Mozart, Wolfgang Amadé: Die Streichquartette

  • Salut,


    ersteinmal vorab:


    Zitat

    Original von Pius
    Mozart hatte anscheinend bei der Niederschrift des Quartetts ungewohnt viel Mühe.


    Woraus schliesst Du das? Resp. was meinst Du damit genau?



    Zitat


    Original von Pius


    Noch ein paar Sonderwünsche an Ulli:
    Kannst Du etwas zur besonderen Behandlung des Cellos in diesem Werk schreiben (z.B. im Trio des Menuetts)? Das Werk sollte ja dem König Friedrich Wilhelm II., einem cellospielenden Preußenkönig, gewidmet werden.
    Wenn Du mal Zeit hast, wäre es sehr nett, wenn Du interessante formale/kompositorische Details des Schlußsatzes erläutern könntest.


    Das Werk wurde im Juni 1789 in Wien vollendet. Der Titel der Originalpartitur lautet:


    im Junius, in Wienn. Ein Quartett für 2 Violin, Viola et Violoncello. für Seine Majestät den König von Preußen.


    Mozart plante eine Reihe von sechs Quartetten, die er dem König von Preußen widmen wollte. Dabei - um sich einzuschmeicheln - nahm er besondere Rücksicht darauf, dass Seine Majestät ein ambitionierter Cellist war. Er baute also in jedem Satz ein resp. mehrere Soli für das Cello ein - und das in den schönen hohen Lagen. Sie sind auffallend und wunderbar.


    Dem geht voraus, daß Mozart im April 1789 den Krönungsfeierlichekiten am hofe zu Dresden beiwohnt und in Berlin am 26 Mai nach einigen Anlaufversuchen König Friedrich Wilhelm II. persönlich trifft. Angeblich erhielt Mozart vom König für dieses - später komponierte - Quartett eine goldene Dose nebst 100 Friedrichsd'or. Dem Papier und der Schrift nach, auf dem dieses Quartett komponiert wurde, hatte Mozart wohl betreffend der ersten beiden Sätze kurzfristig auf Entwürfe aus den Jahren 1770 bis 1774 zurückgegriffen - so schreibt es jedenfalls Köchel. Mozarts finanzielle Lage war sehr angespannt und zudem war auch seine Frau krank. Vielleicht hatte er vor, dem Beispiele Luigi Boccherinis zu folgen, der seit 1787 preußischer Hofkomponist war. Jedenfalls dürfte Mozart sich eine Verbesserung seiner Finanzen erhofft haben.


    Bei KV 589 und 590 verzichtet Mozart in seinem Werkeverzeichnis auf die Widmung - und belässt es anstelle der sechs geplanten bei drei Quartetten und spielt Mitte 1790 mit dem Gedanken, sie stechen [bei Leopold Kozeluch] zu lassen, doch da waren sie noch nicht ganz fertig:


    [...] Wie ich ausziehe, so muß ich 275 fl. wegen der neuen Wohnung zahlen - leben muß ich auch bis meine Academien in Ordnung sind und bis meine Quartetten so ich in Arbeit habe zum Stich befördert werden [...]


    und erbittet darauffolgend 600 fl. von seinem Freund Michael Puchberg. In der Tat hindern ihn seine Geld- und Familiensorgen an der Arbeit:


    Wenn Sie wüßten was mir das alles für Kummer und Sorgen macht - es hat mich die ganze Zeit her verhindert meine Quartetten zu endigen [...] [17. Mai 1789].


    Endlich gibt er den Plan auf: Nun bin ich gezwungen meine Quartetten /: diese mühsame Arbeit :/ um ein Spottgeld herzugeben, nur um in meinen Umständen Geld in die Hände zu bekommen [...].


    Der Verlag Artaria nahm sich des Auftrages an, verzögerte aber aus unerfindlichen Gründen die Herausgabe der drei Werke: Sie erschienen erst am 28. Dezember 1791 ;(


    Zum Finale:


    Geplant war ursprünglich ein typisches Rondeaux mit ganz anderen Themen. Dazu sind acht Takte 1. Violinstimme, datiert Wien Juni 1789, erhalten geblieben:



    Der Finalsatz beginnt mit dem lieblichen Cello-Solo. Dieses Thema wird den gesamten Satz durchsetzen. Der Satz gliedert sich wie folgt:


    Exposition [Thema: Cello] - Thema A T [1] -[18], Tonika
    Überleitung I - Thema Aa T [19] - [25], Tonika
    Überleitung II - Thema Aaa T [26] - [31], Tonika -> Dominante
    Durchführung I - Thema A' T [32]-[49], Dominante
    Durchführung I - Thema Aaaa T [50] - [57], Dominante
    Thema B T [58] - [65/66], Dominante
    Rückführung I T [66] - [71], D -> T
    Variation I [Thema 1. Violine] - Thema A T [72] - [89/90], T
    Überleitung II - Thema Aa T [90] - [98], T [ab Mitte 96 moll]
    Überleitung II - Thema Aaaa T [99] - [104], C-Dur-Septakkord
    Durchführung II - Thema A' T [105] - [127], F-Dur -> A-Dur
    Durchführung II [Thema 2. Violine] - Thema A' T [128] - [154] -> Dom.
    Thema B T [155] - [162], Tonika
    Vorgetäuschte Rückführung II T [163] - [165, Mitte], D7
    Durchführung III T [165, Mitte] - [172] -> A-Dur
    Neue Rückführung Thema C T [173] - [181], Dominante
    Reprise Thema A [Trillerbegleitung in den Vl.] T [182-189], T
    Reprise Thema A [Triolengebleitung in Vc, Alto] T [190-199], T
    Schlußgruppe T [200-229], T


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    man könnte noch ergänzen, dass man jetzt beim Urwaldfluss 7CDs Mozart mit dem ABQ förmlich nachgeschmissen bekommt!


    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo, Ulli!


    Das ist ja super! :jubel:
    Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung.
    Ich werde gleich morgen das Quartett(-Finale) nach Deiner Beschreibung hören.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    die 'Beschreibung' ist sicherlich keine musikwissenschaftliche, sondern diejenige eines verehrenden Hörers, der sich ein wenig auszukennen glaubt.


    :angel:


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Wir haben uns mit dem d-moll Streichquartett Nr. 15 KV 421 ( 1783 ) befasst und sechs Aufnahmen verglichen.
    In Mozarts Quartettschaffen gibt es nur drei Moll-Werke, darunter ist wohl das d-Moll-Quartett KV 421 das intensivste. Mozart komponierte es teilweise während seine junge Frau Constanze im Nebenzimer ihren ersten Sohn Raimund Leopold gebar - das war am 17. Juni 1783 - und er widmete es zusammen mit fünf weiteren Quartetten seinem verehrten Freund und Vorbild Joseph Haydn. Es handelt sich um ein melancholisches, introvertiertes und ergreifendes Werk.


    Die Aufnahmen:


    Borodin Quartett (1969)
    Chandos H 10151
    Etwas zu flott gespielt, mit Leichtigkeit aber unruhig, leicht unsaubere Triolen, verwaschener Klang.


    Salomon String Quartet (1985)
    Hyperion CDA 66170
    Zähflüssig gespeilt, tranig mit wenig Schwung interpretiert, historisierender Ansatz.


    Alban Berg Quartett (1987)
    EMI CDC 7 49220-2
    Grosse Musikalität mit schöner Intervallspannung und kluger Stimmführung und lebendiger Artikulation, schlicht hervorragend. Zweiter Satz leicht zu schnell aber nicht störend. Sehr ausgewogen mit wunderbaren Pausen und zauberhaften Nebenstimmen.


    Quatuor Mosaïques (1990)
    Astrée naïve E 8843
    Moderat gespielt mit zelebrierten Trillern und seltsamen Phrasierungen, etwas betulicht vorgetragen trotz meist schönem Tempo.


    Hagen Quartett (1995)
    DG 471 024-2
    Sehr geschlossen und wunderschön vorgetragen, saubere Pausengestaltung und schöner Durchführung im Dienste der Musik. Im zweiten Satz etwas scharfes und schroffes Klangbild mit grosser Hingabe. Insgesamt wunderschön mit vielen Impulsen und grosser Dramaturgie.


    Klenke Quartett (2004)
    Profil Hänssler PH 04027
    Nivelierte Interpretation, weniger Differenziert als Berg- und Hagen- Quartett . weniger innerer Spannung gespielt, unaufgeregt. Im zweiten Satz schöne Pausengestaltung mit weichem Klang, gelegentlich etwas unpräzis. Insgesamt schöne Aufnahme.


    Wie wohl leicht aus den Beschreibungen zu lesen ist, gefallen uns mit Abstand folgende zwei Aufnahmen am Besten.



    Alban Berg Quartett



    Hagen Quartett


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

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  • Zitat

    Original von romeo&julia
    In Mozarts Quartettschaffen gibt es nur drei Moll-Werke, darunter ist wohl das d-Moll-Quartett KV 421 das intensivste.


    Hallo - hier wieder etwas vom Besserwisser mit dem hohen Tellerrand:


    Wenn Ihr ganz abstrakt von "Mozarts Quartettschaffen" sprecht, so ist die Aussage sicherlich korrekt. Da es sich hier aber um den Streichquartett-Thread handelt, möchte ich erwähnen, dass es lediglich zwei vollendete Streichquartette Mozarts im Tongeschlecht moll gibt:


    Nämlich das Quartett KV 173 und das von Euch geschätzte KV 421, beide in d-moll. Für das Klavierquartett g-moll KV 478 haben wir einen separaten Thread.


    Es gibt jedoch einige Fragmente Mozarts zu moll-Streichquartetten: Es ist mehr als bedauerlich, dass diese nicht vollendet wurden:


    KV 417c d-moll, wohl ursprünglich als Finalsatz für KV 421 vorgesehen
    KV 417d e-moll, ein Kopfsatz
    KV 587a g-moll, ein Kopfsatz


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Es gibt jedoch einige Fragmente Mozarts zu moll-Streichquartetten: Es ist mehr als bedauerlich, dass diese nicht vollendet wurden:


    KV 417c d-moll, wohl ursprünglich als Finalsatz für KV 421 vorgesehen
    KV 417d e-moll, ein Kopfsatz
    KV 587a g-moll, ein Kopfsatz


    Gibt es Vermutungen, warum die anderen Stücke fragmentarisch blieben (sind das wirklich komplette Sätze?)? Wäre KV 587a eins der Preussischen Quartette 4-6 geworden, oder ist das unabhänig davon entstanden?


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Salut Johannes,


    Mozart machte sich insgesamt bei der Arbeit an den "Haydn-" und "Preußischen" Quartetten sehr viel Arbeit. Er selbst schreibt in großer Geldnot, dass er nun "diese Mühsame Arbeit" um einen Hungerlohn [an einen Verleger] verkauft hat.


    KV 417c ist eine begonnene Fuge von 11 Takten und entspricht daher von der Gesamtkonzeption KV 173. Die Fuge ist zwar toll - jedenfalls das, was davon da ist - aber sie würde definitiv nicht zu dem Quartett KV 421 passen.


    Das e-moll-Fragment KV 417d ist da schon etwas weiter gediehen, 54 Takte. Mozart hat daraus einige Motive [zumindest ähnlich, auch in der Funktion] in KV 421 verwendet.


    KV 587a - das ist klar - wäre ein "Preußisches" geworden. Sechs Stück waren geplant, drei hat Mozart nur vollendet. Es sind leider aber auch nur 24 Takte... ob es allerdings Nr. 4, 5 oder 6 geworden wäre, oder bereits zugunsten von 1-3 aufgegeben wurde, - da musst Du ihn schon selbst fragen. Es könnte zyklisch nach KV 575 [D-Dur] und vor KV 589 [KV 589] seinen Platz gefunden haben, so wurde es ja auch von den Köchlern einsortiert.


    Liebe Grüße
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo!


    Hat jemand eigentlich mal die EMI- mit der Teldec-(Elatus-)Aufnahme des ABQ verglichen? Das würde mich interessieren.


    Ulli:

    Zitat

    Original von Ulli


    Woraus schliesst Du das? Resp. was meinst Du damit genau?


    In meinem Konzertführer steht etwas davon, daß das "Notenbild von mühevoller Arbeit zeugt".


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    In meinem Konzertführer steht etwas davon, daß das "Notenbild von mühevoller Arbeit zeugt".


    Salut,


    ich kann mit solchen Aussagen wenig anfangen: Egal, ob gestochen schaf notiert oder hingeschmiert - handschriftliche Arbeiten sind in meinen Augen stehts mühevoll.


    Hier die autographe erste Seite von KV 465 mit der berühmten langsamen Einleitung:



    Ein typisches Mozartschriftbild.


    Cordialement
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von Ulli


    KV 417c ist eine begonnene Fuge von 11 Takten und entspricht daher von der Gesamtkonzeption KV 173. Die Fuge ist zwar toll - jedenfalls das, was davon da ist - aber sie würde definitiv nicht zu dem Quartett KV 421 passen.


    Zumal ja das Hauptmotiv des ersten Satzes dieses Quartetts schon recht "gelehrt" ist und das G-Dur-Werk bereits ein fugiertes Finale enthält...Ich habe mal gehört, dass das Variationenfinale die "Antwort" auf ein (sehr viel kürzers und eher humoriges) Finale aus Haydns op. 33 sei (ähnlicher 6/8 allegretto-Charakter)


    Zitat


    Das e-moll-Fragment KV 417d ist da schon etwas weiter gediehen, 54 Takte. Mozart hat daraus einige Motive [zumindest ähnlich, auch in der Funktion] in KV 421 verwendet.


    Vermutlich also wohl ein alternatives Stück in der "Anfangsphase"?


    Zitat


    KV 587a - das ist klar - wäre ein "Preußisches" geworden. Sechs Stück waren geplant, drei hat Mozart nur vollendet. Es sind leider aber auch nur 24 Takte... ob es allerdings Nr. 4, 5 oder 6 geworden wäre, oder bereits zugunsten von 1-3 aufgegeben wurde, - da musst Du ihn schon selbst fragen. Es könnte zyklisch nach KV 575 [D-Dur] und vor KV 589 [KV 589] seinen Platz gefunden haben, so wurde es ja auch von den Köchlern einsortiert.


    Zu den wenigen Dingen, die ich aufgrund Mozarts frühem Tod wirklich vermisse gehört (außer der Kirchenmusik für St Stephan) nochmal ein kompletter Sixpack "später" Quartette :( ; mit einer sicheren einkömmlichen Stellung als Polster hätter er das sicher gemacht, auch wenn die Stücke (wie auch die Klavierquartette) technisch und musikalisch zu schwierig und daher schlecht verkäuflich waren.


    viele Grüße


    JR

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  • Hallo,


    erst jetzt erblicke ich dieses schön von Ulli eingeleitete Thema der Streichquartette Mozarts, für mich persönlich neben den Quintetten die Musik Mozarts, die mich im Großen und Ganzen am meisten anspricht. Aber natürlich nicht alles, und dahin gehen meine Fragen, die vielleicht der eine oder andere Mozartkenner hier beantworten kann:


    Ich höre die Haydn-Quartette regelmäßig und finde jedes einzelne Werk in sich sehr ausgeglichen. Aber die Qualität der Aussagekraft der 6 Quartette ist für mich sehr unterschiedlich.


    So kann ich mit dem G-Dur Quartett KV 387 sehr wenig anfangen. Die Melodien und Verarbeitungen finde ich ziemlich hölzern und langweilig. Das nächste Quartett in d-moll, KV 421 hat zwei sehr schöne, geheimnisvolle mitreißende erste Sätze, die beiden letzten dagegen können mit diesen nicht mithalten.


    Aber die nächsten vier Quartette haben für mich schon ein anderes Kaliber. So z.B. das Quartett in Es-Dur,KV 428, das fast nie genannt wird. Es sind wunderschöne Melodien und faszinierende Verarbeitungen, die ersten beiden Sätze tragen viel Anmut und Licht, aber auch die nächsten Sätze halten für mich diesen Standard dieses Ausdrucks. Alles scheint aus einem Guss, aus einem Material oder, wie ich empfinde: die vier Sätze sind Eins. Warum ist dieses Werk, wie Ulli in seiner Einführung ja schon erwähnte, nicht so beliebt oder anerkannt?


    Und meine zweite Frage: Hat Mozart selbst alle 6 Quartette dieser Haydn-Widmungswerke gleich gut eingeschätzt und bewertet? Hat er die einen Werke den anderen vorgezogen?


    Danke und Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof


    So kann ich mit dem G-Dur Quartett KV 387 sehr wenig anfangen. Die Melodien und Verarbeitungen finde ich ziemlich hölzern und langweilig.


    Salut,


    Kv 387 firde ich ebenfalls wenig ansprechend. Dass es hölzern klingt, mag an den Streichern liegen. :stumm:


    Zitat


    Das nächste Quartett in d-moll, KV 421 hat zwei sehr schöne, geheimnisvolle mitreißende erste Sätze, die beiden letzten dagegen können mit diesen nicht mithalten.


    Gerade das d-moll-Quartett finde ich in der Summe am gelungensten. Das Menuett ist doch wunderbar traurig, fast tragisch und der sizilianische Rhythmus im 4. Satz spricht Dich nicht an?


    Zitat


    Aber die nächsten vier Quartette haben für mich schon ein anderes Kaliber. So z.B. das Quartett in Es-Dur,KV 428, das fast nie genannt wird. Es sind wunderschöne Melodien und faszinierende Verarbeitungen, die ersten beiden Sätze tragen viel Anmut und Licht, aber auch die nächsten Sätze halten für mich diesen Standard dieses Ausdrucks. Alles scheint aus einem Guss, aus einem Material oder, wie ich empfinde: die vier Sätze sind Eins. Warum ist dieses Werk, wie Ulli in seiner Einführung ja schon erwähnte, nicht so beliebt oder anerkannt?


    Am wenigsten spricht mich gar noch KV 458 - das Jagd-Quartett - an. Das Es-Dur-Quartett ist wohl eher zurückhaltender, also musiklaisch nicht so extrovertiert, wie die anderen. Da es nicht "Hier!" schreien kann, wird es oftmals [leider] übersehen. Ich mag es auch sehr.


    Zitat


    Und meine zweite Frage: Hat Mozart selbst alle 6 Quartette dieser Haydn-Widmungswerke gleich gut eingeschätzt und bewertet? Hat er die einen Werke den anderen vorgezogen?


    Der Widmung zufolge - s.o. - ja.



    LG
    Ulli

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  • Hallo Ulli


    Zitat

    Kv 387 firde ich ebenfalls wenig ansprechend. Dass es hölzern klingt, mag an den Streichern liegen.


    Das kann nicht sein, Ulli. In meiner Aufnahme von 2005 spielt das Rubato String Quartett versuchsweise auf Edelplastikviolinen, wir Profis nennen das "Plastolinen" :D.


    Zitat

    Gerade das d-moll-Quartett finde ich in der Summe am gelungensten. Das Menuett ist doch wunderbar traurig, fast tragisch und der sizilianische Rhythmus im 4. Satz spricht Dich nicht an?


    Ja Ulli, das Werk empfinde ich auch als sehr geschlossen und homogen. Ich mag lediglich nicht die Melodie- und Akkordfolge im Menuett, ebenso wie die Melodie und Variationen des Schlussthemas, das ist aber mein rein persönlicher Geschmack des Schönklangs.


    Ich bin wohl eher ein mitleidiger Sympathisant der Zurückhaltenden und Unscheinbaren, die sich nicht trauen, "hier" zu schreien. :)


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Ich habe die ersten 4 der Haydn-Quartette die Tage nochmal gehört und finde das doch ein etwas sehr harsches Urteil über KV 387 und 421.
    387 hat eine außerordentlich langes Menuett (es dürfte der längste derartige Satz in einem Werk von Mozart oder Haydn sein), das u.a. eine Art 2 gegen 3 Effekt aufweist. Anscheinend wollte Mozart hier testen, wieviel Gewicht man dem traditionell schlichtesten Satz verleihen kann. Den ersten und dritten Satz finde ich auch beide sehr schön (letzterer erinnert mich etwas an eine Opernarie/Szene). Mit dem Finale hatte ich mitunter auch Schwierigkeiten. Man denkt ja zuerst, es käme nun so eine gelehrter Fugensatz. Aber vermutlich ist das ganze eher als eine Art Spaß gemeint, denn sehr weit gedeiht die Fuge ja nie. Inzwischen sehe ich das eher als eine Art Buffa-Finale.
    Bzgl. KV 421 kann ich eigentlich nur gewisse geringfügige Bedenken im Finale einräumen; der Satz ist mir für sein Material etwas zu lang. Aber auch hier scheint mir, das Mozart sich einer besonderen Herausforderung stellte, nämlich eine sehr ernstes Stück mit einem Variationensatz zu beenden (Ein Variationen-Finale scheint mir bei Haydn sehr selten und wenn dann eher für "leichte" Stücke). Es dient vermutlich ein halb so langes, eher heiteres Siciiliano-Finale aus Haydns op. 33 (IIRC #5) als Vorbild.


    Ich stimme allerdings zu, dass das wundervolle Quartett KV 428 völlig zu Unrecht häufig übersehen wird, besonders die ersten beiden Sätze sind außerordentlich.


    viele Grüße


    JR

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  • Hallo,


    Ulli:

    Zitat

    Am wenigsten spricht mich gar noch KV 458 - das Jagd-Quartett - an. Das Es-Dur-Quartett ist wohl eher zurückhaltender, also musiklaisch nicht so extrovertiert, wie die anderen.


    Mein Lieblingsquartett ist das B-Dur-Stück gewiss auch nicht. Das Hauptthema im ersten Satz gefällt mir überhaupt nicht, für den zweiten Satz habe ich ebenfalls nicht viel übrig. Das Adagio allerdings, also der dritte Satz, gefällt mir ausgesprochen gut. Es ist sehr anmutig und ruht sehr in sich, allerdings mit viel Gehalt. Es ist völlig ohne Eile, was nicht bei allen Adagio-Sätzen selbstverständlich ist. Mozart scheint mir in diesem Satz zu sagen: "jetzt setze dich erst einmal hin und schau dir die Welt ganz unvoreingenommen an". Das Allegro dann ist einer der wenigen klassischen letzten Sätze, die mir sehr gut bzw. viel besser als der Eröffnungssatz gefallen. Es ist in sich sehr stimmig, die Themen, auch die Verarbeitung zum Ende hin, sind schön. Ich empfinde den Satz als völlig unaufdringlich.



    Gruß,


    Uwe

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  • Hallo,


    wie ich beim Stöbern gerade merke, sind die ersten vier "Haydn-Quartette" behandelt, während die letzten beiden, die "unterschiedlichen Zwillinge", noch nicht besprochen sind. Der Vollständigkeit wegen möchte ich meine kurzen Höreindrücke dieser ja nicht unwesentlichen Werke schildern:


    Das Streichquartett in A-Dur KV 464 beginnt mit einem beeindruckenden Allegro mit schönen Themen. Das Allegro wirkt auf mich sehr frisch: ich möchte es (wie soll man Musik beschreiben?) unbeholfen umschreiben mit "niveauvoller Vergnügtheit mit ernsten Momenten". Der zweite Satz passt sich fast nahtlos an den ersten an. Das Hauptthema gefällt mir in diesem Fall aber nicht. Das 3er-Thema beginnt schnell, mich zu nerven, auch die Verarbeitung finde ich nicht sonderlich elegant. Das anschließende Andante ist ein großer, verhältnismäßig langer Variationensatz. Er ist melodisch nicht spektakulär, aber mit viel Ernst und Anmut. Der vierte Satz ist m.E. ein typischer Mozart-Letzter-Satz, vom Schluss im p abgesehen.


    Das vier Tage später fertiggestellte Schwesternwerk in C-Dur KV 465 bringt mich in Verzückung. Der Eröffnungssatz beginnt mit einer wunderbaren Adagio-Einleitung. Was, ist das von Mozart? Ja, es ist von Mozart, aber es wirkt irgendwie anders. Das Adagio ist sehr melancholisch, vielleicht meine persönliche Mozart-Lieblingsstelle. Danach geht es heiter weiter. Es klingt sehr schön und angenehm. Alles fließt, trotz Charakterwechsels, wie aus einem Guss (was bei Mozart nicht ungewöhnlich ist, hier aber einen Höhepunkt hat). Ein toller und großer Satz! Sich gefühlsmäßig auf den Beginn des ersten Satzes beziehend fließt das genauso wunderbare Andante Cantabile daher. Auch der dritte und vierte Satz fügen sich wirkungsvoll mit gleicher Schönheit an. Das Menuett ist ohne Einschränkung gut; das empfinde ich bei Menuett-Sätzen höchst selten. Der Schlussatz schließt an den Hauptteil des Eröffnungssatzes an und beendet das Quartett mit einem schönen, angemessenen Schluss.


    Mein Fazit für die sechs Haydn-Quartette: Die beiden Streichquartette KV 428 und KV 465 sind meine Favoriten der Sechsergruppe.


    Gruß,


    Uwe

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  • Salut!


    Von KV 464 mag ich natürlich besonders den Finalsatz wegen seiner sagenhaften Chromatik, und das gleich zu Beginn. Das ist wirklich ein typischer Mozartsatz aus dem Bilderbuch. Übrigens enden ja viele Sätze bei Mozart im piano oder alternativ eher unauffällig, da sind schon die [kammermusikalischen] Werke mit Bombastschlüssen eher die Ausnahme.


    Und Das Dissonanzenquartett ist, wenn man die langsame Einleitung ausklammert, für mich quasi das Jupiterquartett, denn ich finde, es ist der Sinfonie KV 551 recht nahe, auch wenn ihm das Credofinale gänzlich fehlt. Dafür aber bewegt sich der 2. Satz umso mehr sehr in "Jupitersphären".


    Viele Grüße
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Übrigens enden ja viele Sätze bei Mozart im piano oder alternativ eher unauffällig


    Ist das Mannheimerbeeinflußung?


    LG, Paul

  • Salut,


    ein klares Jein. Man wird es natürlich immer so auslegen wollen und auch müssen. Mozart hatte aber zu dieser Zeit bereits den Mannheimer Stil völlig links liegen gelassen - er hat sich immer "das beste" [für sich] herausgesucht, das weiterentwickelt und -verwendet. Andererseits könnte man auch sagen, das Gute habe überlebt oder sich durchgesetzt.


    Eine lange Zeit lang ärgerten mich solche Schlüsse richtig. Da hört man minuten- oder stundenlang die allerschönste Musik, die sich immer weiter steigert und dann muß ja ein pompöses Finale kommen - denkste! Es verklingt leise, bedächtig, unscheinbar. Mittlerweile, nach einigen Jahren selbst anerzogenem "musikalischen Masochismus" [naja, etwas übertrieben...], gefällt mir das sogar sehr deutlich: Es klingt für mich daduch - nach wie vor - irgendwie unvollendet; der Schmerz, dass die Musik zuende ist, ist in einem solchen Falle sehr viel größer, wie ich finde - zum Glück aber kann man ja die Repeat-Taste drücken. Im Konzert allerdings würde ich das vielleicht nicht unbedingt überleben... Wenn allerdings "nur" der erste Satz auf diese leise Weise ausklingt, ist es nicht so schlimm.


    Aus prinzipiell demselben Grunde mag ich es auch überhaupt nicht, wenn die beiden Schlußtakte grundlos [d.h. ohne ritardando-Anweisung] wie Kaugummi gezogen werden oder wenn der Schlußakkord [auch ohne Anweisung] fermatiert wird :kotz:: Am liebsten habe ich es, wenn es [bei pompösen Schlüssen] ratzfatz zuende ist: Aus die Maus, ab nach Haus!


    Viele Grüße
    Ulli

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  • Zitat

    Da hört man minuten- oder stundenlang die allerschönste Musik, die sich immer weiter steigert und dann muß ja ein pompöses Finale kommen - denkste! Es verklingt leise, bedächtig, unscheinbar


    Und da sehen wir es wieder einmal: je reifer und überlegener die Menschen auf ihrem Gebiet sind (in dem Fall Mozart mit der Musik), desto häufiger beenden sie ihre thematischen Auseinandersetzungen mit einer Frage oder mit einer bescheidenen Einkehr - ganz im Gegensatz zu denen, die ("alles wissend") jegliches Thema mit einem pompösen "ich hab`die Lösung, damit ihr`s auch alle wisst" beenden.


    Aber etwas anderes: Ich bin kein besonderer Mozartkenner, deshalb hätte ich gerne gewusst, welche Einspielung der Streichquartette von Euch bevorzugt werden und dem Mozart-Gefühl am nächsten kommen. Ich selber habe lediglich die Einspielungen des Juilliard Quartetts.


    Gruß,


    Uwe

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  • Ich liebe gerade dieses verhallen. Dagegen mag ich dieses bombastischen Gedröhne am Ende gar nicht. Vielleich ist das auch einen Grund, warum ich Mozarts Musik so liebe.
    Wenn ich mich grob ausdrücke, würde ich sagen " das erste Ende ist bescheiden und das zweite ist angeberisch".


    LG, Paul


    PS Ich lese gerade Uwes Beitrag. Ich bin offenbar nicht ein Einzelgänger.

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof


    Und da sehen wir es wieder einmal: je reifer und überlegener die Menschen auf ihrem Gebiet sind (in dem Fall Mozart mit der Musik), desto häufiger beenden sie ihre thematischen Auseinandersetzungen mit einer Frage oder mit einer bescheidenen Einkehr - ganz im Gegensatz zu denen, die (alles wissend) jegliches Thema mit einem pompösen "ich hab`die Lösung, damit ihr`s auch alle wisst" beenden.


    Schön gesagt. Bei Mozart aber halte ich es für nur bedingt zutreffend - eher aus dem Umkehrschluß heraus. Die pompösen Finali sind ja zu dieser Zeit eher noch ein Stilmittel gewesen, es mußte so sein. Es gibt auch m. W. keine Haydn- oder Mozart-Sinfonie [also Werke für die Öffentlichkeit], die so leise verhallen, wie das beschrieben wurde. Im Privatbereich, der Kammermusik also, sieht das wieder anders aus...


    An Einspielungen würde ich natürlich die festetics empfehlen. Leider sind sie derzeit nicht greifbar. Die klingen jedenfalls so, als würden Haydn [Vl. I], Dittersdorf [Vl. II], Mozart [Vla.] und Vanhal oder Kozeluch [Cello] persönlich spielen...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Diese langsam verklingenden Finalsätze - herrlich.
    Einer meiner Lieblinge in diesem Bereich ist das Klaviertrio Op. 1/3 von Beethoven: man erwartet entweder einen düsteren Moll-Schlusssturm oder ein versönliches Dur-Finale und bekommt statt dessen ein wenig bestimmbares Verklingen im Nirwana 8)
    So kommt man auch mal zum Nachdenken über ein Werk...


    Uwe:
    Mir gefallen die Interpretationen des ABQ sowie das Hagen-Quartetts sehr. Die Experten hier können aber sicherlich noch abgewogenere Kommentare hierzu liefern :rolleyes:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Salut,


    ABQ und Emmerson sind für meinen Geschmack nichts für WAM [wenn auch hervorragend gespielt] - bei Brahms gefallen sie mir besser.


    Beim Rheinkauf.de habe ich eine Beurteilung gefunden, der ich schon vorbehaltslos zustimmen wollte. Leider kenne ich nicht den komponisten Q. F. Mozart, auf den Bezug genommen wird und auch das Wolfgang-Quartett sagt mir jetzt eher nichts... :rolleyes:


    Allerdings habe ich das Amadeus- wie auch das Hagen-Quartett in sehr guter Erinnerung, vielleicht noch das Quartetto italiano. Aufnahmen habe ich keine [mehr] davon, da meine MC-Sammlung mittlerweile über den Jordan ist.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Persönliche Annäherungen an Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartette mit Hilfe der Gesamtaufnahme mit dem Hagen Quartett (DGG Collectors Edition 00289 477 6253, aufgenommen zwischen 1988 und 2004, veröffentlicht im Mai 2006)



    Hört man die Streichquartette Mozarts chronologisch durch, ergibt sich ein schöner dreiteiliger Bogen: Die Jugendwerke, die „Haydn Quartette“ und die späten Quartette. Ich habe dabei die Reihe der sechs so genannten „Haydn Quartette“ als absoluten Höhepunkt empfunden, freute mich aber auch, in den anderen genauso geniale, unvergleichliche Sätze zu entdecken.


    14 Jahre jung war Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1770, als er sein erstes Werk für diese Besetzung komponierte, das Streichquartett in G-Dur KV 80 (73f). Es hat vier Sätze und dauert (beim Hagen Quartett) etwa 16 Minuten lang. Überraschend beginnt es mit einem behutsam schreitenden Adagio-Satz, gleich jetzt ein Wunder! An zweiter Stelle steht ein Allegro, dann folgen Menuett und Rondeau. Kompositorisch orientiert sich der junge Mozart an der Italienischen Schule (Sammartini).


    Als er 16 Jahre jung war (1772), entstanden die Drei Divertimenti in D-Dur KV 136 (125a), in B-Dur KV 137 (125b) und in F-Dur KV 138 (125c). Sie sind dreisätzig, lyrisch, schlicht und melodisch, dauern alle knapp über 12 Minuten lang und bieten schönste Hausmusik. Sehr schön ist der erste Satz von KV 137, ein Andante. Das Hagen Quartett forciert dort wo es spannend ist, erreicht aber dabei und überhaupt immer eine seelenvolle Intensität der Interpretation.


    1772/73 komponierte Mozart in Mailand die Streichquartette in D-Dur KV 155 (134a), in G-Dur KV 156 (134b), in C-Dur KV 157, in F-Dur KV 158, in B-Dur KV 159 und in Es-Dur KV 160 (159a). Dutzendware? Gegenüber späteren Meisterwerken schwächere Musik? Wer „von uns Sterblichen der Musik“ kann von sich schon behaupten, mit 16 Musik von solcher Qualität komponiert zu haben? Diese Quartette sind dreisätzig und dauern neuneinhalb bis 14 Minuten lang. Das Genie Mozart zeigt sich in dieser ganz typischen Leichtigkeit, im analytisch nicht messbaren Bestandteil der Musik, in Mozarts universell durchdringender Persönlichkeit. Diese Musik macht den Hörer im Herzen froh. Hervorheben kann man den zweiten Satz (Adagio) aus KV 156, der verinnerlicht klagt und tröstet, den zweiten Satz aus KV 157, ein beseeltes Andante, auch den dritten Satz dieses Werks, ein Synkopen-Presto, und den zweiten Satz aus KV 158, ein fließendes Andante un poco Allegretto mit Zäsuren. Auffallend erscheint, dass es zwei Finalsätze im Tempo di Minuetto gibt (KV 156 und 158 ). KV 159 beginnt mit einem reizvollen Andante-Satz, und in KV 160 hört man als zweiten Satz ein inniges Un poco Adagio.


    Die Streichquartette in F-Dur KV 168, in A-Dur KV 169, in C-Dur KV 170, in Es-Dur KV 171, in B-Dur KV 172 und in d-Moll KV 173 entstanden im Herbst 1773 in Wien. Sie haben alle nun vier Sätze, dauern 13 bis 17 Minuten lang und sind schon kontrapunktischer angelegt. In KV 170 und KV 171 steht das Menuett an zweiter Stelle. Bemerkenswert ist der zweite Satz von KV 168, ein wunderbares Andante, „wie aus einer anderen, aber nachdenklichen Welt“. Das Thema findet man übrigens auch im Finale von Haydns „Sonnenquartett“ Op. 20/5. Das großartig fugierte Finale dieses Werks spielt das Hagen Quartett mit herrlichem „Drive“. Der zweite Satz von KV 169 könnte auch von Schubert sein, mit seinen markanten Zäsuren. KV 170 beginnt mit einem Andante-Variationssatz. Besonders berührt hier der dritte Satz, ein wieder ganz inniges Un poco Adagio. Bei KV 171 fällt die ernste Adagio-Stimmung am Beginn des ersten Satzes auf, die man auch in der Coda noch einmal hört. Der dritte Satz, ein Andante, atmet nahezu barocke Strenge. Das nächste beseelte Adagio hört man im zweiten Satz von KV 172. Und diese Reihe der Jugendwerke beschließt ein herausragendes Werk, das auch ein Beispiel gibt für den „anderen“ Mozart, jenseits von Spieldosen-Vereinfachungsmöglichkeit und Mozartkugel als Beilage zur CD. Ich halte KV 173 für eines der ausdrucksstärksten Streichquartette von Mozart. Es beginnt ungewöhnlich expressiv, die Tonart d-Moll schafft einen eigenen Charakter. Der zweite Satz ist ein galantes Andante grazioso. Auch das Menuett ist expressiv gehalten, und das fugierte Finale erklingt grandios vielschichtig. Das ist ernste Musik im besten Sinn.


    Dann also der Höhepunkt, die sechs „Haydn Quartette“, erstmals erwähnt im April 1783, veröffentlicht im September 1785. Der erwachsene Mozart und seine unsterblichen Beiträge zur Gattung Streichquartett. Ich möchte ab nun keines von ihnen für mein Leben missen. Sie dauern teilweise über 30 Minuten lang. Das Hagen Quartett pflegt einen behutsamen, weichen Ansatz, forciert nicht mutwillig, also nur dort, wo es sich wirklich anbietet, dann aber stets „mit frischem Schwung“. Eine gewisse Tendenz zur Manieriertheit mag es geben, sie stört mich nicht. Ich bin froh, diese genialen Quartette mit dieser Quartettbesetzung hören zu können.


    Das Streichquartett in G-Dur KV 387 (hört man es nach all den Jugendwerken!) bietet ganz eigene, ganz große Kunst. Das ist komplexe Kammermusik, ein sehr persönlicher Mozart. Das Hagen Quartett bewahrt eine wunderbar schwebende, tröstende, gleichwohl virtuose Leichtigkeit im komplexen Gewebe. Im ausgedehnten Menuett des zweiten Satzes gemahnen die Synkopen an Insekten. Der dritte Satz, ein Andante cantabile, ist von zeitloser Größe. Und das Finale bringt wunderbar fugatorische Passagen wie im Finale der Jupiter-Symphonie, kommt dann aber auch tänzerisch daher. KV 387 ist ein Werk, wo der Hörer innehält, wo er staunt – es hat einen ganz eigenen Reiz, und das Hagen Quartett spielt es mit einem ganz eigenen Zauber.


    Im Streichquartett in d-Moll KV 421 (417b) – wieder die Tonart von KV 173 oder vom Klavierkonzert KV 466 – trösten uns Mozart und das Hagen Quartett zusammen: das gilt für die Sätze 1, 3 und 4. Grandios „schneidend“ hört sich die Durchführung des ersten Satzes an. Der zweite Satz ist ein reizvolles, galantes Andante, das sich zwischendurch kurz aufbäumt. Und das Finale kommt als wieder wunderbarer Siciliana-Tanz daher, der nach Lust und Laune variiert wird.


    Ein Wunder, wie sich die Musik im Unisono „hereinschleicht“ – wir sind schon mitten im Streichquartett Es-Dur KV 428 (421b). Großartig, wie das Hagen Quartett die Balance zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit aufrechterhält! Das beseelt fließende Andante con moto des zweiten Satzes ist echter Mozart, mehr Worte braucht es wie ich glaube nicht. Im Trio des dritten Satzes tut sich wieder eine ganz eigene Welt auf. Und man lächelt freundlich mit, wenn das Hagen Quartett das Finale zwischen Leichtigkeit und „Drive“ würzt.


    Das Streichquartett in B-Dur KV 458, das „Jagdquartett“, verströmt im ersten Satz heiter-pastorale, höfische Stimmung, die sich auch im Menuett fortsetzt. Wieder behutsam und weich spielt das Hagen Quartett das himmlische Adagio des dritten Satzes. Und wunderbar (ja, dieses Wort wiederholt sich, aber was soll man schreiben bei so viel wunderbarer Musik) heiter erklingt das Finale.


    Das Streichquartett in A-Dur KV 464 bietet im ersten Satz ein großartiges Geflecht, im zweiten ein komplexes und trotzdem tänzerisches Menuett, im dritten einen Andante-Variationssatz und im letzten Satz wieder so ein ganz eigenes Geflecht, das einmal mehr staunen macht über Mozarts Kompositionskunst.


    „Auf die einsame Insel“ würde ich das letzte der „Haydn Quartette“, das Streichquartett in C-Dur KV 465 mitnehmen, das „Dissonanzenquartett“. Alleine die geheimnisvolle Adagio-Einleitung ist ein Geniestreich, der sich mit dem Sonatensatz fortsetzt. Das anschließende große, innige, beseelte Andante cantabile ist einer DER langsamen Sätze von Mozart. Die Musik ist von klassisch-klarer Erhabenheit. Es folgt ein kontrastreich überraschendes Menuett, und das spritzig-heitere Finale rundet dieses geniale Werk ab. Nach KV 465 folgen ja die großen Klavierkonzerte KV 466 und KV 467 – unbegreiflich, wie ein Mensch so einen Geniestreich nach dem anderen komponieren konnte…


    Mit dem Streichquartett in D-Dur KV 499 „Hoffmeister“ (1786) hört man wieder die kunstvolle Meisterschaft Mozarts. Das Menuett steht hier an zweiter Stelle. Hervorheben kann man den daran anschließenden schönen, innigen Adagiosatz und das großartig spritzig-heitere Finale (sowie Ullis fundiertes Plädoyer für dieses Werk im Tamino Klassikforum).


    Den Abschluss bilden die drei „Preußischen Quartette“ KV 575, KV 589 und KV 590 aus dem Jahr 1789.


    Interessant mutet das Streichquartett in D-Dur KV 575 an, weil es „echter“ Mozart ist, aber nicht so „experimentell“ wie vieles in den „Haydn Quartetten“. Ich könnte mir diese Musik auch im Orchestersatz oder als Klavierarrangement vorstellen. Aber was ist bei Mozart schon „konventionell“ – die persönliche Sprache bleibt unverkennbar. Dieses Quartett ist leichter zu hören als andere Mozart-Werke des Genres. Genial bleibt seine „Selbstverständlichkeit“. An sich höre ich Musik gerne sehr bewusst und konzentriert. Sollte ich jemals Mozart nur nebenbei hören wollen, würde ich wahrscheinlich dieses Werk dafür nehmen.


    Schon möchte man ansetzen, dem Streichquartett in B-Dur KV 589 auch die konzedierten Eigenschaften von KV 575 zuzuschreiben, da überrascht Mozart den Hörer mit seiner Eigenständigkeit. Er bringt hier das Cello schön zur Geltung, etwa im Thema des zweiten Satzes, einem Larghetto. Einmal mehr bleibt nur das Staunen über diese geniale Musik.


    Das erste Thema im Streichquartett in F-Dur KV 590 beginnt mit einem aufsteigenden Durdreiklang, wie der „Donauwalzer“. (Aber es geht natürlich ganz anders weiter.) Es ist wieder „typischer“ Mozart, eine neue Variation seiner Genialität. Man hört immer, dass es Mozart ist, und trotzdem ist jedes Werk völlig anders. Noch einmal notiert der Schreiber gern, wie genial das Allegretto des zweiten Satzes ist. Einen Blindtest würde ich nicht bestehen, fragte man mich, ob das Haydn, Mozart, Beethoven oder Schubert sein könnte. Das Finale dieses Werks kommt noch einmal in heiterer, kunstvoller Buffomanier daher. Mozarts Fröhlichkeit verabschiedet den Hörer aus seiner Streichquartettwelt, einer ganz besonderen Welt, die mit den „Haydn Quartetten“ sicher einen frühen Höhepunkt der ganzen Gattungsgeschichte aufbietet.


    Reizvoll in dieser Besetzung hören sich auch die Fünf vierstimmigen Fugen KV 405 in C-Dur, Es-Dur, E-Dur, d-Moll und D-Dur aus J. S. Bachs „Wohltemperiertem Klavier II“, von Mozart eingerichtet für zwei Violinen, Viola und Bass, an, die ebenfalls in der Box enthalten sind. Das Hagen Quartett nahm auch DEN Mozart schlechthin auf, Eine kleine Nachtmusik in G-Dur KV 525, mit Alois Posch am Kontrabass. Hier klingt das Werk kammermusikalisch reizvoll, es ist eine zarte, nicht aufdringliche Aufnahme. Ein außergewöhnliches Werk ist Adagio und Fuge KV 546 aus dem Jahr 1788. Das Adagio hat Mozart damals neu komponiert, die Fuge gab es schon in einem Arrangement für zwei Klaviere (KV 426), sie wurde nur überarbeitet. Zum Hagen Quartett gesellte sich hier der Kontrabassist Roberto di Ronza. Man hört ein ungewohnt „strenges“ Werk, das einmal mehr sehr schön dem billigen Mozart-Klischee widerspricht.


    Die Aufnahmen von KV 160, KV 168 und KV 169 entstanden im Juni 1988, die von KV 155 bis KV 158 im Jänner 1989, die von KV 170 bis KV 173 im November 1989 und die von KV 80, KV 136 bis KV 138 und KV 159 im März 1990, alle im Plenarsaal der Münchner Akademie der Wissenschaften. In der St. Konrad Kirche am Abersee nahm das Hagen Quartett im April 1994 KV 525, im April 1998 KV 458 und im Juni 2001 KV 465 auf. Der Große Saal im Salzburger Mozarteum diente als Aufnahmeort für KV 575 (Jänner und Februar 1995), der Rittersaal im Schloss Rapperswil für KV 421 (April 1995), der Festsaal im Schloss Mondsee für KV 387 (März und April 1999), für KV 405 und 546 (November 2000) sowie für KV 590 (Jänner 2003) und der Minnesängersaal im Palatin von Wiesloch für KV 428 (April und Mai 1999), KV 464 und KV 499 (August 2000) und KV 589 (März 2004).


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Salü,


    Zitat

    Original von Alexander_Kinsky
    Dann also der Höhepunkt, die sechs „Haydn Quartette“,


    also als den Höhepunkt des mozartschen Quartettschaffens würde ich die sechs Joseph Haydn gewidmeten Werke nicht betrachten und bezeichnen wollen - obschon sie sicherlich einen Höhepunkt darstellen. Deine Formulierung aber stellt darauf ab, die Preußischen Quartette - derer ebenfalls sechse geplant, aber nur drei ausgeführt wurden - abzuwerten. Und das lasse ich nicht gelten. :D [für Dich persönlich mag das ja zutreffen, aber ich würde es nicht verallgemeinern].


    Dabei sind die Preußischen für mich eindeutig höherwertiger und die Vollendung von Mozarts Reise durch seine Quartettarbeiten - besonders KV 590, das Du ja in die Nähe des Donauwalzers rückst, ein beinahe unverzeihlicher Fehler. Solche Vergleiche sind für mich unverständlich... das Werk beginnt mit einer großen Terz - deswegen braucht man keinen großen Terz darum machen. Viel interessanter ist, dass das Thema offenbar von Haydn entlehnt wurde und daß z.B. Haydn selbst bei seinen Preußischen Quartetten der cellospielende König völlig am Arm vorbeiging - Haydn blieb stur und komponierte weiterhin Streichquartette...


    Zitat

    Sollte ich jemals Mozart nur nebenbei hören wollen, würde ich wahrscheinlich dieses Werk dafür nehmen.


    Vermutlich praktizierst Du dies öfter,


    Zitat

    Schon möchte man ansetzen, dem Streichquartett in B-Dur KV 589 auch die konzedierten Eigenschaften von KV 575 zuzuschreiben, da überrascht Mozart den Hörer mit seiner Eigenständigkeit. Er bringt hier das Cello schön zur Geltung, etwa im Thema des zweiten Satzes, einem Larghetto. Einmal mehr bleibt nur das Staunen über diese geniale Musik.


    denn sonst wäre Dir nicht entgangen, dass KV 575 ebenfalls eine Vielzahl von Cellosoli aufweist - gar beginnt der letzte Satz mit dem Violoncello als Quasi-Stimmführer.


    Zitat

    Einen Blindtest würde ich nicht bestehen, fragte man mich, ob das Haydn, Mozart, Beethoven oder Schubert sein könnte.


    Was die Durchführung des 4. Satzes betrifft, ganz und gar keiner der genannten.


    Zitat

    Mozarts Fröhlichkeit verabschiedet den Hörer aus seiner Streichquartettwelt, einer ganz besonderen Welt, die mit den „Haydn Quartetten“ sicher einen frühen Höhepunkt der ganzen Gattungsgeschichte aufbietet.


    Schon besser- ich bin fast versöhnt... ;)


    Zitat

    Reizvoll in dieser Besetzung hören sich auch die Fünf vierstimmigen Fugen KV 405 in C-Dur, Es-Dur, E-Dur, d-Moll und D-Dur aus J. S. Bachs „Wohltemperiertem Klavier II“, von Mozart eingerichtet für zwei Violinen, Viola und Bass, an, die ebenfalls in der Box enthalten sind.


    Ich möchte anmerken, dass Mozart dazu eigens Praeludien komponiert hat. Ob diese in der Box mitenthalten sind, weiß ich allerdings nicht.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich habe als Musikliebhaber geschrieben, nicht als Wissenschaftler oder ausgewiesener Experte. Es tut mir leid, wenn manches mißverständlich rüberkam und ich einiges zu wenig beachtet habe, was offenbar sehr wichtig ist. Ich danke für die Anregungen und werde beim erneuten Hören darauf aufpassen.
    Als geborener Wiener stehen mir die Kompositionen der Strauß-Familie sehr nahe. Ich würde sie niemals gegen Mozart vergleichen oder werten wollen, mich hat halt nur der Anfang des Quartetts an den Walzer erinnert und das habe ich aufgeschrieben.
    Dass das Cello auch in den anderen Werken der "Preußischen Quartette" mehr zur Geltung kommt, fiel mir schon auch auf.
    Ich glaube schon zum Ausdruck gebracht zu haben, dass ich mich in höchstem Respekt vor dem Genie Mozart verneige und selbst Werke, die mir beim ersten Hören nicht so gut gefallen wie die ganz großen Geniestreiche, niemals gegenüber anderen abgewertet werden.
    Die Praeludien sind leider nicht in der Box enthalten.


    Hochachtungsvoll
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Der Alexander ist dem versierten und zurecht strengen Ulli jetzt sehr dankbar für seine Anmerkungen, ist gestern brav "nachgesessen" (was gibt es Schöneres als mit Mozart-Quartetten "nachzusitzen"), war beim zweiten, noch bewußteren Hören hin und weg von den "Preußischen Quartetten" und ändert seinen Erstzugangstext zu den Mozart-Streichquartetten wie folgt:



    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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