Lieber Holger,
das glaube ich Dir gerne
Ich besitze übrigens die op. 111 in einer raren Philips-Aufnahme mit Gulda ( später entstanden, als die bekannte Gesamtaufnahme).
So genau kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern, aber ich meine, dass er auch diese Triller tatsächlich einwandfrei durchspielt. Es würde mich jedenfalls nicht wundern, denn der Gulda hatte ja nach dem 12. Lebensjahr das wirkliche technische Üben - nach eigenen Angaben - nicht mehr nötig gehabt. Auch einer seiner Söhne hat irgendwann einmal durchscheinen lassen, dass der Vater eigentlich nicht so der eifrige Über war. Es scheint eben manchmal Begabungen zu geben, die sehr spezifisch sind und die dazu führen, dass für die Hochbegabten das Klavierspiel - auch das technisch sehr anspruchsvolle - so natürlich ist, wie für einen gesunden Menschen das Atmen.
Gulda war so einer, Michelangeli wohl auch, aber den kennst Du ja besser
Jedenfalls kann ich Dir die Aufnahme empfehlen, wenn Du Dir eine noch maskulinere Interpretation wünscht, als sie Gulda bei seiner Gesamtaufnahme ohnehin schon vorgelegt hat. Männlicher und klarer geht es einfach nicht. Allerdings darf man dann nicht immer einen runden und warmen Anschlag erwarten. Gulda nutzt das dynamische Potential seines geliebten Bösendorfers hier voll aus. Da ich Deinen Geschmack des späten Michelangeli von den Klavierkonzerten her kenne (straight, unverschnörkelt und männlich ....) könnte es sein, dass Dir diese Aufnahme auch gefiele. Man kommt aber nicht mehr so leicht an sie heran....
Ich ziehe bei so mancher Beethoven-Sonate den wärmeren und poetischeren Stil Brendels vor (sein Schüler Paul Lewis spielt ja bald noch lyrischer...), aber ich möchte die Gulda-Klarheit auch nicht missen. Insbesondere diese op.111-Aufnahme ist so ein richtiges Macho-Statement. Gerade in einem Land wie Norwegen, in dem mir manchmal scheint, dass die Männer schon nahezu vollständig unter der Fuchtel der modernen norwegischen Frau angepasst dahinlebend alles aufgegeben haben, was irgendwie noch männlich sein könnte, traut man sich so etwas kaum noch zu sagen. ....
Nun ja, dies ist ja ein deutschsprachiges Forum aus Österreich, und die mir bekannten Norweger lesen ja nicht mit....
Was Chopin erreicht hat, ist das "Technische" und Musikalische in vollkommenen Einklang zu bringen wie kein zweiter.
Das stimmt voll und ganz! Vom Interpreten erfordern sie dann allerdings auch, dass dieser in sich diese beiden Aspekte ebenso vereinen kann.......nicht gerade leicht
Leider kann ich momentan das von Dir gepostete Video nicht sehen/hören, da mein Internetprovider auf langsam gestellt hat (wegen Quotenüberschreitung, hervorgerufen durch meine Kinder )
Ich werde es mir dann im nächsten Monat anhören....
LG
Glockenton