Was ist dran an Karajan? - Versuch einer Analyse

  • Das halte ich für eine Legende. Nach 30 Jahren dürfte kaum noch ein Musiker mitspielen, der schon unter Karajan mitspielte.


    Das ist keine Voraussetzung für den Nachwuchs, das haben Orchester wie die Berliner im Ohr.


    Anne-Sophie Mutter (das sollte für die Glaubhaftigkeit reichen) war dabei, als man diesen Klang auf Bestellung wieder präsentiert hat.


    Nette Grüße


    Karl

  • Du sprichst mir aus der Seele! Kein Mensch will wegleugnen, dass Clemens Krauss, Furtwängler, Böhm, Karajan etc. sich dem Nazi-Regime angebiedert haben, aber doch einzig und allein aus dem Grund, um ihre Karriere nicht zu gefährden.

    Lieber Nemorino,


    genau, denn was machen wir mit Willem Mengelberg, dem Mahler-Freund, der ein wirklich überzeugter Nazi war und dafür nach 1945 Berufsverbot erhielt? Da hilft nun wirklich gar kein Versuch von Apologetik - aber all das ändert nichts daran, dass Mengelberg ein bedeutender Dirigent war.

    Im (inzwischen eingestellten) Amazon-Forum hat sogar jemand die Behauptung aufgestellt, Furtwängler habe während der deutschen Besetzung in Paris in Nazi-Parteiuniform dirigiert. Nachfragen nach Beweisen in Form von Fotos oder entsprechenden Zeitungsberichten ist er ausgewichen und bis heute einen Nachweis schuldig geblieben, schlicht und ergreifend, weil es keinen gibt! Ich bezweifle sogar sehr, dass Furtwängler überhaupt eine SA-Uniform besessen hat.

    Was da im Amazon-Forum unterstellt wird, ist nun nachweislich falsch. Furtwängler war kein Nazi, war partout nicht bereit zu dirigieren, wenn NSDAP-Fahnen im Saal hingen. Er verweigerte den Hitler-Gruß und verhalf etlichen Juden zur Flucht - die jüdischen Musiker in seinem Orchester hat er durch seine Verbindung zu Albert Speer geschützt. Von Josef Goebbels ist der wütende Kommentar überliefert: "Es gibt keinen dreckigen Juden in Deutschland, für den sich Herr Furtwängler nicht einsetzen würde!"


    Es ist aber auch nunmal so, dass Niemand in einem totalitären Regime "schuldlos" bleiben kann, letztlich Kompromisse eingehen muss, die fragwürdig sind, wenn er nicht den Weg der inneren oder äußeren Emigration wählt. Letzteres ist aber bei einem Dirigenten in herausragender öffentlicher Stellung gar nicht möglich.


    Weiter stelle ich fest: Der Versuch einer wirklich ernsthaften Analyse des Phänomens Karajan, die Komplexität nicht einfach reduziert, wurde bislang einfach nicht gemacht.


    Schöne Grüße
    Holger


  • Und dass die "Herrschaften" bezüglich der Ausreise ihrer Bürger gänzlich "unpragmatisch" waren, stimmt so auch nicht. Wer "freigekauft" wurde, kam anstandslos raus, egal, was er vorher "ausgefressen" haben mochte. Mit Recht und Unrecht hatte das nichts mehr zu tun, das war reiner Pragmatismus unter dem einzigen Gesichtspunkt der Devisenbeschaffung.


    Hübsche dialektische Drehung, die du da 'reingebracht hast. Ziemlich unpragmatisch waren die roten Bonzen aber vorher, wenn einer "ihrer" Bürger einfach mal ganz pragmatisch "tschüss" sagen wollte und ohne großes Trara in den Westen 'rübermachen wollte. Solchen Pragmatikern unter den DDR-Bürgern hat man recht unpragmatisch beim Versuch sich aus dem Paradies zu verabschieden in den Rücken geschossen. Auch die Minen in den Minenfeldern entlang der innerdeutschen Grenze sind echt total unpragmatisch explodiert, wenn einer draufgetreten ist. Und wer ohne Einschussloch im Körper nach gescheitertem Grenzübertritt einfach verhaftet wurde, der wurde ziemlich rigide - auch darin waren die roten Bürschchen ziemlich unflexibel - wegen Republikflucht verknackt und landete für Jahre in Hohenschönhausen, Bautzen oder anderen Wellness-Oasen des Regimes. Und erst, nachdem man den Republikflüchtlingen im Knast mal ein paar Jahre so richtig schön den Hintern weichgekocht hatte, zeigt man sich pragmatisch und ließ diese Verräter, mit denen man keinen Sozialismus mehr aufbauen konnte, für (in den 80er Jahren) 50.000 DM gen Westen ziehen. Die Herren in Ost-Berlin waren da dann wirklich ganz pragmatisch mit ihrem Menschenhandel.


    Pragmatische Grüße
    Garaguly :hello:

  • [quote='timmiju','index.php?page=Thread&postID=642717#post642717']Ja, und nicht zu vergessen Herbert Blomstedt, geboren 1907!


    Nun, 111 Jahre ist er nun doch nicht alt, das wäre ja einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde wert! Da ist Dir wohl ein falscher Fehler unterlaufen: Blomstedt wurde 1927 geboren. :D


    :untertauch:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP


  • Manche Beiträge sind wirklich so unfassbar, dass sich zumindest mir beim Lesen der Magen umdreht und ich mich frage, warum nicht schon mindestens fünf Leute hier dagegen protestiert haben?!
    Da wird im Zuge der Reinwaschungsversuche von Karajan und anderer NSDAP-Mitglieder mal wieder ein "Schlusstrich" über die Diskussion um die braune Diktatur gefordert. Warum wohl? Damit man deren Verbrechen und Unmenschlichkeit möglichst vergessen soll - um neue diesbezügliche Rechtsversuche, die die Ungleichheit der Menschen zum Prinzip erheben, nicht unnötig vorzubelasten.
    Gleichzeitig wird auf die DDR eingedroschen so sehr, wie es nur geht. Ein Kurt Sanderling, der als Jude Deutschland zur Zeit des braunen Reiches verlassen musste, wird moralisch angeprangert, wie überhaupt die "kommunistische Zwangsdiktatur" (das NS-Reich war keine "Zwangsdiktatur", nicht wahr?) als das schimmste angeprangert wird, was überhaupt vorstellbar ist. Sanderling hat diesen Staat verteidigt, weil er ihn als das gesehen hat, was er eben auch war: die weit bessere Alternative zum verbrecherischen NS-Reich unmittelbar davor. In Gegensatz zu diesem trachtete die DDR ihm incht nach dem Leben. Natürlich gab es auch in der DDR Verbrechen und Unrecht, keine Frage, aber die DDR hat nicht fast ganz Europa angegriffen und mit einem Weltkrieg überzogen, der Millionen Opfer forderte, und die DDR hat auch nicht aus Rassenwahn Millionen Juden vergast.
    Alle Versuche, die DDR als das schlimmere Übel im Vergleich zum NS-Staat hinzustellen, muss ich daher entschieden zurückweisen, weil das die singulären(!) Verbrechen des NS-Staats in wirklich unerträglicher Weise relativiert und verharmlost!
    Vom User "Nemorino" habe ich hier noch kein kritisches Wort über den Nationalsozialismus gelesen, sehr wohl aber über die DDR und die heutige ach so furchtbare Merkel-Demoktratie. Der nächste Schritt, den Nationalsozialismus als die bessere Alternative zur "linksgrünversifften" Demoktratie hinzustellen, ist da nur noch sehr klein.
    Wer zu Nazi-Deutschland einen Schlusstrich fordert und zugleich auf alle Alternativen eindrischt, zeigt, wess Geistes Kind er ist nämlich das Kind eines braunen Geistes!
    Nun hätten wir diese ganze Diskussion nicht führen müssen, wenn der User "Nemorino" sich endlich mal an die Forenregel "Politik ist nicht gestattet" halten würde, wozu ich ihn schon aufgefordert habe. Stattdessen zündelt er permanent weiter mit seiner "Schlusstrich-Forderung" bezüglich des Naziterrors, gepaart mit seinen Hassstatements sowohl gegen die DDR als auch gegen die heutige Demoktratie. Ich fordere die Administratoren hiermit auf, diese permanente braune Agitation zu unterbinden und auf die Forenregel "Themen wie Politik sind nicht gestattet" nicht nur hinzuweisen, sondern diese auch endlich durchzusetzen.
    Solange es nötig ist und solange ich atme, werde ich solchen Positionen verbal entgegenteten. Das Schlimme daran ist, dass man das hier überhaupt muss, dass man in einer Karajan-Rubrik in Diskussionen über die DDR verwickelt wird von Leuten, die die braune Diktatur ganz offensichtlich für weniger schlimm halten als die DDR.


    Diejenigen, die Diskussion über Künstler wie Karajan politisieren, sind doch gerade die, die behaupten, dass alle Kritiker des Künstlers Karajan aus politischen Gründen diesen kritisieren, weil sein Künstlertum selbst ja sakrosant sei - und dann werden ganz schnell Täter und Opfer verdreht, und die bösen Leute, die aus guten Gründen diesen geforderten Schlusstrich unter den NS-Staat und seine Verbrechen nicht ziehen können und wollen, werden dann die Täter gegen den unschuldigen Karajan, der reingewaschen werden soll, während Sanderling gleichzeitig an den Pranger gestellt wird - das ist wirklich so unfassbar, dass sich mir der Magen undreht!
    P.S.: zu "Caraguly": Auch von dir habe ich noch nichts Kritisches zum Thema NS-Staat hier gelesen, sondern nur über die DDR - und solange dies so ist, bin ich zu einer Diskussion mit dir über die DDR auch nicht bereit! (Weil eben die NS-Verbrechen auch nicht durch die DDR relativierbar sind!)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • P.S.: zu "Caraguly": Auch von dir habe ich noch nichts Kritisches zum Thema NS-Staat hier gelesen, sondern nur über die DDR - und solange dies so ist, bin ich zu einer Diskussion mit dir über die DDR auch nicht bereit!


    Ich will über die DDR mit dir auch gar nicht diskutieren - denn der verbrecherische Charakter des Regimes ist nicht wegzudiskutieren. Es ist mir darüber hinaus neu, dass man sich immer dann, wenn man sich zur roten Diktatur der DDR äußert im selben Atemzuge erstmal prophylaktisch vom braunen Terror zu distanzieren hätte. Wer es wagt, solche gewagten Regeln aufzustellen, möchte eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem verbrecherischen Regime Ost-Berlins wohl letztlich verhindern.


    Aber in einer Hinsicht komme ich dir entgegen - ohne Naziverbrechen keine Rote Armee auf deutschem Boden, ohne Rote Armee auf deutschem Boden kein stalinistischer Ablegerstaat auf deutschem Boden. Also sind die Nazis glasklar auch an der Entstehung des rot lackierten Faschismus im Osten Deutschlands schuld. Tjaaa - und die Methoden, mit denen sie dann "ihr" (Teil-)Volk im Würgegriff hielten - haben sie die nun bei der Gestapo oder beim NKWD abgekupfert? Oder doch auf eigenem bösen Misthaufen herangezüchtet?


    Allzeit pragmatisch grüßend :hello:


    Garaguly

  • Hallo,


    da ich in beider Hinsicht absolut unbelastet bin, weise ich daraufhin, dass auch große Musiker nur Menschen sind und je nach Persönlichkeitsstruktur sich unterschiedlich in einer Diktatur verhalten, teils in Not, teils opportunistisch. Das auszudiskutieren, würde nie enden.


    LG Siamak

  • Hallo,


    da ich in beider Hinsicht absolut unbelastet bin, weise ich daraufhin, dass auch große Musiker nur Menschen sind und je nach Persönlichkeitsstruktur sich unterschiedlich in einer Diktatur verhalten, teils in Not, teils opportunistisch. Das auszudiskutieren, würde nie enden.


    LG Siamak


    Dem stimme ich vollkommen zu. Es fehlt in deiner kleinen Aufzählung neben der Not und dem Opportunismus aber noch die innere Überzeugung. Auch Menschen, die schöne und große Kunst hervorbringen, können politische Einstellungen aufweisen, die man aus demokratischer Perspektive höchst problematisch finden muss.


    Bei Karajan findet sich sicher viel Opportunismus, was mich aber stutzig macht, ist, dass er 1933 in Österreich in den österreichischen Ableger der NSDAP eingetreten ist. Warum macht so einer so etwas? Die damalige österreichische Regierung unter Bundeskanzler Dollfuß war zwar ebenfalls ziemlich weit rechts anzusiedeln, doch gerade mit den Nazis, sowohl mit denen in Berlin als auch mit den braunen Eigengewächsen (wobei der Obernazi in Berlin ja aus östrreichischer Perspektive irgendwie eh' auch was Eigengewächsartiges an sich hatte), lag die Wiener Regierung zu diesem Zeitpunkt bereits über Kreuz. Die österreichischen NSDAPler haben den Kanzler im Jahr darauf sogar ermordet.
    Wer also '33 in die österreichische NSDAP eintrat, der tat mit diesem Schritt etwas, was man eigentlich nicht mit Opportunismus in Verbindung bringt, denn bei den in Österreich Herrschenden machte man sich so sicher nicht beliebt. Oder wollte Karajan sich mit diesem Schritt gleich direkt in Deutschland anbiedern (was dann echt krasser Opportunismus gewesen wäre)? Aber warum trat er dann nicht gleich in Deutschland in die braune Partei ein? Fragen über Fragen!
    Vielleicht weiß jemand, der eine Karajan-Biographie sein Eigen nennt, in dieser Angelegenheit besser Bescheid?


    Grüße
    Garaguly

  • Hier ging (und geht es eigentlich) um Karajan, und der hatte mit der DDR nicht viel zu tun, abgesehen von einer "Meistersinger"-Aufnahme in Dresden, sehr wohl aber mit dem "Dritten Reich" und der alten Bundesrepublik. "Nemorino" hat hier trotzdem die DDR ins Spiel gebracht (und du hast dich auf den Zug draufgesetzt) - was sollte das für einen anderen Grund haben außer die Relativierung der Verbrechen des NS-Staates? Zu letzteren hast du dich immer noch nicht geäußert, sehr wohl aber erneut zur DDR. Man merkt die Absicht und ist verstimmt...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hier ging (und geht es eigentlich) um Karajan, und der hatte mit der DDR nicht viel zu tun, abgesehen von einer "Meistersinger"-Aufnahme in Dresden, sehr wohl aber mit dem "Dritten Reich" und der alten Bundesrepublik. "Nemorino" hat hier trotzdem die DDR ins Spiel gebracht (und du hast dich auf den Zug draufgesetzt) - was sollte das für einen anderen Grund haben außer die Relativierung der Verbrechen des NS-Staates? Zu letzteren hast du dich immer noch nicht geäußert, sehr wohl aber erneut zur DDR. Man merkt die Absicht und ist verstimmt...


    Es bleibt dabei: Wer stellt die Denk- und Sprechregel auf, wonach die rote Diktatur nur erwähnt werden darf, wenn man zuvor ausführlich Position zur brauen bezogen hat? Du?


    Grüße
    Garaguly :hello:

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Soviel habe ich jedenfalls im Laufe der Jahre gelernt: der gute Karajan zu Lebenzeiten und vor allem auch danach mit soviel außermusikalischem Ballast beladen worden (allein das ganze politische Gerede um ihn wie auch über Karl Böhm et. alt. geht mir ausgesprochen auf die Nerven, weil es mit der Musik nichts, aber rein gar nichts zu tun hat) dass man sich rgelrecht davon frei machen muss, um zu verstehen, daß sich Karajans großer Hinterlassenschaft einige unglaubliche Perlen -und zwar über alle Perioden seines Schaffens verteilt- befinden.

    Darauf antwortet Nemorino:

    Lieber Thomas,


    Du sprichst mir aus der Seele! (...)


    Es gibt Leute, und ihre Anzahl ist nicht klein, denen Karajans Eintritt in die NSDAP wichtiger ist als sein gesamtes künstlerisches Lebenswerk.

    Nur mal zur Klarstellung: Wenn ich das lese, ist eigentlich klar, worum es geht und worum es nicht geht: Nicht geht es um eine Bewertung der Person von Karajan oder Anderen, wie sie sich in totalitären Regimen (dem NS, der SU, der DDR oder anderen Staaten des Warschauer Paktes) wie auch immer verhalten haben und schon gar nicht darum, zu beurteilen, was angeblich besser oder schlimmer ist, ein Opportunist oder Überzeugter im NS oder in der DDR gewesen zu sein. Es geht einzig darum, dass man sich dem verweigert, sich mit dem "künstlerischen Gesamtwerk" auseinanderzusetzen oder ihm gerecht zu werden nur wegen der Person des Künstlers, weil sie sich mit dem betreffenden Regime kompromittiert hat. Dann sind wir nämlich bei dem Niveau: "Ich mag Karajan nicht, wie er dirigiert, weil er ein Nazi war." Hier wird eine Animosität gegenüber einem Künstler, die schlicht und einfach rein außermusikalisch ist, auf seine Tätigkeit als Musiker übertragen. Das aber ist und bleibt unseriös, solange man nicht eindeutig nachweisen kann, dass Karajans politische Haltung einen entscheidenden Einfluss auf sein Musikverständnis hatte. Anders als beim Bildhauer Arno Breker, dessen Schaffen sich dem verschrieb, eine Nazi-Ästhetik des Heroisch-Monumentalen zu entwickeln, wären solche Versuche bei Karajan anzustellen aber schlicht abstrus. Denn dann müsste man z.B. nachweisen können, dass es eine ästhetische Gemeinsamkeit gibt zwischen Karajan und anderen Mitläufern bzw. Anhängern des NS wie z.B. dem von mir schon erwähnten Willem Mengelberg. Es ist aber nun mal evident, dass zwischen Mengelberg und Karajan künstlerisch so gut wie gar keine Gemeinsamkeiten existieren. Gemeinsamkeiten gibt es aber zwischen Karajan und ausgerechnet Toscanini (den Karajan neben Furtwängler als sein großes Vorbild nennt). Toscanini war nun allerdings leidenschaftlicher Antifaschist, der wegen Mussolini Italien verlassen hat. Diesen Diskurs betrachte ich deshalb wie Nemorino als totalen Unfug und ein Alibi, das sich manche Leute verschaffen, um wegen ihrer Animosität dem komplexen "Phänomen" Karajan gegenüber mit allem was dazu gehört sich zu weigern, sich mit seiner künstlerisch-musikalischen Leistung objektiv auseinanderzusetzen. Das genau scheint mir ein Grundproblem in der Auseinandersetzung mit Karajan zu sein. Während man bei anderen Dirigenten gar nicht auf die Idee kommt, das Musikalische mit dem Außermusikalischen zu verquicken, weil die Dirigenten-Persönlichkeit eben nicht als Ausdruck einer bestimmten "Kultur" und einem "Zeitgeist" wahrgenommen wird, sondern eben nur seine musikalische Leistung interessiert, hat man bei Karajan offenbar Schwierigkeiten, die Abstraktion auf das Rein-Musikalische zu vollziehen, was nun Jahrzehnte nach dem Karajan-Zeitalter eigentlich doch möglich sein sollte.


    Schöne Grüße
    Holger


  • So sah ich das damals (Dezember 2007), als ich begann, mich mit Karajan näher zu beschäftigen. Man merkt - ich war so gar kein "Karajan-Fan" :D :


    Vertraut man den Verkaufszahlen von CDs auf dem klassischen Sektor, dann ist Karajan immer noch die übermächtige, alle anderen Dirigenten und Interpreten überstrahlende Erscheinung: Nach wie vor ist er unbestritten die Nummer eins, was die Plattenverkäufe angeht, so, als stände er als Unsterblicher bis heute am Pult der Berliner Philharmoniker. Diese Marktpräsenz dokumentieren diverse Wiederveröffentlichungen seiner Aufnahmen, wie die gerade erschienene Aufnahme aller Beethoven-Symphonien von 1977 in der preisgünstigen Eloquence-Serie.


    Mir bietet sich so die aktuelle Gelegenheit einer kritischen Überprüfung. Gibt es das Phänomen Karajan wirklich? Oder ist sein Ruhm etwa bloß die Folge davon, dass hier ein Dirigent wie kein anderer die Medien für die Imagepflege seiner selbst und des Orchesters nutzen konnte? Ich gebe zu, dass ich nie ein großer Karajan-Fan war und immer noch einen großen Bogen um seine Aufnahmen mache. Also habe ich versucht, dieser meiner Karajan-Phobie einmal auf den Grund zu gehen.


    Es ist für mich unbestreitbar, dass Karajan kein bloßer Schaumschläger ist. Seine Dirigiertechnik ist perfekt. Die besagte Aufnahme besticht durch eine unglaubliche Orchestervirtuosität und Leichtigkeit des Musizierens, die sich nur einstellt, wenn der Dirigent seine Schlagtechnik vollkommen beherrscht. Was macht also das Einzigartige – und in dieser Einzigartigkeit auch Fragwürdige – des Phänomens Karajan aus?


    Karajan war bekanntlich der, welcher wie kein anderer zuvor (die Ausnahme vielleicht: der viel zu früh verstorbene Ferenc Friscay) sich darum bemühte, Musik als Tonkonserve zu produzieren und diese Produktion technisch und ästhetisch bis ins letzte Detail zu kontrollieren. Da liegt für mich der Schlüssel zum Verständnis von Karajan. Nicht nur, dass er der Prototyp eines strengen Orchestererziehers ist. Das waren andere wie Toscanini, Klemperer oder Mrawinsky auch. Auch nicht, dass er sich nicht als Partner des Orchesters versteht wie Pierre Boulez etwa, sondern wie ein großer Diktator über allem schaltet und waltet, macht ihn so besonders. Das Entscheidende und auch Einzigartige ist, dass hier ein Dirigent versucht, einen Orchesterklang synthetisch – gleichsam aus der Retorte – nach seinen ganz persönlichen Klangvorstellungen zu erzeugen. Karajan ignoriert diesem Anspruch und Ziel folgend jede Art von historisch gewachsener und in einer nationalen Kultur verankerter Orchestertradition, beseitigt ganz bewusst jede Art von individueller Spielweise. Mir ist das klar geworden bei einem Filmmitschnitt einer Schumann-Probe, die ich vor Jahren in einer Fernsehdokumentation gesehen habe. Da hat er den Bläsern jede individuelle Phrasierung verboten – die mir übrigens sehr gefallen hat (!), Bläser sind ja im Grunde ihres Wesens Solisten, Individualisten! Nein: Er will nur den abstrakten Ton gespielt haben! Denn nur die reine Klangerscheinung ohne alle Eigenwilligkeiten des individuellen Ausdrucks kann er als Dirigent vollständig kontrollieren, selber nach eigenen Vorstellungen formen!


    Mit den Berliner Philharmonikern ist ihm dieses Experiment der synthetischen Klangerzeugung gelungen: Er hat hier als Dirigent quasi den lieben Gott gespielt und einen Klangkörper ganz nach seinen Vorstellungen geschaffen. Sehr gut verifizieren kann man das, wenn man seine Aufnahme der Beethoven Symphonie Nr. 1 von 1977 mit der von Ferenc Friscay von 1954 mit denselben Berliner Philharmonikern vergleicht. Wer nicht weiß, dass da die Berliner spielen, glaubt, hier handelt es sich um ein völlig anderes Orchester! Man höre das Finale: Die Bläser bei Friscay sind frech, ungemein spritzig und lebendig. Bei Karajan huschen diese Passagen vorüber wie ein flüchtiger Mendelssohnscher Sommernachtstraum: Der Bläserklang hat sich entindividualisiert zu einem nichtssagenden Sinnesreiz, in eine anonyme Klangfläche aufgelöst. Das klingt durchaus schön, ungemein atmosphärisch, aber eben unrhetorisch, eigentlich nichtssagend! Die Bläser atmen nicht mehr, sprechen nicht mehr, sondern produzieren nur noch bloßen Bläserklang!


    Bei Karajan habe ich immer das Gefühl, dass da ein >Dirigent< im wörtlichen Sinne eines >Direktors< vor dem Orchester steht, wie der liebe Gott, der alle Fäden des Schicksals in der Hand hat und niemals aus der Hand geben will. Karajans Musik spielt niemals >frei< wie die Carlos Kleibers, alles wirkt irgendwie gewollt und gemacht. Und dann ist da diese typische Karajansche Klangästhetik. Musikhören mit Karajan ist: Im Kino in der letzten Reihe sitzen und ein großes Panoramabild an sich vorüberziehen lassen. Die einzelnen Mitglieder des Orchesters sprechen uns nicht an, was wirkt, ist immer das große Ganze, in das sich alles einordnet: Orchestersoldaten, die alle brav in dieselbe Richtung marschieren! Karajans unfreiwilliger Musik gelingt es niemals, sich quasi von selbst zu entfalten, so dass sie in ihrer unmittelbaren Präsenz den Dirigenten vergessen machen könnte! Seinem Musizieren haftet stets der Eindruck des Gewollten an, der Distanz schafft und diese um jeden Preis zu wahren sucht nach dem Motto: Ich der Dirigent bleibe immer Herr des Geschehens, lasse mich von ihm nicht bewältigen. Seht her, wie ich Musik >machen< kann, wie das Orchester mir und meinen Klangvorstellungen willig folgt! Bei Toscanini, dem Tyrannen und Probenfanatiker, ist der Eindruck übrigens ganz anders: Hier verschmelzen Dirigent und Orchester zu einer untrennbaren Einheit: Der Dirigent steht nicht mehr vor dem Orchester, er >ist< das Orchester und das Orchester der Dirigent, der aus jedem einzelnen Musiker zu uns spricht! (Diese Magie ist nachvollziehbar in dem überaus faszinierenden Filmmitschnitt einer Aufführung der 9. Symphonie.)


    Karajan dirigiert eine Orchestermaschinerie wie ein Feldherr. Beispiel: Das Allegro con brio-Finale der 7. Symphonie (>con brio<: >mit Feuer<), das er doch sage und schreibe 2 Minuten schneller nimmt als der Temperamentsquirl Carlos Kleiber mit den Wiener Philharmonikern! Die Repititionen in dem Tempo sind von den Bläsern kaum noch spielbar, aber die Berliner bekommen das hin. Und das Resultat? Kleiber realisiert wirklich Richard Wagners Beschreibung der Symphonie als der "Apotheose des Tanzes". Ausgelassenheit und Übermut ist das, was Kleiber vermittelt, ungezügelte Leidenschaft und Lebensfreude. Das ist beglückend. Karajan dagegen hetzt seine Orchestermaschinerie durch Kommandos wie ein Diktator: Das alles wirkt zwanghaft und etüdenhaft, von Ausgelassenheit keine Spur!


    Gewiss, dirigiertechnisch ist er perfekt. Und die Streicher seines Orchesters sind Weltklasse. Die musikalischen Schwächen sind jedoch unübersehbar. Karajan malt immer einzelne Klangtupfer auf die Leinwand, aber zeichnet nicht, phrasiert nicht plastisch und präzise! Da ist sie wieder, die fehlende Rhetorik! Am Allegretto der 7. Symphonie sind viele gescheitert wegen des zu langsamen Tempos. Daran scheitert Karajan nicht. Aber das Thema wird dermaßen wattig und unkonturiert serviert, dass ich mich bei jedem Ton nach Kleiber oder Mrawinsky sehne! Wie glasklar phrasiert ein Evgeny Mrawinsky mit seinen Leningradern die Frage- und Antwortspiele der 1. Symphonie! (Mrawinsky war berühmt für seine Interpretationen der Wiener Klassik und nicht zuletzt deshalb Ehrenmitglied des Wiener Musikvereins!) Davon ist bei Karajan nichts zu hören, auch von Friscays analytischer Schärfe und plastischer Formgestaltung nichts! Und wie kann Carlos Kleiber ungemein sprechend phrasieren, den Atem, der in den musikalischen Bögen fließt (Beispiel: Trio des Scherzos aus der 7.!) wirklich sinnlich spürbar werden lassen, so dass man da am liebsten selber mitdirigieren möchte! Bei Karajan wirkt das steif und einfach unausgeformt!


    Für Polyphonie, für Beethovens Fugatos, fehlt Karajan schlicht der musikalische Sinn! Die Fuge ist vom mehrstimmigen Gesang her empfunden, da muss man hören, wie die musikalischen Spielbälle von einer zur anderen Stimme weitergegeben werden, wie sie aufeinander als selbständige Individuen antworten. Bei Karajan sind die Stimmen jedoch nicht selbständig, nur das übergeordnete Ganze zählt, nicht das Einzelne! Die Fugen plätschern so dahin wie ein immer geradeaus fließender Wiesenbach ohne Anhalten, ohne Zäsuren, Widerhaken, welche das Antwortspiel der Fuge so spannend machen! Besonders prekär - auch in klangästhetischer Hinsicht - ist das in der 3. Symphonie, der berühmten >Eroica<. Karajan denkt hierarchisch, von oben nach unten: Da gibt es eine führende Hauptstimme und begleitende Stimmen darunter. Die Fuge mit ihrem >demokratischen< Impuls beruht auf der Gleichberechtigung der Stimmen. Wie bindet man sie also ein in den homophonen Satz? Bei Karajan wird das Fugato deshalb wie ein Störungsfaktor behandelt, welchen die führende Melodiestimme deshalb so gut (oder schlecht!) es geht einfach zudeckt. Es gelingt ihm so keine wirkliche Synthese von Homophonie und Polyphonie, wie das Beethoven fordert, der ja nicht Bach ist, kein >reiner< Polyphoniker! Karajans Klangbild gerät so letztlich undurchsichtig, fast schon matschig!


    An meiner Karajan-Phobie wird sich also nichts Grundlegendes ändern! Der Vergleich mit Furtwängler und Toscanini reizt mich allerdings nach dieser Hörprobe mehr denn je, vor allem aus interpretationsgeschichtlicher Hinsicht. Karajan – so verstand er sich selbst – wollte ja eine Synthese aus Furtwängler und Toscanini erreichen. Kann man das nachvollziehen? Fortsetzung folgt...


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es bleibt dabei: Wer stellt die Denk- und Sprechregel auf, wonach die rote Diktatur nur erwähnt werden darf, wenn man zuvor ausführlich Position zur brauen bezogen hat? Du?

    Ich stelle keine Regel auf, aber ich stelle fest: Wer die DDR UND die aktuelle Demokratie bei jeder Gelegenheit kritisiert, die NS-Diktatur jedoch nicht bzw. hier sogar einen Schusstrich fordert, präferiert ganz offensichtlich die letzte Variante. Dies trifft auf den User "Nemorino" ganz offenbar zu. Inwieweit es auf dich selbst zutrifft, musst du mit dir selbst ausmachen oder durch entsprechende Beiträge klar machen - denn den Eindruck, den andere hier von einem gewinnen, kann man nur aus dem gewinnen, was derjenige schreibt und was nicht.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich darf darauf hinweisen, dass wir hier ein Musikforum sind. Für politische Diskussionen, so berechtigt und richtig sie sein mögen, ist hier nicht der Ort. Genauso wenig geht es an, Mitdiskutanten politische Haltungen zu unterstellen. Dank an Holger, dass er mit seiner Karajan-Rezension zum Thema zurückgefunden hat. TP

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Im Hermeneutik-Seminar bekäme ein bestimmter Diskutant hier die Note "Mangelhaft". Denn aus der Bemerkung: Warum diskutiert man die politische Verstrickung mit einem totalitären Regime im Falle Karajan, im Falle von z.B. Sanderling nicht, herauszulesen, dass damit das NS-Regime verharmlost werden solle, ist nun wirklich kompletter Unfug. :D

  • Ich darf darauf hinweisen, dass wir hier ein Musikforum sind. Für politische Diskussionen, so berechtigt und richtig sie sein mögen, ist hier nicht der Ort. Genauso wenig geht es an, Mitdiskutanten politische Haltungen zu unterstellen. Dank an Holger, dass er mit seiner Karajan-Rezension zum Thema zurückgefunden hat. TP


    Hier machst du es dir, lieber Thomas Pape, aus meiner Sicht entschieden zu einfach. Wenn der Threadtitel seine Bestimmung erfahren soll, nämlich das Schaffen Karajans zu analysieren, wird das ohne die politischen Umstände, in denen sich Karajan bewegt (und das im Übrigen nicht nur während der NS-Zeit) hat, nicht möglich sein. Dies miteinzubeziehen ist insbesondere deswegen nötig, da Karajan von einigen wenigen (und sie werden auch immer weniger) immer noch als menschlich wie künstlerisch unantastbarer Gott am Pult verherrlicht wird und die Thematisierung der widersprüchlichen Seiten seiner Biographie mit der so einfachen wie gefährlichen Forderung weggewischt werden, nach nunmehr 70 Jahren müsse doch mal Schluss damit sein. In Zeiten, in denen ein Björn Höcke eine "180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur" fordert, ist so etwas für mich umso unerträglicher und eine Reaktion darauf, wie sie hier von "Stimmenliebhaber" kam, umso notwendiger.
    Ein weiteres Märchen, mit dem aufgeräumt werden muss, ist die angeblich unpolitische Haltung von Künstlern im NS-Regime. Warum trat Karajan noch in seiner Heimat Österreich völlig ohne Not in die NSDAP ein, wenn er unpolitisch war? Politisches Handeln ist nicht allein das Ausüben von Partei- und Regierungsämtern, sondern ein Künstler, der seine Kunst in den Dienst eines Systems stellt, handelt natürlich politisch. Wie, wenn nicht politisch soll man das folgende, berühmte Böhm-Zitat verstehen?


    Zitat

    „Da ich von Geburt aus Österreicher bin, jetzt seit zwölf Jahren reichsdeutscher Staatsangehöriger, und natürlich in Wien viele Anhänger, besonders im nationalsozialistischen Lager habe, glaube ich, daß diese Konzerte propagandistisch von größtem Vorteil für Deutschland sein können. Mit deutschem Gruß, Karl Böhm.“


    Die immer wieder aufgestellte - unwahre - Behauptung, es hätte für Furtwängler, Krauss, Böhm und Karajan keine Alternative als die Anbiederung an das Regime gegeben, tritt das Andenken an aufrechte Künstler wie einen Fritz Busch, dem Böhm skrupellos im Amt des Dresdner Generalmusikdirektors nachfolgte, mit Füßen. Ist Busch ein weniger bedeutender Künstler als die genannten vier? Natürlich nicht, seine Mozart-Interpretationen aus Glyndebourne sind von musikhistorisch enormer Bedeutung (und nebenbei denen von Böhm und Karajan künstlerisch überlegen), es gab also Alternativen zur Anbiederung, wenn auch mit erheblichen persönlichen Folgen für den betreffenden Künstler.


    Nein, es ist nötig, nicht nur die Minuten eines Satzes bei Karajan zu zählen oder sich am Klang der Streicher zu ergötzen, sondern auch diese Facette bei der Bewertung des Phänomens "Karajan" zuzulassen. Wenn mit der Reinwaschung Karajans dann auch noch die Forderung einhergeht, man solle 70 Jahre nach dem Krieg "die alten Geschichten ruhen lassen", dann ist es offensichtlich umso nötiger, es immer und immer wieder zu thematisieren.

  • :jubel: :jubel: :jubel:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Aus den Forenregeln:


    Das Tamino-Klassikforum ist ein privates Forum, welches eingerichtet wurde, um Klassikfreunden, Klassikkennern und Neueinsteigern eine Plattform für Diskussionen über das Thema "Klassische Musik" zu bieten


    Themen, wie Politik, Religion, Weltanschauungen sind generell nicht gestattet.

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    Themen, wie Politik, Religion, Weltanschauungen sind generell nicht gestattet.


    So ist es und so fordere ich es ständig ein. Wenn dann aber "Nemorino" und Co glauben sich nicht daran halten zu müssen und Kritik am Künstler Karajan generell als politisch motiviert erklären, dann sind sie es, die die Politik in diese Debatte einbringen, anstatt künstlerisch zu argumentieren. Und so lange das so ist, muss man dann leider auf diesen Unsinn antworten.



    Und "Schlusstrich"-Diskussionen sollten wir in diesem Forum nun wirklich nicht führen, denn das ist das politisch Relevanteste und Brisanteste, denn die Konsequenzen, die das bedeutet, habe ich ja dargelegt.
    Wer in diesem Forum künstlerishc argumentiert hält sich an die Regel. Wer hingegen das Politische immer wieder thematisiert, um zugleich zu fordern, das doch nicht zu thematisieren, der argumentiert in Wahrheit eben genau politisch und verletzt dait die Forenregel. Meine diesbezüglichen Beiträge sind stets Reaktionen(!) auf ebensolche Regelverletzungen, die dann aber natürlich auch nicht ohne inhaltliche Entgegnung auskommen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Warum trat Karajan noch in seiner Heimat Österreich völlig ohne Not in die NSDAP ein, wenn er unpolitisch war?


    Weil es für seine Karriere von Nutzen war. Und weil der weitere Verlauf derselben ohne diesen "formalen Akt" unabsehbar gewesen wäre.
    Er selbst war unpolitisch.
    Das einzige was ihn je interessiert hat war seine Karriere


    Wenn Die Brockhaus Enzyklopädie und "Das neue Lexikon der Musik" (4 Bände - Metzler) OHNE die sattsam wiederholten Vorwürfe gegen Karajan auskommen, dann sollte es auch in Tamino möglich sein. Ich sehe uns mit Sicherheit nicht als "ANTIFA-Stützpunkt", notabene nicht in einer Zeit da das bürgerliche Publikum allmählich wieder an Einfluß gewinnt, und deren Vertrete lesen sowas mit Sicherheit nicht gern


    Ich habe Tamino als "Elfenbeinturm" gegründet, und möchte es dabei belassen
    Ich schreibe dies in meiner Rolle als Betreiber um zu verhindern daß der bürgerliche Flügel der Gesellschaft dieses Forums meidet, verunsichert durch einige doch sehr persönliche Artikel, die noch dazu den Forenregeln widersprechen.


    mfg aus Wien
    Alfred Schmidt
    Forenbetreiber

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Weil es für seine Karriere von Nutzen war. Und weil der weitere Verlauf derselben ohne diesen "formalen Akt" unabsehbar gewesen wäre.


    Aber genau das habe ich weiter oben ja auch schon als Frage in den Raum gestellt. Ein Beitritt zum österreichischen NSDAP-Ableger war während der Dollfuß-Regierung (und auch unter dessen Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers Kurt von Schuschnigg) für eine Karriere auf österreichischem Boden eher hinderlich, wenn man das Verhältnis des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes zu den Nazis betrachtet. Oder war Österreich für Karajan 1933 karrieretechnisch schon uninteressant geworden und er schielte mit diesem in Österreich vollzogenen Eintritt in die braune Partei eigentlich nach Deutschland?


    Grüße
    Garaguly

  • Karajans persönliche Biografie, seine Parteimitgliedschaft und andere Dinge sind mir vollkommen egal.
    Mir sind auch die persönlichen Verfehlungen vollkommen egal. Alle, ausnahmslos alle, die Kunst betreiben, haben auch schon im Laufe ihres Lebens fragwürdige Dinge getan, gesagt, oder Gutes unterlassen. Auch auf mich trifft das zu.
    Es ist vielleicht so, dass die Kunst die Nabelschnur zum Göttlichen ist ( Harnoncourts Motto), aber man soll doch nicht vom Komponisten ( nicht einmal von Bach) und schon gar nicht vom Interpreten so etwas wie Fehlerfreiheit, so etwas wie Sündlosigkeit erwarten.
    Auch ein Karajan war eben nur ein Mensch, so wie wir alle Menschen sind.
    Ich erwarte auch von einem großen Dirigenten nicht, dass er so eine Art Held oder Freiheitskämpfer sein muss.
    Hätte nun Karajan sich Zeit seines Lebens so aufgeführt, wie etwa eine Frau Haverbeck, dann wäre auch meine Grenze bei weitem überschritten, und ich wollte von ihm keinen Ton mehr hören. Doch das ist bei ihm eben nicht der Fall.
    Von daher kann es bei Karajan-Diskussionen nur interessant werden, wenn diese historisch-politischen Dinge kaum eine Rolle spielen.


    Mich interessiert, wie er dirigierte, wie er dachte und was er Ergebnisse er zustande bekam.
    Am Ende bin ich auch nur ein "Konsument" oder "Kunde", der sich aus der Sammlung seiner Aufnahmen diejenigen heraussucht, die einem etwas geben. Und da gibt es schon eine ganze Menge Gutes zu finden. Manches davon ist aus meiner Sicht bis heute unerreicht.
    Selbst produzierte Karajan-Filme sehe ich mir ungern an, weil ich seine Bildästhetik als peinlich empfinde. Wenn jedoch "normale" Fernsehleute die Bildregie hatten, dann mag ich das auch sehr gerne sehen. Hier denke ich z.B. an dieses DVD



    Wenn man den Thread durchliest und das so unmusikalische wie uninteressante politische Geplänckel mühselig überscrollt, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass nur der frühe Karajan musikalisch gesehen etwas böte, was man noch heute schätzen könne.
    Diesem Eindruck widerspreche ich.


    Karajans Konzept und Ästhetik hat aus meiner Sicht für sich gesehen einen eigenständigen Wert.
    Es mag sein, dass er weniger auf den Komponisten sah, und versuchte dessen Ästhetik umzusetzen, sondern vielmehr die Komponisten hernahm, um sie seiner Ästhetik anzupassen. So kritisch man das sehen kann, so gut kann es doch im Einzelfall klingen; dann nämlich, wenn sich Karajans Konzeption mit dem Werk verträgt. Es gab bei ihm, der auf die magische Wirkung gemeinsamer Konzentration setzte, durchaus auch Konzerte und vielleicht auch Aufnahmen, die man eher als "Stroh" bezeichnen kann. Es kann nicht immer Sternstunden geben. Aber es gab diese Sternstunden, und die sind dann oftmals derart gut, dass man durchaus das große Wort " unerreicht" verwenden kann.


    Es gibt natürlich auch Aufnahmen, die man besser nicht veröffentlicht hätte. So hörte ich neulich bei Spotify den Anfang des Requiems von Brahms, weiß jetzt allerdings nicht mehr, welche seiner Aufnahmen es war. Da gibt es die für den ersten Satz in meinen Ohren sehr schlimme handwerkliche Schwäche, dass der Chor schon bei den ersten Tönen intonationsmäßig absackt. Brahms schrieb es so, dass der Chor nach einem kurzen Imitationsdialog mit dem Orchester einige Takte a cappella zu singen hat. Dass hier der Chor (vor allem die Soprane) absackt, ist kein singuläres Phänomen. Es ist ebenso bei einer EMI-Aufnahme unter Celi zu hören. Dem kann man nun anrechnen, dass er der Veröffentlichung nicht zugestimmt hätte. Bei Karajan verstehe ich nicht ganz, wieso er das überhaupt auf der Aufnahme so akzeptierte.
    Bei späteren Aufnahmen mit professionellen Kammerchören ( wie z.B. auch Abbado mit zwei schwedischen Chören) gibt es diesen ärgerlichen Anfang nicht. Vielleicht hat es sogar mit dem Chor, den Brahms zur Verfügung hatte, so sauer geklungen. Doch das kann - so meine ich- heute kein Kriterium mehr sein. Wie gesagt, ich wundere mich, dass ein Perfektionist wie Karajan es hat durchgehen lassen.


    Doch die Liste der wirklich sehr guten Karajan-Aufnahmen wäre aus meiner Sicht gar nicht einmal so kurz.


    Ich erwähne nun einige, die mir jetzt spontan einfallen, ohne jedoch den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.


    Den obigen Bruckner kann man gerne dazuzählen.


    Dazu kämen bei mir:



    (hier habe ich auf nicht mehr einen Link für eine CD gefunden)



    Wenn ich in die Musikgeschichte vor Beethoven gehe und nach Karajan-Aufnahmen suche, wird es bei mir dünn, sehr dünn.
    Er mochte ja den Bach sehr, hat ihn aber ohrenkundig nur bruchstückhaft verstanden. Bachs Musik ist von der inneren Struktur her jedoch so gut, dass man ihn auch sehr iinig lieben kann, obwohl man davon nur Bruchstücke versteht.
    Seinem Mozart kann ich kaum etwas abgewinnen ( schon das bei ihm süßliche, die Pausen und Abphrasierungen bewusst überspielendes Thema der großen g-moll-Symphonie ist m.E. ein einziges Mißverständniss, dahingehend, dass seine Karajan-Interpretationsphilosophie auf alles passt, was gute Musik ist), aber das tut der hohen Stellung, die er bei mir hat, keinen Abbruch. Man kann nicht in allen Bereichen immer top sein. Vor allem muss man ihn aus seiner Zeit heraus verstehen. Von seiner ganzen Persönlichkeit her ( benennen wir ruhig auch das Thema Eitelkeit und Stolz) konnte er einfach nicht anerkennen, dass er in Sachen Alter Musik bis Mozart jahrzehntelang sozusagen "auf dem falschen Dampfer" unterwegs war. Dies ist ein bekanntes Phänomen bei älteren Herren. Sie haben ihren Altherrenhusten, ihre gefestigten Ansichten und ihren Starrsinn. Denen kann keiner etwas... Bei Leuten seiner Generation war das wohl noch stärker als heute, aber es gibt das heute auch noch, und zwar in millionenfacher Ausführung. Zudem wird die weltweite Huldigung, die er - sicher auch irgendwo verdient- ständig erfuhr, dazu beitragen haben, dass er keine Lust mehr hatte, sich vom sicheren Terrain seines Musikansatzes für die Alte Musik wegzubewegen. Das ist eben menschlich, und, wie ich oben aufführte: er war eben auch nur ein Mensch, keineswegs ein fehlerfreier Gott. Und eben weil man fälschlicherweise davon ausgeht, dass er, wenn der denn so etwas wie ein gottgleiche Verehrung erfuhr, auch einen dementsprechenden Lebenswandel und Charakter hätte zeigen müssen, arbeitet man sich ja in Klassikforen pflichtschuldigst an seinen menschlichen Verfehlungen und Charakterschwächen ab.
    Das liegt m.E. auch daran, dass es wesentlich leichter ist, aussermusikalisch herumzuschwafeln ( wo endet das? bei AfD oder FPÖ gegen das "Kartell der Altparteien" ?) als sich mit der faktischen Musik fachlich auseinanderzusetzen.
    Doch auf genau die kommt es an, auf genau die.


    Dass man Mozart vielfach auch ohne HIP-Erkenntnisse sehr schön und klassisch-zeitlos-beglückend spielen konnte, bewies ja sein Zeitgenosse Karl Böhm. Auch hier langweilen mich diese ständigen außermusikalischen Einlassungen, die man in Klassikforen ertragen muss.


    "Wenn ich die Ouvertüre der Zauberflöte hören will.....von wem denn am liebsten dirigiert? "


    Das ist doch die entscheidende Frage. In meinen Fall lautet hier die Antwort : Karl Böhm.


    Bei Brahms 1 sage ich: Karajan, am liebsten live in Tokyo. Das war eine wahnsinnig gute Sternstunde.


    Darauf im Detail einzugehen, schafft man in solchen Threads wie diesem hier leider nicht, weil man sich ja ständig an unmusikalischen Dingen abarbeiten muss.


    Gruß
    Glockenton


    PS. wie bei Politikern sollte man bei Künstlern nicht immer so eine Vorbildfunktion im persönlichen Lebenswandel erwarten. Wenn z.B. so einer wie Trump mit seinem mir unsympathischen Lebenswandel politisch erreicht, dass eine Diktatur weniger über Atomwaffen verfügt, ist es für mich das, was zählt. Dafür muss ich ihn nicht lieben oder bewundern. Das Ergebnis zählt. Und die Frage des Threads lautet: "Was ist dran an Karajan?" Das heisst doch: Was zählt? Was bleibt? Eben, sein Musizieren!

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Guten Tag!


    Soeben erst habe ich gesehen, daß mein gestriger Beitrag Nr. 290 hier heftige "politische" Reaktionen ausgelöst hat, die nicht von mir beabsichtigt waren. Leider war bis heute gegen 13 Uhr seit gestern abend durch Unwetter bei mir das Internet ausgefallen, so daß ich mich erst jetzt zu Wort melden kann.


    Ich bedanke mich ausdrücklich bei Holger, Garaguly und unserem Forenbetreiber Alfred, die mit ihren Beiträgen gezeigt haben, dass sie mich und mein Anliegen ganz richtig verstanden haben.


    Ich habe mir soeben meinen gestrigen Beitrag Nr. 290 noch einmal sorgfältig durchgelesen, der diese Kontroverse ausgelöst hat. Meine erste Reaktion auf die Anwürfe von heute morgen war, zu sagen: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Aber wer aus meinen Worten eine Reinwaschung von Naziverbrechen herausliest, der mag zwar lesen können, aber eine solche Interpretation kann ich nur als bewusst böswillig und verleumderisch bezeichnen.


    Es ist nicht meine Absicht, auf Einzelheiten dieser unhaltbaren Vorwürfe einzugehen. Ich ignoriere seit geraumer Zeit die Beiträge einiger Teilnehmer, weil es völlig fruchtlos ist, sich mit ihnen ernsthaft zu beschäftigen. Mir geht es nicht um Streit, sondern um sachliche Diskussionen über klassische Musik und ihre Künstler, um nichts sonst. Zum Streiten ist mir meine Zeit viel zu kostbar. Im vorliegenden Fall will ich mich aber nicht um eine Antwort drücken und die Klarstellung anderen überlassen.


    Die Überschrift dieses Threads lautet: Was ist dran an Karajan? - Versuch einer Analyse. Alles, was ich in diesem Thread geschrieben habe, bezog sich auf ihn und einige seiner Kollegen, die wie er ihre Karriere im Nazireich starten bzw. fortsetzen wollten. Auswandern kam für viele nicht infrage, weil sie der deutschen Kultur und ihrem Vaterland auf vielfältige Weise verbunden waren.

    Zitat

    Es wäre, 70 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft, wirklich an der Zeit, die alten Geschichten ruhen zu lassen.


    Wenn man diesen Satz aus dem Zusammenhang reißt, so könnte man das in der Tat als einen Appell werten, die gesamte Nazi-Zeit endlich zu den Akten zu legen. Aber der nächste Satz, der ganz eindeutig zeigt, um was es mir geht, wurde natürlich geflissentlich übersehen:


    Zitat


    Ich würde anders urteilen, wenn diesen Künstlern schuldhaftes Verhalten, wie Denunzierung, Verleumdung oder Diskriminierung von Kollegen oder Freunden nachgewiesen werden könnte. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall.

    Wer diese beiden Aussagen, die unmittelbar aufeinander folgen, gelesen hat, der muss entweder begriffsstutzig oder schlicht böswillig sein, wenn er daraus eine Verharmlosung von Nazi-Verbrechen herausliest.


    Kurt Sanderling (er musste natürlich in der DDR als Jude nicht um sein Leben bangen, dafür aber zahlreiche andere, die absolut keine Nazis gewesen waren) habe ich gestern nur als Beispiel genannt, wie unterschiedlich Biographien beurteilt werden, die sich unter gegensätzlichen Diktaturen entwickelt haben. Für mich ist jeder Tote, gleich unter welcher Gewaltherrschaft er ums Leben kam, ein Toter zuviel! Und, um das noch einmal ganz klar zu sagen, mir ist es völlig wurscht, welchen Idolen Künstler in ihrem Leben gehuldigt haben, so lange sie keine juristische oder moralische Schuld auf sich geladen haben, wie es mir auch wurscht ist, ob mein Bäcker oder Installateur ein Sympathisant der Linken oder der AfD ist, wenn er nur ordentlich seine Arbeit macht.


    Aussagen wie die von Böhm mögen uns heutzutage absurd, ja lächerlich vorkommen, aber verbrecherisch waren sie nicht. Sie zeugen nur von Opportunismus und möglicherweise von deutsch-nationaler Gesinnung, die Böhm aber mit den meisten gebildeten Österreichern seiner Zeit geteilt hat. Mit Nazitum hatte das zunächst einmal nichts zu tun, später, nach dem "Anschluß", sah die Sache schon anders aus. Das nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie verbliebene "Deutsch-Österreich" strebte mehrheitlich zur Vereinigung mit dem Reich, lange bevor von Hitler und seiner Partei die Rede war. Es waren ganz sicher längst nicht alles Nazis, die am 15. März 1938 auf dem Wiener Heldenplatz "Heil" geschrien haben. Viele haben es schon bald danach bitter bereut.


    Meine Ansichten mögen sich längst nicht immer mit der sogenannten "Political Correctness" in Einklang bringen lassen, das ist auch nicht mein Bestreben. Daran mögen sich die halten, die sie erfunden haben. Ich möchte weiterhin ohne Maulkorb durchs Leben gehen. Wem sich darob der "Magen umdreht", dem rate ich, meine Beiträge zu ignorieren. Dafür gibt es hier eine ganz einfache Vorrichtung, die ich soeben für zwei Mitschreiber angewendet habe. Die werden bis zur übernächsten Steinzeit von mir keine Antwort mehr erhalten.


    LG, Nemorino









    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Diese Anwürfe wegen "Nazitum" sind Argumente derjenigen, die Karajans künstlerische Tätigkeit schmälern wollen.
    Denn einen Nachweis für eine verurteilenswerte Tat ist noch nie erbracht worden.

  • Alfred, ich finde schon, dass du dich entscheiden musst: Soll dieses Forum das wichtigste, und dazu gehört natürlich auch ernstzunehmende deutschsprachige Klassikforum sein, dann haben darin Stammtischparolen keinen Platz. Soll die Regel "keine Politik" für alle gelten oder nur für die, die andere politische Ansichten haben als du selbst - während diejenigen, die deine teilen, von dir geradezu dazu ermutigt, wieder fröhliuch drauflos schwadronieren können? Das sind hausgemachte Probleme, die deinem Ziel, hier ein wichtiges, ernstzunehmendes Klassikforum zu betreiben, entgegenrudern. Das hat dich schon viele wertvolle Mitglieder gekostet und wird dich weitere kosten. Der Ruf dieses Forums ist gerade wegen solcher Inkonsequenz auch deinerseits in weiten(!) Kreisen der deutschen Kulturgesellschaft ein ziemlich ramponierter. Und wenn es jetzt noch rechter werden soll (und so muss man deinen anti-antifaschistischen Beitrag deuten), dann kommt irgendwann der Punkt, wo ich sagen muss, dass ich hier guten Gewissens nicht mehr mitmachen kann! Bei einem Ernstnehmen des Forumsziels, wichtigstens seriöses deutschsprachiges Klassikforum sein zu wollen und bei der Einhaltung der Forenregeln von allen (und damit meine ich auch alle) wäre das kein Problem - andernfalls ist es jedoch eines!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Keiner hier hat die Nazi-Diktatur auch nur mit einem Wort verteidigt, bzw. die DDR-Diktatur als das grössere Unglück bezeichnet. Diese Behauptung wird durch ewige Wiederholung nicht richtiger. Dass aber trotz den Erfahrungen mit den Nazis auf Deutschem Boden nachher eine weitere Diktatur errichtet wurde, ist zumindest für mich ein Problem.


  • Ich habe Tamino als "Elfenbeinturm" gegründet, und möchte es dabei belassen
    Ich schreibe dies in meiner Rolle als Betreiber um zu verhindern daß der bürgerliche Flügel der Gesellschaft dieses Forums meidet, verunsichert durch einige doch sehr persönliche Artikel, die noch dazu den Forenregeln widersprechen.


    Lieber Alfred,


    diese Sätze habe ich mit großem Interesse gelesen und habe eine kurze Verständnisfrage dazu: Schließt die Errichtung dieses "Elfenbeinturmes" (wozu das nötig ist, wenn es angeblich um eine Auffassung geht, die von der bürgerlichen Mitte getragen wird, sei einmal dahingestellt) mit ein, dass politische Äußerungen einer bestimmten Couleur, deren Anhänger sich in diesem "Elfenbeinturm" wohlfühlen sollen, gestattet sind und dass die Forenregel "Keine Politik!" nur für diejenigen gilt, die mit ihrer Ansicht diesen "Elfenbeinturm" stören? Oder gilt die angesprochene Forenregel für alle?


    Ganz herzlichen Dank für die Aufklärung!

  • Jetzt haben wir's innerhalb kürzester Zeit wieder geschafft. Alfred ist seit drei Tagen wieder aufgetaucht und aufgetaut und schon machen wir ihm wieder das Leben schwer mit Themenabweichungen in einer Form, die er ja eigentlich verabscheut.


    Ich hoffe, du trägst es mit Fassung, Alfred!


    Grüße
    Garaguly

  • Keiner hier hat die Nazi-Diktatur auch nur mit einem Wort verteidigt

    Ja, aber einige, z.B. der User "Nemorino", der schon viele und scharfe böse Worte sowohl gegen die DDR als auch gegen die heutige Demokratie hier losgelassen hat, haben auch kein einziges kritisches oder böses Wort zu den Nazi-Verbrechern geschrieben. Stattdessen werden die Toten in der DDR, die es leider auch gab, aber in WEIT geringerem Maße als die Millionen Kriegs- und Holocoust-Opfer der Nazis von "Nemorino" erneut gleichgesetzt - und letztlich auch von dir, indem du beide Staaten durch das Wort "Diktatur" gleichsetzt. Letztlich hatte Hitler, als er Anfang 1933 Reichkanzler wurde, dank seiner bürgerlichen Koalitionspartner sogar eine Parlamentsmehrheit hinter sich, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Man hat den Deutschen diese "Diktatur" also nicht übergestülpt, sie wollten sie zu ganz großen Teilen-


    bzw. die DDR-Diktatur als das grössere Unglück bezeichnet. Diese Behauptung wird durch ewige Wiederholung nicht richtiger.

    Wenn jemand immer wieder sowohl die DDR als auch die Demokratie kritisiert, nicht aber Nazi-Deutschland, dann müssen die beiden erstgenannten Staaten logischerweise das größere Unglück für ihn sein.


    Dass aber trotz den Erfahrungen mit den Nazis auf Deutschem Boden nachher eine weitere Diktatur errichtet wurde, ist zumindest für mich ein Problem.


    Ja, das ist auch ein Problem, was aber nicht so klar und absehbar war wie heute. Es ging damals nach Kriegsende im zerstörten Deutschland darum, ein anderes, besseres Deutschland aufzubauen. Dass dies gelingen muss und kann, davon waren die Deutschen in Ost- und Westdeutschland überzeugt. Und auf beiden Seiten diktierten die jeweiligen Alliierten, wie dieses neue Deutschland in ihrem jeweiligen Herrschaftsbereich auszusehen habe. In Westdeutschland setzt man eine Demokratie nach dem Vorbild der Westalliierten durch - obwohl man mit den alten Eliten und auch sehr vielen Nazis zusammenarbeitete. In Ostdeutschland stülpte die UdSSR ihr System über - mit der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, die einen Bruch mit der Herrschaft der alten Eliten bedeuteten, aber mit vielen Maßnahmen, die in der Tat ebenfalls undemokratisch und diktatorisch waren und letztlich die Hoffnung auf eine neue und gerechtere Gesellschaftsordnung zerstörten. Deshalb ist die DDR auch zu Recht untergegangen. Aber der Versuch, etwas neues und besseres aufzubauen als der Mörderreich davor, noch dazu unter den schwierigen Bedingungen des Diktats aus Moskau, war erst einmal nicht ehrenrührig. Letztlich hat die Geschichte gelehrt, dass der westliche Weg doch der bessere Weg war, auch wenn dort wie gesagt auch nicht alles ganz koscher war. Aber so schlimm das Unrecht in der DDR teilweise auch war - man kann es nicht mit dem Nationalsozialismus vergleichen, der die halbe Welt mit Krieg überzogen hat und eine ganze "Rasse", Millionen Juden, systematisch auszurotten versuchte. Jede diesbezügliche Gleichsetzung DDR-Nazis ist eine bewusste Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus!


    P.S.: Natürlich mag den Besitzenden die DDR als das schlimmere Übel erschienen sein, während die Nazis den Besitz aller garantierten, die sich mit ihnen arrangierten - deswegen ist das Verhältnis der Verbrechen beider Staaten bzw. in beiden Staaten dennoch überhaupt nicht vergleichbar, die Nazis waren Massenmörder!!!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner