Wenn Carmen Don Jose erschießt

  • Meine Frage ist: Carmens Tod ist doch eigentlich das Kernelement der Oper, kann man das so einfach umschreiben?


    Nachdem in der letzten Carmen-Inszenierung, die ich (in Stuttgart) gesehen habe, Carmen drei- oder viermal abgestochen wurde und - wenn ich recht erinnere - auch schon zum Beginn der Oper tot auf der Bühne lag, finde ich eine Umkehrung des Tathergangs durchaus erfrischend. ;)


    Die pseudo-moralische Begründung des Intendanten ist allerdings völlig lächerlich.

  • Die pseudo-moralische Begründung ist allerdings völlig lächerlich.


    Das sehe ich ganz genauso. Ebenso finde ich es unmöglich, dass der Intendant eines Opernhauses dem Regisseur eine solche Idee einfach vorschreibt. Alles andere lässt sich nur beurteilen, wenn man das Ergebnis dann wirklich gesehen hat. Ich kenne einige Operninszenierungen mit geändertem Schluss, die ich durchaus gelungen fand. Zum Beispiel den Konwitschny-Holländer aus München, und auch der von Gerhard Wischniewski immer wieder gelobte Kupfer-Holländer aus Bayreuth hat einen geänderten Schluss.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Denn, natürlich muß es heißen "Carmen von Bizet" - aber nur, so lange es das Original betrifft und nicht wenn da jemand glaubt, mit irgendwelchen "tollen, genialen Ideen",
    das Werk, und sei es nur in Teilen, zu verfälschen und somit zu mißbrauchen.

    Was ist Original von Bizet ? Oder was konnte Bizet von seinen Ideen überhaupt davon realisieren ? Um das herauszufinden müsste man eine sehr sehr lange Reise machen. Und auch die Ausgabe von Oeser ist umstritten. Vielleicht gibt es einen Carmen-Spezialisten, der genaueres dazu auf Schirm hat....
    Missbrauch ist Chose z.B. im Strafrecht und nicht in der Kunst.
    Wenn unbedingt mit „Verfälschung“ (halte herzlich wenig von derlei Titulierung) gestempelt werden muss, wärs bereits das läippische Ballet (a la lächerliches TV-Ballet) zur No 11 („Les tringles des sistres tintaient..“), wie weiland durch Brian Large in NYC oder auch Choreographie mit öden Nackedeis durch Monique Wagemakers, weil in beiden Fällen die harte, passionierte Aggro-Mucke zur harmlos-gefälligen Schlager/Operetten-Nummer abschmiert .. allerdings zugegeben bisher keine szenische Umsetzung von Carmen reingezogen, mit der ich einigermaßen was anfangen konnte .. selbst Peter Kusej überzeugte mit Rusalka ungleich stärker als mit Carmen...

    Da er in besagter Inszenierung "Carmen" (die auch noch die Therapeutin ist und sich als solche für meine bescheidenen Begriffe sehr unprofessionell verhält), erst in der "Klapse" kennenlernt, entwickelt er die Obsession auch erst dort. Alleine schon das ist für mein Dafürhalten ein äußert merkwürdiger Regieansatz und hat mit Bizets Carmen wohl nicht allzu viel zu tun.

    Merkwürdig kommt die Chose in der Tat rüber (das allerdings unter Vorbehalt, weil nicht reingezogen).
    Michaela als erfolglose Therapeutin (sie muss dabei nicht unprofessionell agieren) wäre doch sehr viel naheliegender als Carmen.
    Aus dem Tunnelblick Don Joses heraus gesehen, würde sie ihn dann versuchen in Richtung Gesundheit zum Tode (Adjustment) zu „therapieren“ und er aber hätte Null-Bock auf diese „Therapie“ .... käme mir momentan plausibler rüber.. . aber – wie bereits betont - das unter Vorbehalt ...

  • Hallo Amfortas,
    ich habe mir seinerzeit die ganze Vorstellung "reingezogen"- vielleicht sollte ich besser sagen durchgestanden. Die verlinkte Rezension beschreibt das Geschehen ziemlich genau, wo weit ich mich erinnere - ist ja schon eine Weile her. Die "Therapie" ist also völlig missraten. Da hatte wieder mal jemand eine "geniale" Idee, die dem Stück übergestülpt wurde, und was nicht passte, wurde eben passend gemacht. In vielen Punkten passte, zumindest in meinen Augen, gar nichts. Aber heute bejubelt die Presse meistens ja nur die "neue Sichtweise" - die Umsetzung scheint weniger wichtig zu sein.


    Hier der Link: http://www.deutschlandfunkkult…ml?dram:article_id=390292


    LG


    Mme. Cortese


    PS. Willkommen zurück!

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • ch habe mir seinerzeit die ganze Vorstellung "reingezogen"- vielleicht sollte ich besser sagen durchgestanden. Die verlinkte Rezension beschreibt das Geschehen ziemlich genau, wo weit ich mich erinnere - ist ja schon eine Weile her. Die "Therapie" ist also völlig missraten. Da hatte wieder mal jemand eine "geniale" Idee, die dem Stück übergestülpt wurde, und was nicht passte, wurde eben passend gemacht. In vielen Punkten passte, zumindest in meinen Augen, gar nichts.

    Wie bereits betont, ob und/oder wie das Konzept Tcherniakovs funzt, kann ich nicht beurteilen.
    DLF-Feedback macht einen zu mindestens darauf neugierig, ebenso auf die ML Heras-Casados ...
    möglich aber auch, dass Scholz Feedback Erwartungen aufstachelt, die mir beim Reinziehn der Carmen verpuffen.. .
    (.....allerdings wenn Dieter David Scholz vom „romantische Prinzip Carmen..“ schreibt, krieg ich etwas Bauchschmerzen...)
    Szenische Umsetzungen Tcherniakovs mir bisher nur eine uninteressante bis ärgerliche Traviata und einen ganz ausgezeichneten Wozzeck (neben Kosky in Hannover) aus Moskau reingezogen...

    Aber heute bejubelt die Presse meistens ja nur die "neue Sichtweise" - die Umsetzung scheint weniger wichtig zu sein.

    Generell ganz anderer Eindruck meinerseits
    z.B. die szenische Umsetzung vom Tristan in Bayreuth (K. Wagner), der Freischütz in Hannover (Voges/Bärenklau) bekam kontroverses bis kritisches Feedback .. der Bayreuth-Parsifal von Lauffenberg wurde überwiegend verrissen, so auch Ring von Castorf ... und im DLF wurden die jüngsten Bayreuth-MS (Jordan/Kosky) unmittelbar nach der Premiere ebenfalls sehr kontrovers diskutiert...

  • Was ist Original von Bizet ? Oder was konnte Bizet von seinen Ideen überhaupt davon realisieren ?

    Hallo, Amfortas
    Ja, was ist denn das "Original von Bizet"? Ich hoffe, Du wirst mir /uns das bestimmt erklären können.
    Die Carmen - Inszenierungen die ich kenne, waren in etwa alle gleich. Da lag weder zu Beginn der Oper schon die tote Carmen auf der Bühne,
    noch stand da ein Auto, wie ich es kurz in der Bieito - Inszenierung gesehen habe. So ein alter PKW gehört und paßt da natürlich hin.
    Meine zuletzt live gesehenen Carmen, die ich mir "reingezogen" habe, waren vor ein paar Jahren in Liberec /Reichenberg. Und die fand ich normal werkgetreu.
    Ich habe seinerzeit im Forum davon berichtet. Nachzulesen im Thread "Gestern in der Oper", auf S.12, von oben Thema 8, insbesondere Btr. 3 u. 8


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • noch stand da ein Auto, wie ich es kurz in der Bieito - Inszenierung gesehen habe. So ein alter PKW gehört und paßt da natürlich hin.


    Wieso nicht? Die Oper heißt doch auch Car-men, also soviel wie "Automänner" :D




    LG,
    Hosenrolle1

  • Wieso nicht? Die Oper heißt doch auch Car-men, also soviel wie "Automänner" :D

    ... und Escamillo und der Chor tanzen um die Carmen und intonieren den Beatles - Hit " Baby you can drive my car..."
    So, und jetzt mal genug und Spaß beiseite, sonst wird´s nicht nur schlimm, sondern peinlich!!!


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ja, was ist denn das "Original von Bizet"?

    das möchte ich auch gern wissen....

    Die Carmen - Inszenierungen die ich kenne, waren in etwa alle gleich.

    Das tut mir leid.
    Für dich.

    Meine zuletzt live gesehenen Carmen, die ich mir "reingezogen" habe, waren vor ein paar Jahren in Liberec /Reichenberg. Und die fand ich normal werkgetreu.

    Das freut einen. Für dich

  • Zitat von »chrissy«
    Ja, was ist denn das "Original von Bizet"?
    das möchte ich auch gern wissen....


    Hallo Amfortas,
    was das Original von Bizet ist, soweit es die Musik betrifft, das möchten sicherlich eine ganze Menge Leute wissen, und der Streit darum ist wohl immer noch nicht ganz ausgestanden. Was allerdings den Handlungsverlauf angeht, und ich denke mal, dass der von Chrissy gemeint ist, der geht ja nun wohl ganz unbestritten auf Bizet und seine Librettisten zurück, so dass man hier sehr wohl vom Original sprechen kann. Nota bene: Ich spreche jetzt hier nicht von einzelnen Sätzen, die sich in den unterschiedlichen Fassungen hier und da unterscheiden mögen, sondern von der Handlung insgesamt. Und da erschießt weder Carmen den Don Jose noch lässt sich dieser von seiner Frau Michaela zu einer Psychotherapie überreden.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

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  • Liebe Mme. Cortese
    Du bringst es genau auf den Punkt ...

    was das Original von Bizet ist, soweit es die Musik betrifft, das möchten sicherlich eine ganze Menge Leute wissen, und der Streit darum ist wohl immer noch nicht ganz ausgestanden.
    Was allerdings den Handlungsverlauf angeht, und ich denke mal, dass der von Chrissy gemeint ist, der geht ja nun wohl ganz unbestritten auf Bizet und seine Librettisten zurück, so dass man hier sehr wohl vom Original sprechen kann. Nota bene: Ich spreche jetzt hier nicht von einzelnen Sätzen, die sich in den unterschiedlichen Fassungen hier und da unterscheiden mögen, sondern von der Handlung insgesamt. Und da erschießt weder Carmen den Don Jose noch lässt sich dieser von seiner Frau Michaela zu einer Psychotherapie überreden.

    So meine ich das und so "Original" kennen Du, ich und viele andere diese Oper.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Warum geht ihr eigentlich auf die Betrachtungen eines "Opernkonsumenten", der sich alles Mögliche "reinzieht" ein? Das Wort "reinziehen" sagt mir schon genug über die Art des "Opernkonsumenten", auf dessen Ergüsse ich an dieser Stelle garnicht erst eingehe.
    Auch wenn sich die Gelehrten über kleine Details streiten mögen, der Handlungsablauf der "Carmen" insgesamt und der Charakter der Personen dürfte auch dem letzten dieser Gelehrten klar sein und daran wird wohl keiner dieser Leute etwas zu deuteln haben. Nur einem Menschen scheint er nicht klar zu sein. Lassen wir ihn doch bei seinem Irrglauben! :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:
    Lieber Crissy, alle - außer einem - haben, glaube ich, eindeutig verstanden, dass du mit "gleich" die Handlung, und nicht die Inszenierung, meinst. Im übrigen weiß wohl jeder - außer einem - dass "das Gleiche" nicht mit "Dasselbe" gleichbedeutend ist.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)


  • was das Original von Bizet ist, soweit es die Musik betrifft, das möchten sicherlich eine ganze Menge Leute wissen, und der Streit darum ist wohl immer noch nicht ganz ausgestanden.


    Wenn mit diesem »Original von Bizet, soweit es die Musik betrifft« eine endgültige, vom Komponisten autorisierte Fassung gemeint ist, ist der Streit darum insofern seit langem ausgestanden, als klar ist, dass es eine solche Fassung nicht gibt und nie gegeben hat. Es gibt eine schöne kritische Neuausgabe (Verlagsgruppe Hermann), die alles bringt, das zum Stück vorliegt und das druck- und verwendbar ist. Wenn man diese Ausgabe betrachtet bekommt man einen schönen Eindruck von den Entwicklungen des Materials und kann sich ein Bild von den diversen Umarbeitungen, Streichungen und erneuten Einfügungen bereits gestrichener Passagen usw. machen, wie während des Prozesses der Erarbeitung gemacht wurden. Und man sieht an dieser bemerkenswerten Ausgabe, die sowohl wissenschaftliche als auch praktische Bedürfnisse vorbildlich abdeckt, sehr schön, dass das Stück bei Bizets Tod nicht fertig war und sicher auch nie zu einer definitiven Version gekommen wäre. (Man sieht übrigens auch, dass Bizet nicht an allen Stellen gut entschieden hat, wenn er etwas umarbeiten musste. In der Schluss-Szene gibt es einige deutliche Verschlechterungen, die eher nach Panik aussehen als nach gründlich überlegter Umarbeitung. Übrigens sind praktisch alle Fassungen der Schluss-Szene, die man in Aufführungen hört und sieht, ein Mischmasch aus den verschiedenen Arbeitsstufen dieser Szene. Ein »Original« hat hier noch niemand gehört.)

  • Ganz ehrlich: Wenn ein Regisseur aufgrund seiner Befassung mit dem Stück meint, Don José solle Carmen erschießen (und dann meinetwegen auch noch den Escamillo, worauf sich Micaela einem Stier an den Hals schmeißt, der sich dann als Zeus entpuppt), soll mir das recht sein, dann bin ich mit einer künstlerischen Überlegung konfrontiert, der ich zustimmen oder die ich ablehnen kann.
    Doch das ist hier nicht der Fall.
    Im konkreten Fall wird nicht künstlerisch argumentiert, sondern gesellschaftspolitisch. Soll heißen: Weil in der Gesellschaft ein bestimmtes Problem existiert, darf die Kunst ein ähnliches Problem nicht auf die Bühne bringen. Soll konsequent weitergedacht heißen: Aufgrund von Fällen von Kindesmißbrauch muss "The Turn of the Screw" umgeschrieben werden und angesichts der zunehmenden Fälle von außerehelichem Verkehr ist "Don Giovanni" in seiner derzeitigen Form nicht haltbar. Der politischen Korrektheit muß übrigens "Otello" geopfert werden (oder die Titelfigur wird als Weißer inszeniert), "Rigoletto" ist glatte Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, die Rolle des Osmin muss umgeschrieben werden, "Parsifal" ist wegen seines antifeministischen Konzepts (Kundry: "Dienen, dienen") auf den Bühnen unhaltbar, "Wozzeck" hat eine unangenehme medizinkritische Tendenz... Wenn ich es genau überlege, dann kann überhaupt keine Oper guten Gewissens gespielt werden, denn zumindest Belästigung wenn nicht gar Stalking kommt in jeder vor. Gerade Monteverdis "L'Orfeo" und Carl Orffs "Antigonae" könnte man noch vertreten - da wäre ich sowieso sehr dafür als alter Orf(f)eunist. Vielleicht wäre noch mit dem "Boris Godunow" was zu machen, aber nur mit der Erstfassung, die zweite ist in ihrer antipolnischen Tendenz untragbar.
    Daß es mir, jenseits aller Ironie, kalt den Rücken herunterrieselt, wenn Kunst etwas aus gesellschaftspolitischen Überlegungen nicht (mehr) darf, steht auf einem anderen Blatt.

    ...

  • Übrigens sind praktisch alle Fassungen der Schluss-Szene, die man in Aufführungen hört und sieht, ein Mischmasch aus den verschiedenen Arbeitsstufen dieser Szene. Ein »Original« hat hier noch niemand gehört.)


    Damit bleibt für mich immer noch die Frage, ob diese Änderungen musikalischer oder inhaltlicher Art waren, bzw. ob die inhaltlichen Änderungen wesentlich von Merrimees Vorlage abwichen. Und wenn Bizets vorzeitiger Tod eine endgültige Fassung verhindert hat, müssen wir dann das Werk so nehmen, wie es ist, oder sollen wir uns über "Reinkarnationen" von Bizet freuen, die meinen, genau zu wissen, wie der Komponist das Werk zu Ende führen wollte. Wobei ich mir eigentlich ziemlich sicher bin, dass er weder an Psychiatrie gedacht hat noch an die Idee, dass Carmen Jose erschießt. (Über die Dämlichkeit der Begründung brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Zitat von Mme.Cortese: Über die Dämlichkeit der Begründung brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren.

    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Damit bleibt für mich immer noch die Frage, ob diese Änderungen musikalischer oder inhaltlicher Art waren


    Die Frage verstehe ich nicht. Gibt es einen Inhalt und eine von diesem unabhängige Musik? Ich dachte immer, dass jede halbwegs merkliche musikalische Veränderung zwangsläufig auch eine inhaltliche Änderung sein muss.


    Und wenn Bizets vorzeitiger Tod eine endgültige Fassung verhindert hat, müssen wir dann das Werk so nehmen, wie es ist, oder sollen wir uns über "Reinkarnationen" von Bizet freuen, die meinen, genau zu wissen, wie der Komponist das Werk zu Ende führen wollte.


    Die Frage verstehe ich auch nicht. Zum einen verstehe ich nicht, wie wir das Werk also nehmen sollen? Wie es ist? Also als eine große Menge verschiedener Versionen der verschiedenen Szenen? Und wie soll das gehen? Sollen die verschiedenen Version nacheinander oder gleichzeitig gespielt werden? Im ersten Falle wird es eine ziemlich lange (und vermutlich langweilige) Veranstaltung, im zweiten ist zu befürchten, dass es ein ziemliche starkes Durcheinander gibt. Wenn wir das Werk nehmen sollen, »wie es ist«, wäre also zu klären, »wie es ist«, und eben das ist nicht zu klären.


    Übrigens ist es nicht Bizets Tod, der eine endgültige Fassung verhindert hat. Der Gedanke an eine endgültige Fassung, die in voller Reinheit und Freiheit die Intentionen des Autors verwirklicht, ist für die französische Oper des 19. Jahrhunderts einfach nicht vorhanden. Die Fassung der Uraufführung war das jedenfalls in aller Regel nicht, wie man am Fall des Gounodschen »Faust« sehr schön studieren kann, der schon bei der ersten Präsentation nur noch ein Trümmerhaufen der ursprünglichen Konzeption war und bis heute geblieben ist, weil allzu viele Teile verloren gegangen sind.


    Noch eine Sache, die ich nicht verstehe: Wer sind die »"Reinkarnationen" von Bizet, die meinen, genau zu wissen, wie der Komponist das Werk zu Ende führen wollte«? Mir ist ehrlich gesagt, niemand bekannt, der das zu wissen behauptet. Mir ist nur bekannt, dass es gründliche Forschungen über den Entstehungsprozess des Werkes gibt, bei denen auch Hypothesen darüber aufgestellt werden, welche Möglichkeiten Bizet schließlich gewählt hätte. Dass irgendwer behauptet, es genau zu wissen, ist mir wirklich vollkommen neu. Wer hat das behauptet und wo? Und wie sieht diese Version aus?

  • Und wenn Bizets vorzeitiger Tod eine endgültige Fassung verhindert hat, müssen wir dann das Werk so nehmen, wie es ist,

    Diese Aussage ist schon ein Widerspruch in sich. Wenn es keine"endgültige Fassung" gibt, dann erfüllt dieses "Werk" schlicht die Definition eines Werkes nicht, zu der nun mal gehört, dass es ein fertig gestelltes Werk ist. D.h. man kann mit so einem Gebilde sinnvoller Weise nicht so umgehen, als ob es ein fertiges Werk wäre und auch ergründen zu wollen, was die Vorstellung des Komponisten gewesen wäre, wie das Werk im fertigen und "endgültigen" Zustand ausgesehen hätte, ist eine ziemlich müßige Spekulation. Außerdem ist keineswegs automatisch verbindlich, was ein Komponist als endgültige Fassung deklariert - Beispiel als Parallele zu Bizet: Anton Bruckner. Gerade auch bei Bruckner z.B. kann man der gut begründeten Meinung sein, dass er in dieser Hinsicht nicht die besten Entscheidungen getroffen hat.


    Inakzeptabel - da bin ich genau der Meinung von Edwin Baumgartner - sind natürlich politisierende Begründungen die aus Unverstand geschehen, was der Sinn eines Kunstwerks ist und die darauf hinauslaufen, im Stile des Hosenmalers ein Feigenblatt aufzukleben auf alles, was Puritaner und selbsternannte Weltverbesserer als Erzieher der Menschheit meinen vorschreiben zu dürfen was die Welt nicht mehr sehen darf, nur weil sie es nicht mehr sehen wollen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Im konkreten Fall wird nicht künstlerisch argumentiert, sondern gesellschaftspolitisch. Soll heißen: Weil in der Gesellschaft ein bestimmtes Problem existiert, darf die Kunst ein ähnliches Problem nicht auf die Bühne bringen.

    Die Anweisung kam von der Intendanz. Regie ist in diesem Fall Opfer.

    und angesichts der zunehmenden Fälle von außerehelichem Verkehr ist "Don Giovanni" in seiner derzeitigen Form nicht haltbar.

    Das finde ich aber alles sehr ungerecht:
    Denn z.B. beim Don Giovanni unter Regie von Bieito war ein Kondom deutlich erkennbar..
    Wagners Götterhämmerung konnte durchaus als PR für „Safer Sex“ inszeniert werden, denn Siegfried legt weder Brünnhilde noch Rheintöchter flach (mal vom 2. Tag der Tetralogie abgesehen, jedoch einvernehmlich, also im offizziellen Trend)... vielleicht gewönne ein kleineres Opernhaus auch Krankenkassen als Sponsoren für einen derartigen Ring ....

    Der politischen Korrektheit muß übrigens "Otello" geopfert werden (oder die Titelfigur wird als Weißer inszeniert),

    Otello ohne Färbung ist doch durchaus ein Vogue.
    Ein farbiger Otello stellt jedoch überhaupt kein Problem dar, sobald Jago als skupelloser AFD- Emporkömmling agiert, der sich Rassismus dienstbar macht...(....Ma com’è ver ch e tu Rodrigo sei, così è pur vero, che se il Moro io fossi vedermi non vorrei d’attorno un Jago…”)... höchst aktuell...

    "Wozzeck" hat eine unangenehme medizinkritische Tendenz..

    Wieso unangenehm, wenn die Szene in der Studierstube des Doktors in Kritik an Tierversuchen umgemodelt werden würde.
    Mitleidsethik schadet doch keinen, außer der Fleischindustrie.

    die Rolle des Osmin muss umgeschrieben werden,

    Braucht es nicht. Konstanze und Blonde agieren nämlich als furchtlose Veteraninen der Me-Too Bewegung

    Vielleicht wäre noch mit dem "Boris Godunow" was zu machen, aber nur mit der Erstfassung, die zweite ist in ihrer antipolnischen Tendenz untragbar.

    Okay, da könnten sogar auch andere Motive eine Rolle spielen.
    In Nürnberg wurde 2016 der Boris unter Marcus Bosch in einer Fassung gespielt, die im wesentlichen dem Urboris entsprach (nebenbei: Regie vom ganz bösen „Opernzerstörer“ Konwitschny :D ): Möglichweise aus Rücksicht auf das fragilen Gleichgewichts zwischen Protestanten und Katholiken in der Region Franken und/oder um Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation (2016/2017) nicht durch Missstimmungen zu beschädigen ..
    Aber in Helsinki, Stockholm, Kopenhagen wäre 72-Version (bzw. Mischfassung, wie z.B. in NYC) m.E. überhaupt gar kein Problem...

    was der Sinn eines Kunstwerks ist und die darauf hinauslaufen, im Stile des Hosenmalers ein Feigenblatt aufzukleben auf alles, was Puritaner und selbsternannte Weltverbesserer als Erzieher der Menschheit meinen vorschreiben zu dürfen was die Welt nicht mehr sehen darf, nur weil sie es nicht mehr sehen wollen.

    Wäre doch eigentlich dann durchaus auch im Sinne von RT-Phoben. Sie sollten Christiano Chiarot höchst dankbar sein, anstatt darüber bloß rumzumäkeln. Seine Intervention könnte endlich die heißersehnte Wende gegen das RT (als letzte verbliebene Schrumpfform linker Ideologie) einleiten: Blitz-Saubere Opernbühne ohne Verunstaltung durch Nackedeis, Nazi-Uniformen etc ...

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  • Herzlichen Dank für den Link !

    wünsche weiterhin fröhliche Diskussionen

    Dann sei dein Wunsch befeuert, denn Dario Nardellas Kommentar zur Carmen „Es sei eine kulturelle, soziale und ethische Botschaft gewesen, die Gewalt gegen Frauen, die in Italien zunehme, an den Pranger stelle.“ passt doch ganz vorzüglich auf die Mühlen derer, die – was Musiktheater betrifft - für das „Wahre, Gute und Schöne“ kämpfen, das von zersetzenden Opernzerstörern hartnäckig in Frage gestellt und verhöhnt wird.. ...

  • Herzlichen Dank für den Link !

    Dann sei dein Wunsch befeuert, denn Dario Nardellas Kommentar zur Carmen „Es sei eine kulturelle, soziale und ethische Botschaft gewesen, die Gewalt gegen Frauen, die in Italien zunehme, an den Pranger stelle.“ passt doch ganz vorzüglich auf die Mühlen derer, die – was Musiktheater betrifft - für das „Wahre, Gute und Schöne“ kämpfen, das von zersetzenden Opernzerstörern hartnäckig in Frage gestellt und verhöhnt wird.. ...

    Zumindest das von den "zersetzenden Opernzerstörern", hast Du sehr richtig und treffend formuliert.
    Ansonsten muß man schon richtig lesen, Zitat des Links:


    Carmen tötet Don José: Umstrittenes Opern-Finale erntet Buh-Rufe
    09.01.18 -
    Florenz - Es sollte ein Zeichen gegen die Gewalt gegen Frauen sein - doch bei der Premiere des umgeschriebenen Klassikers «Carmen» hat die Oper in Florenz Buh-Rufe geerntet.
    Intendant Cristiano Chiarot hatte Regisseur Leo Muscato angewiesen, das Finale des berühmten Werkes von Georges Bizet (1838-1875) so zu verändern,
    dass nicht Carmen am Ende von hrem Ex-Liebhaber Don José getötet wird, sondern sie ihn erschießt.
    Bei der Erstaufführung am Sonntag habe es nicht nur Buh-Rufe gegeben, weil die Pistolen-Attrappe nicht wie geplant funktionierte,
    berichteten italienische Medien am Montag. Vielen im Publikum habe die Neufassung schlicht nicht gefallen.
    «Florenz versenkt die neue «Carmen», die nicht stirbt», kommentierte die Tageszeitung «La Repubblica» am Montag und zitierte unzufriedene Operngänger.
    Soll die Oper politisch korrekt sein, müsse eine Vielzahl an Werken umgeschrieben werden - das wäre aber «endlos langweilig und irreal», kommentierte «La Stampa».
    Der Florentiner Bürgermeister Dario Nardella verteidigte unterdessen die Entscheidung, Carmen überleben zu lassen.
    «Ich unterstütze die Entscheidung, das Finale von #Carmen zu ändern», twitterte er.
    Es sei eine kulturelle, soziale und ethische Botschaft gewesen, die Gewalt gegen Frauen, die in Italien zunehme, an den Pranger stelle.
    Italien wird immer wieder von Morden an Frauen erschüttert. Im vergangenen Jahr gab es mehr als 100 «femminicidi». Chiarot wollte ein klares Zeichen dagegen setzen.
    Im Sommer sagte er: «Was wäre, wenn Carmen dieses Mal nicht stirbt? Warum sollen wir applaudieren, wenn eine Frau stirbt.


    Wenn ich das also richtig verstehe, dann sind es wohl in der Hauptsache nur zwei, nämlich der Intendant und der Bürgermeister,
    die dieses umgeschriebene (mehr als fragwürdige) Finale befürworten und gut finden.
    Personell etwas wenig, gegen das überwiegende Publikum, die das wohl mehrheitlich nicht so gut finden.
    Und um den letzten Satz aus dieser Aussage aufzugreifen "Warum sollen wir applaudieren, wenn eine Frau stirbt", da wird doch hoffentlich bald auch einer auf die geniale Idee
    einer Umschreibung /Neudeutung kommen, daß die Violetta und die Mimi, durch den Fortschritt der Medizin und wirksamen Medikamenten, nicht mehr sterben müssen.
    Dann haben wir alle endlich einen echten und richtigen Grund zum Applaudieren.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • da wird doch hoffentlich bald auch einer auf die geniale Idee
    einer Umschreibung /Neudeutung kommen, daß die Violetta und die Mimi, durch den Fortschritt der Medizin und wirksamen Medikamenten, nicht mehr sterben müssen.
    Dann haben wir alle endlich einen echten und richtigen Grund zum Applaudieren.

    Lieber Chrissy,


    mir hat es schon gereicht, daß in Chemnitz in den 90-er Jahren die Violetta im letzten Akt im Krankenhaus lag, mit einem stilechten Nachttöpfchen unterm Bett. Meine einzige Sorge (oder Hoffnung?) war, daß sie es auch benutzt, fürs große oder kleine Geschäft. Gerade als sie aufstand, kam Alfred sie besuchen. Der mögliche Höhepunkt wurde so verhindert. Wer geht schon aufs Töpfchen, wenn der Geliebte zuguckt.


    Musikalisch war es ne tolle Aufführung. Dirigiert hatte Oleg Caetani, gesungen hatten Svetlana Katchour, Wladimir Solodownikow und ein toller Boris Statsenko. Hannelore und ich waren trotzdem froh, wieder draußen gewesen zu sein. Ich konnte endlich auf die Toilette gehen, ich hatte Harndrang. Ich hatte mitgelitten. Violetta ist übrigens standesgemäß gestorben, als Sozialhilfeempfängerin, arm am Beutel, krank an der Lunge. Ein unvergeßliches Erlebnis. Wäre das meine erste Oper gewesen, ich hätte lebenslang auf weitere Theaterbesuche verzichtet!


    Herzlich La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zumindest das von den "zersetzenden Opernzerstörern", hast Du sehr richtig und treffend formuliert.

    Danke für dein Feedback. Aber hüte dich vor Schmuddelkindern, wie Amfortas08 :)

    Wenn ich das also richtig verstehe, dann sind es wohl in der Hauptsache nur zwei, nämlich der Intendant und der Bürgermeister,
    die dieses umgeschriebene (mehr als fragwürdige) Finale befürworten und gut finden. Personell etwas wenig, gegen das überwiegende Publikum, die das wohl mehrheitlich nicht so gut finden.

    Es soll auf keinen Fall diese Carmen-Inszenierung verteidigt werden, weil mir unbekannt. Kunst, die versucht nicht von ihrer Idee abzuschmieren, kümmert sich unglücklicherweise nicht in jedem Fall um Publikumszuspruch. Im Gegentum. Leider existieren z.B. Äußerungen Beethovens, die sogar vom Publikum Zuspruch, eigene Bemühung um Zugang einforderten ...

    Und um den letzten Satz aus dieser Aussage aufzugreifen "Warum sollen wir applaudieren, wenn eine Frau stirbt", da wird doch hoffentlich bald auch einer auf die geniale Idee einer Umschreibung /Neudeutung kommen, daß die Violetta und die Mimi, durch den Fortschritt der Medizin und wirksamen Medikamenten, nicht mehr sterben müssen. Dann haben wir alle endlich einen echten und richtigen Grund zum Applaudieren.

    Um deinen Wunsch nach Geltung eines Mehrheitsprinzip in ästhetischen Fragen entgegenzukommen:


    Die aktuelle Dresdner Boheme ist bereits nicht allzu weit von "Unsterblichkeit" entfernt . In Kollaboration mit höchst gepflegt, fein und edel rüberkommendem Orchester (zu Oktoberbeginn 2017), dass klangliche Schärfen höchst gekonnt umschiffte, "starb" sie sehr bequem auf einen Stuhl sitzend in wunderbar frischer Gesichtsfarbe. Das Publikum reagierte überwiegend begeistert auf diese Opernverfälschung .. äh :( sorry ich meine natürlich auf diese werktreue Aufführung :) , wie Puccini es sich ganz bestimmt vorgestellt hatte.

  • Lieber La Roche
    Betr. Deines Harndrangs - im absoluten Notfall, hätte Dir Violetta bestimmt ihr Töpfchen gereicht. So bekommt doch das Ganze einen Sinn. :yes: :thumbsup: :hahahaha:


    Zitat von »chrissy«
    Zumindest das von den "zersetzenden Opernzerstörern", hast Du sehr richtig und treffend formuliert.


    Danke für dein Feedback. Aber hüte dich vor Schmuddelkindern, wie Amfortas08 :)

    Nichts zu danken, immer wieder gern. Aber warum sollte ich mich vor Dir, vor Amfortas, hüten? Mit Deinem Wiederkommen hier ins Forum war ganz sicher nicht nur mir,
    sondern auch etlichen anderen Mitgliedern klar, daß es Meinungsunterschiede und kontroverse Diskussionen geben wird. Unsere gegenseitigen verschiedenen Ansichten
    und Betrachtungsweisen haben sich nicht geändert - weshalb auch. Du urteilst, wenn ich mich recht erinnere, hauptsächlich aus einem beruflichen Hintergrund.
    Dagegen sind ich und viele andere eben nur "einfache und naive Genußkonsumenten". Und als Schmuddelkind habe ich Dich nicht bezeichnet, das ist eigentlich nicht mein Stil.


    Es soll auf keinen Fall diese Carmen-Inszenierung verteidigt werden, weil mir unbekannt.

    Mir ist die Inszenierung insgesamt natürlich auch unbekannt. Ich habe nur mein Unverständnis gegen das umgeschriebene, verfälschte Finale geäußert.


    Die aktuelle Dresdner Boheme ist bereits nicht allzu weit von "Unsterblichkeit" entfernt . In Kollaboration mit höchst gepflegt, fein und edel rüberkommendem Orchester (zu Oktoberbeginn 2017), dass klangliche Schärfen höchst gekonnt umschiffte, "starb" sie sehr bequem auf einen Stuhl sitzend in wunderbar frischer Gesichtsfarbe. Das Publikum reagierte überwiegend begeistert auf diese Opernverfälschung .. äh :( sorry ich meine natürlich auf diese werktreue Aufführung :) , wie Puccini es sich ganz bestimmt vorgestellt hatte.

    Was die von Dir erwähnte "aktuelle" Semperoper Boheme betrifft so vermute ich mal, es ist noch dieselbe, die ich dort vor ein paar Jahren gesehen habe.
    Ich habe seinerzeit ausführlich hier im Forum im Thread "Gestern in der Oper" meine Eindrücke davon geschildert.


    Sollte man sich inzwischen sogar einen "Stuhl" geleistet haben? Bei mir war es noch eine Holzkiste. Wie ich jetzt also lese, ist aber die frische, gesunde Gesichtsfarbe geblieben.
    Na das paßt doch, ist authentisch, wie sollte denn auch sonst eine Sterbende aussehen? Auch wenn wir es nicht wissen, aber so wie Du es sagst, ich glaube auch -
    nicht anders hat sich das Puccini vorgestellt. Und die Dilettanten damals an der Berliner Staatsoper, wo ich die Boheme viele, viele Male gesehen habe,
    der Zeffirelli in Wien, zusammen mit Karajan, und an der Met, und die in San Francisco... die hatten natürlich alle keine Ahnung.


    Hier auszugsweise mein Zitat von meinem damaligen Besuch in der Semperoper...
    4. Bild wie Bild 1 einschließlich des Inventars. Und jetzt kommt´s: Schlimmer und billiger geht wohl nicht. Die todkranke Mimi wird hereingeführt.
    Da weder ein Bett, noch eine Liege vorhanden ist, legt man sie erst mal auf den blanken Fußboden!!! Zwischendurch scheint es ihr aber wieder besser zu gehen,
    denn sie erhebt sich und singt im Stehen. Nach einem Schwächeanfall wird sie auf eine Kiste, die wie ein Klavierhocker am Klavier steht, draufgesetzt.
    Ihr Oberkörper ruht auf dem Klavierdeckel !!! In dieser Stellung nimmt sie auch den geschenkten Muff entgegen und stirbt schließlich auf dem Klavierdeckel.
    Da kann ich nur sagen, nicht zu fassen.
    Nebenbei bemerkt, die Maskenbildnerin hatte auch hier nicht viel Arbeit. Wie im ersten Akt sah die Mimi auch im Finale aus.



    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Leider wird im Tatort bisher nicht gesungen.


    Es gibt durchaus mal einen "Tatort", in dem auch "richtig" gesungen wird, lieber La Roche. Der heißt "Nie wieder Oper". Es wirken u. a. Marta Eggerth, Christel Goltz, Walter Berry und Otto Edelmann mit. Hier erfährst Du mehr:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Tatort:_Nie_wieder_Oper


    Und im "Polizeiruf" aus Halle mit dem Ermittlungsteam Herbert Schmücke (Jaecki Schwarz) und Herbert Schneider (Wolfgang Winkler) wird auch mehrfach gesungen. Die zeitweilige Freundin von Kommissar Schmücke war Opernregisseurin und hieß iin den einschlägigen Folgen Edith Reger (Marita Böhme). Einmal wurde sogar am Schluss der "Tosca" jemand richtig erschossen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Du urteilst, wenn ich mich recht erinnere, hauptsächlich aus einem beruflichen Hintergrund.

    Keinesfalls. Lediglich Kulturkonsument.

    das ist eigentlich nicht mein Stil.

    Denk ich auch .. . bezog sich bloß auf Posting Nr. 42

    Dagegen sind ich und viele andere eben nur "einfache und naive Genußkonsumenten".

    Dagegen ist nichts einzuwenden.
    Aber fatalerweise verknüpfen andere Opern-Konsumenten ihren Genuss mit anderen/zusätzlichen mentalen Erwartungen/Bedürfnissen.
    Leider soll es auch Komponisten geben, denen die Fokussierung auf Genuss beim Reinziehn sogar nervte bzw. nervt.
    Z.B. einer von denen fand es zum Kotzen, fürs Pariser Publikum in einer seiner gelungensten Opern gezwungenermaßen noch ein zusätzliches Ballet komponiert zu haben – also zähneknirschend „Verfälschung/Verunstaltung“ in Kauf zu nehmen.... Tja bereits vor ca 130 Jahren trieb RT seine verpesteten Sumpfblüten.....

    Bei mir war es noch eine Holzkiste.

    Stimmt. Ich glaub inzwischen ganz dunkel daran mich zu erinnern

    Und die Dilettanten damals an der Berliner Staatsoper, wo ich die Boheme viele, viele Male gesehen habe,
    der Zeffirelli in Wien, zusammen mit Karajan, und an der Met, und die in San Francisco... die hatten natürlich alle keine Ahnung.

    Zeffirelli verstand es m.E.gut, Erwartungen eines Teils der Besucher (auch in seinen Verfilmungen) entgegenzukommen.....

    Na das paßt doch, ist authentisch, wie sollte denn auch sonst eine Sterbende aussehen?

    Bin kein Arzt, aber den sehr wenigen Todkranken, denen ich begegnete, saßen weder mehr oder weniger bequem und ungestützt, noch trugen sie edle Gesichtsfarbe, als ob sie gerade gut gelaunt aus Malle/Ballermann hereinplatzten. Nun ist Oper nicht mit Realität gleichzustellen, aber Mimis Aus-Checken kam bloß wie „fauler Zauber“ rüber und das trug erheblich dazu bei, dass das letzte Bild am Ende szenisch empfindlich abschmierte

  • Lieber Amfortas08,


    deine Ausführungen hier lese ich sehr gerne!


    Zeffirelli verstand es m.E.gut, Erwartungen eines Teils der Besucher (auch in seinen Verfilmungen) entgegenzukommen.....


    Hier musste ich an diesen 1:34 langen Clip des österr. Kabarettisten Gunkl denken - mich würde sehr interessieren, was du davon hältst! (Falls du es nicht kennst, Ö1 ist ein österr. Radiosender der hauptsächlich Klassik, Jazz und neue Klassik spielt)





    LG,
    Hosenrolle1

  • Gunkl ist vermutlich DER führende intellektuelle Kabarettist Österreichs.


    Aber zurück zum Titel des Threads


    Wenn Carmen Don Jose erschießt


    dann ist das undamenhaft und nicht zeitgemäß (bezogen auf die Entstehungszeit)


    Damen* haben damals überhaupt kein Recht gehabt irgendjemand zu erschießen,
    das verbot der Anstand und die damaligen Vorstellungen von political correctness


    Wenn Damen, allen Anstandsregeln und gesellschaftlichen Konventionen zum Trotz
    dennoch mordeten, dann bedienten sie sich eines Giftes
    oder eines Küchenmessers.
    Der Verfasser des originalen Libettos wusste vermutlich genau, warum es
    so schrieb, wie wir es kennen...


    *) Wenn jemand behauptet, Carmen sei eben keine Dame sondern eine "Zigeunerin" gewesen,
    dem werfe ich ein lautes "pfui wie unkorrekt" entgegen :hahahaha:


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • deine Ausführungen hier lese ich sehr gerne!

    Danke fürs Feedback ! Nämliches gilt auch für deine Beiträge...

    Hier musste ich an diesen 1:34 langen Clip des österr. Kabarettisten Gunkl denken - mich würde sehr interessieren, was du davon hältst! (Falls du es nicht kennst, Ö1 ist ein österr. Radiosender der hauptsächlich Klassik, Jazz und neue Klassik spielt)

    Hab mirs inzwischen reingezogen. Zum späteren Zeitpunkt mehr darüber, weil bei eine, Witz mir merkwürdigerweise ein bedeutender Sinfoniker auf Schirm kam .. Ja. Oe1 ist mir wichtiger Sender, weil seiit Jahren wichtige Mitschnitte..

    Das bringt einen auf den Gedanken, dass, trotz des von dir erläuterten Anachronismus, undamenhaften Erschießen Don Joses nicht unpassend für Bizets Titelfigur zu betrachten wäre. Denn eine Pointe der Carmenrolle besteht gerade darin sich quasi "antikonventionell" ihre Liebnhabe selbst auszusuchen und zu wechseln... .

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