SMETANA Bedřich Smetana - Die Sinfonischen Dichtungen neben "Má vlast"

  • Was Smetana anbelangt, so ist es sinnvoll, in diesem Thread nur die Sinfonischen Dichtungen neben "Má vlast" ("Mein Vaterland") zu behandeln, da es dazu bereits einen ausführlichen Thread gibt. Außerdem würde sich bei einer Nichtausklammerung die Diskussion wohl fast nur darum drehen.


    Es gibt folgende Sinfonische Dichtungen, die sich in der Tradition von Franz Liszt sehen, den Smetana 1857 in Weimar traf und dort dessen "Faust-Symphonie" und die Sinfonische Dichtung "Die Ideale" hörte, was ihn stark prägte:


    - "Richard III." op. 11 (nach W. Shakespeare; 1858)
    - "Wallensteins Lager" op. 14 (nach F. v. Schiller; 1859)
    - "Hakon Jarl" op. 16 (nach A. Oehlenschläger; 1861)


    Sie alle stammen aus Smetanas Zeit in Göteborg in Schweden, wohin er sich zwischen 1856 und 1861 aus politischen Gründen (Neoabolutismus im Kaisertum Österreich) begab und dort als Leiter der Philharmonischen Gesellschaft fungierte.


    Die drei genannten Sinfonischen Dichtungen Smetanas ähneln sich in ihrer Form, sind sie doch verkappte und verkürzte Sinfonien in vier Sätzen. In "Richard III". wird der von Shakespeare stark dämonisierte englische König aus dem späten 15. Jahrhundert dargestellt, sein Aufstieg und Fall. "Wallensteins Lager" war zunächst als Ouvertüre zu Schillers Drama vorgesehen. Die vier Teile bestehen aus buntem Lagerleben, Kapuzinerpredigt, Nachtwache und abschließendem Marsch. Da die Vorlage in Böhmen spielt, konnte Smetana hier einiges an Lokalkolorit einbauen. "Hakon Jarl" schließlich ist sicherlich die ambitionierteste und letztlich ausgereifteste dieser frühen Tondichtungen. Thematisiert wird das späte 10. Jahrhundert in Norwegen, als in der Gestalt des historischen Jarl (Graf) Hakon ein letztes Mal der Versuch einer Erneuerung des bereits im Niedergang befindlichen Heidentums unternommen wurde. Hakon amtierte als Statthalter und faktisch Usurpator gegen den Christen Olaf Tryggvason, den legitimen Erben des gestürzten Königs. Am Ende setzt sich das Christentum durch und Hakon, der letzte nennenswerte Vertreter des Heidentums, fällt im Kampf, obwohl er zuvor noch den alten Göttern seinen einzigen Sohn opferte.


    Was Aufnahmen anbelangt, so ist die Situation ziemlich überschaubar.



    1971 spielte Rafael Kubelík die drei Sinfonischen Dichtungen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks für DG ein. Diese Aufnahmen waren lange Zeit der Klassiker und können sich auch heute noch gut behaupten, auch wenn sie klanglich nicht mehr ganz mithalten.



    1974 legte Václav Neumann diese Werke mit der Tschechischen Philharmonie bei Supraphon vor.



    Erst 2006 folgte wohl die nächste Einspielung der drei Werke, diesmal durch das Prager Rundfunk-Sinfonieorchester unter Vladimir Válek, wiederum für Supraphon.



    2007 dann bereits die nächste Aufnahme des BBC Philharmonic unter Gianandrea Noseda bei Chandos. Nach einigem Vergleichshören tendiere ich stark zu diesen Einspielungen, die sowohl interpretatorisch als auch klanglich formidabel geraten sind.



    Daneben gibt es neben ein paar wenigen historischen Monoaufnahmen nicht allzu viel. "Hakon Jarl" wurde 1978 von Walter Weller mit dem Israel Philharmonic Orchestra für Decca eingespielt.


    Persönliches Fazit: Besonders "Hakon Jarl" ist eine voll ausgereifte und überzeugende Sinfonische Dichtung, die durchaus mit den besten von Liszt, Tschaikowski oder Dvořák mithalten kann. Es ist schade, dass sie praktisch so gut wie nie gespielt wird.


    Wer sich einen Eindruck von "Hakon Jarl" verschaffen will: Hier ein Konzertvideo von 1994 mit der Tschechischen Philharmonie unter dem sichtlich gealterten Neumann. Große Klasse!


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Josef,


    den Thread zu Smetanas weiteren Orchesterwerken (neben dem Zyklus Mein Vaterland) hatte ich auch geplant. Danke - nun kann ich mich diesem anschliessen.


    Mit den bereits von Dir genannten Kubelik-Aufnahmen der Sinfonischen Dichtungen (DG) bin ich persönlich so zufrieden, sodass ich im Prinzip nie daran gedacht hatte unbedingt eine Vergleichsaufnahme haben zu müssen. Ich finde diese auch klangtechnisch voll OK und von der Int absolut zupackend. Kubelik lässt auch den Pauken effektvoll ihren Raum !


    Ich habe diese CD auf der Kubelik als tolle Beigabe auch eine fabelhafte Janacek-Sinfonietta präsentiert:


    - auf der DG-Erstfassung der CD ist sogar von 4 Sinfonischen Dichtungen die Rede -
    41CtRL3bz6L.jpg
    DG, 1972, ADD


    Ich habe aber die GALLERIA-CD (die um Janacek erweitert ist):


    217E1HE3HSL.jpg
    DG, 1972, 1971 (Janacek), ADD



    Die 4.Sinfonische Dichtung ist nämlich


    Prager Karneval für grosses Orchester (1883)
    Das kurze Werk ist in 2 Teile eingeteilt -
    1. Introduktuon. Maskengewimmel
    2. Polonaise. Balleröffnung


    *** Es ist die letzte Partitur, die Smetana noch vor seiner geistigen Umnachtung vollenden konnte. Das Werk wurde am 02.März 1884 zu Smetanas 60.Geburtstag in Prag uraufgeführt.
    - Spieldauer mit Kubelik = 5:38




    Ich kann mir bei den Neuaufnahmen sehr gut vorstellen, dass Noseda (Chandos) eine TOP-Aufnahme der 4 Sinfonischen Dichtungen vorgelegt hat, denn dass er dieses Repertoire der Spätromantik und später absolut gekonnt drauf hat, hat er schon in zahlreichen anderen glänzenden Chandos - Aufnahmen bewiesen (ganz herausragend die Sinfonie Nr.2 und andere sinf.Werke von Casella !!!)

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Um alle Orchesterwerke von Smetana zu haben hatte ich mir vor ca 2Jahren die abgebildete 3CD-BRILLANT-Box mit Kuchar gekauft.
    Es spielt das Janacek Philharmonic Orchestra ... das 3CD-Set ist für einen Minipreis zu erwerben und das Geld wert - ordentliches Textheft inclusive.


    Die Aufnahmen sind alle von ordentlicher Qualität und die Int kann durchweg überzeugen, wenn auch nicht in allen Fällen mit den TOP-Aufnahmen (Mein Vaterland und die 4 Sinf.Dichtungen) mithalten kann.
    Aber zum Beispiel die Festive Symphony E-Dur op.6, die Doktor Faust - Ouvertüre oder der Shakespeare Festival Marsch op.20, die sehe ich erstmals auf CD; und die sind mit Kuchar wirklich gut in Klang gesetzt. Kuchar und das Orchester sind in allen Fällen mit Verve und Spielspass dabei.


    :!: - den kompletten Inhalt der 3 CD kann man lesen, wenn man das Cover anklickt und die Rückseite anschaut -



    BRILLANT, 2007, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang