Bartók, Béla: Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta

  • Darf ich, ohne sogleich erschlagen zu werden, anmerken, daß Bartók eher kein Neoklassizist ist, sondern ein aus dem Expressionismus kommender Folklorist...?
    Neoklassizistisch an ihm ist allenfalls die Beachtung des Formenkanons - aber das tat auch Berg, der kein Neoklassizist war.
    Man darf sich nur nicht vom Titel täuschen lassen, der meiner Meinung nach schlicht und einfach gewählt wurde, um das Wort "Sinfonie" zu vermeiden, das Bartók zufolge in eine falsche Richtung gewiesen hätte.


    Zu den Aufnahmen: Reiner und Mrawinskij sind auch meine Favoriten. Dritter im Bunde ist für mich Boulez (auf DG), der die Glieder des Formenspiels optimal ausbalanciert, mit dem Streicherklang wunderbar umgeht und auch rhythmisch perfekt arbeitet. Angenehm ist für mich, daß Boulez nichts hinzufügt, sondern die Musik wirklich für sich sprechen läßt - und der letzte Satz ist bei kein applaustreibender Rausschmeißer (oder nur am Rande), sondern ein Satz, in dem es auch viel Melancholie und auch Nostalgie gibt. Eine grandiose Aufnahme hat Fricsay hingelegt (die mir persönlich sogar besser gefällt als die Reiners, weil sie im letzten Satz die Abschnitte feiner modelliert und nicht ins Stocken kommt) - ich fürchte allerdings, daß sie momentan nicht erhältlich ist.


    Abraten würde ich von Bernstein, dem das Stück eigentlich liegen müßte. Aber er macht zuviel Dampf und erstickt das Werk irgendwie. Abgesehen davon ist die Fuge im ersten Satz von nur sehr bedingter Durchhörbarkeit...


    :hello:

    ...

  • Ich werde mich später nochmal konkreter zu Einspielungen äußern. Vor Threadstart habe ich folgende angehört:


    Fricsay(DG)
    Reiner (RCA living stereo, aber eine ältere normale CD, keine SACD o.ä.)



    Dorati (Mercury)
    Boulez (CBS/Sony)




    Harnoncourt (RCA)


    Bei Fricsay hat mich leider der eher mäßige Mono-Klang ziemlich gestört, obwohl ich da sonst eigentlich ziemlich tolerant bin. Sämtliche Echo-Effekte gehen damit natürlich verloren und auch die Durchhörbarkeit leidet etwas (das Konzert f. Orchester, wenig später ebenfalls noch mono aufg. klingt wesentlich besser). Fricsay und Reiner sind die zügigsten dieser Einspielungen, gerade auch in den langsamen Sätzen. Hier finde ich aber, daß gerade der erste Satz deutlich an Intensität gewinnen kann, wenn er ein wenig langsamer genommen wird (8-
    9 statt ca. 7 min). Reiner ist insgesamt sehr "kühl"
    Trotz living stereo ist der Klang schon bei Dorati m.E. deutlich besser als bei Reiner, auch die beiden anderen klingen sehr gut. Das Schlagzeug ist allemal präsenter, auch hier hat mich bei den beiden alten Aufnahmen etwas gestört, daß es nicht so klar herauskommt.
    Boulez fand ich jedenfalls auch gut genug, daß ich nicht nochmal EUR 20 für die neuere DG-Einspielung ausgeben möchte.


    Aber ich fand bisher alle hörenswert und ohne Detailvergleich würde ich von keiner abraten wollen. Eine Einspielung unter Levine habe ich noch in einer Sammelbox; ich werde in den nächsten Wochen hoffentlich die und auch alle anderen nochmal hören und genauer vergleichen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Boulez fand ich jedenfalls auch gut genug, daß ich nicht nochmal EUR 20 für die neuere DG-Einspielung ausgeben möchte.


    Die kann man am Marketplace problemlos für 6 bis 8 Euronen erstehen. Ich selbst finde die Aufnahme mit dem Chicago SO (höre sie gerade) klasse - kenne aber die ältere CBS-Einspielung nicht...


    Viele Grüße,
    Medard

  • Lieber Medard,

    Zitat

    kenne aber die ältere CBS-Einspielung nicht.


    Sie läuft bei mir dank dieses Threads gerade: Das ist der typische frühe(re) Boulez: Sehr hart, sehr trocken, betont strukturell. Die Streicher werden teilweise als Resonanzklang des Schlagwerks aufgefaßt. Eine sehr interessante Aufnahme, die sich von allen anderen, die ich kenne, wesentlich unterscheidet. Ich hatte sie nicht sio stark und kühn in Erinnerung.
    Dennoch: Ich ziehe die spätere vor, weil sie einfach rhythmisch beweglicher ist, sie wirkt auf mich temperamentvoller, auch leuchtender im Klang.
    :hello:

    ...

  • Korrektur zu Vegh: bezüglich der Tempi muß ich dessen Einspielung falsch abgespeichert haben. Zumindest laut jpc-Schnipsel ist die Einspielung alles andere als gemächtlich. Daß ich von dieser Einspielung positiv überrascht war (hatte den Vegh als interessanten (umstrittenen?) Mozart-Interpreten in Erinnerung), habe ich jedoch nicht falsch abgespeichert! :)



    Kennt noch außer mir die Aufnahme??


    :hello:
    Wulf

  • Also jetzt bitte, bitte nicht schlagen...
    Echt ehrlich und überhaupt und so.............


    Eine meiner liebsten Einspielungen wenn nicht sogar die liebste ist tatsächlich, und da kenne ich mich selber nicht wieder :untertauch: , die alte EMI-Aufnahme der Berliner Philharmoniker unter HvK




    Ich bin mit dieser Aufnahme (und auch der m.e. tollen Aufnahme der "Mathis" -Sinfonie von Hindemith auf der damaligen anderen Schallplattenseite) seit Anfang der 70er Jahre aufgewachsen, und andere Aufnahmen haben es für mich sehr schwer, dagegen anzuspielen.
    Mein Vater brauchte die damals "beste" Aufnahme für den Musikunterricht, und hat sich für diese Schallplatte damals entschieden.
    Zu Recht, finde ich....... :untertauch:
    Vielleicht ist das Nostalgie, aber wirklich ernsthaft denke ich das nicht.


    Ich mag bei beiden Werken vor allem diesen etwas staubigen direkten 60er Jahre-Sound, welcher als Klangbild diesen Werken m.e. sehr gut tut und sehr stimmig ist.


    Und Drive, Exstase und Swing hat das ganze auch noch.
    Ich bin selber immer wieder verwundert.


    Mit freundlichem Gruß,


    Michael

  • Lieber Michael,


    ich habe mich auch noch gar nicht so richtig getraut, meine Vergleichshörergebnisse vorzustellen, bin allerdings auch noch nicht ganz durch, aber beim Wiederhören der Aufnahme, auf die du verschämt verweist, des in diesem Forum sonst schon viel zu viel genannten Herrn mußte ich doch feststellen, dass sie auch mir immer noch sehr gut gefällt. :untertauch:


    Diese EMI-Aufnahme von 1957 ist ungeheuer schnell, ohne dadurch an Präzision und Rhythmus zu verlieren:


    I. Satz: 7.17; II: 7.09; III: 7.02; IV: 6.40


    1973, auf seiner DG-Aufnahme - ja, die habe ich auch noch :untertauch::pfeif: - brauchte derselbe Herr dann schon etwas länger:


    I: 8.23; II: 7.17; III: 8.15; IV: 7.23 und der Rhythmus scheint mir nicht mehr präzise: Manches kommt mir überbetont zu langsam, anderes dem gegenüber zu schnell vor. Richtig schlecht, etwa aufgehübscht, finde ich aber auch diese nicht, nur überbetont, was Bartoks Stück wirklich nicht nötig hat - insofern vielleicht die ideale Version für die Horrorfilm-Begleitung.


    Die 57er Aufnahme gefällt mir aber auch besser, weil sie noch nicht diesen extremen HvK-typischen Breitwand-Sound, den ich immer kalt empfinde, hat.


    Meine Favoriten sind aber dennoch, vor der 57er-Aufnahme, Boulez (DG) und Fricsay. Edwins Einschätzungen kann ich mich hier voll anschließen.


    Fricsay habe ich übrigens noch als LP. Mono stört mich nicht so und auf einem recht guten Plattenspieler, auch sonst einer guten Anlage und richtig aufgedreht, kann ich, was die Durchhörbarkeit angeht, eigentlich für eine alte Aufnahme nicht mehr klagen. Vielleicht wurde bei der Übertragung auf CD Mist gebaut?


    Ansonsten habe ich noch irgendwo Harnoncourt - leider noch nicht wiedergefunden :wacky: ?( Insofern kann ich hier leider noch keine Zeitangaben machen. Ich habe sie aber als insgesamt viel zu langsam in Erinnerung, so laaaangsam, das der ganze Drive verlohren geht - und das bei Bartok! Das Divertimento auf derselben CD habe ich jedoch als recht gelungen in Erinnerung.


    Außerdem besitze ich noch Seiji Ozawa mit dem Boston Symphony Orchestra (1977,DG). Die Zeitangaben:


    I: 8.51; II: 7.37; III: 7.42; IV: 7.22


    Der erste Satz ist mir auch hier viel zu getragen und der Orchesterklang noch nicht zufriedenstellend ausbalanciert, das Allegro ist jedoch sehr klar, prägnant, gut durchhörbar und in einigen Takten, die sehr kurz das Tänzerische des Finales schon vorwegzunehmen scheinen, bevor dies wieder gegen Ende des Allegros ruppig unterbrochen wird, finde ich dies sehr schön herausgearbeitet. Das habe ich sonst bei keinem so gehört. Auch die letzten beiden Sätze bleiben sehr klar, gut durchhörbar. Im Adagio geht mir jedoch bei Bartoks komplexer Linienführung die Gesamtlinie etwas verlohren. Das klingt für mich etwas verfranst. Das Finale halte ich dann wieder für sehr gelungen. Das etwas Tänzerische ist auch hier sehr schön herausgearbeitet. Interessant finde ich hier auch, wie das Bedrohliche mir in dieser Aufnahme bei aller befreienden Grundstimmung noch nachzuklingen scheint.
    Insgesamt komme ich hier also zu einer sehr zwiespältigen Beurteilung. Aufgrund des zweiten und vierten Satzes war aber auch Ozawa für mich eine gelungene Anschaffung.


    Ein Teil meiner Sammlung habe ich dummerweise noch eingekistet in Mailand stehen. Daraus habe ich Solti ebenfalls etwas überbetont, gar etwas pathetisch in Erinnerung, was mir zu Bartok gar nicht zu passen scheint, und im Orchesterklang für mein Empfinden nicht sehr optimal ausbalanciert. Bei Boulez (CBS) deckt sich meine Erinnerung wieder mit Edwins Charakterisierung: Sehr streng, trocken. Um die Strukturen des Stückes gut herauszuhören, ausgesprochen gut geeignet, aber rhythmisch ist seine DG-Aufnahme mitreißender. Und etwas klangschöner, wie auf der DG-Einspielung, kann es für mich auch sein.


    Reiner, Mrawinskij und Dorati werde ich mir aber aufgrund dieses Threads auch noch zulegen. (Es soll Leute geben, die so etwas durchgeknallt finden :pfeif: Das wären dann doch immer noch erst 11! 8) Irgendwie beruhigend in diesem Forum mitzubekommen, dass es hier noch ganz andere gibt, wie den Kollegen mit ca. 100 von Schuberts 9. Die geben einem doch gleich das Gefühl, man hätte noch alles unter Kontrolle.)


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Ansonsten habe ich noch irgendwo Harnoncourt - leider noch nicht wiedergefunden wacky verwirrt Insofern kann ich hier leider noch keine Zeitangaben machen. Ich habe sie aber als insgesamt viel zu langsam in Erinnerung, so laaaangsam, das der ganze Drive verloren geht - und das bei Bartok!


    Das hatte ich ebenfalls vage so in Erinnerung, aber es ist trifft allerhöchstens auf das Finale zu. Die Tempi sind eher breit, aber nicht außerhalb des Rahmens anderer Interpretationen: 9:10; 7:49; 8:05; 8:00.
    Levine ist in den langsamen Sätzen etwa bei der gleichen Spieldauer; Dorati 1960 im Finale. Mir ist das Finale zwar so etwas zu langsam (man muß aber ohnehin aufpassen, weil die bloße Dauer wegen des langsamen Einschubs nicht viel sagt, ebenso hat der dritte Satz mehrere Tempowechsel), aber den Rest fand ich ziemlich gut.
    Keine meiner späteren ist im ersten Satz auch nur annähernd so zügig wie Fricsay und Reiner, die meisten scheinen hier ein etwas breiteres Tempo für wirkungsvoller zu halten...


    Weiß jemand, ob und welche noch früheren Aufnahmen es gibt. Reiner hat schon 1946 in Pittsburgh Bartoks Konzert f. Orchester eingespielt, die Musik für aber erst kurz vor der Einspielung 1958 in sein Programm aufgenommen.
    Sollte Fricsays DG-Platte die erste Aufnahme gewesen sein?


    :hello:


    JR

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  • Hallo Bartok-Freunde,


    Zitat

    Also jetzt bitte, bitte nicht schlagen...


    es gibt warscheinlich nur einen, der Dich (Michael) deswegen schlagen könnte.
    Nein, die Karajan-Aufnahme (EMI 1957) mit der Mathis-Sinfonie ist eine CD, die ich zu den Glanzinterpretationen dierser Zeit rechnen würde.
    Da diese Aufnahme aber stark verrauscht ist, habe ich ihr in Folge nie mehr so große Beachtung Teil werden lassen - es gibt halt jede Menge klanglich besseres bei denen man "alles" hören kann.


    *** Dazu gehört auch die von Pius bereits erwähnte Aufnahme mit
    Solti/Chicago SO (Decca 1989,DDD) die zu meinen Favoriten gehört, da Schlagkraft, Tempo, Ausdrucksgehalt und Temprament voll stimmig sind und klanglich wird feinstes und bestens Durchhörbares geboten:
    6:34--7:23--6:52--6:35.
    Zu dieser Aufnahme kam ich aber erst recht spät im Rahmen des Doppel-CD-kaufes mit den wichtigsten Bartok-Werken.



    *** Mein ewiger Favorit ist die Dorati-Aufnahme (Decca, 1983,DDD), die mir in den 80er-Jahren den absoluten Durchbruch für dieses Werk gegeben hatte.
    Irgendwo in diesem Thread schrieb einer, das diese weniger Durchschlagskraft hat als mache andere. Genau diesen Eindruck habe ich nämlich nicht gehabt, denn schon aufgrund der glänzenden Klangqualität und ihrer volkloristischen Ausdruckskraft und Hinwendung hatte sie bei mir die
    Boulez-Aufnahme mit dem BBC-SO (CBS, 1973 ,ADD), die mir zu steril erscheint (ganz im Gegensatz zum KFO mit den NewYorkern auf gleicher CD), quasi abgelöst. Diese alte Boulez-Aufnahme ist zudem hoffnungslos verrauscht - macht so etwas Spaß (wenn man es besser haben kann) ? Nein !



    *** Wegen der einhelligen Begeisterung der Reiner-Aufnahme des KFO, kaufte ich mit 2006 diese CD Reiner/CSO (RCA, 1957, ADD) auch und hatte damit gleich eine weitere Favoritenaufnahme für die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta zur Verfügung, die zu den härtesten und zugleich präzisestens Sichten gehört, wie bereits hier mehrfach erwähnt wurde.
    Damit Zustimmung zu Edwin und Wulf.
    Diese Aufnahme klingt ganz und gar nicht nach 1957- sie ist als SACD vorbildlich remastert und klingt auf der CD-Spur noch einen Tick härter, was mir noch mehr entgegenkommt.



    Die Mrawinsky-Aufnahme habe ich auch in der Mrawinsky-Brillant-Box. Die Aufnahme ist von 02/1965 LIVE.
    Ich habe dieser ehrlich gesagt noch keine große Beachtung zukommen lassen, weil ich beim ersten Reinhören feststellen mußte, das sie klanglich ziemlich daneben ist und mit zahlreichen Livehustern behaftet ist.
    Da die Meinungen für die Interpretation hier dennoch positiv sind werde ich mich ihr in Kürze widmen.
    (Sie läuft gerade) - das Xylophon haut Live auch mal daneben - und leider kommt alles MONO aus der Mitte; die Pauken wirken dünn; Interpretation ist beachtlich, aber berührt mich nicht in dem maße, es fehlt mir etwas --- aber wir haben doch die genannten Favoriten in bester Qualität ! Und die haben mich eben schon verwöhnt.
    :hello: Danke für die Eindrücke und Empfehlungen von Wulf und Edwin.



    Abgesetzt habe ich die genannte Aufnahme mit Jansons (EMI), die mir zu durchweg als zu langweilig erschien. Was soll ich mit einer solchen CD (beide Bartok-Werke), wenn ich Dorati, Solti und Reiner habe und hören kann ???



    Eine hab ich noch:
    Adam Fischer/Hungarian State Orchestra (Brillant, 1992, DDD).
    Diese Brillant-Box hatte ich gekauft um kleinere Bartok-Werke komplett zu haben, die als Einzel-CD zu teuer gewesen wären.
    Fischer baut mehr auf die folkloristischen Gegebenheiten auf und romantisiert das Werk, statt es expressionistisch wirken zu lassen. Auch das langsame Tempo 8:35--7:28--8:15--7:37 macht die Sache nicht gerade spannend, sodaß hier IMO keine herausragende Aufnahme vorliegt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von teleton


    Dazu gehört auch die von Pius bereits erwähnte Aufnahme mit
    Solti/Chicago SO (Decca 1989,DDD) die zu meinen Favoriten gehört, da Schlagkraft, Tempo, Ausdrucksgehalt und Temprament voll stimmig sind und klanglich wird feinstes und bestens Durchhörbares geboten:
    6:34--7:23--6:52--6:35.



    Hallo Wolfgang!


    Eben diese Aufnahme, die ich gestern kurzentschlossen bei 2001 mitgenommen habe, höre ich gerade.


    In der Tat, Reiner ist härter, präziser, stringenter, Solti weicher, breiter, pastoser. Eine mindestens gute Aufnahme liefert Solti gleichwohl, wobei ich allerdings nach dem ersten Eindruck Reiner deutlich vorziehe.


    Viele Grüße
    Thomas

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Weiß jemand, ob und welche noch früheren Aufnahmen es gibt. Reiner hat schon 1946 in Pittsburgh Bartoks Konzert f. Orchester eingespielt, die Musik für aber erst kurz vor der Einspielung 1958 in sein Programm aufgenommen.
    Sollte Fricsays DG-Platte die erste Aufnahme gewesen sein?



    Etwa gleichzeitig mit Fricsay scheint folgende Aufnahme mit Scherchen zu sein (1953/54). Ist mir unbekannt, die Hörschnipsel klingen aber interessant. Problemlos erhältlich:





    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Matthias, hallo Wolfgang,

    Zitat

    Diese EMI-Aufnahme von 1957


    ich habe ja die LP, nicht die CD.
    Auf der LP, welche in den 60ern gepreßt wurde, steht kein Aufnahmedatum.
    Danke, daß ich nun weiß, daß diese Aufnahme tatsächlich schon von 1957 ist.
    Hätte ich nicht gedacht.
    Die LP klingt übrigens sehr brilliant und ist nicht übermäßig verrauscht.


    Danke für eure Erklärungen!
    :hello:
    Michael

  • Ich hatte ja auch mal versprochen, kurz etwas zu meinen Aufnahmen zu verkünden. Es sind fünf an der Zahl und zwar diese:




    RIAS Symphonie Orchester, Ferenc Fricsay (1954)




    NY Philharmonic, Leonard Bernstein (1961)




    Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan (1973 [bei mir allerdings Vinyl])




    BRT PH Brüssel, Alexander Rahbari (1990)




    Chicago SO, Pierre Boulez (1996)




    Zunächst mal die Zeiten der einzelnen Sätze:




    Fricsay: 6:57 / 7:31 / 6:33 / 6:44


    Bernstein: 9:09 / 6:58 / 6:56 / 7:16


    Karajan: 8:20 / 7:07 / 8:08 / 7:32


    Rahbari: 10:33 / 7:30 / 7:29 / 7:48


    Boulez: 7:55 / 7:35 / 7:27 / 7:27



    Fricsay ist mit Abstand der schnellste - ausgenommen im zweiten Satz, der bei ihm im Rahmen seines insgesamt sehr hurtigen Zugriffs fast ein wenig verschleppt wirkt. Der Kopfsatz ist ungewöhnlich schnell genommen mit einer starken Betonung des Konstruktiven. Auf mich macht Fricsays Interpretation des Kopfsatzes einen ungewöhnlich nüchternen Eindruck, eine fröstelnde Kälte geht hier von der Musik aus. Besonders gut gelungen finde ich die schnellen Sätze, da wird mitreissend musiziert, besonders im treibenden Finalsatz. Für meinen Geschmack eine erstklassige Einspielung – mit dem Manko, das schon JR angesprochen hat: durch die Monotechnik geht die insbesondere für die Wirkung der schnellen Sätze wichtige räumliche Auffächerung der Streichergruppen gänzlich verloren.


    Bernstein ist – abgesehen vom zweiten Satz – langsamer als Fricsay, im Kopfsatz sogar bedeutend langsamer. In seiner Lesart wird die Musik für mein Empfinden künstlich und übermäßig emotionalisiert. Im Kopfsatz etwa schlägt Bernstein zunächst das im Vergleich meiner fünf Aufnamen mit Abstand langsamste Grundtempo an. Daß er dann am Ende doch noch etwa eine Minute schneller ist als Rahbari liegt daran, daß Bernstein dieses zunächst unglaublich langsam angeschlagene Grundtempo nicht durchhält, sondern den Satz in mehrere Stufen staffelt in denen schlagartig Temposteigerungen vollzogen werden (wenn ich das in der Partitur richtig verfolgt habe finden die Tempossteigerungen jeweils ab Takt 13, 23, 35, 40 und 45 statt ) – um dann das Orchester in einem heftigen Ritardando ab Takt 60 auf das Grundtempo zurückzubremsen. Bartók schreibt zwar in Takt 63/64 ein poco rallentando vor , ab Takt 65 wieder a tempo – aber vorhergehende Temposteigerungen sind nicht vorgeschrieben.
    Dieser etwas eigenwillige Umgang mit den Tempi findet sich auch in den Sätzen 2 und 4, in denen Bernstein die hier von Bartók jeweils vorgeschriebenen Tempowechsel ins Extreme treibt (im 2. Satz etwa wirkt das Tempo der Schlußwendung ab Takt 510 beinahe nur noch halb so schnell gemessen an den vorhergehenden Takten). Wirklich gelungen scheint mir dies nur im vierten Satz, in dem Bernstein das [I]poco a poco stringendo[I] ab Takt 150 wirklich zur sukzessive Steigerung in einen irrsinnigen Feitztanz nutzt. Insgesamt eine sehr eigenwillige Lesart, mehr Bernstein als Bartók.


    Ganz anders als Bernsteins überdrehte Interpretation der Musik bietet Karajan eine überaus ausgewogene, ja symmetrisch-homogene Interpretation (Satz I+II entsprechen in der Dauer beinahe genau Satz III+IV). Das Tempo des Kopfsatzes ist moderat, wundervoll durchpulst, der etwas unterkühlte Karajan-Klang der Berliner Philharmoniker kleidet die Musik ganz ausgezeichnet. Sowohl hier wie im dritten Satz gelingt es Karajan – ohne vordergründige interpretatorische Mätzchen – eine albtraumhafte Atmosphäre zu evozieren. Die schnellen Sätze werden schwungvoll und feurig genommen, ohne daß die folkloristischen Elemente ins klischeehafte gerückt erscheinen würden. Eine runde, rundum gelungene Interpretation der »Musik...« und eine Karajan-Einspielungen auf die ich ungern verzichten würde.


    An Rahbaris Interpretation fällt zunächst einmal die Länge des Kopfsatzes auf: Mit über 10:33 Minuten nimmt sich Rahbari nochmals beinahe 1,5 Minuten mehr Zeit als Bernstein. Und dennoch: der Satz wirkt weniger lahm – sein Grundtempo ist eindeutig auch schneller als Bernsteins Anfangstempo –, anders als Bernstein hält Rahbari das getragene Grundtempo konsequent durch und vermag auch eine überraschende Innenspannung aufzubauen und zu bewahren. Der Satz erhält so eine gespenstisch-traumatische Atmosphäre, eine dumpfe, verborgene Bedrohlichkeit. Klasse! Die anderen drei Sätze können dagegen kaum wirklich durch eine Eigenständigkeit der Lesart trumpfen. Da wird gut und in den schnellen Sätzen auch schwungvoll musiziert – nicht mehr und nicht weniger. Insgesamt muß man dann feststellen, daß durch die wenn auch eigenwillige, so doch gelungene Lesart des 1. Satzes die »Musik ...« bei Rahbari eine seltsame Kopflastigkeit hat und eine Symmetrie der Sätze gänzlich verloren geht.


    Genau diese Symmetrie der Sätze aber erarbeitet Boulez in seiner Einspielung mit dem Chicago SO - bis hin zu einer beinahe identischen Dauer der vier Sätze. Boulez‘ Lesart würde ich als semantisierend strukturalistisch beschreiben: Klar und supertransparant wird die Architektur der vier Sätze herausgearbeitet, die Interpretation versucht gar nicht erst (wie dies im Extrem Bernstein, aber in der Tendenz auch Rahbari vorexerzieren), die »Musik...« zusätzlich mit Bedeutung aufzuladen, sondern läßt die Strukturen selbst sprechen. Das Ganze (das gilt auch für die schnellen Sätze) wirkt – im Vergleich meiner Einspielungen – ungeheuer abgeklärt und nüchtern, fast ein wenig cool, dabei aber stets fesselnd.


    Im Gesamtvergleich halte ich Karajan und Boulez für gleichwertig stark – sie sind in ihren Lesarten auch gar nicht sooo weit voneinander entfernt, wenn auch Boulez noch einen ganzen Tick abgeklärter wirkt. Beide Einspielungen würde ich vorbehaltlos empfehlen. Sehr gut ist – trotz der erwähnten Einschränkungen – für meinen Geschmack Fricsay. Rahbari bietet eine interessante Lesart des Kopfsatzes – vielleicht nicht jedermanns Sache aber sicher nicht schlecht. Im Gesamtvergleich kann die Einspielung aber nicht mithalten und bleibt deutlich hinter Boulez, Karajan und Fricsay zurück. Bernsteins eigenwillige emotionale Überladung der Musik vermag mir nicht zu gefallen. Vieles wirkt hier sehr gewollt – man spürt die Absicht und ist verstimmt. Im Gesamtvergleich meiner fünf Einspielungen die schwächste.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Danke für eure Ergänzungen und Korrekturen meines Erinnerungsbilds zu Harnoncourt und Solti. Da werde ich so bald als möglich meinen Eindruck überprüfen. Entschuldigt die Vagheit mancher, meiner Bemerkungen!


    Zu meiner Karajan (DG) -Einschätzung, kam ich, nachdem ich sie direkt nach der EMI-57er-Einspielung gehört hatte, die ich wirklich für grandios halte. Danach kam sie mir im Vergleich wirklich "unterkühlt" und rhythmisch weniger packend vor. Aber den Eindruck, dass sie nicht gelungen sei, wollte ich hier nicht hinterlassen. Auch auf diese Aufnahme würde ich nicht verzichten wollen. Der "kühlere" Streichersound passt schon auch zu diesem Stück. Der etwas "wärmere" Sound der früheren Aufnahme liegt mir persöhnlich vielleicht einfach mehr. Andererseits mag ich aber auch das noch etwas strengere bei Boulez sehr. Dass Karajan und Boulez auf ihren DG-Aufnahmen "gar nicht soooo weit voneinander entfernt" sind, würde ich aber auch denken.


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Original von Matthias Oberg
    Zu meiner Karajan (DG) -Einschätzung, kam ich, nachdem ich sie direkt nach der EMI-57er-Einspielung gehört hatte, die ich wirklich für grandios halte.


    Hallo Matthias,
    die 57er Einspielung kenne ich nicht - habe aber heute nachmittag bei einem Bekannten eine Karajan-Interpretation der »Musik...« vom November 1949 gehört (mit dem Philharmonia Orchestra. Ist in irgend so einer 10CD Karajan-Billig-Jubel-Box mit Aufnahmen aus den Jahren 1938-1949 enthalten) - der Eindruck: Sehr stark, deutlich strammer als die 73er DG-Aufnahme (die Satzlängen der 49er Aufnhame sind 7:47 / 6:52 / 6:41 / 6:53), in den schnellen Sätzen richtig sehning und federnd.
    Scheint übrigens kein Live-Mitschnitt zu sein, sondern eine Studio-Aufnahme (leider geizt die Box mit Infos). Jedenfalls ist die Ton-/Klangqualität für 1949 (immerhin 5 Jahr vor Fricsay) ziemlich gut, kein Rauschen, durchaus transparant.


    Hab' ich mir jetzt erstmal ausgeliehen, um das mal intensiver zu hören (läuft gerade - Satz 3 - SPITZE!!!).


    Viele Grüße,
    Medard

  • Hallo Medard,


    das klingt aber wirklich sehr spannend! Will ich auch haben! :(


    Wieso habe ich keine Freunde mit "Karajan-Billig-Jubel-Boxen"? :boese2:


    Viel Spaß beim weiteren Hören!


    :hello: Matthias

  • Mir ist ein Fehler unterlaufen. Ich mußte gerade feststellen, dass ich beim Eintragen in meine Discographie zwei Einspieldaten vertauscht habe. Die bislang von mir als 57er-Aufnahme bezeichnete, erste, von Michael und mir erwänte Karajan-Einspielung ist von 1960, Karajans Aufnahme der Mathis der Maler Symphonie auf derselben LP bzw CD ist von 1957. :pfeif:


    :untertauch:


    Mittlerweile sind bei mir zwei weitere Einspielungen eingetrudelt:


    1. Die von Gurnemanz schon besprochene Dorati- CD. Wie Gurnemanz empfinde auch ich sie als weicher, freundlicher vor allem gegen Ende hin sehr versöhnlich, nicht so auf eher beunruhigende Weise mitreißend ohne aber deswegen je langweilig zu werden. Die Tanz-Suite auf derselben CD gehört jedoch für mich zu den besten Aufnahmen dieses Stückes.


    2. Wieder bedrohlicher, unruhiger wird es bei Charles Dutoit mit dem Orchestre Symphonique de Montréal, aufgenommen 1987 (Decca, 1988). Die Zeiten:
    I: 8.23 II: 7.22 III: 7.49 IV: 7.16 also im eher schelleren Mittelfeld und durchaus packend, vor allem im eher schellen, sehr prägnant zugespitzten Finale, bei klarem Orchesterklang, aber Boulez und Karajan bleiben m.E. in ihren beiden Aufnahmen klanglich noch besser ausbalanciert und Fricsay, Boulez (DG) und Karajan auch noch mitreißender. Dennoch fraglos ebenfalls eine sehr gute Aufnahme.


    :hello: Matthias

  • Lieber Matthias,

    Zitat

    von Michael und mir erwänte Karajan-Einspielung ist von 1960, Karajans Aufnahme der Mathis der Maler Symphonie auf derselben LP bzw CD ist von 1957


    das macht doch überhaupt nix......
    Jetzt weiß ich halt, das die "Mathis" -Aufnahme von 1957 ist-hätte ich auch nicht gedacht............


    Diese frühen Stereo-LPs machen wirklich einen Sauspaß, irgendwie stellt sich dieser bei den CD-Ausgaben nicht ein.


    Die Hindemith-Aufnahme von 1957 habe ich seit über 30 Jahren anhand des LP-Klangbildes immer für eine Aufnahme aus den späten 60er Jahren, als diese LP gepreßt wurde, gehalten.


    :hello:
    Michael

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  • Die Sache mit den Karajan-Aufnahmen ist ohnehin verwirrend.


    Das Karajan-Zentrum nennt drei Aufnahmen Karajans: 1951-55, 1962 und 1966.


    Eine andere, sehr gründliche, leider japanische Schriftzeichen verwendende Internet-Discographie nennt hingegen vier Aufnahmen: 1949, 1960, 1969, 1974 (unter Sz. 106). Klickt man in der Zeile, in der Sz. 106 steht, auf das graue Feld, kann man die Cover sehen.


    Um die Verwirrung komplett zu machen: Oben werden die folgenden Karajan-Jahreszahlen genannt: 1973, 1957 (von Matthias soeben auf 1960 korrigiert, aber auch von anderen genannt) und 1949.


    Gut, dass ich kein Mathematiker bin. Dann würden mich diese Diskrepanzen wohl stören.


    Gruß
    Thomas

  • Hier gehen wohl auch Aufnahme- und Herausgabedaten durcheinander.


    So ist 1962 die LP herausgekommen, auf der der Bartok 1960, Hindemith 1957 aufgenommen worden sind. So weit bin ich jetzt erst einmal.


    :hello: Matthias

  • Lieber Medard,
    Deine Einschätzung der Karajan-Aufnahme kann ich nicht teilen. Ich habe sie mir extra von einer Bekannten ausgeborgt, um nachzuhören, ob das blinde Huhn wirklich ein Korn gefunden hat, kann aber nicht zu diesem Schluß kommen. (Ich beziehe mich auf die von Dir abgebildete Aufnahme). Mich stört beim reinen Hören (ohne Partitur) durchaus der "Sound". Dieser artifizielle Schönklang mit den leckeren Celesta-Tupfern und den rauschenden Harfen scheint mir am Charakter des Werks doch ziemlich vorbeizugehen. Nachromantiker war Bartók ja wohl wirklich keiner.
    Liest man dann in der Partitur mit, merkt man, was bei Karajan alles nicht stimmt. Am auffälligsten sind dabei die Proportionen: Bartók gibt die Länge der Sätze auf die Sekunde genau an. Nach seinen Angaben sind die Längen:
    I.: 6'30''
    II.: 6'55''
    III.: 6'35''
    IV.: 5'40''
    Ich verstehe schon, daß man das nicht auf die Sekunde genau einhalten muß. Bartók strebt offenbar drei praktisch identisch schnelle Sätze an und einen geringfügig kürzeren als Abschluß. Nun haben mir zwei ziemlich erfahrene Dirigenten erklärt, daß die fünfeinhalb Minuten, die Bartók angibt, illusorisch sind, wenn man die Musik nicht zu Tode hetzen will. Was aber nichts daran ändert, daß der letzte Satz zumindest nicht länger dauern sollte als einer der anderen Sätze. Wenn man auch das nicht als Gesetz nimmt, sondern ein paar Sekunden auf oder ab zugesteht, bleibt als Fazit noch immer, daß Karajan innerhalb seines Aufbaus beim zweiten Satz zu flott unterwegs ist. Da will er wieder einmal Brillanz zeigen - und arbeitet damit gegen die Idee des komponisten. (Wo Fricsay im zweiten Satz die Zeit verliert, weiß ich nicht, das muß ich mir nochmals anhören.)
    Ich gebe dabei gerne zu, daß der dritte Satz in der Karajan-Aufnahme wirklich gut ist, vielleicht etwas zu viel in Richtung Horrorfilm-Untermalung, mir persönlich ist es einen Hauch abstrakter lieber, aber das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks.


    Hat einer von Euch vielleicht Reiners Timing bei der Hand? Ich finde meine CD im Moment nicht und mich würde der Vergleich interessieren.


    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin, Mathias und Michael,


    nach Bartoks Vorgaben liegt ja Fritz Reiner (RCA, 28 & 29.12.1958, ADD) nicht weit entfernt:
    I. 7:05 - II. 7:03 - III. 6:58 - IV. 6:44.


    Aber auch meine weitere Lieblingsaufnahme Solti (Decca, 1989, DDD)
    kann sich nicht nur was die Zeiten anbetrifft sehen und hören lassen:
    I. 6:34 - II. 7:23 - III. 6:52 - IV. 6:35
    Er ist sogar noch näher an Bartoks Vorstellungen dran.
    Was hällst Du (Edwin) von Solti´s Aufnahme ?


    Das Du an Karajan (EMI 1960) kein gutes haar lassen wirst, hatte ich ja schon in meinem letzten Beitrag erwähnt und mir gedacht:

    Zitat

    es gibt warscheinlich nur einen, der Dich (Michael) deswegen schlagen könnte.


    Ich finde sie gut und stimmig. Doch konnte ich mich damals aber wegen bereits anderer vorhandener und bereits gewohnter Aufnahmen auf LP mit Ozawa/Boston SO (DG) (die ich noch gar nicht erwähnt hatte) und dann Dorati (Decca) auf CD nicht ganz 100% mit der Karajan-EMI-Aufnahme anfreunden.
    Ausschlagebend war auch die weitaus bescheidenere Klangtechnik bei EMI, als den beiden genannten...man hört eben nicht alles so perfekt.


    Zustimmung an Michael:

    Zitat

    Diese frühen Stereo-LPs machen wirklich einen Sauspaß, irgendwie stellt sich dieser bei den CD-Ausgaben nicht ein.


    Die EMI-CD kommt über den Eindruck eine 1960er-Aufnahme zu haben tatsächlich nicht hinaus.
    Ich hatte mich mit dem Aufnahmedatum auf die Angabe von Mathias verlassen.
    Es ist tatsächlich umgekehrt und Bartok´s Musik ist von 1960 und Hindemith auf der EMI-CD von 1957. Trotrzdem eine CD die ich nicht hergeben werde.
    Hinzu kommt ein gewisser Aha-Effekt, den Michael mit der Karajan-Aufnahme erlebt hat.
    Dieser konnte sich bei mir nach den bereits anderen Aufnahmen nicht mehr so ganz einstellen, weil gewisse Details nicht hörbar sind und nach meinem Eindruck fehlen. Trotzdem sagen Worte wieder mehr aus als nötig, denn die Karajan-Aufnahme läßt ganz gewiss die Interpretation eines einen großen Dirigenten erkennen.
    Nach meiner Erinnerung ist die EMI-Aufnahme auch stimmiger als seine spätere auf DG, die ich auch mal gehört habe.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hier ein Hinweis auf eine Radiosendung zum Werk - hr2, Mittwoch 28.5.2008 (auch online zu hören):


    Aus der Programmvorschau auf der Homepage des Senders:


    20:05 Uhr


    Notenschlüssel


    Bartók: Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta


    Aufgeschlüsselt von Paul Bartholomäi


    Bartóks „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ verdankt ihre Entstehung einem Auftrag des Dirigenten und Mäzens Paul Sacher zum zehnjährigen Bestehen des Basler Kammerorchesters. Im September 1936 schließlich beendete Bartók die Arbeit an der Partitur. Die Uraufführung im darauf folgenden Jahr war einer der größten Erfolge, die Bartók erlebt hat, und bis heute zählt die Komposition zu den meist gespielten seiner Werke. In keiner anderen Komposition hat er sich so intensiv mit seinen kompositorischen Vorbildern auseinandergesetzt: Bach, dessen kontrapunktisches Denken ihn faszinierte, Beethoven, der Meister der Form, und Debussy wegen des unmittelbar sinnlichen Klangempfindens. Sie alle haben ihre Spuren in der „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ hinterlassen. Die Verbindung von kontrapunktischem Denken und Sonatenform findet sich nirgendwo sonst in Bartóks Schaffen so deutlich ausgeprägt wie in diesem Werk. Paul Bartholomäi betrachtet Béla Bartóks Meisterwerk intensiv in seinem „Notenschlüssel“.

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Lieber Wolfgang,
    ich bin Dir sehr dankbar - ich hatte Solti eine Ewigkeit nicht gehört (er zählt nicht zu meinen unmittelbaren Favoriten); aufgrund Deines Eintrags wanderte er in den Player - und: Ja, das ist ziemlich gut. Sehr schön, wie er die Motivik herausbringt, wie er Tempo macht, ohne in Äußerlichkeiten zu verfallen. Erstaunlich, daß er den Rhythmus noch stärker herausspielt als Boulez, der dafür klanglich, vor allem was Balancen betrifft, etwas mehr bietet. Bei Solti habe ich manchmal das Gefühl, die Streicher wären ein interessantes Schlagzeug - aber das ist wirklich fulminant dirigiert! Unbedingt empfehlenswert, nicht nur für Soltisten!
    :hello:

    ...

  • Bevor jetzt alle beginnen, über Stockhausen zu reden, schiebe ich hier den Hinweis auf eine Aufnahme der Musik SSC ein, die mir lieb und teuer geworden ist.


    Harnoncourt schätze ich über alle Maßen für seine Durchhörbarkeit, seinen Gedankenreichtum und die Wahrnehmbarkeit auch der letzten Details; zu seiner Aufnahme greife ich immer wieder. Dorati finde ich sehr idiomatisch geraten, gut ausgearbeitet, eine klassische Aufnahme, "menschlich" im besten Sinne, worauf Gurnemanz hinwies. Mit Reiners Einspielung dagegen kann ich wenig anfangen, seine Unerbittlichkeit, sein Diktat stellt das Werk in eine einseitige Ecke, in die es für mein Ohr keinesfalls gehört.


    Rafael Kubelik hingegen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, im Mai 1981 durch den Bayerischen Rundfunk im Konzert aufgenommen und 2001 bei Orfeo erschienen, ist für mich eine Aufnahme der Sonderklasse:

    Kubelik liefert für meine Begriffe die ausgewogenste Auffassung in dem Sinne, dass er jede Einseitigkeit vermeidet und tatsächlich über die Sätze hinweg die volle emotionale Bandbreite hörbar macht, die diese Musik mitbringt. Lyrik und Leidenschaft, Sinnestaumel und Sinnlichkeit, Angst und Schrecken. Ich kenne keine Aufnahme gerade des langsamen Satzes, die in der Darstellung seiner tastenden Atmosphärik dieser hier gleichkommt. Der Spannungsbogen, den Kubelik über die im Zentrum stehende Steigerung hinweg über den ganzen Satz spannt, ist unerreicht. In der Ausarbeitung jeden Details in diesem Satz reicht sie an Harnoncourt ohne weiteres heran - und dies, obwohl Kubelik die Bartók'sche Tempovorgabe tatsächlich umsetzt; allerdings nur im Adagio, ansonsten sind die Satzdauern 8'20'' - 7'46'' - 6'46'' - 7'47''. Ich muss nicht betonen, dass dies der von Kubelik geschaffenen musikalischen Aussage keinen Abbruch tut, wenn es auch nicht die von Bartók beabsichtigten Satzproportionen herstellt.


    18 Jahre hatte Kubelik von 1961 bis 1979 dem Orchester als Chef vorgestanden, ein Posten, den er dann aus gesundheitlichen Gründen aufgab. Weitere sechs Jahre blieb er dem Orchester als Gast - so auch in diesem Konzert 1981 - eng verbunden. Diese enge Verbundenheit, diese Einheit von Dirigent und Orchester, erscheint als eine prägende Qualität für die Umsetzung von Kubeliks Konzept in dieser Musik SSC Bartóks.


    Von der Aufnahme her guter 80er-Jahre-Radiostandard, erreicht sie nicht die Durchsichtigkeit der Harnoncourt-Aufnahme, ist jedoch, gemessen an den Standards damaliger Live-Aufnahmen, überdurchschnittlich gut, außergewöhnlich klar, detailliert und tiefengestaffelt.


    Eine ehrliche Empfehlung für diesen Konzertmitschnitt.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Hallo,


    habe gerade in dem Buch "Erinnerungen an Bartók" von Jenö Takács (1982) folgenden Hinweis gefunden:
    "Eine Schallplatte, die ich ihm (BARTOK, Anm pt_c) geschenkt hatte, gefiel ihm besonders gut: Es handelte sich um eine Szene aus dem klassischen japanischen Nô-Drama. Als ich ein Jahr darauf seine herrliche "Musik für Seiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" in Venedig zum erstenmal hörte, ist mir bei der Einleitung dss 3. Satzes aufegfallen, daß die eine Tonwiederholung bringende hohe Xylophonstelle, die den Satz einleite und beendet, genauso wie auf jener Paltte klingt, wo sie auf einer kleinen hochgestimmten japanischen Trommel gespieilt wird. Als ich BARTÓK danach befragte, gab er lächelnd zu, daß die Idee tatsächlich von der Schallpaltte stammte. Er griff überhaupt gerne Ideen auf, die er gebrauchen konnte.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Zurück auf Start, nach neun Jahren...


    Ich kenne dieses Werk von wenigem früheren Hören etwas. Ich weiss nicht genau, was mich damals beim Hören gestört oder gebremst hat, denke, dass es die langwierige Entwicklung am Anfang des ersten Satzes war, meine innere Unruhe und der allgemeine Lebens- , v.a. Berufsstress. Um die Musik wieder zu erleben und um mich damit auseinander zu setzen, weil sie mir ggü. früher viel besser gefällt ,habe ich jetzt- mangels besserer Idee- den ganzen Thread bis hierher durchgelesen, teilweise aber auch überflogen. GottseiDank hat Johannes Roehl eine informative Exposition geliefert und auch sonst - ob bewusst oder unbewusst - etwas lenkend eingegriffen. Leider (?) sind dem Forum einige Diskutanten dieses Threads abhanden gekommen, was ich vielleicht erst im Laufe der Zeit verstehen werde - oder auch nicht.


    Neben einer Vinylscheibe in einem unglaublich lange verweilenden Umzugskarton habe ich eine tolle kleine Scheibe kürzlich erstanden, nämlich diese hier:




    Vieles ist im Thread über das Werk gesagt worden, v.a. über seine Bedeutung für die Musik der klassischen Moderne, über musikgeschichtliche und musiktheoretische Aspekte des KSSchlCel und auch über einige musikpraktischen Dinge und seine Ästhetik, sodass ich mich jetzt nicht gross aus- und einlassen will. Vielmehr interessiere ich mich für die Anschaffung einer weiteren CD des KSSchlCel, welche in einem möglichst schönen Gegensatz zu Solti und seinen Leuten stehen soll.


    Hierzu bitte ich um Empfehlungen und ggf. kurze Begründung hierzu. :yes: (wäre z.B. Bernstein eine E.?)


    Danke und mlG
    Damiro

  • Ich kenne weder Solti noch Bernstein. Anscheinend liegt Solti recht genau auf der Linie der anderen "ungarischen Klassiker": Reiner, Fricsay, Dorati. Die sind alle sehr empfehlenswert, wobei Fricsay noch mono ist. Sie bieten vermutlich aber keinen so starken Kontrast zu Solti. Da ich dahin tendiere, dass diese Musiker es "richtig" machen, bin ich bei deutlich anderen Ansätzen etwas skeptisch. Eine definitiv andere Aufnahme gibt es mit Harnoncourt, auf dieser CD gefiel mir das Divertimento aber erheblich besser. Ebenfalls anders, u.a. sehr breit in den langsamen Sätzen ist Levines (die ist aber vermutlich eh nicht leicht zu finden). Karajans kenne ich auch nicht; die wurde im Thread ja schon diskutiert. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie auch "produktiv anders" ist als die "ungarischen" Aufnahmen.
    Boulez ist bei Bartok normalerweise auch sehr gut; die älteren Sony/CBS meistens intensiver, die DG klanglich sehr gut. Aber ich habe seine Musik für... nicht so präsent und besitze auch nur die frühere Aufnahme.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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