Der Heldentenor, eine ausgestorbene Spezies?

  • Hallo Herbert,
    nur Kraft braucht der Siegmund nicht gar so viel. Mit Ausnahme der "Wälse"-Rufe genügt mittlere Kraft - und so lang ist die Rolle ja auch nicht (gemessen an Wagner-Rollen natürlich). Hofmann etwa sang Siegmund und Parsifal, aber keinen Siegfried, wörtlich: "Da ginge mir die Puste aus."
    Versalle gefiel mir in Bayreuth als Tannhäuser außerordentlich gut; daß seine Stimme gewöhnungsbedürftig war, stimmt natürlich. Auch der von mir sehr geschätzte Klaus König hatte ja ein Organ, das nicht auf Anhieb gefiel. Ich jedenfalls fand aber die vokale Gestaltung beider Sänger überragend.
    LG

    ...

  • Hallo Herbert,


    ich kann Hans Hopf lediglich von den Aufnahmen her beurteilen, die ich selbst in meiner Sammlung habe. Am besten gefällt mir sein Max in der "Freischütz"-Aufnahme von Erich Kleiber (1955), wo er zwar nicht gerade nach jugendlichem Liebhaber klingt, sondern eben nach Heldentenor, aber doch recht genau und richtig singt (liegt vielleicht auch am strengen Regime des Dirigenten). Weit weniger gefallen mir da der Kaiser in der Böhmschen "FroSch" (kehlig-nasal, die hohen Tönen schnüren mir geradezu den Hals zu) und der Tannhäuser unter Konwitschny (knödelig-eindimensional, manchmal brüllend). Die Stimme war halt wohl nicht besonders phonogen. Ich hab allerdings oft gelesen, dass er, wenn er denn gut in Form war, auf der Bühne ein stimmliches Ereignis gewesen sein soll.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Edwin,
    Hans Hopf,den Du ja aus Wien bestens kennen müßtest,
    hat den Siegmund und beide Siegfrieds ohne Schwierig=
    keiten mit strahlender Höhe bewältigt.Ich glaube,er hätte
    sie alle hintereinander singen können.


    Gruß nach Wien,Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,
    Hopf war, glaube ich, noch vor meiner Zeit. Ich kann mich nicht erinnern, ihn gehört zu haben. Ich habe vor allem Thomas, King und Beirer gehört.
    Hopf kenne ich nur von Aufnahmen - und da denke ich, daß Giselher recht hat: Die Stimme war nicht "phonogen". Andernfalls kann ich mir nicht erklären, daß praktisch jeder, der ihn live gehört hat, von Hopf schwärmt, aber weder der "Tannhäuser" noch der "FroSch"-Kaiser mich wirklich überzeugen.
    :hello:


    Moment - Korrektur: Ich erinnere mich an Aufnahmen von Humperdincks "Heirat" mit einem glänzend singenden Hopf und - kann das sein? - an eine "Tosca", in der er ungewöhnlich, aber fulminant ist.

    ...

  • Hallo Edwin,
    die Tosca ist eine Aufnahme des Bayerischen Rundfunks
    mit L.Rysanek und J.Metternich.Es gibt mit Hopf noch viele
    Rundfunkaufnahmen aus den 50er Jahren:Fidelio,mit B.Nilson,
    Dir.E.Kleiber.Freischütz,mit E.Grümmer,Dir.E.Kleiber,Turandot,
    mit C.Goltz,Dir.G.Solti,Othello,mit J.Metternich Dir.A.Erede,
    Die sizilianische Vesper,mit dem jungen Fischer-Dieskau,
    Dir.M.Rossi,Der Bajazzo ,mit W.Lipp,Dir.W.Sawallisch und
    viele andere Rundfunkaunahmen,alle in deutscher Sprache.
    Also kann die Stimme nich so ganz unphonogen gewesen sein.


    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo Herbert,


    ich finde es toll, einen Thread über Heldentenöre zu finden, denn ich glaube, die Frage ist berechtigt, gibt´s die heute noch ?


    Wenn man von den Heldentenören der Vergangenheit absieht, fällt mir in unserer Zeit nur Ben Heppner ein, vielleicht noch Jon Frederic West.
    Problematisch ist es ja auch, zu beurteilen, ob ein Tenor, der von der Stimmveranlagung eher lyrisch-jugendlich klingt, das Zeug für Tristan, Tannhäuser, Florestan hat. Thomas Moser ist bestimmt kein Tristan, so wenig wie Herr Jerusalem.
    Das sich ein Sänger wie Knödel-August (Seider) Heldentenor schimpft, gereicht den echten (von Material und Technik her gesehen), wie Lorenz, Suthaus,Vickers um so mehr zur Ehre.
    Jess Thomas ist meines Erachtens auch eher jugendlich als Held.
    Einer der (für mich) größten Tenöre des vorigen Jahrhunderts wurde in der Kartei der Berliner Staatsoper als Heldentenor geführt: Richard Tauber...


    Gruß Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Heldenbariton,
    da hat einer in die Kartei der Berliner Staatsoper einen
    groben Fehler eingetragen .Tauber hat zwar in Dresden die
    deutsche Erstaufführung der Turandot gesungen,aber
    damit war er schon maßlos überfordert.Ich liebe Tauber
    auch,aber nicht als Heldentenor,sondern als hervorragenden
    Mozartsänger und,warum sollte man es verschweigen,als
    großen Operettentenor,vor allem mit Lehar.
    Ich möchte noch einmal betonen:Wenn ein lyrischer Tenor
    eine Rolle für Heldentenor singt,zum Beispiel hat Karl Erb
    1914 in München den Parsifal gesungen ,ist er deswegen
    kein Heldentenor,genauso wie Kollo,Jerusalem,oder Hofmann
    keine Heldentenöre waren.Das gilt natürlich auch für Bariton.
    Wenn Fischer-Dieskau ,oder B.Weikl den Sachs sangen,blieben
    sie doch Kavalierbaritone.


    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • So ist es, Herbert.
    Dass auch Heldentenöre trotz gutem Material überfordert waren, zeigen Beirer und Thomas (meine Meinung).
    Tauber gehört zu meinen Favoriten (besonders als Ottavio, Tamino, da kommt auch ein Wunderlich nicht ran). Schock hat ja auch Ausflüge ins Heldenfach unternommen, was ihm nicht bekam (auch er als Ottavio hervorragend).


    Gruß Heldenbariton :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Thomas konnte sehr wohl hinreißend sein - das bestimmte seine Tagesverfassung. Für mich war er der beste Siegfried, den ich in Wien hörte: Wortdeutlich, intelligent, auch darstellerisch nicht übel.
    Bezüglich Beirer sind wir einer Meinung, sein immer etwas belegt klingendes Timbre war keine Alterserscheinung - ebensowenig seine unglaublichen Einsatzfehler, die dazu führten, daß ihm einmal der entnervte "Götterdämmerungs"-Dirigent Horst Stein laut vorzählte: "Zwo - drei - vier - ,trink, Gunther, trink..."


    Ich möchte aber eine Lanze brechen für einen lyrischeren Wagnergesang: Wenn ich daran denke, wie Kollo das "Waldweben" gesungen hat oder den Tristan (wenn er einen guten Tag hatte), auch wenn ich mich an Peter Hofmans Siegmund erinnere, dann bin ich der Meinung, mit der klug phrasierten Kantilene mehr gewonnen zu haben als ich mit der mangelnden Kraft der Spitzentöne verloren habe. Und dass Kollo, Hofmann, Jerusalem etc. so heillos eingegangen wären wie der als Heldentenor gepriesene James King oder etwas später Rainer Goldberg, habe ich eigentlich nicht erlebt.

    ...

  • Hallo Edwin,


    bei Kollo erinnere ich mich an einen wirklich wunderbaren Stolzing, die vielleicht ideale Wagner-Rolle für ihn. Sein Tristan war auch sehr gut, aber seine extrem expressive Art im 3. Akt, wo er vollständig und rücksichtslos aus sich herausging, war auf Dauer zwangsläufig schädlich für die Stimme.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo Theophilus,


    Du analysierst das Kollo-Problem IMO völlig richtig: Ich hatte die Möglichkeit, ihn in Wien in einer "Tristan"-Serie zu hören. Sechs Vorstellungen waren mit Kollo angesetzt, drei davon sagte er ab, bei einer ließ er sich als indisponiert ansagen - "sicherheitshalber", denn gesungen hat er makellos. In der zweiten gesungenen Aufführung war er gigantisch, in der dritten von Anfang an vokal kaum vorhanden; Ansage vor dem zweiten Akt, den er markiert hat; dritter Akt wie ausgewechselt: Ich habe selten so intensive Fiebermonologe gehört.


    Kollo hat sich im dritten Akt immer wieder buchstäblich die Seele aus dem Leib gesungen - und das hätte er wahrscheinlich nicht tun sollen. Im "Siegfried" hatte er diese Probleme nie (zumindest nicht die paar Mal, da ich ihn erlebte), in der "Götterdämmerung" ebenfalls nicht.


    Aber unter uns: Der Tristan ist, neben dem Tannhäuser, Wagners größte Gemeinheit den Tenören gegenüber. Als Tristan habe ich auch einen robusten Kerl wie Spas Wenkoff eingehen gehört. Da lob' ich mir den "Parsifal": Die Rolle dauert insgesamt unter 20 Minuten, und am Schluß steht der Tenor als Hauptdarsteller da....


    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    komisch, bei Aufnahmen mit Jess Thomas fällt mir immer der starke Akzent und die mangelhafte Wortdeutlichkeit auf, die mir z.B. den Studio-"Siegfried" von Karajan herzlich verleiden. Dass englischsprachige Sänger im Wagnerfach mit der deutschen Sprache gut umgehen können, beweisen z.B. Thomas Stewart, Robert Hale, John Tomlinson. Auch der von Dir nicht so gemochte James King singt m.E. nicht nur besser, sondern auch wortdeutlicher.


    Kollo als Tristan, na ja. In der Bayreuther Schon-Akustik ist das noch ganz gut gegangen. Aber selbst die hanebüchenen technischen Manipulationen der Kleiber-Aufnahme können über die technischen und stimmlichen Unzulänglichkeiten Kollos nicht hinwegtäuschen. Mal abgesehen vom m.E. unattraktiven, farbarmen Timbre und der schneidenden Intensität (Geschmackssache, ich weiß), sind es weniger die herausgehauenen Spitzentöne, die mir fehlen, sondern die mangelnden Qualitäten im piano. Das ist bei Kollo nur ein substanzarmes und kraftlosen Sprechen bis Säuseln, mehr gehaucht als gesungen. Darstellerisch ist er zwar interessant, aber das ist kein Ersatz für den Gesang. Mir sind da Stimmen lieber, die sich vokal nicht verausgaben müssen, bei denen man spürt, dass sie noch genug "Stimme" in Reserve haben, ohne sie einsetzen zu müssen und die mit der technischen Bewältigung der Partie keine Schwierigkeiten haben, so dass sie sich auf die Gestaltung konzentrieren können. Kunst ist zwar auch Kunst-Anstrengung, aber angestrengt sollten die Sänger deswegen nicht klingen.


    Grüße


    GiselherHH


    P.S.: Peter Hofmanns sängerische Laufbahn hat gerade mal anderthalb Jahrzehnte gedauert (und ausgesungen war er schon vor Ausbruch seiner Parkinson-Erkrankung). In den USA werden Tenöre wie Kollo übrigens als "wimpentenor" bezeichnet.

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Mal abgesehen vom m.E. unattraktiven, farbarmen Timbre und der schneidenden Intensität (Geschmackssache, ich weiß), sind es weniger die herausgehauenen Spitzentöne, die mir fehlen, sondern die mangelnden Qualitäten im piano. Das ist bei Kollo nur ein substanzarmes und kraftlosen Sprechen bis Säuseln, mehr gehaucht als gesungen.


    Das war aber nicht immer so. Was du beschreibst, sind wohl schon die nachteiligen Folgen. Es muss 1976 gewesen sein, dass sein Stolzing keine Probleme irgendwelcher Art hatte, dass war meiner Erinnerung nach ungetrübter Genuss (und selbst wenn ich das aus heutigem Wissensstand etwas strenger beurteilen würde, war es sicherlich dennoch sehr gut).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich abe Kollo mehrere Male als Stolzing und Siegfried erlebt und war immer wieder fasziniert...
    Als er den Otello sang, bin ich nach dem 1. Aufzug nach Hause....
    Als Stolzing einfach toll; mit Adam als Sachs.
    James King, den ich sehr schätze, habe ich als Lohengrin und Paul erlebt und war sehr angetan; Wenkoff war, neben Kollo d e r Tristan, den ich nicht missen möchte; nicht unerwähnt lassen möchte ich auch Gerd Brenneis, als Tannhäuser und Lohengrin, auch Parsifal hervorragend.
    Hofmann habe ich in Bayreuth als Lohengrin erlitten, als Florestan war er eine Katastrophe (verpatzte Einsätze, fehlerhafte Intonation, was auch am miserablen Dirigat Barenboims gelegen hat).


    Gruß Heldenbariton :hello:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Heldenbariton,
    ich möchte noch einmal betonen,daß die Fachbezeichnung
    "Heldentenor,bestimmte Kriterien voraussetzt(baritonales Timbre,
    kräftige Tiefe und eine tragfähige Mittellage).Es gab immer schon
    Tenöre,die Heldentenorpartien sangen,aber keine H.T.waren,
    (K.Erb,J.Patzak,P.Anders,R.Schock,u.v.a.)aber um die geht es
    hier nicht.Es geht auch nicht darum,ob man lyrische,schlanke
    Stimmen lieber hört.Es geht um die echten Heldentenöre
    (z.B.L.Melchior,R.Vinay,L.Suthaus,etc.),die nicht mehr vorhanden
    sind.



    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo Theophilus,


    ich meinte mit meiner Beschreibung den Zustand der Stimme Kollos zum Zeitpunkt der Kleiber-Aufnahme des "Tristan", also ca. Anfang der 80er Jahre. Als Karajans Stolzing bleibt er (noch) im Rahmen seiner stimmlichen Möglichkeiten, auch als Parsifal und Lohengrin klingt er recht gut. Aber die schweren Wagnerpartien waren dann wohl doch zuviel an stimmlicher Belastung.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Herbert,
    ich habe ja Suthaus, Lorenz, die ja "echte" Heldentenöre waren, erwähnt. Vinay und Melchior gehören ebenso dazu, auch wenn ich sie in meinem Beitrag nicht erwähnt habe.
    Generell weiß ich nicht, ob es, Ben Heppner ausgenommen, heute noch "echte" Heldentenöre, die die von dir angesprochenen Vorraussetzungen, die ja gegeben sein müssen, erfüllen.


    Gruß Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Ja, wie viele "echte" Heldentenöre gab es denn wirklich? Schon Wagner selbst stellte die Besetzung seiner großen Tenorpartien vor fast unlösbare Probleme, und wenn man sich etwa im Gebhardt-Paket der Sänger der ersten 30 Bayreuther Jahre die Tenöre anhört, kommt auch nicht gerade Jubel auf.


    Irgendwann gab es Lauritz Melchior, schon seiner Zeit eine absolute Ausnahmeerscheinung!


    In den 50er Jahren, aus heutiger Sicht IMO eine Glanzzeit des Wagnergesangs, wurde bereits gejammert, es gäbe keine Tenöre mehr (und wenn man diese nicht vorhandenen Tenöre mit den früheren - Melchior ausgenommen - vergleicht, also etwa mit Gotthelf Pistor, Fritz Krauss, Fritz Wolf, Sigimund Pilinszky oder Rudolf Laubenthal, so waren sie z.T. schon hervorragend).


    Auch heute gibts durchaus gute Heldentenöre, nur: nicht alle klingen wie Melchior! Ich denke an Peter Seiffert, Ben Heppner, John Treleaven, Robert Dean Smith, Robert Gambill, Heikki Siukola, um nur einige zu nennen. Man bekommt selbst in der Provinz gute Wagneraufführungen zu sehen bzw. zu hören.


    Eines noch: ich möchte nicht wissen, was über Max Lorenz zu lesen wäre, sänge er heute!


    Gruß
    Dieter

  • Hallo Giselher!

    Zitat

    Aber selbst die hanebüchenen technischen Manipulationen der Kleiber-Aufnahme können über die technischen und stimmlichen Unzulänglichkeiten Kollos nicht hinwegtäuschen.


    Diese Manipulationen haben meines Wissens nach gerade Kollo geschadet - ich gehe jetzt einmal davon aus, daß er die Wahrheit sagt. Kollo empörte sich vor allem über den dritten Akt, in dem die Techniker seine Stimme ruiniert hätten. Ich kann mir, ehrlich gestanden, auch nicht vorstellen, daß Kollo gerade den dritten Akt nicht schafft, den er im indisponiertesten Zustand noch faszinierend gesungen hat (wenngleich unter völliger Verausgabung seiner stimmlichen Möglichkeiten - aber das soll's doch wohl auch sein).


    Wenn Du anmerkst, im piano habe er kraftlos gesäuselt - mag sein; aber das war nicht stimmlicher Mangel, sondern eine etwas manirierte Gesangsweise, die man mögen kann oder nicht. Ich finde, daß Kollo zu jenen Tenören gehört, die Wagners Helden vermenschlicht haben und die Heldenpose zugunsten der Menschlichkeit aufgegeben haben. Ich kann schon verstehen, daß man das als Verlust empfinden kann - für mich hingegen ist es ein echter Gewinn.
    :hello:

    ...

  • Wird das jetzt ein Kollo-Thread, oder was ?
    Fakt ist, dass er in seiner Glanzzeit keine Konkurrenz zu fürchten brauchte, was nicht heißt, dass es zur gleichen Zeit keine anderen Heldentenöre gab.


    Was Lorenz angeht, glaube ich, dass er ein Problem der Dirigenten wäre (in jetziger Zeit), die ihm Werktreue einbläuen müßten.


    Gruß Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Das ist ganz meine Meinung! Ich habe Lorenz auf CD als den disziplinlosesten "Rienzi" - er singt stellenweise absolut Freistil: Er legt sich hohe Töne ein, singt sich ganze Phrasen zurecht. Unglaublich!
    Nun, denke ich, kann ja sein, daß ihn der "Rienzi" nicht so wahnsinnig interessiert hat.
    Dann begegnet mir Lorenz wieder als Josef K. in Einems "Prozeß". Staunend lese ich in der Partitur mit und überlege, daß Einem eigentlich das auch so komponieren hätte können, wie Lorenz es singt. Nur hat er's eben nicht gemacht.
    Dann höre ich mir seinen Tristan an und seinen Siegfried - und meine Verwunderung steigt: Das also war der Inbegriff des großen Wagner-Tenors? Nein, danke.
    Ganz ehrlich: Dann lieber kleinere Stimmen mit mehr Disziplin.


    Überhaupt glaube ich, daß man heute den Wagner-Gesang "von früher", von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr goutieren würde. Ich kann mich noch halbwegs gut erinnern, wie Beirer neben McIntyre sang: Beirer brüllen, knödelnd, Freistil zwischen den Eckpunkten einer Phrase - und McIntyre ganz aus dem Wort heraus entwickelnd, intensiv unter Beachtung von Wagners Noten. Und am Stehplatz jubelte man Beirer zu: "Ja, das ist noch ein richtiger Heldentenor".
    Unter diesen Umständen bin ich ganz froh, wenn es solche vokalen Wagner-Schlachtschiffe nicht mehr gibt.

    ...

  • Hallo,
    es gibt keinen ernsthaften Gesangsexperten,der Kollo als
    Heldentenor bezeichnen würde.Kollo hat sich nur immer
    selber als Heldentenor bezeichnet.Um es noch einmal zu
    wiederholen:Er war ein lyrischer Tenor,mit einer s.g.
    weißen Stimme.Als Operettensänger fehlte ihm der Charme.
    Zum lyrischen Tenor fehlte im eigendlich die Höhe.Ich finde
    außerdem bedenklich,wenn dauernd davon gesprochen wird,
    daß er mit hangen und würgen den Tristan,bis zum Schluß
    durchgestanden hat.Für mich ist jetzt der "Kollo-Thread"
    beendet,danke.


    Gruß Herbert


    (n.b.Heute Nachmittag habe ich Die sizilianische Vesper,mit
    H.Hopf u.D.Fischer-Dieskau von 1955 gehört,großartig.)

    Tutto nel mondo è burla.

  • Schon klar: Kollo hat immer polarisiert. Ich kann nur sagen: Der beste und intensivste "Tristan", den ich je hörte; nicht nur in Bayreuth, sondern auch in der von Sängern gefürchteten Wiener Staatsoper. Womit eigentlich auch ich von Kollo wegblenden würde - wie Heldenbariton richtig sagt: Er war keineswegs der einzige, es gab ja auch Hofmann, Goldberg, Esser und andere - wie es ja auch jetzt noch immer Heldentenöre gibt.
    Einfach zu sagen: "Das sind keine Heldentenöre, weil ich das Timbre nicht mag", halte ich für zu einfach.
    Fangen wir doch einmal anders an: Was macht einen Heldentenor aus?

    ...

  • Wenn man ganz streng ist, gabs eigentlich nur einen: Lauritz Melchior. Aktuell am ehesten noch Siukola.


    Ich denke, dass es eher Heldentenor-Rollen gibt, die von Sängern verschieden ausgeführt bzw. ausgefüllt werden können.


    Gruß, Dieter

  • Hallo,


    für alle, die es interessiert und die den Thread noch nicht kennen:


    WAGNERSÄNGER - Groß und vergessen


    Dort werden nicht nur die hier genannten Sänger diskutiert, sondern auch viele relativ unbekannte Wagner-Tenöre und ihre Aufnahmen auch kontrovers besprochen.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo GiselherHH,
    vielen Dank für den Hinweis.Ich wußte nicht,daß es den Thread
    gibt,habe aber heute Morgen schon alle Beiträge mit Interesse
    gelesen.Den Sänger Ernst Gruber kannte ich garnicht,was vieleicht
    auch mit der politischen Lage zusammen hing.Ich werde mich
    aber informieren.



    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Ja, dieser Thread bringt wirklich ein paar Namen ins Gespräch. Manfred Jung etwa eher negativ - ich hörte ihn mehrfach und war immer etwas enttäuscht. Aber in der Kegel-Aufnahme der "Gurrelieder" ist er so unglaublich gut, daß mir klar wurde, welches Potential er hatte.
    Auch Alberto Remedios ist ein interessanter Sänger gewesen. Wahrscheinlich kein echter Heldentenor, aber seine Gestaltung des Siegfried bei Goodall ist wahrlich fulminant. Er ist auch in der Colin-Davis-Aufnahme von Tippetts "Midsummer Marriage" zu hören - und verblüfft mich, weil er mühelos den von Koloraturen und Melismen strotzenden Part singt, und zwar mit tatsächlich heldischem Timbre. Fast erscheint mir seine Stimme als zu groß für diese Rolle.


    Im Übrigen gebe ich Dieter recht: Es sind Heldentenor-Rollen, die unterschiedlich gestaltet werden. "Der" Heldentenor dürfte eine Wunschvorstellung sein, die schon früher nicht wirklich realisiert wurde. Was Melchior betrifft, bin ich skeptisch: Ich glaube schon, daß er gut war; die Aufnahmen sind allerdings in einer technischen Qualität, die es zumindest mir nicht gestattet nachzuvollziehen, wie seine Stimme tatsächlich gekungen hat und wie es um seine Wortdeutlichkeit bestellt war.

    ...

  • Hallo zusammen,


    was nun genau ein Heldentenor zu sein hat, kann ich auch nicht sagen. Aber von den hier einschlägig genannten liegt mir vor allem der Typus am Herzen, der z.B. von Melchior, Vinay und Vickers verkörpert wurde. Sänger, mit einem Stimmpotential gesegnet, was man sonst im letzten Jahrhundert nur noch bei wenigen findet (aus den letzten 30 Jahren wüßte ich niemanden zu nennen) , darüber hinaus durchaus bei aller Gewalt auch zum sehr subtilen Singen befähigt. Abgerundet durch eine äußerst eigenwillige Stimmfärbung und auch eine meist charakteristische (manieristische? )Art des Singens (die man vielleicht heute schon in den Anfängen nicht mehr tolerieren würde ?) haben alle drei nicht von ungefähr als Tristan und Otello überzeugt, die Rollen, welche wohl die breitesten Anforderungen an einen schweren Tenor stellen.
    Auch als Siegmund fühlt sich ein baritonaler Tenor sehr wohl, während er sich am Tannhäuser wohl hoffnungslos verheben wird.


    musicophil schrieb:


    Zitat

    Aber eine Frage habe ich doch. Wenn ich die Stimme von Siegfried Jerususalem in Gedanken höre, sollte er doch jedenfalls das Timbre haben, daß man einen Heldentenor zumutet.


    Jerusalem ist mit einem ungemein schönen, lyrischen Timbre gesegnet und auch ein durchaus leistungsstarker Darsteller. Nur fehlt Ihm aus meiner Sicht die Stimmkraft für die meisten Partien bzwl er hat sein Material einfach verschlissen durch zu hohe Anforderungen.In der Höhe wirkte er immer sehr forciert, die edle Politur wurde zu schnell zur zerkratzten Tischplatte. Wirklich stark ist (war) er als Lohengrin, wenn in der Partitur Piano bis Pianissimo steht.


    Edwin schrieb:


    Zitat

    Thomas konnte sehr wohl hinreißend sein - das bestimmte seine Tagesverfassung. Für mich war er der beste Siegfried, den ich in Wien hörte: Wortdeutlich, intelligent, auch darstellerisch nicht übel.


    Ich kenne Ihn nur aus zwei Aufnahmen. Ist der Lohengrin aus meiner Sicht noch "O.K.", verleidet mir Jess Thomas den Siegfried aus dem Karajan-Ring gründlich(st!) . Er wirkt stimmlich wesentlich schwächer, als auf der Kempe-Aufnahme. Vor allem störe ich mich aber an einem sehr "gepresst" wirkenden Singen. Ich habe immer den Eindruck, ihm liege ein Mühlstein auf der Brust, den er erst anheben muss, bevor der Tonansatz zu Stande kommt. Insgesamt unterliegt er sowohl von der stimmlichen Präsens als auch von der Darstellungskraft sowohl Thomas Stewart als Wanderer, wie auch dem fantastischen Gerhard Stolze als Mime...und das ist vor allem deshalb fatal, weil es ja im Sinne der Handlung genau umgekehrt sein sollte. Sein Timbre ist sicher relativ apart, aber nicht wirklich mein Fall. Er singt einerseits ein schönes Mezza Voce,andererseits wird es immer sehr schematisch, uniform eingesetzt, es wirkt auf mich sehr künstlich.
    Kannst Du eine Aufnahme empfehlen, auf denen seine Qualitäten aus Deiner Sicht vielleicht ungetrübter zu hören sind (in seiner zeit war er ja durchaus sehr angesehen...) ?


    ansonsten:


    Die Heldentenöre ausgestorben ? Nun, zumindest der genannte Typus war schon immer sehr sehr selten...bei strenger Zählung reicht fast eine Hand. Derartifes Stimmpotential und die gleichzeitige Gabe zum einfühlsamen, subtilen Singen sind halt nicht häufig. Viel öfter hat man den intelligenten Sänger, der trotz fehlender vokalen Substanz begeistern kann...aber ein vollwertiger Otello, Tristan oder Siegfried wird man halt nur in der Schwergewichtsklasse - aus meiner Sicht. Ausnahmeerscheinung trifft Ausnahmerolle.***


    Generell fehlt es doch wohl am Sängernachwuchs, dem sinkenden Ansehen des Berufs geschuldet...natürlich bleiben da die Extreme erst Recht auf der Strecke. Vielleicht fliegen heutzutage auch Leute wie Melchior und Vinay schon im 2. Semester aus den Kursen, weil sie musikalisch nicht exakt genug und zu impulsiv singen ? Ich hab keine Ahnung.


    Warum haben wir im Moment nicht so viele gute Fussballer wie 1974 ? War Melchior nicht auch eine Art "Bomber der Nation" ?:D




    Gruß
    Sascha



    ***wobei ich durchaus der Meinung bin, das überzeugende Besetzungen für Tristan und Otello im letzten Jahrhundert häufiger waren, als beim Lohengrin.

  • Hallo,
    ich würde auf jeden Fall Set Svanholm erwähnen, der als Siegfried durchaus neben anderen Größen bestehen kann.
    Das größte Problem liegt in Sachen "Heldentenor" darin, dass viele, von der Stimme eher lyrisch-jugendliche Tenöre unbedingt das Fach wechseln wollten um zu zeigen, dass sie auch Helden sind.



    Gruß Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Antracis,
    Deine Beschreibung des Heldentenors finde ich 100%
    zutreffend.Die drei Sänger(Melchior,Vinay,Vickers)kann
    man als typisch für dieses Fach bezeichnen.Nur bei
    Tannhäuser muß ich ein Veto einlegen.Von Melchior als
    Tannhäuser gibt es fünf Livemitschnitte,alle aus der "Met".
    Vinay war nich alleine für mich der größte Tannhäuser nach
    dem 2.Weltkrieg.Seine Bayreuther Interpretation der Rolle
    (vom tenoralen Vulkan bis zur Gebrochenheit in der Rom=
    erzählung)ist auf zwei Mitschnitten erhalten.


    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose