Frag nach bei Sixtus!

  • Die Tonlage der „Note Fis“ ist von der Stimmung abhängig – Ja! Aber es wird kaum vorkommen, dass z. B. die Solovioline ihren Part in einer Stimmung des 18.Jhd. spielt, damit auch Fis und die Begleitung ihren Part in der gleichschwebenden Stimmung spielt und damit auch Fis– nur bei gleicher Stimmung ist die Harmonik gleich. Und wenn ein Hörer ein Musikstück hört, dass in Fis notiert ist und in wohltemperierter Stimmung gespielt wird und unmittelbar darauf das Stück auch in Fis aber in gleichschwebender Stimmung hört, so wird den Unterschied nur der Hörer mit absolutem Gehör bemerken/hören.


    Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass generell das, was in den Noten steht, keineswegs so klar ist, wie mancher meint, eben dass ein Fis bei Bach oder Mozart nicht das Fis ist, das Strauss notiert hat, obwohl es im Notenbild gleich aussieht. Ich selbst bin diesem Fehler noch bis vor wenigen Jahren erlegen und wusste nichts von unterschiedlichen Stimmtonhöhen, alten Instrumenten oder solchen Dingen wie der Tonartencharakteristik. Die Vielfalt an Instrumenten, Stimmungen etc. damals war sehr groß!



    Vortragsbezeichnungen stehen außerhalb des Notensystems, sind also interpretationsfähig


    Im Grunde ja, allerdings mit Einschränkungen! Wenn man an einer möglichst werktreuen(!) Interpretation interessiert ist, sollte man vorher wissen, von welchem Grundwissen ein Komponist ausging, und was diese Vortragsbezeichnungen konkret bedeuten, um auf dieser Grundlage zu interpretieren.


    In Leopold Mozarts 1756 verfasstem Versuch einer gründlichen Violinschule gibt es etwa zahlreiche Beispiele, wie Noten ohne Vortragsbezeichnung interpretiert werden können, also es gibt da schon einen gewissen Spielraum, den man aber vorher kennen sollte.


    Manche Vortragsbezeichnungen sind aber auch nur scheinbar interpretationsfähig, weil man sie aus heutiger Sicht sieht, und nicht weiß, dass dahinter ein bestimmtes System steht, das von den damaligen Musikern mit ihrer damaligen Ausbildung verstanden wurde, heute aber nicht mehr. Ich kann jetzt keine konkreten Beispiele bringen, aber Harnoncourt und auch andere haben dazu viel geschrieben!




    LG,
    Hosenrolle1

  • Langsam wird es für mich schwierig, die verschiedenen Themenstränge zu koordinieren: Tonstimmung einerseits, szenische Interpretation andererseits. Wir schwimmen hier wie in zwei Booten, und ich stehe mit einem Fuß in einem Boot, mit einem im anderen. Da wäre es hilfreich, beides nacheinander zu verhandeln.
    Dass die Tonstimmung das jeweilige Klangbild prägt, steht außer Zweifel. So leiden etwa heutige Sänger darunter, dass extrem hohe Töne schwerer zu singen sind als früher, weil der Kammerton nicht mit dem von einst übereinstimmt. Ein hohes A von damals z.B. ist heute fast zum B geworden. Die ganze Tessitura hat sich mit verändert. Das müssen Stimmen erst mal aushalten. Aber das können wir ja nicht einfach ändern, wir müssen es zur Kenntnis nehmen.
    Ich schlage deshalb vor, uns mehr auf das Interpretieren zu konzentrieren, wo es darum geht, die Vorgaben strikter oder großzügiger zu befolgen. Könnten wir uns fürs Erste darauf einigen?

  • Lieber Rüdiger,
    erst jetzt bin ich dazu gekommen, deinen eingestellten längeren Film über Don Giovanni in Prag ganz anzuschauen. Ich bin beeindruckt von Karl Böhms Kommentaren. Besonders eine Bemerkung passt auch zu meiner These: Je bedeutender das Werk, desto weniger bedarf es der szenischen Zutaten.
    Böhm sagte es sinngemäß so: Er habe viele Don-Giovanni-Produktionen dirigiert, aber keine davon war szenisch rundum befriedigend. Diese Oper könne man ohne Inszenierung aufführen, sogar in einer Scheune, ohne dass sie ihre Wirkung verliert. Er sprach mir aus der Seele.
    Ich bin davon überzeugt, dass diese Aussage auf viele Meisterwerke zutrifft. Natürlich macht eine gelungene Inszenierung auch ein perfektes Stück runder, gefälliger, anschaulicher - aber kaum besser. Weniger perfekte Stücke bedürfen dagegen mehr der szenischen Unterstützung.
    Das setzt natürlich ein ideales (musikalisch hochsensibles) Publikum voraus, das das Stück außerdem gut kennt. Der Theaterbetrieb muss da leider mit Wasser kochen. Aber mit diesem Wasser werden auch viele unpassende Fremdkörper angeschwemmt.
    Der genannte Film enthielt auch viele köstliche Aussagen, die für unser Thema weniger relevant sind, aber hörenswert allemal, meint, mit herzlichen Grüßen, Sixtus

  • Es hat sich vielleicht herumgesprochen, dass Sixtus nicht viel mit atonaler Musik am Hut hat. Ich habe mir die Gattung Oper von zwei Polen her erschlossen: vom italienischen Belcanto - und von Verdi und Wagner aus. Also vom kunstvoll verzierten Gesang - und vom Musikdrama her. Je länger ich mit der Oper lebe, desto wichtiger wird mir die Frage: Erfüllt eine Oper den Anspruch, sowohl die Schönheit des Gesanges zu bieten als auch den Anforderungen an ein Drama gerecht zu werden?
    Und bei Wagner, der der Forderung nach dem Drama näher steht als dem Belcanto, liegt es nahe, die Frage zu stellen: Was kam danach? Logischerweise landet man da bald bei Richard Strauss. (Und, abgesehen von den Frühwerken, bei Salome.)
    Ein Jugendfreund von mir versäumte in Stuttgart keine Salome-Aufführung, und ich war nicht weit davon entfernt, nach dieser Oper süchtig zu werden. Als ich dann die erste Elektra besuchte (mit Matha Mödl in der Titelpartie), war ich hin- und hergerissen zwischen einem Rausch der Begeisterung (Monolog der Elektra zu Beginn, Erkennungsszene, ekstaisches Finale) und den irritierenden (für mich misstönenden) Akkorden u.a. in der Klytämnestra-Szene. Für mich war (und ist im Wesentlichen noch heute) Oper eine Kunstgattung innerhalb der Tonalität. Erst in den folgenden Aufführungen begriff ich, dass Klytämnestra und Tonalität nicht zusammengeht.
    Strauss hat, besonders in dieser Szene, gleichsam eine klinische Studie dieser zerstörten Frau geschaffen. Sie ist ein Chaos widersprüchlicher Emotionen und der daraus folgenden Krankheiten: eine Leiche bei lebendigem Leibe. Wie würden dazu harmonische Akkorde passen?
    Strauss hat konsequent komponiert, wie Hofmannsthal diese Untote mit Worten beschrieben hat - und siehe da: Wenn man es so so hört, ist es zwingend. Nicht jeder hat dazu einen Zugang. Manchem ist es zu laut, anderen zu "hässlich". Aber wenn zu dieser Einheit von Text und Musik die passende Frau auf der Bühne steht, die das künstlerisch umsetzt, ist es großes Musiktheater.
    Übrigens hat Strauss diese Szene in ihrem an der Atonalität entlang schrammenden Dissonanzenreichtum nicht ähnlich wiederholt oder gar überschritten, sondern ist eher wieder zur reien Tonalität zurückgekehrt. Die Neutöner haben ihn deshalb als reaktionär etikettiert. Ich kann damit gut leben und freue mich an seinem Farbenreichtum, der Werke wie Rosenkavalier, Ariadne, Frau ohne Schatten, Arabella - und Capriccio, jedesmal völlig anders, auszeichnet.

    Das Thema ist damit natürlich bei Weitem nicht erschöpft. Deshalb bin ich gern bereit, an dieser Stelle Fragen zu beantworten und auf Diskussionsbeiträge zu reagieren.
    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Sixtus
    "Übrigens hat Strauss diese Szene in ihrem an der Atonalität entlang schrammenden Dissonanzenreichtum nicht ähnlich wiederholt oder gar überschritten, sondern ist eher wieder zur reien Tonalität zurückgekehrt"


    Leider kündigt sich Straus als "Neocon" bereits in seiner Elektra an. Der an der Mägdeszene sich anknüpfende Monolog 'Allein! Weh, ganz allein!' kommt vergleichsweise weniger avanciert (auch weniger avanciert als Klytämnestra-Szene) rüber; auch Elektras behäbig-bedeutungs-öde Agamemnon-Anrufe …
    http://www.youtube.com/watch?v=T2dYNK3TJ0A


    Das quasi ständige Abschmieren der Elektra-Mucke aus seinen Dissonanzen in Harmonie-Modus, auch mit Schützenhilfe von zuweilen schier sich in die Lauscherchen einschleimenden Themen nerven tierisch beim Elektra-Reinziehn. Dadurch betrachtet man sich als Hörer irgendwie von der Elektra-Mucke veräppelt.
    Da ziehe ich fetzige „Originale“ vor, z.B. Schönbergs „Erwartung“, „Moses und Aron“ oder „Von heute auf morgen“ …

  • Es war zu erwarten, dass sich hier die Geister scheiden: in die, für die Strauss hier einen Rückzieher gemacht hat (bis hierher und nicht weiter!) und sich der Modernisierung verweigert hat (was sie als Verrat am Fortschritt empfinden - und jene, die genau dies als Genugtuung empfinden, weil diese Haltung der Tonalität, und damt der Schönheit, Tribut entrichtet.
    Ich bekenne, dass ich zur zweiten Gruppe gehöre - und sehe, dass Amfortas sich zur ersten rechnet. Da aber erfahrungsgemäß zwischen beiden Gruppen eine Verständigung schwierig ist, schlage ich vor, keinen weiteren sinnlosen Kriegsschauplatz zu eröffnen, sondern die Tatsache, dass Strauss nach dieser Oper eine Notbremse gezogen hat, einfach zur Kenntnis zu nehmen, ohne die Standpunkte hier weiter gegeneinander auszuspielen.
    Strauss hat sich jedenfalls seine eigenen Gedanken darüber gemacht und (sinngemäß) gesagt: Da ich über den Gipfel Wagner doch nicht hinaus komme, kehre ich zu Mozart zurück. Das Resultat: Nach der Elektra schrieb der den Rosenkavalier. Ich bin froh darüber, andere können das bedauern.
    Mit dem musikalischen Fortschritt ist das so eine Sache wie mit dem Vogel Phönix: Manche jagen ihm nach, andere lächeln darüber in dem Wissen, dass es ihn nicht gibt. Hier rechne ich mich zur zweiten Gruppe. Und Elektra steht genau an der Grenze. Ich bin mit Strauss einig, dass er eine gute Entscheidung getroffen hat.
    Mit der Bitte, beim Thema Elektra zu bleiben, grüßt alle Teilnehmer herzlich - Sixtus

  • Von "Verrat" würde ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen wollen, auch nicht von einem ungebrochenen "Fortschritt". Der Preis dafür ist/war sehr hoch.
    Strauss Werk entrichtet m.E. für seine "Neocon"-Haltung selbst hohen Tribut.
    Qualitätsabfall in Frau ohne Schatten (daran trägt vermutlich auch das z.Tl. schwache Libretto Anteil), Daphne, Liebe der Danae, Capriccio wären möglichweise vermeidbar gewesen bzw. weniger drastisch ausgefallen ..... Themen, motivische Gestaltung, Harmonie kommen einen überwiegend sehr arm und ausgelaugt rüber .. ob er das in avancierterer Tonsprache geglückter gestaltet hätte, bleibt anderseits höchst spekulativ .....

  • Der an der Mägdeszene sich anknüpfende Monolog 'Allein! Weh, ganz allein!' kommt vergleichsweise weniger avanciert (auch weniger avanciert als Klytämnestra-Szene) rüber;


    ... bildet aber einen sehr plastischen Kontrast zu ersterer


    Zitat


    auch Elektras behäbig-bedeutungs-öde Agamemnon-Anrufe …
    http://www.youtube.com/watch?v=T2dYNK3TJ0A


    vielleicht eine Spur zusehr arienhaft, publikumsorientiert gesungen?


    Zitat


    Das quasi ständige Abschmieren der Elektra-Mucke aus seinen Dissonanzen in Harmonie-Modus, auch mit Schützenhilfe von zuweilen schier sich in die Lauscherchen einschleimenden Themen nerven tierisch beim Elektra-Reinziehn.


    Walzermäßiges liegt auf der Lauer ...

  • Selbst wenn ich mit dieser Oper etwas auf Kriegsfuß stehe, fällt es mir dennoch schwer, solche Aussagen erst zu nehmen...


    Dann quäl dich doch nicht unnötig


    @ Kinderstück "Walzermäßiges liegt auf der Lauer .."
    Spannender Hinweis !
    Mir ist bisher in der Elektra kein Walzer aufgefallen, könnte ich jedoch auch ebenso gut überhört haben, aber Themen/Motive, die durchaus wohlfeil in Walzer zu integrieren wären. Das läge dann "auf der Lauer" für den späteren Rosenkavalier: z.B. mit schwermütigem Ausdruck im 1. Akt „Jedes Ding hat seine Zeit “ oder am Ende des 2. Akts die Briefszene mit Ochs ... etc.. etc.. etc … kommt in Strauss-Mucke höchst gepflegt und piekfein rüber…


    Ganz anders Walzer-Chose z.B. im 2. Akt vom Wozzeck (4. Szene in der Kneipe) oder z.B. im 2. Satz von Mahlers 9. Sinfonie. Walzer sind da in beschädigten und gebrochenem Ausdruck. Und ohne dabei komplizenhaft abzufeiern, brechen dabei Vulgarismen grell und brutalst auf, wie in Alpträumen…

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  • Diese Oper scheint mir deshalb ein so schwer verdaulicher Brocken zu sein, weil sie, im Spannungsfeld von Belcanto-Seligkeit und Musikdrama, eine Position einnimmt, die fast ganz vom Drama beherrscht wird. Alles geschieht hier (oder geschieht nicht) unter Hochdruck. Nur wenige befreiende Momente erlösen den Hörer von diesem Druck, besonders die Erkennungsszene, die Elektra so lange herbeigesehnt hat - und die sich dann auch konsequent in konsonanter Harmonie verströmt. Ich kann mir diese Szene nicht in dissonanten Farben vorstellen.
    Ganz am Schluss, bei Elektras Freudentanz, kommt etwas davon wieder, aber logischerweise auf tödliche Art: ihr Lebensziel ist erreicht, ihre Reserven verbraucht. So tanzt sie sich stampfend zu Tode. Eine andere Art des Liebestods, von archaischer Gnadenlosigkeit. Davon musste sich Strauss mit dem Rosenkavalier erholen.


    Neulich fiel mir ein alter Opernführer von 1925 in die Hände (dem Uraufführungsjahr des Wozzeck!). Mit der Elektra war der Verfasser (Karl Storck) eindeutig überfordert. Er schrieb:
    "... Der gewaltige Stoff der alten Mythe ist aus der erhabenen Welt der Tragödie herabgezerrt ins Pathologisch-Perverse... daß durch eine derartige Auffassung in schlimmster Weise hohe Kulturgüter vernichtet werden..."
    Wie sich die Zeiten ändern! Der Autor konnte offenbar auch mit Sigmund Freud wenig anfangen, der hier aus allen Knopflöchern hervorlugt. Wie sollte er die Strausssche Nervenkontrapunktik angemessen einordnen?
    Diese Oper ist eines der letzten Beispiele dafür, wie zwar die Dissonanz für das Böse und Kranke eingesetzt wird, aber für das Positive ein Tabu bleibt. (Seit Schönberg geht es auch anders, aber da scheiden sich die Geister.)


    Ein Zugang zu diesem Drama ist meiner Ansicht nach am leichtesten möglich, wenn man den Einstieg über den Monolog der Elektra wählt: "Allein! Weh, ganz allein!" Der erschließt das ganze Elend dieser gequälten jungen Frau - und macht alles Folgende einsichtig.
    Viel Erfolg denen, die es versuchen, wünscht, mit herzlichen Grüßen - Sixtus

  • @ Kinderstück "Walzermäßiges liegt auf der Lauer .."
    Spannender Hinweis !
    Mir ist bisher in der Elektra kein Walzer aufgefallen


    ich meine so Stellen wie gleich im 1. Elektra-Monolog die instrumentalen Takte nach "zeig dich deinem Kind".

  • Lieber Sixtus, ich nehme den Titel des Threads wörtlich und frage einfach mal: Was ist bei einem Sänger ein Schmiß?

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Hans Heukenkamp,


    ein Schmiss bei einem Sänger kann zweierlei bedeuten:
    Ein musikalischer Schmiss liegt vor, wenn ein Sänger falsch einsetzt (zu früh, zu spät) oder den Ton nicht trifft (zu tief, zu hoch) etc.
    Ein stimmlicher Schmiss ist, wenn ein (meistens hoher) Ton nicht erreicht wird und die Stimme überschnappt ins Falsett, was meistens nicht zu überhören ist.


    Ich bitte um Nachsicht wegen der verzögerten Auskunft.


    Herzliche Grüße von Sixtus


  • ich meine so Stellen wie gleich im 1. Elektra-Monolog die instrumentalen Takte nach "zeig dich deinem Kind".


    eben mal schnell gecheckt.. ist zwar kein 3/4-Takt sondern 4/4 (wie die Takte davor), dennoch dieses Motiv in den Violinen (m. E. mit Eigenschaften eines Leitmotivs, auch wie - nervendes, weil bedeutungs-heischend - "Agamenon" = leitmotivisch ) wäre durchaus prädestiniert auch für ein Walzerthema... (also es "lauert" quasi darauf)

  • ... und dann weiter, wo die Unterstimmen in Halben, die Oberstimme scharf punktiert ist:


    so ein Schwingen-Wiegen, wie ganze Takte eines Walzers.

  • Lieber Hans Heukenkamp,
    ein Schmiss bei einem Sänger kann zweierlei bedeuten:
    Ein musikalischer Schmiss liegt vor, wenn ein Sänger falsch einsetzt (zu früh, zu spät) oder den Ton nicht trifft (zu tief, zu hoch) etc.
    Ein stimmlicher Schmiss ist, wenn ein (meistens hoher) Ton nicht erreicht wird und die Stimme überschnappt ins Falsett, was meistens nicht zu überhören ist. Ich bitte um Nachsicht wegen der verzögerten Auskunft.
    Herzliche Grüße von Sixtus


    Lieber Sixtus, ich bedanke mich herzlich für die Erklärung! Mit bestem Gruß, Hans.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber "Hans Heukenkamp",


    an dieser Frage merkt man wirklich, dass du René Kolle live verpasst hast, sonst hättest du schon gewusst, was ein Schmiss ist, denn kaum einer hat mich live so häufig damit "verwöhnt" (gerade auch mit Text-Schmissen) wie René Kollo! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber "Hans Heukenkamp",


    an dieser Frage merkt man wirklich, dass du René Kolle live verpasst hast, sonst hättest du schon gewusst, was ein Schmiss ist, denn kaum einer hat mich live so häufig damit "verwöhnt" (gerade auch mit Text-Schmissen) wie René Kollo! :D


    Lieber Stimmenliebhaber, ich bedaure das wirklich, denn ich bin spät zur Oper gekommen und habe sie, als René Kollo auf der Bühne stand, komplett ignoriert. So muß ich mich mit Live-Aufnahme zufrieden geben, wenn ich einen Eindruck von seinem Wirken bekommen möchte. Einiges hat sich da bei mir angesammelt, so z.B. die Lohengrine von 1971 u. 1972 (Bayreuth) und 1976 (Salzburg) oder die Salzburger Meistersinger von 1974 u. 1975. Vom Sawallisch-Ring aus München 1989 gar nicht zu reden. Diese Aufnahmen lassen eigentlich keine Schmisse hören, wenn auch der 76er Lohengrin bis an seine stimmlichen Grenzen geht und sich mit Telramund (Siegmund Nimsgern) eine packende Auseinandersetzung liefert, die man in dieser Intensität auch nicht auf der Karajan-Aufnahme des L. geboten bekommt.
    Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

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  • Den delikatesten Schmiss auf der Bühne habe ich in einer Stuttgarter Tristan-Vorstellung erlebt:
    Martha Mödl, eine wunderbare Isolde, aber leider ohne sichere Höhe (sie war von Haus aus Mezzo), hatte einen guten Abend ohne Schmisse hinter sich. Wir hatten mit ihr um jeden Spitzenton gezittert und wollten schon aufatmen. Da riss ihr beim letzten Ton (höchste Lust!) die Stimme ab. Sie hatte sich wohl zu früh aus der Spannung entlassen, die dieser Schlussgesang braucht.
    Was René Kollo betrifft: Dass er beim Schmisse-Rekord nicht konkurrenzlos war, verdankte er seiner Gepflogenheit, jede zweite Vorstellung abzusagen (ich übertreibe!). Dadurch gelang es Siegfried Jerusalem, ihm ernsthafte Konkurrenz beim Kicksen zu machen. In einem konzertanten Lohengrin unter Solti in Stuttgart gelang es ihm aber, ihre Zahl mit einem bereitstehenden Glas Wasser (sicher medikamentös angereichert) in Grenzen zu halten.
    Der von dir, Hans, genannte Telramund Siegmund Nimsgern dagegen, mit dem ich befreundet bin, kann von sich behaupten (und tut das auch!), nie in seiner Sängerkarriere geschmissen zu haben. Gute Gesangstechnik macht´s möglich!
    In Saarbrücken ist es einmal einem Tenor gelungen, im Holländer Erics Cavatine im letzten Akt dreimal zu beginnen, weil er zweimal hintereinander an einem hohen A gescheitert war - und der Dirigent zweimal abgeklopft hatte. Rekordverdächtig!
    Die Anekdoten zu diesem Thema sind Legion...
    Herzliche Grüße von Sixtus


  • Der von dir, Hans, genannte Telramund Siegmund Nimsgern dagegen, mit dem ich befreundet bin, kann von sich behaupten (und tut das auch!), nie in seiner Sängerkarriere geschmissen zu haben. Gute Gesangstechnik macht´s möglich!


    Lieber Sixtus, Siegmund Nimsgern ist ein großartiger Telramund gewesen und ist sicher genau deshalb von Karajan und Solti für ihre Studio-Aufnahmen des Lohengrin verpflichtet worden. Im Wagnerspectrum hat ihn ein Kundigerer als ich den "besten Telramund überhaupt" genannt. Diesem Urteil würde ich mich sofort anschließen. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Im Wagnerspectrum hat ihn ein Kundigerer als ich den "besten Telramund überhaupt" genannt.

    Ich habe Nimsgern 4x als Telramund live erlebt und halte diese Eischätzung für stark übertrieben. Dafür fehlten mir zu viele Stimmfarben, zu viele Zwischentöne. Ich würde ihn nicht zu meinen 3 bis 5 live erlebten Lieblings-Telramündern zählen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe Nimsgern 4x als Telramund live erlebt und halte diese Eischätzung für stark übertrieben. Dafür fehlten mir zu viele Stimmfarben, zu viele Zwischentöne. Ich würde ihn nicht zu meinen 3 bis 5 live erlebten Lieblings-Telramündern zählen.


    Lieber Stimmenliebhaber, die Frage nach den besten Telramunden gemäß Deiner Erlebnisse in der Oper kann ich Dir natürlich nicht erlassen. Aber die hast Du sicher auch erwartet. Es grüßt Hans.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Stimmenliebhaber, die Frage nach den besten Telramunden gemäß Deiner Erlebnisse in der Oper kann ich Dir natürlich nicht erlassen. Aber die hast Du sicher auch erwartet. Es grüßt Hans.

    Also für mich schon Ekkehard Wlaschiha. Das einerseits Dämonische und zugleich Gequälte, Getriebene, das hatte er alles, ebenso wie dunkle, schwarze Klangfarben, aber auch eher helle und weiche, und er lebte diese Rolle wie kaum ein anderer, dabei nicht immer unbedingt belkantesk, aber doch sehr souverän gesungen.
    Hans-Joachim Ketelsen war hingegen vielleicht nicht so komplett und schillernd, sondern "korrekter", stimmlich war er aber vielleicht der souveränste Telramund, den ich erleben durfte, vor allem in den Jahren 1993 bis 1996 in Dresden (ab Ende der 1990er baute er dann stimmlich etwas ab, was bei Wlaschiha schon ab Mitte der 1990er ja ebenfalls der Fall war).
    Stimmlich sehr souverän, aber dennoch kein wirklicher Telramund (vom Typ her) war Eike Wilm Schulte. Aber das waren die drei, an die ich mich besonders positiv erinnere (Ich hatte auch mehrfach Hillebrandt, Leiferkus, Wolfgang Koch - 2009 in München noch nicht so mein Fall, aber 2013 in Dresden sehr gut!, 2015 auch Lundgren und sicher noch einige mehr, die mir jetzt auf die Schnelle nicht einfallen.


    Also ich bin beim Telramund schon sehr durch Wlaschiha geprägt worden, der diese Rolle um 1990 ja einige Jahre hindurch auch in Bayreuth sang. Und als Nimsgern die Rolle in der Berliner Adam-Inszenierung an der Staatsoper quasi von Wlaschiiha übernahm (in den letzten beiden Serien 1993, den 1. Akt hatte ich demzufolge von Nimsgern sogar 5x, den zweiten 4x...), war das meiner Meinung nach keine Verbesserung, sondern viel eher das Gegenteil. Vielelicht war das auch schon etwas zu spät, diesen Sänger live kennen zu lernen, das mag bei meiner subjektiven Beurteilung sicher auch eine wichtige Rolle spielen.


    Was die nicht live erlebten Rollenvertreter betrifft, so spricht mich kurioserweise Herbert Janssen (der ja auch Wolfram und ähnliches sang) im MEt-Mitschnitt vom Feburar 1950 ganz besonders an, obwohl das ein ganz anderer Typ als Wlaschiha war. So festgelegt auf einen bestimmten "Typen" bin ich bei dieser Rolle also gar nicht, nur muss er es auf seine Weise total überzeugend machen. Ich kann sogar Fischer-Dieskau im Studio unter Kempe viel abgewinnen. Hermann Uhde in Bayreuth war natürlich auch ziemlich maßstäblich. Also: Es gab schon einige tolle Telramünder.


    Die Balance zwischen hohert gesanglicher Anforderung und packender Gestaltung zu finden, erscheint mir bei dieser Rolle eine gahnz besonders große Herausforderung zu sein, weit mehr als bei vielen anderen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber "Hans Heukenkamp",


    an dieser Frage merkt man wirklich, dass du René Kolle live verpasst hast, sonst hättest du schon gewusst, was ein Schmiss ist, denn kaum einer hat mich live so häufig damit "verwöhnt" (gerade auch mit Text-Schmissen) wie René Kollo! :D

    Stimmt lieber Stimmenliebhaber, aber er konnte auch anders: Schaffte auf Grund seiner sängerischen Intelligenz sogar einen - fast außerhalb seiner Möglichkeiten liegenden - faszinierenden Tristan. Auch als Parsifal in der Solti-Gesamtaufnahme überzeugt er ohne Schmisse - war ja auch eine Studioaufnahme, wo man korrigieren konnte.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Stimmt lieber Stimmenliebhaber, aber er konnte auch anders: Schaffte auf Grund seiner sängerischen Intelligenz sogar einen fast außerhalb seiner Möglichkeiten faszinierenden Tristan. Auch als Parsifal in der Solti-Gesamtaufnahme überzeugt er ohne Schmisse - war ja auch eine Studioaufnahme, wo man korrigieren konnte.


    hezrlichst
    Operus

    Lieber Operus, ich meine im Falle von Kollo auch gar keine Stimm-Kiekser, sondern Texthänger. Selbstverständlich war das meiste, das er sang, korrekt, aber er hatte eben häufig ein paar kleine Stellen dabei, etwas im Tristan die Stelle "Tagsgespenster", wo er mitunter die grandiosesten Neudichtungen anbot.
    Übrigens lag der Tristan für den reifen Kollo in den 1990ern absolut im Bereich seiner stimmlichen Möglichkeiten. Ende der Neunziger war der mehr Heldentenor denn je! Stimmen entwickeln sich halt beständig, das kann man gerade anhand der langen Karriere von René Kollo sehr gut nachvollziehen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich möchte kurz die Quelle nachtragen, in der Siegmund Nimsgern für seinen Telramund gelobt wurde.


    Jens Malte Fischer schreibt im Wagnerspectrum 1/2014 S. 334 über Walter Berry in der Live-Aufahme der Wiener Staatsoper vom 16.5.1965:


    ... neben Siegmund Nimsgern ist das der überzeugendste Telramund, den man auf Platte hören kann.


    Der Salzburger Lohengrin von 1976 legt davon ein klares Zeugnis ab, finde ich.


    Aber ich sehe gerade, daß es natürlich einen Tamino-Thread zu Siegmund Nimsgern gibt.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Anlässlich der Rundfunkübertragung der "Elektra" aus der MET hatte ich die Fragwürdigkeit des Umgangs mit dem deutschen Text angesprochen, der oft von Sängern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, nur phonetisch gelernt wird, auf ihre Partie bezogen. Das Resultat fällt dann, je nach Sprachbegabung der Sänger, sehr unterschiedlich aus.
    Bei den komplizierten Texten in den Musikdramen von Wagner - oder auch bei den poetischen Hofmannsthal-Texten in den Strauss-Opern - kommt dabei oft ein nur bedingt verständliches Deutsch heraus, worunter die Kommunikation des Sinns empfindlich leidet. Hinzu kommt die Schwierigkeit, mit der Stimme über ein Riesenorchester zu dringen. Beim Publikum kommt dann ein klanggesättigtes Kauderwelsch an. Manchen genügt das; aber mit der Aussage des Werkes hat das manchmal nur noch wenig zu tun.
    Die großen Opernhäuser haben zwar spezielle Sprachcoatchs, die das Schlimmste verhindern, aber im flächendeckenden Opernbetrieb reicht das nicht aus. Das gilt erst recht für originalsprachige Aufführungen in Französisch, Tschechisch oder Russisch, bei denen keine muttersprachlichen Sänger zur Verfügung stehen. Lediglich Italienisch als primäre Opernsprache schneidet hier besser ab.
    Hier wäre die Möglichkeit, Anregungen zur Verbesserung dieses Missstands zu diskutieren. Vielleicht werden sie sogar von einigen Verantwortlichen in den Theatern gelesen.
    Ich beginne mit einer ersten Anregung: Bei der Planung und Vorbereitung einer Oper, die solche Schwierigkeiten bietet, sollte die Theaterleitung vor dem Probenbeginn dafür sorgen, dass die Besetzung entweder die muttersprachliche Eignung der Sänger prüft - oder für geeignete Gäste sorgt, deren sprachliche Kompetenz der Partie entspricht.
    Wer hat weiterführende Ideen?
    Aufmunternde Grüße von Sixtus

  • Ich würde wieder mehr deutsch singen lassen. Beispiel "Katja Kabanowa". Da wird unendliche Probenzeit verbraucht, vor allem, da Tschechisch nicht gerade so das Leichteste ist. Also hat man in Münster vor Jahren eine neue Übersetzung angefertigt und die noch zusätzlich projiziert. Am Schluss hat Katja einen großen Monolog, der auf Tschechisch uns nur ahnen lassen kann, was passiert. In Münster vernahm man, dass sie sehnsuchtsvoll die Blumen und die blühenden Pflanzen bewundert.
    Plötzlich ein Aufschrei "...und ich muss sterben !". Dann springt sie in den Fluss. In Münster wurde sie auch klatschnass auf den Bühnenboden gelegt. Aufruhr im Orchester. Das war die ergreifendste Katja, die ich je gesehen habe.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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