Darmsaiten für Vegetarier

  • Liebe Taminos,


    ich befinde mich in einem großen Dilemma. Die Frage, die mich quält, ist die: Darf ein Anhänger von HIP (historisch informierte Aufführungspraxis) Darmsaiten benutzen? Die Frage liegt mir als Vegetarier "sehr im Magen". Aber jetzt ist mir eine mögliche Lösung eingefallen. Was ist, wenn für die Herstellung der Saiten der Darm von Raubtieren - zum Beispiel Katzen - verwendet wurde. Darf jemand, der aus Überzeugung keine Kühe, Hühner oder Schweine essen darf, Saiten benutzen, die von Carnivoren stammen. Schließlich stehen die in der Nahrungskette ja eigentlich über uns? Was meint ihr dazu?


    Viele Grüße


    seicento

  • Was meint ihr dazu?

    Dass das eine (bewusst?) einseitige Darstellung ist, und dass die Verwendung dieser Materialen nicht ausschließlich mit HIP zu tun hat ... oder womit, glaubst du, haben die Paukisten der modernen Orchester bis heute ihre Pauken bespannt?


    Wiki:

    Zitat

    In den großen Spitzenorchestern der klassischen Tradition in Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie in den USA, Großbritannien, Australien, Japan, Skandinavien und in Teilen Frankreichs wird jedoch weiterhin auf Naturfellen gespielt. In Österreich, in der Schweiz und auch in Teilen Skandinaviens sind dies meist geschärfte Ziegenfelle, in Deutschland und in den übrigen Ländern meist imprägnierte gespaltene Kalbsfelle (aus Celbridge, Irland). Natur-Paukenfelle bestehen aus Tierhaut – ohne Fellhaar.

    Also sollte man gerechterweise auch in die Richtung austeilen ;)
    (Und HIP bedeutet nicht automatisch auch period instruments, es gibt auch HIP Interpretationen auf modernen Instrumenten)




    LG,
    Hosenrolle1

  • Lieber seicento,
    Für Streicher Darmsaiten wurde und wird üblicherweise Schafsdarm verwendet. Es gibt nur noch wenige Hersteller die dieses Handwerk beherrschen.
    Ich habe leise Zweifel, dass sich kompetente Hersteller auf Experimente mit Katzendarm einlassen würden (schiene mir als Rohstoffquelle nicht nur etwas unergiebig sondern generell etwas schwierig; der Handel mit Katzendärmen könnte die Gefühle der meist doch eher zartbesaiteten Katzenbesitzer empfindlich verletzen und/oder Peta mobilisieren....).
    Für einen überzeugten Vegetarier und Anhänger von HIP seh ich eigentlich nur eine Möglichkeit: sich für ein Instrument entscheiden, bei dem sich die Frage der Saiten (und Bogenhaare) nicht stellt.
    Mit freundlichen Grüßen, quodlibet

  • Die Frage, die mich quält, ist die: Darf ein Anhänger von HIP (historisch informierte Aufführungspraxis) Darmsaiten benutzen? Die Frage liegt mir als Vegetarier "sehr im Magen". A

    Essen würde ich sie nicht. Da wären mir 2-3 Steaks lieber. Aber auf die Klampfe ziehen? Ich sehe kein Problem für einen Vegetarier darin, geht ja nicht durch den Magen.


    Allerdings möchte ich hier keine vegane Diskussion haben. Ich bin und bleibe Fleischesser und habe mit jeder anderen Form der Ernährung nichts am Hut, höchstens in satirischer Form. Deshalb fasse ich den ganzen Thread als Satire auf. Böhmenmann läßt grüßen.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Meines Wissens werden die Schafe nicht zur Saitengewinnung geschlachtet (so wie etwa Nerze für ihr Fell), sondern für das Fleisch. Eine ohnehin getötetes Tier wird daher nur effizienter genutzt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In Musikerkreisen hält sich hartnäckig die Legende, dass Fagottspieler durch die Schwingungen des langen Rohres mit Einschränkungen ihrer geistigen Fähigkeiten rechnen müssten. Ich vermute, dass unter den Taminos, die so engagiert über Darmsaiten für Vegetarier diskutieren, einige fleißige Fagottisten sind. :hahahaha:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Als fleißiger Fagottist :jubel: halte ich die Sache für recht klar:


    Därme von vegetarischen Tieren (also z.B. Schafe) dürfen Vegetarier berühren. Hund- oder Katzengedärm, das andere Tiere verdaut hat, nicht.


    Veganer dürfen allerdings auch Schafdarmsaiten nicht direkt anfassen, ggf. müßten sie mit Plastik-Handschuhen spielen, da ja weder Woll- noch Lederhandschuhe in Betracht kommen. Es kann auch ein Karton-Handschuh verwendet werden. Das ist das nicht nur hip, sondern auch hip.

  • Deshalb fasse ich den ganzen Thread als Satire auf.


    Na, dann schau doch mal, in welchem Unterforum wir uns hier befinden. :pfeif::D

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Es gibt noch eine viel einfachere und praktische Lösung. Die haben die christlichen Fundamentalisten in den USA erfunden. Sie heißt "Fundamentalismus à la carte". Das heißt, ich bin nur Fundamentalist, wo es mir bequem ist. Beispiel: in den USA sind Homosexuelle bei diesen Christen verpönt. Sie sagen, dass die eigentlich getötet werden müssen, denn so steht es im AT. Aber so weit wollen sie nicht gehen. Das aber ist ein schwerer Gesetzesverstoß, nach dem AT ist man verpflichtet, sie zu töten. Anderes Beispiel: Ein Teleevangelist wird gefilmt, wie er aus einem Bordell herauskommt. In seinem Sender legt er eine Heulorgie hin. Falsch! Er und die Prostituierte müssen getötet werden, und zwar durch Steigung.
    Fazit: Macht, wozu ihr Lust habt.
    Nachwort: woran erkennt man einen Veganer? Er sagt es dir!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • "Catgut" (Katzendarm), wie ihn Chirurgen und Streicher verwenden oder verwendeten, soll laut Wikipedia vielleicht für "cattle gut" stehen. Eine andere Quelle sagt, dass italienische Sattelmacher den Darm von wilden Bergschafen verwendet haben, um ihr Leder zu vernähen und ihr "Garn" als Katzendarm deklariert haben, um Nachahmer irrezuführen. Catgut stammte wohl nie von Katzen, auch wenn mit 2 m der Katzendarm lange genug wäre für. :(

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  • Das man die Sachen aus synthetischen Materailien herstellen kann, ist klar, nur die Frage ist, ob sich das lohnt. :S
    Wer vegan ist, dann ist er auch oft Verfechter von Minimalismus - also kein Klavir, keine Flöte - nur die menschliche Stimme. :angel:

    Über Musik kann man am besten mit Bankdirektoren reden. Künstker reden ja nur übers Geld (Sibelius)

  • Zum Darm gibt es doch auch echt pflanzliche Alternativen, oder? Nur sollte dann auch darauf geachtet werden, dass beim Herstellungsvorgang nichts Tierisches verwendet wird - wie bei veganem Wein! Sonst ist das doch nur alles Schummelei. Der echt vegane Geigenklang - das wäre etwas! Noch besser: Nur Musik von veganen Komponisten spielen!


    Eine weitere Alternative wäre, nur solche Saiten zu verwenden von Tieren, die garantiert nicht gegessen werden. Wie wäre es z.B. mit Seide von Spinnentieren? Man macht ein Spinnennetz - nur halt ein bisschen dicker. HIP klingt ja immer so hässlich rauh und affektiert. So eine Saite aus gewebtem Spinnfaden tönt dagegen bestimmt engelhaft sanft - wie das Spinnennetz an der Wand flattert es anmutig im Wind. Dazu könnte man dann eine Aktion starten, um die Liebe für Spinnentiere in der Gesellschaft zu erhöhen. Spinnen in der heimischen Wohnung - in allen Größen - sollten mindestens 100 sein. Die produzierte Spinnenseide verkauft man dann auf dem Spinnen-Flohmarkt als Rohstoff für die Instrumentenbauer. Das ist dann fast so teuer wie edles Nicht-Veganer-Elfenbein und ein Anreiz, die Spinnenweben in der eigenen Bude mit anderen Augen zu sehen. Ein lohnender Nebenverdienst für jeden Haushalt. Arachnophobiker werden in die vegane Pauke eingesperrt und man kloppt ordentlich drauf, damit ihnen Hören und vor allem Sehen vergeht. So betäubt können nun endlich auch sie sich in die Spinnentiere verlieben. Als Therapie bekommen sie zusätzlich eine Geige mit spinnengewebten Saiten, wo sie jeden Tag das "Gebet einer Jungfrau" drauf spielen müssen - als Transkription für Saiteninstrumente natürlich, eine Version mit romantisch verklärendem Spinnen-Schleier. Wie schön doch Spinnen-Geigen-Kitsch sein kann - echte Senta-Sentimentalität! So kommt auch endlich heraus: Vegetarier sind Kitsch-Hörer! :jubel:


    Völlig vergessen wird hier allerdings der tierisch bespannte Geigenbogen! Ein weiteres Aktivitätsfeld für musikliebende Veganer. :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • Steigung tötet mich auch beinah bei jedem zweiten Wandertag!!


    Ein Objekt für die Lachschatulle! :D Ob Steigung oder Steinigung, beides ist gleich verwerflich!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich warte auf Konzerte mit dem Zusatz "vegan", also ohne Verwendung tierischer Produkte zur Klangerzeugung. 8)


    Das wäre dann Realsatire. ;)


    Allerdings stösst man auf Schwierigkeiten: Der Bogen, der zur Klangerzeugung der Streichinstrumente benutzt wird, besteht aus Schweifhaaren von Pferden, vorzugsweise von Hengsten, was wiederum feministische Aktivistinnen im Sinne der Gleichberechtigung beanstanden könnten.


    Es gibt synthetische Alternativen zum Rosshaar. Diesem Material fehlt die natürliche Haarstruktur, weshalb mehr Kolophonium benötigt wird.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Vielleicht verwenden die Herren und Damen Veganer einen Gedanken darauf, daß auch unseren tierischen Mitgeschöpfen kein ewiges Leben auf Erden beschieden ist. Würde es als Störung der Totenruhe empfunden, wenn die Darmsaiten von natürlicherweise dahingeblichenen Tieren verwendet werden würde? Die Geigen benötigen ja schließlich keinen Lebenddarm. Der Bogen wäre immerhin vegetarisch zu bespannen, denn vegetarisch bedeutet aus meiner Reformhaussicht "nix vom toten Tier"


    Nachdenkliche Grüße vom Thomas und love & peace :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • :hello:Meines Wissens werden die Schafe nicht zur Saitengewinnung geschlachtet (so wie etwa Nerze für ihr Fell), sondern für das Fleisch. Eine ohnehin getötetes Tier wird daher nur effizienter genutzt.

    Vor allem der Schafdarm - auch Saitling genann, wird genutzt - Für die Herstellung von "Brühwürsten" wie etwas "Frankfurter oder "Wiener - wo die Haut ja mitgegessen wird

    Ich gehe davon aus, daß ab hier die Riege der Veganer Zuwachs bekommen hat - oder wird.


    Hier ein Info und ein Angebot zum "König der Naturdärme"

    https://hausschlachtebedarf.de…aerme/schafdarm-saitling/

    Hier wird vieles erklärt - ob die angebotenen Därme auch für den Einsatz in Musikinstrumenten geeignet sind - allerdings nicht.

    Mag sein, daß es sich hier um Därme handelt, die akustisch eher als medioker einzustufen sind.

    Um den Würsten die appetilich rote Farbe zu geben setzen einige Firmen Umröter auf Karminbasis ein. Karminrot ist ein roter Farbstoff, der aus getrockneten weiblichen Cochenille-Läusen , die anschliessend gemahlen werden - gewonnen wird. (Lebensmittelfarbe E 120)

    Einst im CAMPARI ebenfalls verwendet, wurde das Rezept auf synthetische Farbstoffe umgestellt. WIKIPEDIA schreibt hierzu

    Zitat

    Die Umstellung der Rezeptur war allerdings in Fachkreisen umstritten, da sich nach 2007 auch der Geschmack des Likörs spürbar verändert habe. Er sei bitterer und süßer geworden, zeige weniger Orangennoten und sei im Vergleich zum alten Rezept weniger komplex.

    Aus den Ausscheidungen ebendieser Läuse - (solange sie noch leben) wird übrigens eine Substanz gewonnen, die unter der Bezeichnin "Schellack" bekannt ist. Sie war nicht nur ein wichtiger Bestandteil der einstigen Schellackplatten, sondern wurde auch in Firnissen für Geigen verwendet, um ihnen ein rotgold glänzendes Aussehen zu verleihen...


    Hier wurden als Schafdärme und Cochenilläuse gleichermaßen genutzt, wogegen man für Klaviertasten Die Knochen von Elefanten einsetzte (Elfenbein)

    Irgendwelche Ignoranten haben dereinst durchgesetzt, daß keine Klavier mit Elfenbeintasten mehr gebaut werden dürfen .....:baeh01:


    Mahlzeit und entspanntes Hören

    wünscht Euch

    Alfred :hello:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe das Gerücht gehört, dass in der EU ab 1.1.2024 nur Darmsaiten aus Darmstadt zulässig sein sollen.

    Wer Darmsaiten fälscht oder gefälschte Darmsaiten in Umlauf bringt, wird mit Betreuung einer Schafherde im Winter bestraft. Hirtenhund(e) ist mitzubringen. Ebenso verpflichtend ist eine Versicherung durch Schäden durch Wölfe. Wenn der Wolf allerdings nur ein Schaf reißt, gilt das als Mundraub und ist zu dulden. Das Schlachten, Braten und Essen von Schafen in der Natur ist erlaubt.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)