Bayreuth 2018

  • Der Lohengrin gefällt mir bislang auch sehr gut. Die Inszenierung stört nicht weiter, so daß man sich auf den herrlichen Gesang konzentrieren kann.

  • Leider ist der livestream nur in Deutschland empfangbar. So muss ich auf Samstag warten...

    Soetwas ist natürlich außerordentlich ärgerlich! Ähnliche Probleme hat man ja hier in Deutschland bei Streams des ORF oder des SRF; z.B. läßt sich schon seit Jahren die Sendung Diskothek im Zwei, die ich sehr gerne gehört habe, nicht mehr als Podcast herunterladen :cursing:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Mein erstes Fazit. Das Bühnenbild und die Sänger waren hervorragend. Am Ende gab es Öko Strom für alle. Die Inszenierung war leider nichtssagend und Personenregie fand auch nicht statt.

  • Es gab m.E. schon ein paar recht gute, eindrückliche Einfälle in der Personenregie, wenn z.B. Elsa sich zum Nie sollst Du mich befragen wie eine abermals Gefangene in den "Ring" begibt. Auch die Fesselung Telramunds durch Ortrud (darstellerisch, aber auch gesanglich ganz hervorragend Waltraut Meier) war plausibel. Die Szene im Brautgemach müsst man sich mal genauer anschauen, diese Gefühlskälte Lohengrins ... Leider weiß man ja nicht, was einem auf der Bühne entgeht, wenn man nur das livestream-Bild hat. Thielemann noch nicht der ganz perfekte Lohengrin-Dirigent (seinen Tristan vor zwei Jahren fand ich deutlich intensiver), aber auf einem guten Weg. Und schließlich der Johan Botha-Gedächtnis-Gottfried wird auf jeden Fall Schlagzeilen machen, wenngleich ich eher annehme, dass diese Inszenierung uns von einigen Forums-Mitgliedern zukünftig als der Elektrogrin vorgekaut wird ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Thielemann noch nicht der ganz perfekte Lohengrin-Dirigent (seinen Tristan vor zwei Jahren fand ich deutlich intensiver), aber auf einem guten Weg.

    konte bisher bloß 3, Akt per Videostream reinziehn. Orchester unter Thielemann nicht minder intensiv als sein Bayreuther Tristan, Instrumentengruppen vergelchsweise sogar deutlicher voneinander unterscheidbar (ob das im Parkett auch so rüberkommt ?) und keine Momente, in der Zusammenhang von Mucke auseinanderzubröseln drohte, wie etwa die Abwehr von Panama gegen England zur WM. Szenisch kam mir dabei am schlüssigsten die Brautgemachszene rüber. Aber Neuenfels Arbeit bisher ungleich spannender als Sharons. Diese Produktion könnte von einiger Usern auch als Insektengrin vorgekaut werden...

  • Zitat

    MSchenk: Auch die Fesselung Telramunds durch Ortrud (darstellerisch, aber auch gesanglich ganz hervorragend Waltraut Meier) war plausibel.


    Interessant war ja da auch, lieber Michael, dass es bei dem anderen Paar auch eine Fesselung gab, nur ging es da umgekehrt. Elsa wurde von Lohengrin gefesselt. Das machte m. E. regiemäßig durchaus Sinn, dass der jeweils stärkere Partner den jeweils Schwächeren fesselte, wobei die Motivationen der "Fesselnden" jedoch unterschiedlich waren, ebenso wie die "Erfolge" dieser Aktionen. Während Ortrud durchaus erreichte, Telramund in ihrem Sinnen anzustacheln, erreichte Lohengrin mit seiner Aktion das Gegenteil des möglicherweise Beabsichtigten, nämlich Elsa von weiteren Bemühungen, nach seiner Herkunft zu fragen, abzuhalten. Stattdessen trieb er sie immer weiter an den "point of no return".
    Was Waltraud Meier betrifft, eine meiner Lieblings-Wagnersängerinnen, kann ich dir in jeder Hinsicht nur zustimmen. Aber auch Pjotr Beczala und Anja Harteros haben m. E. durchaus überzeugt, und obwohl beide ja in Bayreuth debütierten, sind sie ja insgesamt nicht neu in ihren Rollen. Überhaupt konnte Christian Thielemann, der. m. E. das Orchester souverän führte und einen ungeheuren Drive entwickelte, mit Thomas Konieczny, Georg Zeppenfeld und Pjotr Beczala auf ein Trio setzen, mit dem er schon in Dresden sehr gute Erfahrungen gemacht hat.
    Weiteres Heiteres eventuell morgen.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Deine Befrürchtung einer "Elektrogrin" als Elktrogrin teile ich nicht.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo!


    Ich habe bislang nur die beiden ersten Akten Akte gesehen und war sehr angetan.


    Es ist für mich die erste Lohengrin-Inszenierung, die ich gesehen habe. Nachdem ich Waltraud Meier im Tristan und in Tannhäuser (jeweils Video) gesehen habe, war ich auch hier von ihrer Leistung sängerisch und schauspielerich begeistert.


    Eine Frage an die Wagner-Experten:


    Etwas eigenartig mutete die Kampfszene im ersten Akt an. Zwei Doubles fliegen kurz durch die Lüfte. Dann ruft Lohengrin sich zum Sieger aus. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Wie war das in anderen Inszenierungen?


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Interessant war ja da auch, lieber Michael, dass es bei dem anderen Paar auch eine Fesselung gab, nur ging es da umgekehrt. Elsa wurde von Lohengrin gefesselt. Das machte m. E. regiemäßig durchaus Sinn, dass der jeweils stärkere Partner den jeweils Schwächeren fesselte, wobei die Motivationen der "Fesselnden" jedoch unterschiedlich waren, ebenso wie die "Erfolge" dieser Aktionen. Während Ortrud durchaus erreichte, Telramund in ihrem Sinnen anzustacheln, erreichte Lohengrin mit seiner Aktion das Gegenteil des möglicherweise Beabsichtigten, nämlich Elsa von weiteren Bemühungen, nach seiner Herkunft zu fragen, abzuhalten. Stattdessen trieb er sie immer weiter an den "point of no return".

    Das scheint mir ein kluger Gedanke: Die stärkeren Figuren in den jeweiligen Beziehungen sind sicher Ortrud und Lohengrin. Weiter verköpern sie zwei gegensätzliche Kräfte, nämlich die schwarze und die weiße Magie. Aber anscheinend ist in der Gesamtkonstellation zumindest oberflächlich betrachtet die schwarze Magie die stärkere, denn - wie Du sagst - Ortruds Bestrickung ihres Mannes wirkt, während Lohengrin die Katastrophe nicht verhindern kann. Ich meine mich sogar zu erinnern, dass am Schluß Ortrud nicht, wie im Libretto vorgesehen mit einem Schrei zu Boden sinkt; da kann ich mich aber auch irren. Lohengrin jedenfalls muss das Feld räumen, er hat in gewissem Sinne "verloren". Letztlich führt mich dies wieder zu der Frage, ob Lohengrin tatsächlich der strahlende Schwanenritter-Held ist, zu dem er gerne auch verklärt wird? Ich hatte diese Frage schon vor einigen Jahren anläßlich des Guth-Lohengrin aus Mailand "am Wickel". Was dann passiert ist, läßt sich mit etwas Mühe hier und hier nachlesen, so dass ich weiter auf den Elektrogrin wetten würde ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Aus den bisher erschienenen Presseberichten und einer Reaktion einer Kritikerkollegin direkt nach der Premiere wage ich eine Stellungnahme. Die Neuinszenierung des "Lohengrin" mit der gestern Abend die Bayreuther Festspiele eröffnet wurden ist offensichtlich gut gelungen: Das Orchester unter Thielemann soll alle Feinheiten der Partitur zum Klingen gebracht haben. Die Sänger hätten durchweg hervorragend gesungen. O-Ton: Endlich sei gesanglich wieder das geforderte Bayreuth-Niveau erreicht worden. Am gespanntesten wartete man natürlich auf den Lohengrin-Einspringer Piotr Beczala. Laut Berichten soll er einen ausgezeichneten Schwanenritter gesungen haben. Mit durchaus heldischem Stimmvolumen, dabei aber mit italienischem Schmelz, also betörend schön und mit hervorragender Artikulation und Wortverständlichkeit habe Beczala agiert. Meine Gesprächspartnerin empfand Parallelen zum legendären Sandor Konja. Für uns - durch unsere Diskussionen hier im Forum beflügelt - ist selbstverständlich die Inszenierung besonders wichtig. Laut Presse sei es die werksgerechteste Inszenierung seit Jahren auf dem Grünen Hügel gewesen, die Regisseur Yuval Sharon gestaltet habe. Lohengrin wird als eine Art Retter und überirdischer Helfer dargestellt. Dominierende moderne Bilder seien ein stilisiertes Umspannwerk gewesen, - schon kursiert der ironische Begriff Elektrogrin im Forum - die männlichen Darsteller hätten Insektenflügel gehabt und der Heldenkampf habe im Luftraum stattgefunden. Prunkstück wie fast immer der Bayreuther Festspielchor. Die Lichtregie mit der Farbe Blau als Schwerpunkt sei einfach nur schön gewesen. (Soviel Schlussfolgerungen aus den Presseberichten und einem halbstündigen Telefonat mit einer Kennerin nach der Premiere.)

    Wir werden die Aufführung elbst im Fenrsehen erleben dürfen und dann weit substanzreicher diskutieren können. Sollte hier tatsächlich eine Synthese zwischen Moderne und Tradition geglückt sein? Das wäre dann ein Glücksfall für die Oper und ein Fingerzeig in die Gegensätze einigende Richtung. Werden wir Taminos diese Chance zur Versachlichung unserer Auseinandersetzungen nutzen können? Ein Segen wäre dies in jedem Fall.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Wer nicht auf Samstag warten will, kann sich die gestrige Aufführung bereits jetzt anschauen: https://www.br-klassik.de/concert/ausstrahlung-1485790.html


    Weiter die ersten Kritiken; z.B.

    (sämtlich zuletzt aufgerufen am 26.07.2018)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Nun habe ich mal alle 4 eingestellten Kritiken gelesen. Ich hätte es nicht tun sollen, denn ich bin ratlos. Hier sind überschwängliches Lob und harsche Kritik nebeneinander, sowohl hinsichtlich Inszenierung als auch teilweise bei der musikalischen Umsetzung. Thielemann erhält generell Lob, beim Heerrufer und bei Telramund gibt es unterschiedliche Meinungen. Gelobt wird Elsa, Ortrud, Lohengrin.
    Mancher findet das Blau gut, den anderen stört dann der Farbwechsel ins Grüne. Manche finden die Insekten Klasse, manche nicht. Das Lesen in der Brautnacht habe ich nicht gemacht, aber 1969 waren andere Zeiten. Vom Schwan hat wohl keiner geschrieben, oder habe ich das überlesen? Lohengrin als Monteur am Trafohäuschen, gewöhnungsbedürftig. Usw.
    Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mir das selbst anzutun, denn schließlich war der Großteil des Premierenpublikums amüsiert, wenn auch wohl an unüblichen Stellen Heiterkeit aufkam. Ich werde also am Sonnabend meine Engelsflügel anlegen, 3Sat anstellen und mich mit szenischen Vorurteilen auf die Musik konzentrieren. Ob ich durchhalte angesichts der Ausweichvariante eines oder mehrerer Glas Bier auf der Terrasse? Ich kann jederzeit den Aufnahmeknopf drücken, mein Bier trinken gehen und später gucken. Oder löschen. Tendenz: Neugier auf die Musik, innerliche Ablehnung gegenüber Bühnenbild und Kostümierung. Kasperletheater will ich nicht. Und meine Engelsflügel kann ich auch beschämt wieder ablegen.


    Ich hätte diese 4 Kritiken nicht lesen sollen. Böser MSchenk!! Aber Lohengrin ist mein Lieblings-Wagner!! Ach ja, notfalls kann ich mir ja eine DVD einlegen, ohne Engelsflügel, ohne Umspannwerk, ohne Neo Rauch, nicht in Blau. Oder ganz auf Musik verzichten.
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Lieber MSchenk,
    danke für den Service des Einstellens von Kritiken und Aufzeichnung.

    Nun habe ich mal alle 4 eingestellten Kritiken gelesen. Ich hätte es nicht tun sollen, denn ich bin ratlos. Hier sind überschwängliches Lob und harsche Kritik nebeneinander, sowohl hinsichtlich Inszenierung als auch teilweise bei der musikalischen Umsetzung. Thielemann erhält generell Lob, beim Heerrufer und bei Telramund gibt es unterschiedliche Meinungen. Gelobt wird Elsa, Ortrud, Lohengrin.


    Mancher findet das Blau gut, den anderen stört dann der Farbwechsel ins Grüne. Manche finden die Insekten Klasse, manche nicht. Das Lesen in der Brautnacht habe ich nicht gemacht, aber 1969 waren andere Zeiten. Vom Schwan hat wohl keiner geschrieben, oder habe ich das überlesen? Lohengrin als Monteur am Trafohäuschen, gewöhnungsbedürftig. Usw.

    Ja, lieber Ulli mit dieser Ratlosigkeit bist Du nicht allein. Die Kritiker, die von Berufs wegen ja alles besser wissen, wissen ebenfalls nicht war es die werkgerechteste Inszenierung seit Menschengedenken oder eine ganz moderne Inszenierung? Genau dies ist für unsere Diskussionen wie geschaffen. Ich hoffe, dass alle die mit diskutieren sich die Inszenierung anschauen und dann können wir anhand des lebenden Objekts diskutieren und vielleicht der lang erhofften Synthese Tradtion/Moderne etwas näher kommen..
    Herzlichst


    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ihre Ratlosigkeit, die La Roche und Operus hier zum Besten geben, könnten möglicherweise zwei im Bereich der Oper kompetente Damen ausräumen, die in einer Nachrichtensendung des Westdeutschen Rundfunks, natürlich wegen der knapp bemessenen Zeit nur in Ausschnitten gesendet, zu Worte kamen:
    Frau Dr. Angela Merkel und Frau Dr. med. von der Leyen. Letzterer ist vielleicht ein Hauch von Vorzug zu geben, weil ein Onkel Dirigent ist: George Alexander Albrecht.
    Da Operus und La Roche allerdings nicht im Sendebereich des WDR wohnen, können sie nur auf Erleuchtung hoffen, wenn sich die beiden Kritikerinnen in den Televison-Nachrichten äußern.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lohengrin als Monteur am Trafohäuschen

    Wenn das der Führer wüßte!! :rolleyes:


    Lieber La Roche,


    im Ernst: Als ich das sah und las, kam mir spontan der Gedanke: Warum eigentlich Lohengrin nicht als Gas-, Wasser-, Sch….-Monteur am Dixihäuschen? Gäbe doch denselben Sinn, nämlich gar keinen (zumindest für mich). Da helfen weder Erklärungen in schlichtem Deutsch noch hochgeistige Interpretationen - die einfache Frage "Was soll der Unsinn" wird mir niemand schlüssig beantworten können. Deshalb stelle ich sie erst gar nicht.


    Ihre Ratlosigkeit könnten möglicherweise zwei im Bereich der Oper kompetente Damen ausräumen, die in einer Nachrichtensendung des Westdeutschen Rundfunks, natürlich wegen der knapp bemessenen Zeit nur in Ausschnitten gesendet, zu Worte kamen:
    Frau Dr. Angela Merkel und Frau Dr. med. von der Leyen.

    Eigentlich genügt dafür Frau Merkel. Sie kann das Ganze mit einem einzigen Wort erklären: Alternativlos! :D

    LG, Nemorino



    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Da sich jetzt immer mehr äußern, die die Inszenierung noch gar nicht gesehen habe, bitte ich um eine Verschiebung ins Regietheater-Forum...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wenn das der Führer wüßte!! :rolleyes:


    Sicherlich würde ihm einiges am heutigen Bayreuth nicht gefallen: die fehlenden Hakenkreuzfahnen am Haus, dass letztes Jahr ein Jude die "Meistersinger" inszeniert hat, dass heuer ein Pole den Lohengrin singt... Aber vielleicht würde es ihm gefallen, dass es auch heute noch Leute gibt, die seine etwaige Meinung für so maßgeblich halten, dass sie sie - und sei es nur im Spaß - hier meinen bemühen zu müssen...

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  • Ich hätte diese 4 Kritiken nicht lesen sollen. Böser MSchenk!!

    Ich werd' mich schämen, wenn es kühler ist :hello: Ansonsten versuche ich Kritiken zu Aufführungen, die ich noch sehen will, zu vermeiden. Erst hinterher habe ich dann Spaß daran, mir erklären zu lassen, was ich eigentlich hätte denken sollen ;)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Da sich jetzt immer mehr äußern, die die Inszenierung noch gar nicht gesehen habe, bitte ich um eine Verschiebung ins Regietheater-Forum...

    Immerhin, lieber Stimmliebhaber, bis inkl. Beitrag 77 hat die dünne Decke des zivilisierten Diskurses noch einigermaßen gehalten. Ich finde, dass ist ein Fleißbienchen wert!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Mir hat's sehr gefallen. Am Wochenende hoffe ich Zeit zu einem Kurzbericht zu finden.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • War gestern in Dortmund mit meiner Frau zur Kinoübertrageung. Tadelloser Live-Stream übrigens, von anderen Kinos wurden auch Ausfälle berichtet. Um es kurz zu machen: wir fanden die Aufführung sensationell. Musikalisch und sängerisch war es ein Fest, die Inszenierung war stimmig. Beeindruckend das streckenweise Agieren in den Gemälden von Neo Rauch (Ortrud Telramund 2. Aufzug). Freilich, im Kino klingt's nicht wie auf dem Hügel; Abstriche dürften da weniger bei der Technik in Bayreuth zu machen sein, als bei der Bereitschaft der Kinos, das Maximum herauszuholen. Da dürfte Dortmund nacharbeiten. Vieleicht sind auch die großen Multiplex-Kinos die falschen Orte für dergleichen. Als Opernliebhaber fühlt man sich unter dem Restpublikum inkl. Kartenverkäufer etwas deplaziert.
    Was mir besonders bei Waltrud Meiers Ortrud aufgefallen ist: die hat nicht nur gesungen, die hat die Frau perfekt gespielt. Das war schauspielerisch großes Kino, was ich auch für die übrigen Akteure mit Abstrichen festhalten möchte. Lohengrin fällt am Ende in einen Klassiker der Opernklamottenkiste: vor Schmerz über sein Scheitern geht er mit Stummfilmgestik ein paar Schritte nach vorn, fällt zu Boden und hebt dann mit der Gralserzälung an. Stimmlich allerdings vom Feinsten, tatsächlich hatte ich bei dieser Stimme auch wiederholt an Sandor Konya gedacht, zumal in den Höhen.
    Eigentlich tue ich mich mit Wagners romantischen Opern ein wenig schwerer als mit seinen späteren Werken, dieser Lohengrin allerdings hat mich mit Wucht gepackt, ein Ereignis.
    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich weiß nicht, wer von den bisherigen Mitdiskutanten die Sendung auf Ski 1 HD gesehen hat. Sie ging von 15.00 Uhr bis 22:30 Uhr, und bis auf zwei kurze Aussetzer waren eigentlich Ton und Bild erstklassig, zumindest, wenn man einen UHD-Fernseher hat und eine anständige Verstärkung.
    Außer der Oper selbst fand ich die Pausengspräche recht aufschlussreich, und, um ganz ehrlich zu sein, hätte ich Studiogästen wie Thomas Hermann und Desiree Nick solche dezidierten Äußerungen, wie sie sie tätigten, gar nicht zugetraut, vergaß dabei aber, dass Desieree Nick ja durchaus einen klassisch-musikalischen Hintergrund hat. Und einer der Gäste in dem sogannten Studio tat gegenüber dem Moderator (beider Namen habe ich allerdings vergessen, durchaus eine interessante Äußerung: er verglich die Regie-Idee mit dem "elektrischen Umspannwerk" und unserem Lohengrin als Überbringer der elektrischen Energie mit dem Prometheus-Gedanken. Ich fand das einleuchtend (im wahrsten Sinne des Wortes), weil diejenigen, die den Fortschritt an sich optimistisch sehen, Prometheus auch mit der Emanzipation des Menschen in Verbindung bringen, und die unstillbare Wissbegierde des Menschen, hier in der Person der Elsa, siegt ja letzten Endes über den Willen des Gottähnlichen, hier in der Person des Lohengrin, sich den Menschen, also Elsa, untertan zu machen, und dadurch emenzipiert sich Elsa ja.
    Und an dieser Stelle darf ich schon mal eine erste Lanze brechen für die wunderbare Anja Harteros, die nicht nur wunderbar gesungen hat, sondern auch ergreifend gespielt hat. Wer alleine ihre (Körper)-Haltung aus der Anfangsszene mit der in der Schlussszene vergleicht, kann schon dadurch ihre Emanzipation ablesen.
    Wenn das auch ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Sängerin ist, kann ich die Äußerung Rodolfos, dass hier Personenregie nicht stattgefunden hat, nicht nachvollziehen. Ich sehen Personenregie nicht alleine darin, die Handelnden zu möglichst viel Aktionsimus zu verleiten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo Willi!


    Wie ich oben geschrieben habe, habe ich bislang nur die beiden ersten Akte gesehen. Der dritte folgt.


    Mit meinen bisherigen Eindrücken schließe ich mich allerdings voll Deiner Auffassung an, wenngleich ich auf die Entwicklung der Elsa im dritten Akt gespannt bin.


    Die Inszenierung war ziemlich statisch, was ich wohltuend empfand. Durch das meines Erachtens gewaltige (im positiven Sinn) Bühnenbild, hätte ein Mehr an Aktivitäten der Protagonisten oder des Chores (was Hermanns ja bemängelte) die Inszenierung möglicherweise überladen.


    Dass die Rezeption sehr unterschiedlich ist, zeigt dieser beinahe Totalverriss auf SWR2, den ich in keiner Weise nachvollziehen kann:


    Lohengrin Kritik SWR2


    Ich möchte allerdings nochmal auf die Frage zurück kommen, die ich in Beitrag 69 hinsichtlich der Kampfszene gestellt hatte. Vielleicht kann mir jemand weiter helfen.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Lieber Willi,
    ich hab mir die Übertragung auf Sky Arts angeschaut und war auch positiv überrascht von Frau Nick. Die Übertragung war sehr kurzweilig und man bekam auch interessante Einblicke aus dem Festspielhaus. Ich hab ja geschrieben das mir der Lohengrin seh gut gefallen hat. Herr Bezcala war als Lohengrin textverständlicher als mancher deutscher Tenor. Übertriebenen Aktionismus brauch ich auch nicht. Aber es würde doch viel rumgestanden Gesanglich hat sich Bayreuth in den letzten Jahren verbessert. Besser als am Mittwoch kann man den Lohengrin zur Zeit nicht besetzten. Gestern hab ich den Parsifal im Radio gehört der ebenfalls ein Hörerlebnis war, vor allem Andreas Schläger war brilliant als Parsifal. Aber es ist doch ein Armutszeugnis, daß ausländische Sender die Übertragungen vom BR aus Bayreuth live übernehmen und der BR die Übertragungen erst später sendet.

  • Nun ist der Kampf um die Deutung und Beurteilung des diesjährigen, neu inszenierten Lohengrin in voller Breite entbrannt. Ein Teil der Kritiker findet die Aufführung musikalisch, sängerisch, regielich und gestalterisch in Bühnenbild und Kostümen äußerst gelungen, ein anderer moniert, dass alles restriktiv, rückwärtsgewandt und altbacken sei. Ein lähmender Mehltau habe sich über die Aufführung gelegt und alle Ideen erstickt. In jedem Fall scheint es ein Lohengrin zum Nachdenken zu sein. Genau dies ist gut so, denn dadurch wird Diskussion gefordert und provoziert. Ich hoffe, dass dieser Lohengrin noch lange nachwirken wird. Kurz und gerafft unser Eindruck, der allerdings dadurch begrenzt wurde, dass wir die Aufführung nur am kleinen PC-Bildschirm sehen konnten: Musikalisch schöpfte Thilemann alle Feinheiten und Differenzierungen der Lohengrin Musik brillant aus, sängerisch wurde mit Ausnahme eines brüllenden Heerrufers und eines genauso brutal singenden, jedoch überzeugend spielenden Telramund bestes Bayreuther-Spitzenniveau geboten. Besonders herausragend Waltraud Meier als hervorragend singende und spielende Ortrud. Piotr Beczala ist in Gesang, Spiel und Ausstrahlung der Lohengrin, auf den wir lange gewartet haben. Chöre wie immer eine Wucht. Regie fließend mit gemäßigten dramatischen Höhepunkten. Scharfe Charakterzeichnung der beiden Frauen Elsa und Ortrud. Läppisches Kasperltheater der Luftkampf. An der Grenze der Lächerlichkeit das Singen aus dem Guckkästchen bei der Begegnung Elsa/Ortrud. Überwältigend schön das malerische, romantische Bühnenbild. Wir diskutieren noch über den Sinn der Umspannstation, die so wenig Feuer sprühte. Vielleicht ist dies eine Metapher für die ganze Lohengrin Inszenierung: Mehr Feuer hätte dieser Inszenierung genau die brennende Intensität geben können, die zum ganz großen Erlebnis doch fehlte. :jubel: :jubel:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zitat

    operus: Ein Teil der Kritiker findet die Aufführung musikalisch, sängerisch, regielich und gestalterisch in Bühnenbild und Kostümen äußerst gelungen, ein anderer moniert, dass alles restriktiv, rückwärtsgewandt und altbacken sei. Ein lähmender Mehltau habe sich über die Aufführung gelegt und alle Ideen erstickt.


    Alleine diese beiden Sätze, lieber Hans, beschreiben m. E. sehr prägnant die Crux der heutigen Regietheaterdiskussion. Ich finde, dass Yuval Sharon hier im Verein mit Neo Rauch durchaus versucht hat, das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen, und ich glaube, wenn Wagner im Premierenpublikum gesessen hätte, dass ihm das durchaus gefallen hätte, auch wenn die Idee mit dem Umspannwerk nicht in seiner Partiur stand und der stilisierte Schwan ein wenig an die äußere Form der Vorstufe des amerikanischen Tarnkappenbombers B 2 erinnerte. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Gut erkannt lieber Willi. Wir freuen uns schon auf Deinen Besuch.


    Herzlichst
    Ingrid und Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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