Manchmal bin ich etwas irritiert und ärgere mich fast, wenn in solcher Weise mit Anekdoten über die persönlichen Probleme und Marotten von Bruckner gesprochen wird, dessen Musik ich so gern höre. Aber vielleicht ist das ja auch eine Stärke: Kaum ein Komponist versteht es offenbar so gut, Gefühle aus ihrer Bindung und Entfremdung an Konventionen zu lösen und in einer Direktheit zu komponieren, die unmittelbar anspricht.
Das löst Angst aus, dann in der stark von Konventionen geregelten Welt nicht bestehen zu können. Und das führt zu der Frage: Wie hat Bruckner das geschafft oder eben nicht geschafft. Die einen, die sich den Konventionen unterworfen haben und den Schmerz darüber tief im Innern vergraben haben, mögen über Bruckners Versagen triumphieren. Die anderen können eigene Probleme und Schwächen in ihm wieder erkennen und in den Biographien und Anekdoten Bruckners ein Beispiel finden, wie es jemand anders gegangen ist. Da die Welt nicht aus Schwarz-Weiß besteht, werden sich meistens diese beiden Haltungen mischen.
Was Helmut über Bruckners Musik als Rätsel schreibt, kann ich nachvollziehen. Bruckner trifft den Punkt, wo jeder selbst sich ein Rätsel ist. Daher lädt diese Musik so ein, sich mal ganz mit ihr und dem Menschen, der sie komponiert hat, zu identifizieren, und dann wieder von dieser großen Nähe abzustoßen.
Auch Brahms kam aus ärmlichen Verhältnissen. Clara Schumann war entsetzt über die Enge, als sie ihn zum ersten Mal in Hamburg besuchte.
Viele Grüße,
Walter