Johann Sebastian Bach: Das Weihnachtsoratorium

  • Bei mir weihnachtet es schon ein bisschen. Ich schreibe schon die ersten Texte und fange an, mit den Kindern und Jugendlichen ein Programm einzuüben, denn am 24. Dezember steht ja wieder einmal plötzlich und unerwartet ein Fest ins Haus.


    In diesem Jahr möchte ich einen der Klassiker aus der ehem. DDR hören. Beim Vergleichshören der Klangschnipsel gefiel mir diese von Peter Schreier dirigierte und gesungene Aufnahme sehr gut. Darum habe ich sie bestellt und heute erhalten.



    Diese Aufnahme kommt etwas leichtfüßiger und beschwingter daher als Flämigs berühmte Einspielung. Sie ist nicht HIP, aber dennoch sehr lebendig und transparent. Mit Helen Donath, Marjana Lipovsek, Peter Schreier, Eberhard Büchner und Robert Holl sind herausragende Solisten am Werk, und Ludwig Güttler mit seinem Trompetenensemble setzt noch einmal Glanzlichter in diese zwar konventionelle aber wunderbar klangschöne Aufnahme.


    Freundliche Grüße von der Nordseeküste sendet Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Lieber Andrew,


    viele Grüße an die Nordseeküste zurück. Du hast mich rechtzeitig daran erinnert, dass ich mich auch bei Gelegenheit wieder um dieses herrliche Stück kümmern muss, das wir im letzten Jahr am 2. Advent noch selbst gesungen haben. Ich werde mich mal um die Aufnahme Schreiers kümmern, von derm ich ja schon ein anderes Stück als Dirigent habe, das wir in diesem Jahr schon zweimal aufgeführt haben und im November ein drittes Mal aufführen werden, nämlich Mozarts Krönungsmesse.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber William,


    die erste CD habe ich nun gehört und bin sehr angetan von dieser schönen Einspielung. Eigentlich bin ich sonst eher HIP-orientiert, aber beim Weihnachtsoratorium bin ich ein Allesfresser. Einmal im Dezember brauche ich auch Karl Richter. Das muss einfach sein.
    Und wenn irgend möglich, besuche ich auch ein WO, das hier von einer Kleinstadtkantorei mit Instrumentalisten und Solisten aus Hannover oder Osnabrück aufgeführt wird. Herrlich. Ich habe immer ganz viel Respekt von den Kantoren, die mit Laienchören so etwas auf die Beine stellen. Ich bin leider kein guter Sänger, sonst würde ich da glatt mitmachen.
    Vielleicht hast du ja auch Freude an Peter Schreiers Interpretation.


    Schöne Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Bald ist es wieder soweit..............


    und obwohl ich mir vorgenommen hatte keine weitere Aufnahme mehr zu kaufen habe ich wegen eines Gutscheines der nicht verfallen sollte diese Neuaufnahme von La Petite Bande unter Sigiswald Kuijken bestellt:



    Vielleicht fange ich doch schon vor dem ersten Advent mit dem Durchhören meiner CDs an......


    Gruss


    Kalli

  • Es geht wieder los,


    meine beste Freundin war in Baden-Baden im Ballett - John Neumeier - sie war total begeistert ....... sie wusste nicht mehr welche Aufnahme es wahr - ich habe auf Jacobs getippt - und lag richtig. Also hat der Advent schon früher bei mir begonnen - ist neben Gardiner (DVD und die alte CD) mein Favorit. Hoffentlich finde ich genug Zeit alle meine Aufnahmen in Ruhe zu hören - beginnen werde ich wie immer mit Richter.


    Kalli

  • Ich höre jetzt........


    Kuijken mit Petite Bande. Ich bin sehr angetan - obwohl sängerisch solistisch besetzt ein warmer schöner Klang - ich vermisse den Chor nicht unbedingt. Der Tenor Stephan Scherpe hat es mir besonders angetan - sehr gut verständlich und schönes Timbre. Es kommt keine Hektik auf, die Durchhörbarkeit ist wunderbar ( SACD ). Auch instrumental wunderschön.
    Ich freue mich schon auf die weitere Adventzeit .


    Kalli

  • Guten Abend,


    Nachdem ich den ersten Advent urlaubstechnisch nicht hier weilte habe ich nun wieder meine WO herausgekramt und habe schon zwei hinter mir - Gardiner und de Vriend - jetzt läuft Jacobs. Hat eigentlich niemand die Angewohnheit in der Adventszeit das WO zu hören? Ist bei mir eine geliebte Tradition.


    Schönen dritten Advent noch wünscht


    Kalli

  • Hat eigentlich niemand die Angewohnheit in der Adventszeit das WO zu hören?


    Tatsächlich habe ich eher die "Tradition" Ostern die Passionen zu hören. - Nichtsdestotrotz werde ich morgen Abend das Vergnügen dieses Konzertes haben: Thomas Hengelbrock: Bachs Weihnachtsoratorium (Kantaten I & IV-VI), welches auch live im Radio auf NDRkultur übertragen wird. Es ist dann wohl das letze mal, dass das ehemalige NDR-Sinfonieorchester in der altehrwürdigen Hamburger Musikhalle spielt, bevor es endgültig, als NDR-Elbphilharmonieorchster, in den neuen Saal umzieht :jubel:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Ich höre da meistens die Adventskantaten wie BWV 36, die beiden 61-er oder 110.


    Zu Weihnachten kommt dann BWV 63 und natürlich das Weihnachtsoratorium, oft auch in der Nähe von Weihnachten, also so ab dem 20.
    Leider habe ich ausgerechnet dann aber berufsbedingt wenig Zeit....


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Sagitt meint:


    Bach pflegt ja die meisten Bearbeitungen gut zu überstehen, sozusagen unverwüstlich


    Wenn die Begleitung aber die Singstimme(n) übertönt, ist meine Toleranz am Ende. Dies ist bei einigen tracks dieser Aufnahme der Fall.

  • Gestern habe ich eine alte DVD mit dem Weihnachtsoratorium wieder gehört, eine sehr gute Aufführung aus Namur. Und ich war wie immer erstaunt, dass es das WO gar nicht war, obwohl ich dieses alte Stück -"Herkules am Scheidewege" - bis auf den Schluss hätte mitsingen können. Alle Titel hat Bach ins Weihnachtsoratorium (1-3) verfrachtet.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)


  • Vor über elf Jahren schrieb ich zu dieser legendären Einspielung bereits etwas. Damals empfand ich die extrem getragenen Tempi als nervend. Gestern hörte ich seit Jahren wieder in die Aufnahme und muss sagen: Mittlerweile sehe ich das doch anders.


    Es handelt sich um eine der großen deutsch-deutsch Co-Produktionen und stammt aus dem Jahre 1958. Die Solisten kamen aus dem Westen: Agnes Giebel, Marga Höffgen, Josef Traxel und Dietrich Fischer-Dieskau. Sozusagen das "Who is who" der damaligen Interpreten. Die DDR steuerte den berühmten Thomanerchor und das Gewandhausorchester aus Leipzig unter der Stabführung des damaligen Thomaskantors Kurt Thomas bei.


    Kurt Thomas war lediglich drei Jahre lang Thomaskantor in Leipzig, von 1957 bis 1960. Er schmiss im selbigen Jahr hin, nachdem ihm die SED-Führung eine Konzertreise in die Bundesrepublik untersagt hatte. Er war Nachfolger des berühmten Günther Ramin und Vorgänger von Erhard Mauersberger, die beide heutzutage wohl diskographisch präsenter sind. Neben dem Weihnachtsoratorium spielte Thomas noch einige Kantaten ein.


    Die Tempi sind wirklich sehr langsam: Sage und schreibe 8:51 dauert das "Jauchzet, frohlocket!" am Anfang. Fairerweise muss man aber dazu sagen, dass es sich für die 50er Jahre um keine Außergewöhnlichkeit handelt. Ramin braucht für den Chor in einem Mitschnitt mit den Thomanern und dem Gewandhausorchester von 1952 auch 8:33, Karl Richter in seiner Einspielung von 1965 immerhin 8:17.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Tempi sind wirklich sehr langsam: Sage und schreibe 8:51 dauert das "Jauchzet, frohlocket!" am Anfang.


    Mir geht es ähnlich wie Dir, lieber Jospeh. Ich komme von dieser Einspielung nicht los, zumal es meine erste Begegnung mit dem "Weihnachtsratorium" gewesen ist. Durch die langsamen Tempi ist natürlich alles sehr gut zu verstehen. Schließlich will ja der Text eine Botschaft vermitteln. Und die höre ich vor allem bei Traxel so, dass ich immer wieder angerührt bin. Mit den Jahren habe ich mich durch sehr viele Einspielungen und Aufführungen gehört - auch HIP. Nirgends sonst habe ich aber diese Prachtentfaltung einerseits und diese große Ruhe andererseits gefunden wie hier. Beides ist mir sehr wichtig. Womit ich gar nichts anfangen kann, sind gehetzte Interpretationen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Amazon-Rezensent K.H. Friedgen schreibt dazu einige nachdenklich machende Worte:


    Zitat

    Es ist nicht zu leugnen, daß man nicht erst seit heute tempomäßig deutlich schnellere Zeitmaße setzt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß jüngeren Interpreten der Glaubensinhalt des Werkes weniger wichtig ist als Bachs Musik, und so mag manchem jungen Hörer die Aufnahme bei ersten Abspielen ein wenig gewöhnungsbedürftig sein. Das wird aber alles wettgemacht durch die großartigen künstlerischen Leistungen aller Beteiligten.


    Ich meine, das trifft es sehr gut. Bei den älteren Aufnahmen habe ich auch häufig das Gefühl, dass hier noch die geistige Durchdringung im Vordergrund steht. Die fehlt in fast allen HIP-Aufnahmen leider völlig. Günther Ramin und Kurt Thomas standen noch für diese Tradition, daher mag ich die alten Thomaner-Aufnahmen auch so besonders. Karl Richter war im Vergleich wirklich schon moderner, ohne aber den Glaubensinhalt preiszugeben. Er schaffte gewissermaßen den Spagat. Richter hat halt noch den großartigen Trompeter Maurice André an Bord (wie auch in seinem "Messias"). Seine Einspielung wäre auch mein zweiter Favorit.


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dem Amazon-Renzensenten stimme ich auf ganzer Linie zu. Ein interessanter Gedanke. Ich bin gewiss nicht gläubig im engeren Sinne, wenn ich aber die Leipzigziger Einspielung höre, dann weiß ich, dass sie etwas mit dort oben zu tun hat. :angel:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Was für ein (pers.) Ärger (!!!):
    Da sitze ich, schreibe voller Begeisterung bestimmt mehr als eine halbe Stunde eine lange und ausführliche Antwort auf Joseph II. Eingangsbeitrag,
    bin fertig, will diese Absenden, da bin ich ohne mein Zutun plötzlich abgemeldet und mein Btr. ist weg, alles umsonst! Ja, ich weiß, selbst schuld,
    längere Btr. sollte man sicherheitshalber vor Absenden abspeichern, habe ich vergessen.


    Deshalb nun nur kurz, zumal ich Rheingold absolut zustimme, weil er das Wesentliche schon gesagt hat.

    Für mich ist diese Aufnahme, die ich seit meiner Jugendzeit kenne und als LP habe, nach wie vor mit Abstand die Allerbeste.
    Ich finde die Interpretation von Chor, Solisten und Orchester hervorragend und das etwas ruhige Tempo, vor allem beim Eingangschor absolut passend
    und überzeugend, weil gefühlvoll und ausdrucksstark.
    Ich wüßte auch niemanden, der die Tenorarie "Frohe Hirten" so stimmlich wohlklingend, wie Josef Traxel singt.
    Seit ein paar Jahren habe ich auch eine Aufnahme von 1976 mit dem Dresdner Kreuzchor, der Dresdner Philharmonie unter dem Dirigat von Martin Flämig.
    Er hetzt das "Jauchzet frohlocket" in 8.01 Min. runter und das gefällt mir überhaupt nicht.
    Hier geht für mich sehr viel an Ausdruck und Gefühl verloren und der Text ist auch kaum zu verstehen.
    Jeder mag und darf das mit den Tempi selbstverständlich unterschiedlich hören und empfinden. Bei mir hat sich jahrzehntelange Hörgewohnheit natürlich manifestiert.


    CHRISSY


    PS.: Ich bin gespannt und freue mich auf das erneute Live - Erlebnis des "Weihnachtsoratoriums" am kommenden Donnerstag in meiner heimatlichen Kreuzkirche.

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Danke auch für Deine Anmerkungen, lieber chrissy.


    Er hetzt das "Jauchzet frohlocket" in 8.01 Min. runter und das gefällt mir überhaupt nicht.


    Ich habe gerade mal die Spielzeiten einiger Einspielungen verglichen: Der Eingangschor ist in den meisten Aufnahmen so zwischen 7 und 8 Minuten lang. Flämig ist also eher Durchschnitt als auffällig (was subjektiv natürlich anders wirken mag). Spitzenreiter dürfte Diego Fasolis mit sage und schreibe lediglich 6:29 sein. Ich hörte via Spotify hinein: Furchtbar, geradezu das Werk entstellend. Selbst einige ältere HIP-Aufnahmen kommen auf über 8 Minuten, so Harnoncourt mit erstaunlich getragenen 8:29. Aber auch Herreweghe, Koopman und Gardiner brauchen fast 8 Minuten. Peter Schreier benötigt 7:37, Ludwig Güttler 7:25. Strahlender als bei Karl Richter (8:17) klingen die Trompeten wohl nirgends. Allerdings finde ich die einleitenden, sehr feierlichen Paukenschläge tatsächlich auch bei Kurt Thomas (8:51) am beeindruckendsten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Ich habe gerade mal die Spielzeiten einiger Einspielungen verglichen: Der Eingangschor ist in den meisten Aufnahmen so zwischen 7 und 8 Minuten lang. Flämig ist also eher Durchschnitt als auffällig (was subjektiv natürlich anders wirken mag).


    Spitzenreiter dürfte Diego Fasolis mit sage und schreibe lediglich 6:29 sein. Ich hörte via Spotify hinein: Furchtbar, geradezu das Werk entstellend.


    Selbst einige ältere HIP-Aufnahmen kommen auf über 8 Minuten, so Harnoncourt mit erstaunlich getragenen 8:29. Aber auch Herreweghe, Koopman und Gardiner brauchen fast 8 Minuten. Peter Schreier benötigt 7:37, Ludwig Güttler 7:25. Strahlender als bei Karl Richter (8:17) klingen die Trompeten wohl nirgends. Allerdings finde ich die einleitenden, sehr feierlichen Paukenschläge tatsächlich auch bei Kurt Thomas (8:51) am beeindruckendsten.

    Lieber Joseph II
    Du meine Güte, das ist doch kein Wettrennen!
    Ich kenne diese Aufnahme nicht und ich möchte die auch nicht kennen.
    Ich bin nämlich (wenn auch hier voreingenommen) überzeugt, teile Deine Meinung und stimme Dir zu...
    Zitat: Furchtbar, geradezu das Werk entstellend,
    Das trifft es wohl punktgenau. Erstaunt bin ich auch über Peter Schreier - hätte ich nicht gedacht.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Ich meine, das trifft es sehr gut. Bei den älteren Aufnahmen habe ich auch häufig das Gefühl, dass hier noch die geistige Durchdringung im Vordergrund steht. Die fehlt in fast allen HIP-Aufnahmen leider völlig.


    Das sagt sich leicht so dahin. Mach doch mal ein vergleichendes Hören von beispielsweise:


    Zitat

    55. Rezitativ
    Evangelist:
    Da berief Herodes die Weisen heimlich und erlernet mit Fleiß von ihnen, wenn der Stern erschienen wäre. Und weiset sie gen Bethlehem und sprach:


    Herodes:
    Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein, und wenn ihr's findet, sagt mir's wieder, dass ich auch komme und es anbete.


    und schau, wer den Text besser durchdrungen hat und ihn besser umsetzt, wer Herodes´ Falschheit besser portraitiert.


    (wahrscheinlich gibt es auch HIP-Aufnahmen, die an dieser Stelle nicht überzeugen, aber ... hör selbst)

    Er hat Jehova gesagt!

  • Bei einem solchen Rezitativ fallen die ansonsten zuweilen stark ausgeprägten Unterschiede zwischen alten und modernen Aufnahmen nicht sehr ins Gewicht. Da kommt es in erster Linie auf die Güte der Solisten an. Selbst der ansonsten recht ungenießbare Fasolis kann an der Stelle überzeugen. Praktisch dieselbe Länge wie bei Kurt Thomas. Der hat allerdings mit Traxel und Fischer-Dieskau schon die Crème de la Crème, genauso Karl Richter mit Wunderlich und Crass.


    Die geistige Durchdringung bezog sich im Vorigen vornehmlich auf die Dirigenten als musikalische Leiter. Wer das "Jauchzet, frohlocket" in sechseinhalb Minuten herunterhetzt, hat die m. E. eben nicht. Aber wie ich ebenfalls schon schrieb, gibt es auch einige (meist ältere) HIP-Aufnahmen, die tempomäßig viel eher meinem Ideal entsprechen. Die erste Einspielung von Harnoncourt (1973) überzeugt mich da am meisten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Joseph II. hat ja diesen Thread, speziell mit der Aufnahme des "Weihnachtsoratoriums unter Kurt Thomas" wieder zu recht dankenswerterweise aufgewärmt.
    Und da möchte ich an Interessenten den Hinweis geben - es lohnt sich da mal zurück zu gehen und frühere Btr. nachzulesen, denn darüber wurde vor Jahren
    schon mal ausführlich und sehr interessant diskutiert (ab Seite 6, Btr. 171 ff.).


    Entschuldigung, wenn ich jetzt mal kurz vom eigentlichen Thema abschweife:
    Ich habe nämlich gestern hier nachgelesen und mich dabei an unser früheres Mitglied "Wolfram" erinnert.
    Mit ihm hatte ich und auch viele andere Mitglieder von uns oft kontroverse Diskussionen und Meinungsunterschiede. Aber ich muß ins Nachhinein sagen,
    diese Diskussionen waren stets auf Augenhöhe und wurden mit dem nötigen, gebotenen Respekt und gegenseitiger Achtung geführt.
    Da gab es trotz oft unterschiedlicher Meinungen keine persönlichen Beleidigungen und Herabwürdigungen. Da wurden auch keine Volksreden und Vorträge gehalten,
    nur um der eigenen Profilierung und Selbstdarstellung willen, sondern das waren fachlich fundierte Beiträge und Argumente, geprägt von hohem Fach - und Detaillwissen.
    Ja, es lohnt sich schon, auch mal in alten Btr. nachzulesen, da ist vieles interessant, nützlich und wohltuend.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich habe heut Abend auf Classica diese Aufnahme gehört und gesehen:



    Johann Sebastian Bach, Weihanchtsoratorium, BWV 248
    Chor und Orchester des Collegium Vocale Gent
    Dorothy Mields, Sopran
    Damien Giullon, Altus
    Thomas Hobbs, Tenor,
    Peter Kooij, Bass
    AD:: 20. 12. 2012

    Noch heute Morgen habe ich in meinem Stammchor aus dem ersten Teil den Choral "Ach mein herzliebes Jesulein" mitgesungen und gestern in meinem zweiten Chor aus dem zweiten Teil den Choral "Brich an, o schönes Morgenlicht", der zusammen mit dem Choral "Ich will dich mit Fleiß bewahren" aus dem dritten Teil zu meinen Lieblingschorälen zhlt, wie ich vor 4 Jahren, nach langem Einstudieren, auch nach der Aufführung am 15. 12. 2013, befand. Dabei ist mir noch etwas anderes aufgefallen, auch nach Anhören vieler Hörbeispiele von berühmten Dirigenten: Es kommt nicht darauf an, wie man etwas aufführt (historisch informiert, oder auf modernen Instrumenten), sondern wie gut man dies tut.
    Herreweghe kenne ich seit vielen Jahren, fast so lange wie Harnoncourt, den ich seit der Fernsehübertragung seines legendären WO aus dem Herbst 1981 kenne.
    Wenn ich keines vergessen habe, habe ich das WO von Harnocourt (1981 und 2006/2007), Herreweghe (1989), Ledger (1976), Münchinger (1967 od. 69), Gardiner (1987) und Rilling (25. 12.1999 - 6. 1. 2000). Bei der eigenen Einstudierung habe ich mich hauptsächlich an das erste WO von Harnoncourt gehalten, weil mich das insgesamt bis heute am meisten beeindruckt hat. Vor allem der differenzierte dynamische Zugang zu den Chorälen hat wohl nicht nur mir, sondern auch unserem Dirigent derart gefallen, dass auch wir uns im Einstudieren zum Ziel gesetzt hatten, uns die vorbildlichen, vom Text ausgehenden dynamischen Bewegungen zu eigen zu machen.
    An einem Beispiel, das mir gestern wieder auffiel, will ich das kurz erläutern: Im Choral Nr. 12 "Brich an o schönes Morgenlicht" heißt es in Takt 13 mit Auftakt bis Takt 16 (Schluss): ...dazu den Satan zwingen--- und letztlich Frieden bringen. In Takt 14 akzentuieren wir die vier Achtel unter dem Legatobogen auf "zwingen) zusätzlich, um so den dramtischen Charakter des Wortes "zwingen" besser hervor zu heben, und den letzten Satz nehmen wir wieder zurück und akzentuieren nur die ersten Silbe des Wortes "Frieden".
    Diesen vielen dynamischen Bewegungen, die sich bei richtiger Umsetzung des Textes in der Musik ergeben, werden von manchen Dirigenten gerade in den Chorälen nicht richtig beachtet. Ganz schrecklich fand ich vor Jahren anlässlich eines
    Konzertes aus Dresden die Lesart Thielemanns, den ich sonst sehr schätze, als er mit der Staatskapelle und dem Staatsopernchor das Weihnachtsoratorium gab. Das war gerade in den Chorälen ein durchgehender Mezzoforte-Einheitsbrei. Ich ahbe das Programm noch vor Ende der dritten Kantate abgeschaltet.
    Den oben bespielhaft angeführten Choral Nr. 12 hat allerdings Herreweghe in der 2012er Aufnahme m. E. nicht so idela getroffen, vor allem nicht auf dem o. a. wort "zwingen" wie in seiner ersten Aufnahme 1989. Ansonsten gefallen mir seine beiden Einspielungen schon sehr gut. Atemberaubend singt in den Chören der zahlenmäßig kleien Chor, sozusagen ein Dopeloktett, in jeder Stimme 4 Sängeinnen und (oder Sänger), wobei die vier Solisten sich in den Tutti in den Chor integrieren. Der Bass Peter Kooij hat übrigens schon in der 1989er-aufnhme mitgesungen. Die o. a. Aufnahme von 2012 habe ich übrigens noch heute Abnd auf meine Einkaufsliste gesetzt. Wie man oben sehen kann habe ich einige historisch informierte Aufnahmen in meiner Sammlung, Herreweghe, Harnoncourt (beide) und Gardiner, einfach, weil sie gut gemacht sind.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Meine Lieblingsarien aus dem Weihnachtsoratorium sind "Schließe, mein Herze" (Alt, ist das nicht die einzige Arie, von der keine Parodievorlage bekannt ist?) und "Ich will nur dir zu Ehren leben" (Tenor, kommt von der Arie "Auf meinen Flügeln sollst du schweben" aus der weltlichen Kantate "Herakles am Scheidewege" BWV 213, dort mit Oboe und Violine statt Violine I/II als Begleitung).

  • Lieber Willi
    Zunächst einmal ganz herzlichen Dank für Deine allgemeine und vergleichende Schilderung.
    Wir haben hier eines gemeinsam - wir haben beide gestern Abend auf Classica diese Aufnahme gesehen /gehört. Und ich wollte da eigentlich schon meine Meinung dazu schreiben,
    habe mich dann aber doch nicht getraut. Nun regt mich aber Dein Btr. doch an und ich möchte Dir antworten.
    Denn, so wie unser Forums - Chef Alfred vor kurzem mal in einem anderen Thread zu einem Thema meinte - mit seiner Meinung tritt er bestimmt in ein Fettnäpfchen -
    so geht es mir hier bestimmt mit meiner Meinung. Und ich trete wahrscheinlich sogar gleich ganz tief in einen Fettnapf, denn ich habe erneut festgestellt,
    mir hat diese Aufnahme überhaupt nicht gefallen. Ich habe diese Aufnahme schon vor einem Jahr gesehen und gestern war ich eigentlich nur neugierig,
    ob sich an meiner Meinung und Empfindung etwas geändert hat - nein, hat sich nicht.
    Schon der "dünn besetzte Chor" - 8 Damen, 8 Herren, gefällt mir nicht. Dann der Klang der historischen Instrumente wirkt auf mich stellenweise ungewohnt dumpf und fremd.
    Besonders empfinde ich das beim Klang der Trompeten in der Arie "Großer Herr und starker König..." und auch beim Eingangschor.
    Und nun trete ich bei einigen ganz sicher sehr tief in den Fettnapf, denn ich weiß, daß es unter uns etliche Liebhaber von Countertenören gibt, es sei ihnen unbenommen.
    Aber die Besetzung der Altpartie hier mit einem solchen Countertenor, mit einer (für mein Empfinden) unnatürlich weiblich klingenden Stimme - für mich geht das gar nicht,
    das ist das Allerletzte. Da sträuben sich mir bei der Arie "Bereite Dich Zion...", die Nackenhaare.
    Lieber Willi, mich freut es aber ehrlich, daß Dir, im Gegensatz zu mir, diese Aufnahme gefällt.
    Hier zeigt sich auch mal wieder, wie unterschiedlich und konträr, Meinungen, Geschmäcker und Empfindungen sein können.


    In der Hoffnung, daß Du mir meine Bewertung nicht verübelst, sendet Dir nach COE ganz herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    von chrissy
    Aber die Besetzung der Altpartie hier mit einem solchen Countertenor, mit einer (für mein Empfinden) unnatürlich weiblich klingenden Stimme - für mich geht das gar nicht,
    das ist das Allerletzte. Da sträuben sich mir bei der Arie "Bereite Dich Zion...", die Nackenhaare.
    Lieber Willi, mich freut es aber ehrlich, daß Dir, im Gegensatz zu mir, diese Aufnahme gefällt.
    Hier zeigt sich auch mal wieder, wie unterschiedlich und konträr, Meinungen, Geschmäcker und Empfindungen sein können.


    Lieber chrissy, oh ha da bist du mir aber schwer auf die Füße gestiegen mit deiner Aussage, ich als Countertenor Fan finde es keineswegs als das Allerletzte ( was für eine hässliche Aussage) nein, er singt das wunderschön und mit sehr viel Gefühl in der Interpretation!
    Du hast ja von vornherein eine Abneigung gegen Counter und deshalb wird das nichts ?( , mit dir und den Counters! :no:


    Höre dir trotzdem noch ein paar Sachen bei YouTube von Giullon an, der hats nämlich voll drauf mit Barock Musik, bes.Bach! ;)


    LG Fiesco :hello:

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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