Felix Mendelssohn Bartholdy: Die Ouvertüren

  • Wenn ich nichts übersehen habe, gibt es bis dato keinen gesonderten Thread für die Ouvertüren von Felix Mendelssohn Bartholdy.


    Mendelssohn schrieb derer zahlreiche, die wichtigsten sind:


    - Ouvertüre zu "Ein Sommernachtstraum" op. 21 (1826/31)
    - Ouvertüre "Die Hebriden oder Die Fingalshöhle" op. 26 (1832)
    - Ouvertüre "Meeresstille und glückliche Fahrt" op. 27 (1828/33/34)
    - Ouvertüre "Das Märchen von der schönen Melusine" op. 32 (1833)
    - Ouvertüre "Ruy Blas" op. 95 (1839)


    Von den ersten beiden gibt es eine unüberschaubare Zahl an Einspielungen, aber auch die drei anderen sind diskographisch gar nicht so schlecht vertreten.


    Ferner die wenig bekannten folgenden:


    - Ouvertüre C-Dur op. 101 "Trompeten-Ouvertüre" (1825)
    - Ouvertüre für Harmoniemusik op. 24 (1824)


    Stellvertretend bilde ich hier nur mal die Abbado-Aufnahme ab:



    Daneben gibt es noch Ouvertüren zu seinen Opern wie "Der Onkel aus Boston" und "Die Hochzeit des Camacho" oder zu seiner Schauspielmusik "Athalia" nach Racine, die aber nur sehr selten einzeln gespielt werden.



    Hier etwa sind die drei genannten enthalten.


    Welche Aufnahmen aber sind eures Erachtens die empfehlenswertesten? Das würde mich besonders für "Die Hebriden" interessieren.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich möchte mal mit der "Hebriden"-Ouvertüre beginnen. In den letzten Tagen lauschte ich einigen Aufnahmen, von denen ich die m. E. gelungensten hier mal vorstellen möchte.


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    Herbert von Karajan und Mendelssohn, das ist irgendwie ein sehr gutes Gespann, wie ich auch nach vielen Jahren nach Erstkontakt bestätigen würde. Obwohl Karajan Mendelssohn nur selten im Konzert dirigierte, ist seine Gesamtaufnahme der Symphonien von 1971/72 durchaus eine erste Empfehlung wert. Bedauerlicherweise fehlt in der Box aber die "Hebriden"-Ouvertüre, so dass man gezwungen ist, sich noch die "Originals"-CD zuzulegen, so dass man die 3. und 4. Symphonie doppelt hat (alternativ ginge auch gebraucht eine ältere "Galleria"-Ausgabe mit der 3.). Das ist aber auch schon der einzige Einwand, den ich hier vorbringen würde, da mich Karajans Lesart der Ouvertüre sehr überzeugt. Die Spielzeit ist mit 10:43 geringfügig länger als in fast allen anderen mir bekannten Aufnahmen, was ich indes eher als Vorteil empfinde, gibt die dadurch gewonnene Zeit doch Raum für die Entfaltung der grandiosen Musik. An dramatischem Zugriff lässt es Karajan nicht mangeln. Sehr prägnantes Schlagwerk der Berliner Philharmoniker. Auch klanglich kann diese Einspielung von Jänner 1971 aus der Berliner Jesus-Christus-Kirche noch heute gut mithalten.



    In den Tiefen meiner Sammlung entdeckte ich gestern fast zufällig, dass ich ja auch eine Aufnahme von Sergiu Celibidache vorliegen habe. Die ist in der großformatigen Box "Sacred Music & Opera" neben etlichen anderen Ouvertüren auf CD 9 fast versteckt. Man möchte fast sagen erwartungsgemäß ist die Spielzeit sehr gedehnt: Sage und schreibe 12:33, das dürfte bei diesem Werk wohl Rekord sein. Ich war dann auch zunächst etwas skeptisch, ob das hinhauen kann, wo doch schon Karajan getragen daherkommt (und trotzdem fast zwei Minuten schneller ist). Kurz gesagt: Celibidache gelingt mal wieder die Quadratur des Kreises. Stellenweise beinahe brucknerisch angehaucht, entfaltet er ein hochromantisches Hörerlebnis der Extraklasse. Die Münchner Philharmoniker lassen es trotzdem an Wucht nicht fehlen. Der Höhepunkt ist geradezu atemberaubend gewaltig. Der Mitschnitt aus dem Münchner Gasteig von März 1993 ist tontechnisch tadellos.



    Von Interesse ist auch die von Riccardo Chailly mit dem Gewandhausorchester vorgelegte Einspielung: Es handelt sich um die sogenannte Rom-Fassung von 1830, die von Christopher Hogwood editiert wurde und sich von der Letztfassung in einigen Details unterscheidet. Die Spielzeit beträgt zwar 11:25, doch liegt das an der Fassung, die mehr Musik enthält. Insgesamt ist wohl die bekanntere Fassung vorzuziehen, aber spannend ist das allemal, zumal die Interpretation sehr gut herüberkommt. Die Aufnahme entstand im September 2006 im Gewandhaus zu Leipzig und klingt exzellent.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph II.,


    eine sehr schöne Aufnahme der Ouvertüren möchte ich noch erwähnen. Sie wurde 1976 produziert, mit dem 1946 in Breslau geborenen Dirigenten Gabriel Chmura und dem LSO:

    Hierzulande ist sie nur auf LP erschienen, doch es gibt sie als Import-CD, die allerdings momentan sündhaft teuer ist.
    Teilweise wurden sie auf dieser günstigen Ausgabe veröffentlicht:
    https://www.amazon.de/Mendelss…ywords=chmura+mendelssohn
    zusammen mit der Sommernachtsmusik unter Rafael Kubelik. Enthalten sind die Ouvertüren "Hebriden" und "Die schöne Melusine". Chmura ist auf dem Titel-Cover gar nicht genannt.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Sehr positiv habe ich die CD mit Kurt Masur in Erinnerung:



    Die Ouvertüren zu "Ruy Blas", "die Hebriden", die "Trompeten.Ouvertüre", "die schöne Melusine" und "Meeresstille und glückliche Fahrt" werden hier mit einen großen Anteil an Liebe und an Frische dargeboten. Man hört, dass Felix Mendelssohn Bartholdys Musik in Leipzig "zu Hause" ist.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat zur Aufnahme der Hebrieden-Ouvertüre:

    Das ist aber auch schon der einzige Einwand, den ich hier vorbringen würde, da mich Karajans Lesart der Ouvertüre sehr überzeugt. Die Spielzeit ist mit 10:43 geringfügig länger als in fast allen anderen mir bekannten Aufnahmen, was ich indes eher als Vorteil empfinde, gibt die dadurch gewonnene Zeit doch Raum für die Entfaltung der grandiosen Musik. An dramatischem Zugriff lässt es Karajan nicht mangeln.


    Hallo Josef,


    auch ich habe mich wegen dem kompletten Zugriff der entscheidenden Ouvertüren für die von Dir genannte Abbado-Aufnahme (DG, 1985/86, DDD) entschieden und meine auch, dass man damit "gut fährt". Schon um eine gute Aufnahme von Meeresstille und glückliche Fahrt zu haben, war mir der Kauf wert.


    Aber es nützt alles nichts - bei aller Wertschätzung für die Mendelsohn-Ouvertüren, die Hebriden-Ouvertüre bleibt neben der Ruy Blas-Ouvertüre die Interessanteste und wird auch von den führenden Dirigenten zusammen mit den Sinfonien gerne noch mit auf die jeweilige CD mit drauf gepackt.
    Das Karajan, als sehr erstzunehmender Mendelssohn-Dirigent auch die Hebrieden-Ouvertüre überzeugend abliefert, glaube ich Dir ungehört ... ich habe und kenne die Aufnahme nicht.
    Habe aber drei Aufnahmen anzubieten, die Abbado´s zügig straffe und gut klingende Int (= 10:23) Int für meinen Geschmack sogar noch übertreffen:


    1. Dohnanyi / Wiener PH (Decca, 1979, DDD) = 10:07
    2. Szell / Cleveland Orchestra (SONY; 1963, ADD) = 10:51
    3. Bernstein / New Yorker PH (SONY, ~60er, AAD) = 9:03 !!


    Dohnanyi überzeugt nicht nur durch die beste Klangtechnik, sondern durch einen straffen und ab dem Mittelteil weit packenderen Zugang, der mir ungleich mehr liegt, als Abbados Serenadenton.
    Szell lässt die erste Hälfte ruhiger angegen, um dann die Kontrastwirkung aufzubauen; ebenfalls Hörspass pur - Präzision gepaart mit einem straffen Zugriff, mit dem nötigen Schuss an dramatischer Spannung.


    Den Vogel schiesst Bernstein ab ... nicht nur vom Tempo her. Im Thread zur Vierten hatte ich schon geschrieben, dass ich mir so tempramentvoll besonders den letzten Satz der Italienischen gewünscht hätte. JA, das ist einfach Klasse, wie Bernstein den ruhigen Anfang aufbaut und dann zu freudigen und dramatischen Gipfelstürmen aufbrausen lässt. Nur bei ihm höre ich auch die Paukenstellen, trotz der von den Dreien nicht allerbesten CBS-Klangtechnik !
    :huh: Nach den drei genannten Favoriten ist es mir eigentlich ein Rätsel, wie man für diese Ouvertüre mehr Spielzeit brauchen könnte - ? - das würde bei mir in Langeweile ausarten ...


    Ich besitze seit den Anfängen der CD-Ära diese Doppel-CD mit Bernstein und bin davon geprägt:

    SONY / Duett, 1969?, AAD (Aufnahmedatum nicht angegeben ... es steht nur C1988)



    Die SONY-CD mit Szell u.a. mit meiner Lieblingsaufnahme der Vierten:

    SONY, 1963, ADD



    Dohnanyi im gewohnt guten Decca-Sound:
    - die GA wird bei mir diese Woche gegen die Ovation-Einzel-CD ausgetauscht -

    Decca, 1979/80, ADD/DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hier gibt es auch noch diese Version von Gardiner mit dem LSO. Mir gefällt sie gut. Mal ist sie zackig, mal lyrisch interpretiert. Ich finde das haben sie sehr gut gemacht. Klanglich auch top.


    Mit 10.01 dürfte sie von den Zeiten her auch teleton gefallen. Langeweile kommt keine auf.
    Aufnahmedatum ist 2014


    Wie gesagt, aus meiner Sicht eine sehr schöne Aufnahme, die ich immer mal wieder gerne zwischendurch höre.

  • Da ich mehr als genug Mendelssohn-Aufnahmen besitze, würde ich mir nun diese Gardiner-CD nicht noch zulegen wollen - das wäre für mich absolut unnötig.


    Ich habe erst gestern die ausgezeichnete Dohnanyi - Mendelssohn - Sinfonien - Box (Decca) - Abb in Beitrag 5 erhalten. Bisher hatte ich nur die Einzel-CD mit den Sinfonien Nr. 3 und 4/Hebriden - Ouv.
    Da ist auch neben den 4(5) Sinfonien (die Zweite ist ja keine !) neben der Hebriden-Ouvertüre (10:07) auch die Ouvertüre "Meeresstille und glückliche Fahrt", op.27 (12:30) enthalten, die ich sehr schätze.
    Diese Dohnanyi-Aufnahme mit den Wiener PH ist auch wieder ganz grosse Klasse und hebt sich deutlich von Abbados emotionsloser, dafür zu süsslicher Darstellung, ab. Die Paukenstelle in der Ouvertüre ist fabelhaft mit voller Präsenz aufgenommen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang