ein ganzen Liederabend in dieser Art zu hören, mag ich mir nicht vorstellen. Als Solitär gehört hingegen eine beindruckende Interpretation.


    Aber wie recht habe nun ich oder Rheingold?
    Letztlich geht es um die Frage, welche ästhetischen Anforderungen an die Interpretation einer Ballade gestellt werden und welchen Kriterien wir Vorrang geben, wenn wir etwas als „schön“ oder „hässlich“ beurteilen, richtig oder falsch, Wahrheit oder Karrikatur. Für mich ist die Aufführung eines Textes - also etwa dieser Ballade - aber immer auch eine Frage der Semiotik, in der es darum geht, was Bedeutung und Sinn schafft. Das ist ein Themenfeld, das diesen Thread überlasten würde.
    Wenn man aber akzeptiert, dass es hier um ästhetische und semiotische Fragen geht und nicht einfach um eine mehr oder weniger schöne Gesangsleistung, dann macht auch ein Streit um die verschiedenen Wahrnehmungen und Urteile keinen Sinn! Die Meinungsverschiedenheiten sind nicht aufhebst, wer Recht hat, lässt sich nicht entscheiden! Deshalb will ich meine Sicht auf Söderströms "Erlkönig" nicht verteidigen und auch nicht gegen die Argumente zu Felde ziehen, die gegen diese Interpretation vorgebracht wurden! In meinem Urteil allerdings hat mich niemand erschüttert. Schon gar nicht Stimmenliebhaber mit seiner Ansicht, das dies Lied den Männern vorbehalten sei!


    Geärgert hat mich allerdings, dass einige meinten, in diesem Zusammenhange die Södersröm gleich ganz abräumen zu müssen. Man kann ja nicht bestreiten, dass sie etwa als Jenufa nicht mehr wie ein junges Mädchen klingt. Immerhin war sie zur Zeit dieser Aufnahme 55 Jahre alt. Aber wenn man mal akzeptiert, dass der Klang nicht mehr jugendfrisch ist, dann gibt es doch an dieser Aufnahme viel zu bewundern! Sehr viel! Aber das gehört nicht in diesen Thread! Übrigens: die Katja muss ja nun wirklich nicht mehr nach jungem Mädchen klingen - von der Emilia Marty ganz zu schweigen.


    Rheingold hat natürlich Recht, wenn er vermutet, dass für mich viele Live-Eindrücke der Grund für eine besondere Beziehung zur Söderström sind. Ich habe sie in "Nozze di Figaro" als Cherubino, Susanna und Contessa gehört und im "Rosenkavalier" als Sophie, Octavian und Marschallin! Dazu in so verschiedenen Partien wie Wozzek-Marie, Melisande ond Fidelio-Leonore! Keinen dieser Abende möchte ich missen, weil hier eine großartige Sängerdarstellerin mitwirkte, die jeder Partie ein starkes Profil zu geben verstand!
    Von Ponelle wird eine Äusserung immer wieder zitiert, wenn es um Söderström geht. Sie sang in einer Wiederaufnahme seiner Inszenierung von "Nozze di Figaro" die Gräfin an der MET. Nach der Aufführung, die er besucht hatte, sagte er (ich zitiere sinngemäß): ich halte alles für falsch was sie gemacht hat, "but I really admire that!"


    Wer denn übrigens mal hören will, dass Elisabeth Söderström auch ganz einfach s c h ö n singen konnte, dem empfehle ich Ihre Marguerite in Faust (mit Jussi Björling), ihren Octavian (Szenen mit Régine Crespin und Hilde Güden unter Silvio Varviso), die Susanna in Carlo Maria Giulinis Aufnahme von "Nozze di Figaro" (mit Schwarzkopf, Berganza, Corena und Ernest Blanc) oder einfach die "Vier letzten Lieder" und die Schlusszene von "Capriccio" unter Richard Armstrong. Vielleicht auch die Chopin-Lieder mit Vladimir Ashkenazy!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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  • ist er als Sachs dennoch einer meiner absoluten Favoriten. Das betrifft ausdrücklich auch die hier vorliegende Aufnahme des "Wahn"-Monologes.

    Lieber "Melomane",


    herzlichen Dank für deine detaillierte Analyse des von mir eigestellten Wahn-Monologs von Paul Schöffler, die zwar etwas andere Schwerpunkte setzt als meine, aber doch zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommt. :jubel: :hello:



    Geärgert hat mich allerdings, dass einige meinten, in diesem Zusammenhange die Södersröm gleich ganz abräumen zu müssen.

    Lieber "Caruso41",


    muss ich mich davon angesprochen fühlen? Und muss ich mir vorwerfen lassen, dass ich mit dieser Stimme nur wenig bis gar nichts anfangen kann? Dass sie objektiv eine bedeutende Sängerin war, bestreite ich doch überhaupt nicht, andernfalls wäre sie es mir nicht wert gewesen, in Willis Rubrik an ihren 8. Todestag zu erinnern. Ich denke auch: Wen August Everding zu sich zum "da capo" ins Fernsehstudio bat, der kann nicht ganz unbedeutend gewesen sein.


    Andererseits glaube ich immer mehr (noch mehr als eh schon vorher) an die Richtigkeit von Ralf Recks Satz in seiner Signatur: "Stimmbeurteilung bleibt subjektiv", je öfter ich diese lese, darüber nachdenke und sie zitiere. Wenn zehn Pianisten auf dem gleichen Flügel das gleiche Stück spielen, dann liegt es nicht nur an den Pianisten, wie dieses Stück klingt. Sänger haben aber nur ihr ureigenstes Instrument, ihre Stimme und ihren (Resonanz-) Körper - und Stimmen sind klanglich viel individueller als Klaviere (glaube ich) und sprechen daher die Hörer viel unterschiedlicher und subjektiver an. Es gibt wohl kaum zwei Stimmenliebhaber, bei denen die Liste derjenigen Sängerinnen und Sänger, die sie mögen oder nicht mögen, völlig identisch ist. Es gibt neben rational nachvollziehbaren Gründen auch irrationale oder schwerer nachzuvollziehende Gründe, warum jemanden eine Stimme anspricht oder eben nicht.


    In dieser Rubrik, die den Austausch subjektiver Höreindrücke zum Thema hat, sollte man sich möglichst gegenseitig seinen Sängergeschmack nicht zum Vorwurf machen, sondern über die eigenen subjektiven Höreindrücke möglichst detailliert berichten und die subjektiven Höreindrücke der anderen möglichst interessiert nachlesen wollen, um dadurch vielleicht wieder andere interessante Aspekte über die jeweiligen Stimmen im besonderen und der Frage der Stimmbeurteilung im Allgemeinen zu erfahren. Da du und einige andere dabei konstruktiv mitmachen, glaube ich, dass wir da auf einem guten Weg sind - trotz (oder gerade auch wegen) des klaren Pro und Contra, das Frau Söderströms "Erlkönig"-Interpretation jetzt von jeweils mehreren erfahren hat. Ich wollte dich mit meiner offenen, aber ehrlichen Negativkritik zu dieser Interpretation wirklich nicht verärgern, sondern dir eine ehrliche Rückmeldung meiner individuellen Höreindrücke geben und zugleich weitere Höreindrücke anderer herauszukitzeln. Ich denke, dass das ganz gut gelungen ist. :yes: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber!


    ......


    Lieber "Caruso41",
    muss ich mich davon angesprochen fühlen?


    Ja irgendwie schon. Aber Du warst nicht der Einzige. Immerhin habe ich diese Bemerkungen so aufgenommen, als sollte Söderström gleich ganz abgeräumt werden:


    Ich konnte mit der Stimme von Frau Söderström noch nie etwas anfangen - und das hat sich durch das Hören des von dir eingestellten Beispiels, Schuberts Erlkönig, auch nicht wirklich geändert. :S
    Die Stimme wirkt auf mich seltsam fragil, instabil, geradezu "ausgefranzt" - das mag alles sehr ungerecht sein, aber schön finde ich ihre Stimme nicht -......


    .....Diese "Jenufa" ist genau die Aufnahme, in der ich Elisabeth Söderström kennenlernte und nicht übermäßig schätzen lernte.....


    Hättest Du Deine Meinung schon in den vorigen Beiträgen mit solchen Äußerungen balanciert, hätten ich Dein Urteil leichter akzeptieren können:

    ...Dass sie objektiv eine bedeutende Sängerin war, bestreite ich doch überhaupt nicht, andernfalls wäre sie es mir nicht wert gewesen, in Willis Rubrik an ihren 8. Todestag zu erinnern.....


    Interessant wäre ja mal zu erfahren, warum sie eine "bedeutende Sängerin" war, wenn ihre Stimme auf einen so versierter Stimmenliebhaber als <seltsam fragil, instabil, geradezu "ausgefranzt"> wirkt.
    Aber dazu willst Du nichts sagen?


    Im Übrigen ging es mir eigentlich bei meinen Beitrag zu diesem Thread gar nicht darum, eine schöne Stimme vorzustellen sondern eine außerordentlcihe Gesangsleistung und hörenswerte Interpretation!
    Insofern trifft Ralf Recks Satz auch nicht!


    ...glaube ich immer mehr (noch mehr als eh schon vorher) an die Richtigkeit von Ralf Recks Satz in seiner Signatur: "Stimmbeurteilung bleibt subjektiv"


    Wenn es um die Stimmen selbst geht, hat er sicher recht! Das habe ich ja oft genug deutlich gesagt! Aber wenn man Gesangsleistungen und Interpretationen betrachtet, gilt er eigentlich nicht mehr!


    Trotzdem gibt es guten Grund, auch bei der Bewertung von Söderströms Interpretation des Erkönigs zu entgegengesetzten Ergebnissen zu kommen. Aber - wie gesagt - das ist dann eine Frage der Ästhetik und Semiotik. Auch da ist das Subjektive natürlich nicht ausgeschaltet: Der Hörer entscheidet relativ frei, welche Codes und welche semantischen Rahmen er auf die Interpretation anwendet! Über die Frage der Codes und Rahmen kann immerhin intersubjektiv und vernünftig gestritten werden! Aber oben habe ich ja schon gesagt, dass dies zu erörtern, wohl nicht in diesen Thread passt!


    Also zur entscheidenden Frage: Du hast mich nicht verärgert!
    Wenn Du mich am Sonntag im "Le Propète" triffst, kannst du mich ruhig ansprechen. Du musst keine Angst haben, dass ich Dir vor Schienbein treten!


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ja irgendwie schon.

    Dacht' ich mir's doch! :D


    Immerhin habe ich diese Bemerkungen so aufgenommen, als sollte Söderström gleich ganz abgeräumt werden


    Ich weiß nicht, was "abräumen" in diesem Zusammenhang bedeuten soll. Dass sie mich noch nie wirklich erreicht und überzeugt hat, obwohl sie so viele Auftritte an wichtigen Häusern absolviert und Aufnahmen unter bedeutenden Dirigenten gemacht hat, ist nunmal so, aber sie ist weiß Gott nicht sie einzige berühmte Sängerin, die mich nicht erreicht, da gibt es sogar noch berühmtere...


    Hättest Du Deine Meinung schon in den vorigen Beiträgen mit solchen Äußerungen balanciert, hätten ich Dein Urteil leichter akzeptieren können


    Ich muss hier in dieser Rubrik gar nichts "balancieren", sondern nur meinen subjektiven Höreindruck mitteilen, und das habe ich getan. Ob du das akzeptieren kannst oder nicht, ist dann eher dein Problem. Ich fand aber schon, dass die beiden positiven Gegenstimmen und die eine Stimme, die meinen Eindruck teilte, sehr interessant zu lesen waren. Ein "Austausch" muss nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen sein, gerade wenn man mit seinem Herzblut an seinen Sängerlieblingen hängt und gar nicht begreifen kann, dass andere die nicht so toll finden wie man selbst- das geht mir ja in zahlreichen anderen Fällen auch so! :yes:


    Interessant wäre ja mal zu erfahren, warum sie eine "bedeutende Sängerin" war, wenn ihre Stimme auf einen so versierter Stimmenliebhaber als <seltsam fragil, instabil, geradezu "ausgefranzt"> wirkt.
    Aber dazu willst Du nichts sagen?

    Alles, was ich dazu sagen wollte, habe ich gesagt: Eine bedeutende Sängerin war sie, weil sie über Jahre an ersten Bühnen aufgetreten ist, unter vielen berühmten Dirigenten engagiert war und mit vielen bedeutenden Regiseuren zusammengearbeitet hat, die sicherlich nicht alle Idioten waren. Für mich persönlich hat sie keine positive Bedeutung erlangen könnnen (auch keine wirkliche negative, sie ist kein "Hassobjekt" von mir...), aber bin ich deshalb ein Idiot? Wenn ja, dann muss und kann ich damit leben. ;)


    Was ich über ihre Stimme gesagt habe, war mein Eindruck am Anhören ihrer "Jenufa"-Aufnahme vor etwa einem Vierteljahrhundert und jetzt auch beim Anhören ihres "Erlkönigs" - und mehr als das, was ich dazu gesagt habe, gibt es von mir dazu eigentlich auch nicht zu sagen.


    Wenn Du mich am Sonntag im "Le Propète" triffst, kannst du mich ruhig ansprechen. Du musst keine Angst haben, dass ich Dir vor Schienbein treten!

    Da bin ich ja wirklich beruhigt - ich hatte nämlich wirklich eine große Angst genau davor! :D :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich muss hier in dieser Rubrik gar nichts "balancieren", sondern nur meinen subjektiven Höreindruck mitteilen, und das habe ich getan. Ob du das akzeptieren kannst oder nicht, ist dann eher dein Problem. Ich fand aber schon, dass die beiden positiven Gegenstimmen und die eine Stimme, die meinen Eundruck teilte, interessant zu lesen waren. Ein "Austausch" muss nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen sien, gerade wenn man mit seinem Herzblut an seinen Sängerlieblingen hängt und gar nicht begreifen kann, dass andere die nicht so toll finden, wie man selbst


    Dem stimme ich voll und ganz zu.


    Auch wenn ich einen Großteil der hier genannten SängerInnen nicht kannte, habe ich deine, Melomanes und Rheingolds Beiträge hier mit großem Interesse gelesen, fand sie sehr sachlich und nachvollziehbar formuliert und bin gespannt auf weitere Bewertungen :hail:


    (Vielleicht magst du ja mal in meinen "Deh vieni"-Thread reinschauen und was sagen? :))




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich fand aber schon, dass die beiden positiven Gegenstimmen und die eine Stimme, die meinen Eindruck teilte, sehr interessant zu lesen waren.


    Genau das, lieber Stimmenliebhaber, sehe ich genau so! Mehr noch: ich habe ja ausdrücklich am Beginn meiner Replik auf die eingegangenen Beiträge gewürdigt, dass die Argumente nicht nur interessant zulesen sondern "absolut berechtigt" waren :

    .....ich finde die vorgetragenen Einwände, die teilweise ja auch in den zustimmenden Beiträgen von Orsini und Melomane anklingen, absolut berechtigt.


    Schade, dass Du nie die Söderström auf der Bühne erlebt hast. Wenn sie einen begeistert hätte, dann Dich! Sie ist ja in Schweden für ihre Emilia Marty am Stockholmer Opernhaus als beste Schauspielerin des Jahres ausgezeichnet worden! Diese Auszeichnung hat nie vorher oder hinterher ein Sänger erhalten!


    Im Übrigen: Söderström gehört eigentlich nicht zu meinen "Sängerlieblingen". Ich habe nur Aufführungen von ihr erlebt, in denen sie mir wichtig war! Damit ist sie unvergesslich für mich!


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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  • Eigentlich hatte ich ja gestern schon erwogen, mich hier über ein konkretes Hörbeispiel von René Kollo auszutauschen, aber dann wurde Elisabeth Söderström das Thema des Tages. Darf man den auch hier im Forum zu Recht vielfach gewürdigten (und zum 80. gratulierten) Tenor hier "zerpflücken"? Natürlich sollte es ein Beispiel sein, das über jeden Zweifel erhaben ist, und da dachte ich sofort an seinen Studio-Stolzing unter Karajan. Als ich jetzt das Preislied auf der Festwiese hörte, war ich zumindest hin- und hergerissen. Auch auf die Gefahr hin, bei einigen, die mit Differenzierung im Urteil nicht so viel am Hut haben, böse anzuecken :untertauch: , möchte ich meine Höreindrücke hier doch detalliert beschreiben und somit vielleicht zur Schilderung anderer Höreindrücke dieser Nummer herausfordern.


    Das Preislied beginnt quasi bei 4:11:06 mit den einleitenden Akkorden:



    https://www.youtube.com/watch?v=JKG8ZxEOdwE


    Hier nochmal der komplette Text:

    Schon mit der ersten Phrase bin ich nicht wirklich glücklich (ab 4:11:26) - "Morgenlich leuchtend im rosigen Schein":
    Gleich der erste Ton ist nicht so offen und frei angesetzt, wie ich mir das wünschen würde - und es entwickelt sich aus ihm auch kein durchgehender beglückender Legatobogen. Schon die ersten drei Töne werden eher durch ein Portato abgetrennt, als dass sie zu einem Legato verbunden werden würden. Auch das "in", das bei ihm zu einem "ihin" wird, betont diesen linienvernichtenden Charakter - das ist sehr irdisch und wenig überirdisch gesungen... Die längere Nebensilbe bei "leuchtend" schwebt auch nicht so, wie es wünschenswert wäre - danach wird das "im" aber gut angebunden.


    "Von Blüt und Duft geschwellt die Luft" - hier ist mir der "Duft" nicht duftig genug, geht mir auch zu sehr Richtung geschlossenes "o" und klinkt als betonter Ton in dieser Phrase dennoch völlig unbetont und klangarm - doch nicht etwa, um eine Legato-Phrase durchzuziehen, sondern danach wird fast neu angesetzt. Das ist mir alles etwas zu "eckig", nicht lyrisch-innerlich genug. Allerdings schwellt ihm der Ton bei "geschwellt" wirklich - das gefällt mir.


    "Vor aller Wonnen nie ersonnen" - auch hier findet keine wirkliche Legato-Bindung statt, man hört eher ein "Portamento": Vor aller Wo-ho-ne-hen" - diese eingeschoebenen "h"'s verhindern leider eine schöne Legatobildung, welches dieses Preislied meines Erachtens aber fordert. Auch später wiederholt sich das (zu) oft, zum Beispiel bei "im se-heligem Liebestraum".
    "Wonnen" und "ersonnen" ist freilich wunderbar offen und frei gesungen (wenn auch die "Wonne-hen" leider wieder mit Zwischen-"h").
    Auch die nächste Phrase "dort unter einem Wunderbaum" schließt sich in wunderbarem Legato an, aber warum wird die Silbe "Baum" so weit hintem im Hals gesungen, dass das "au" gar nicht frei zum Klingen kommt? Das klingt für mich eher Richtung geschlossenes "o".


    "von Früchten reich" - wunderbar legato durchgesungen, dann aber leider wieder "ra-heich be-he-hangen"


    "zu schaun in selgem Liebestraum" - ganz unschön ist das Zwischen-h beim "gem" von "sel'gem", weil dadurch eine unbetonte Silbe unabsichtlich eine falsche Betonung erfährt.


    "was höchstem Lustverlangen" - sehr schön Legato durchgesungen, aber seit wann hört man im Deutschen bei der Bildung von "ng" ein "g"?


    "das schönste Weib" - gefällt mir sehr gut, wie euphorisch er das singt, frei und offen, wenn auch im Stimmsitz.
    Das Nachdrücken beider Töne beim Wort "Eva" gefällt mir hingegen weniger.


    Auch das "Paradies" zum Abschluss des ersten Stollens könnte etwas freier und lyrischer schweben.


    2. Stollen (ab 4:13:05):
    Was ist das für ein unschöner Tonansatz bei "Abendlich"? Nachgeschoben...
    Auch das "dämmernd" klingt mir auf der ersten Silbe etwas zu eng. Das "o" von "umschloss" ist zu geschlossen (mag angesichts des passenden Textes jetzt absurd klingen, ist aber so...)


    "auf steilem Pfad war ich genaht" - sehr schöne "a"-Vokale hier, solch einen hätte ich mir auch beim "abendlich" gewünscht.


    "zu einer Quelle reiner Welle" - wunderbar legato durchgesungen, und der minimale Nachdruck beim Wort "Welle" wirkt hier fast wie ein kurzer Triller, eine gewollte Verzierung, gefällt mir jedenfalls sehr gut.


    "dort unter einem Lorbeerbaum" - sehr schon Legato gesungen, allerdings ist das "o" vom Lorbeerbaum deutlich zu geschlossen.


    "von Sternen hell durchschienen" - "hell" ist jetzt zwar nicht sehr "hell", trotzdem hat dieser Akzent etwas Triumphierendes, Siegesgewisses, das gefällt mir gut, passt für mich!


    "ich schaut im wachen Dichtertraum" - leider wieder eine unschöne falsche Betonung bei "che-hen", also der unbetonten Nebensilbe von "wachen", sonst sehr schön.


    "von heilig holden Mienen" - Wunderbar!!! (Wenn doch das Ganze durchgängig so wäre wie diese Stelle!!! "hold" könnte ein Mü offener sein, aber das ist marginal)


    "mich netzet mit dem edlen Nass das hehrste Weib, die Muse des Parnass" - Wunderbar! Hier verstummt jede Kritik!


    Abgesang (ab 4:14:32) "Huldreichster Tag" - mit dem "u" beim hohen Einstieg tut er sich ein bissl schwer, auch das "Dichters"-"i" ist enger als wünschenswert, der Beginn des Abgesang ist hier noch nicht der neue Höhepunkt.
    Der Abgesang steigert sich jedoch immer mehr zu heldischer Emphase - und die liegt ihm! (Mehr als die Lyrik.)


    "Pracht", "lachend", "Herz", "Muse", "Heilig" - alles wunderbar, geht nicht besser!


    "Sonne", "Wonne" und "Parnass" - großartig mit heldischer Attitüde durchgezogen!


    Fazit: Gerade da, wo heldische Attitüde gefragt ist, triumphiert er, während unforcierte Legatobögen und ebenmäßiger Schöngesang ihm schwerer fallen.
    Insofern sicher eine sehr gute Interpretation - mit zahlreichen Stellen, an denen keine Wünsche offen bleiben, und anderen, wo schon welche offen bleiben, jedenfalls für mich.


    Im Kollo-Thread wurde ja bereits von mehreren darauf hingewiesen, dass der Jung-Siegfried ihm ganz besonders gut lag. Diese bedingungslose "Sei mein"-Attitüde liegt ihm einfach in der Persönlichkeit und in der Stimme. Da er auch sprachlich sehr textverständlich, weil in der Konsonsantenformung alles andere als mundfaul ist, kam ihm die textlastige Partie des Siegfried, wo man wirklich viel wegsprechen muss, auch immer viel stärker entgegen als die langen Töne des Tristan. Zudem hat er auch immer gewusst, was er sang, selbst wenn er es mal nicht wusste. :D (Soll heißen: Selbst wenn er textlich mal schmiss, was live häufiger vorkam, wusste er doch immer, in welcher Situation er sich in seiner Rolle gerade befand und was er gerade AUSZUSAGEN hatte!)
    Kollo war schon ein sehr ernstzunehmeder Vertreter im Wagner-Fach, auch wenn einige Unarten wie hier beschrieben und vor allen nach Nachschieber langer Töne (was jetzt beim Stolzing-Preislied nicht so häufig vorkam wie anderswo, etwa bei Tannhäuser und Tristan) trübten den Genuss manchmal dennoch ein bisschen.


    Soweit meine Höranalyse zu Kollos Preislied des Walter von Stolzing in der Karajan-Studioaufnahme - wo er noch sehr jung war und im Studio mit dem berühmten Maestro vielleicht auch noch ein bissl befangen war - richtig berühmt wurde er erst danach, nicht zuletzt auch wegen dieser Aufnahme, und das auch gar nicht unverdient. :yes:


    Hier noch der Link zum Kollo-Thread bzw, zu den neuen Beiträgen zu seinem 80. Geburtstag:


    http://tamino-klassikforum.at/…ad&threadID=3685&pageNo=5

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • In meiner Jugend besaß ich eine LP mit Liedern von Gretschaninow und der "Kinderstube" von Mussorgksy - gesungen von Elisabeth Söderström und Vladimir Ashkenazy.



    Vladimir Ashkenazy bezeichnete in einem Fernsehinterview von 1986 Elisabeth Söderström als den "Sonnenschein meiner Generation". Mit ihr nahm er u.a. Lieder von Sibelius, Tschaikowsky und vor allem die Rachmaninow-Lieder auf:



    Kürzlich ist diese wirklich empfehlenswerte Box erschienen, die ich mir zugelegt habe :) :



    Darin sind die kompletten Rachmaninow-Lieder und auch 2 CDs mit Tschaikowsky-Liedern enthalten.


    Zum Schluss erlaube ich mir noch eine kritische Randbemerkung. Während die Oper international ist, scheint beim Liedrepertoire in einem Klassik-Forum wie Tamino deutscher Nationalismus gepflegt zu werden. Das komplette nicht-deutsche Liedrepertoire wird mit kategorischer Nichtbeachtung gestraft - ein Totalausfall. Ich finde jedenfalls die Rachmaninow-Lieder sehr hörenswert. ;(


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zum Schluss erlaube ich mir noch eine kritische Randbemerkung. Während die Oper international ist, scheint beim Liedrepertoire in einem Klassik-Forum wie Tamino deutscher Nationalismus gepflegt zu werden. Das komplette nicht-deutsche Liedrepertoire wird mit kategorischer Nichtbeachtung gestraft - ein Totalausfall. Ich finde jedenfalls die Rachmaninow-Lieder sehr hörenswert. ;(

    Ich weiß nicht recht, was das mit dieser Rubrik zu tun hat, wo das Lied wirklich nur ein Randthema ist und eher die Oper im Mittelpunkt steht, oder wer oder was dich daran hindert, eine Rubrik zu Rachmaninow-Liedern zu eröffnen? ?(

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • mir war natürlich völlig klar, dass die Aufnahme sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen wird. Deshalb freue ich mich, dass Ihr so offen und dezidiert Eure Höreindrück und Urteile geschildert habt.

    Lieber Caruso,


    ich finde diese Interpretation beeindruckend. Zu diesem Schubert-Lied gehört die Theatralisierung mit dazu - das ist eine schaurige Ballade nicht nur, sondern eine kleine Oper. Und genau das führt Elisabeth Söderström mit einer unglaublichen Wandlungsfähigkeit der Stimme konsequent durch, singt verschiedene "Rollen". Ich bin ein Anhänger der Idee "immanenter Kritik". Man kann so eine Interpretation ablehnen, weil man eine solche Theatralisierung in einem Kunstlied nicht mag und ein ästhetisches Homogenitätsideal aufstellt. Eine solche Kritik bleibt dann aber äußerlich - genau so, wie wenn jemand Weissenbergs Chopin nur ablehnen würde, weil das im Geist der Neuen Sachlichkeit interpretiert ist. Gemessen daran, was die Sängerin hier erreichen wollte, hat sie das wirklich eindrucksvoll erreicht. Das ist für mich entscheidend. Gut, an einer Stelle hört man ihren Akzent - ansonsten ist ihr Deutsch sauber und klar verständlich. Da habe ich schon bei der "Winterreise" ganz andere Beispiele gehört, wo es wirklich grenzwertig wurde. :D Daran herumzumäkeln, finde ich deshalb etwas beckmesserisch.


    Welche CD ist das denn? Die würde ich mir anschaffen - weil das eine ungewöhnliche, exemplarische Interpretation ist. Jessye Norman mag ich natürlich sehr, aber eben auch die so grundverschiedenen Interpretationsansätze, die zeigen, was in einem solchen Werk für Möglichkeiten stecken. Wenn man diese Interpretation einmal gehört hat, vergisst man sie nicht mehr. Das sagt doch eigentlich alles. Ich kannte sie vorher nicht und bin neugierig. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger!


    Danke für Deinen Höreindruck, der mich gefreut hat!


    Ganz schnell, (ich sitze an einem Text , der morgen fertig sein muss) nur das Cover:



    Gebraucht bekommt man die CD kaum unter 50 EURO! Billiger natürlich als Download!


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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