Wandel des persönlichen Musikgeschmacks im Laufe der Jahre

  • Liebe Forianer


    Wir alle wissen, daß die sogenannte klassische Musik, bzw der Zugang zu ihr dem Zeitgeschmack unterworfen ist, wie alle anderen Dinge des Lebens auch. Zahlreiche Tonaufnahmen der Vergangenheit belgen diese Behauptung.


    Aber darum geht es in diesem Thread überhaupt nicht. Ich würde vielmehr gerne mit Euch das Theme des persönlichen Geschmackswandels im Laufe der Jahre diskutieren. Diesem Phänomen haben nicht nur wir Musikhörer Tribut zu zollen, nein auch Interpreten unterliegen diesem Wandel - zumindest ist das die Regel.


    Viele meinen der sogenannte "Altersstil" sei ein Cachieren von manuellen Defiziten, die im Alter nun mal unvermeidlich (??) seien.
    Ich aber meine, das seien zwei paar Schuhe. Manche Dirigenten werden beispielsweise im Alter von Jahr zu Jahr schneller - ist aber nicht die Regel.


    Aber kommen wir zur Sache: WElche Wandlungen des persönlichen Geschmacks habt ihr an Euch im Laufe Eures "Musiklebens" feststellen können ? Gibts da eine tendenzielle Richtung ? Oder wechselt Euer Geschmack zyklisch ? Oder - sehr ungewöhnich, aber immerhin möglich - hat sich seit Eurer Jugend der Musikgeschmack (ich meine jetzt vorzugsweise in Bezug auf Interpretationsstil) überhaupt nicht geändert ??


    LG


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mein Geschmack hinsichtlich der Interpretation von Musik hat sich in den letzten 30 Jahren kaum gewandelt.
    Ich hatte das Glück (?), mit der Oboe zuerst an einen Lehrer zu geraten, dem es, wenn er im Graben saß, um Himmel und Hölle ging. Technisch war er verhältnismäßig weit von der Perfektion entfernt, aber er hatte unglaublich viel zu sagen.


    Und das prägt mich heute immer noch sehr stark.


    Dementsprechend bevorzuge ich nach wie vor emotiionsbetonte, besonders subjektive, klar in eine gewisse Richtung gestaltende Interpretationen Wenn ich da einen einzelnen Dirigentennamen
    nennen muß, lautet der ohne jegliches Bedenken "Furtwängler".



    Viele Grüße


    Bernd

  • Salut,


    mein Musikgeschmack hat sich hinsichtlich der Epoche von Beginn an bis jetzt nicht verändert. Hin und wieder gab und gibt es einige durchaus interessante Ausflüge in andere Epochen, aber ich kehre immer wieder zu meinem Stil zurück, das ist mein Zuhause. Die "Randgebiete" der Epoche gehören natürlich zum näheren und heimischen Umfeld dazu.


    Lediglich innerhalb einzelner Werke hat sich mein Geschmack von einem Langsame-Sätze-Hasser zu einem Langsame-Sätze-Liebhaber verändert. Ob das am fortgeschrittenen Alter liegt? Ich werde einfach viel träger und die Musikwahl wird dementsprechend angepasst...


    Aber wenn ich diesen Thread richtig verstehe, bezieht er sich ja eher auf den Geschmack bei Interpretationen. Hier gibt es schon deutliche Abweichungen gegenüber vorher, wobei diese auf der einfachen Tatsache beruhen, dass die Interpretationsmöglichkeit des HIP zu meiner Anfangszeit noch nicht so populär war, wie sie es heute ist.


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Bei mir hat kein richtiger Geschmackswandel stattgefunden. Es ist eher eine ständige Erweiterung, und das neu Dazugekommene ist natürlich das, was man derzeit hört. Manchmal habe ich mich kurz blenden lassen (Beispiel Thielemann mit Wagner) als ob eine Person, eine Interpretationsweise die beste wäre, bin aber zum Glück immer schnell draufgekommen, dass nicht eine Person einen Maßstab setzt, sondern dass verschiedene Musiker mit ihren individuellen Möglichkeiten genial sein können und bei jedem etwas völlig Anderes herauskommen kann.


    Ich freue mich zum Beispiel bei Parsifal gleichermaßen, wenn Thielemann dirigiert, Runnicles oder Boulez - in der Hoffnung natürlich, dass es eine gute Vorstellung sein wird. Ich kann nicht sagen, dass mein Geschmack einen der drei bevorzugt. Anderes Beispiel Bach Cembalowerke. Ich könnte nicht sagen, wenn auf Klavier gespielt wird, dass ich den Stil von Gould oder Gulda bevorzuge oder doch lieber Schiff, oder Koroliov. Und ebenso gerne höre ich die Werke mit Cembalo, ob nun Staier, Rampe oder Kirkpatrick gespielt hat. Mich begeistern die Beethoven-Platten von Furtwängler und Klemperer, doch ebenso Harnoncourt und Gardiner.


    Mein Geschmacksspektrum hat sich im Laufe der Zeit erweitert. Es ist wie mit den CDs in meinem Regal: es sind durchwegs lauter persönliche Favoriten, und es werden immer mehr (mehr Werke, oder auch mehr Wiedergaben eines Werkes). Das Problem ist höchstens manchmal das der Auswahl.


    Wenn ein Wandel stattgefunden hat, dann dahingehend, dass ich es besonders schätze (und es mehr als früher unterscheiden kann), wenn gut musiziert wird. Ich verlasse mich im Gegensatz zu früher mal nicht mehr nur auf glänzend vermarktete Namen, sondern weiß, dass ich das Besondere auch dann erleben könnte (kommt oft genug vor!), wenn es nicht schon im Voraus feststeht, und umgekehrt muss eine glanzvolle Konstellation nichts Besonderes ergeben - wie man an Thielemanns Parsifal-Aufnahme hört.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Eine echte Wandel hat "ja und nein" statgefunden.
    Nein, denn ich liebe noch immer über alles/allen Mozart, Haydn und Zeitgenossen. Sowie Bach, Händel, Mannheimer usw.


    Ja, denn inzwischen mag ich auch sehr gerne Früh-Romantik: Field, Hummel, Czerny. Und Weber c.s. Und auch Bruder Lortzing steht bei mir sehr hoch auf dem Leiter. Nicolai, Flotow...
    Und auch frühere Barock interessiert mich jetzt.


    Beiderseits also habe ich meine Interesse ausgebreitet.


    Dazu kommen noch Einzelfälle: Sullivan, Offenbach, Strauß, Lehar, Zeller, und noch mehr. Aber bereits da merke ich, daß ich die spätesten Operetten nicht mehr folge. Sie gefällen mir nicht. Nimm z.B. Kálmán. Seine Gräfin Maritza und Csárdásfürstin mag ich sehr gerne. aber als ich einmal eine Operette über das Radio von ihm hörte (ich dachte etwas mit New-York oder Chicago) suchte ich sofort einen anderen Sender.


    LG, Paul

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  • Als Geschmacksveränderung würde ich es bei mir nicht direkt bezeichnen wollen, eher als eine neue Offenheit gegenüber Allem was ich noch nicht kenne.


    Als ich damals als Kind anfing klassische Musik zu hören gab es für mich nur zwei Namen: Bach und Beethoven, alles andere fand ich erstmal weniger interessant. Direkt eine Ahnung von dem was es alles noch gibt hatte ich eh nicht.
    Dann kam schnell das Interesse für die Barockepoche und die wahre Barockmusik, Beethoven viel für mich in die Bedeutungslosigkeit zurück - wo er noch immer für mich ist. :stumm:


    Mit 14 sah ich im Fernsehn meine erste Oper, Händels Alcina unter William Christie, Arleen Auger als Alcina, Kathleen Kuhlman als Bradamante und Della Jones als Ruggiero, an die anderen Namen erinnere ich mich nur noch wage, ich müßte mal wieder das Video ausgraben....
    Jedenfalls war ich von da an Feuer und Flamme für die Barockoper.
    Oper ! ich hätte mir vorher nie träumen lassen, dass mich das mal begeistern würde, aber Händel ist ja nicht Verdi oder Wagner...


    Ich lernte Lullys Musik kennen und das war es, daran wird sich auch niemals etwas ändern, er bleibt für mich das Non plus Ultra der Musik.
    Aber spätestens da war mein Forschergeist geweckt.
    Ich wollte wissen wie sich die frühesten notierten Musiken anhörten und vor allem wollte ich wissen wie es dazu kam, dass aus der Barockmusik auf einmal Symphonien wurden.
    Denn anhand meiner ersten CD's konnte ich das nicht nachvollziehen.
    Ich hatte zwei tolle Boxen von meinem Vater bekommen, jeweils mit 10 Komponisten, also 20 CD's mit klassischer Musik. Die Interpretationen sind natürlich nur Durchschnitt, aber für mich war das damals ein wahrer Schatz.
    (Ich schwänzte sogar die Schule um sie nur recht schnell alle mal gehört zu haben - im Nachhinein bin ich auch froh darüber, dass mir das wichtiger war :D )


    Dann wuchs meine CD Sammlung sprunghaft an, und ich kam auch mit HIP in Berührung - empfand das aber gleich als sehr positiv und kaufte dementsprechend, Jacobs, Christie, Savall das waren die wichtigen Namen.
    Vieles konnte ich aber zuerst nicht ertragen, Monteverdi fand ich furchtbar, Schütz bereitete mir Kopfschmerzen und Rameau empfand ich als zu modern.
    Aber irgendwann konnte ich mich darauf einlassen und wurde mehr als reich belohnt. Die gleiche offene Herangehensweise hilft mir auch beim anhören zeitgenössischer Musik oder bei Kunst generell.


    Ich habe zwar einen Geschmack, der sich über die Jahre entwickelt hat und ich denke er wird sich auch noch weiter entwickeln.
    Aber ich möchte trotzdem so viel Musik hören wie es geht, auch aus anderen Kulturkreisen.


    Was mir nur immer noch fremd ist, ist die gesamte Kunst des 19. Jahrhunderts. Malerei, Architektur, Literatur und die Musik sind mir so dermaßen zuwider, dass ich es kaum beschreiben kann.
    Ich mag die Geisteshaltung dieser Zeit nicht und die drückt sich nunmal in den Künsten aus.
    Gerade der populärste Teil der Klassik ist für mich am uninteressantesten und ich vermag mich nicht dafür zu begeistern.
    Erst mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wird's wieder interessant.


    Was die Interpretation der Musik angeht so habe ich schon spezielle Vorlieben, einmal mag ich irgendwie die Art der Interpretation der Barockmusik der 70er Jahre, auf der anderen Seite bin ich immer sehr daran interessiert die neuesten Erkenntnisse der HIP Bewegung mitzuverfolgen. Das ist eine lebendige Auseinandersetzung mit der Musik, die man einfach miterleben kann, das fehlt mir häufig bei konventionellen Aufnahmen / Konzerten.


    Ich würde abschließend sagen, mein Geschmack ist da, aber er lernt, entwickelt sich weiter und weitet sich, vielleicht ändert er sich dadurch auch, wer weiß...

  • Hallo Taminos,


    mein Musikgeschmack unterliegt Veränderungen. In meiner Jugend (68ger) war Protest angesagt, Bob Dylan und viele andere wurden vorwiegend gehört. Protest war angesagt. So auch im ganzen Lebensstil und nicht zuletzt auch in der Musik. In meiner Jugend lernte ich Gitarre Banjo und Klarinette. Und jedes Instrument hat so seinen eigenen Charakter. Also auch einen prägenden Geschmack. Jazz liebte ich, weil die Atmosphäre eine eigene Welt widerspiegelte. Im Freundeskreis waren einige Jazzmusiker die mich mitzogen. Natürlich kam auch eine zarte Liebe zu Klassik auf.


    Als ich als Erwachsener, mich der Jugend angenommen habe und mit ihnen musizierte, habe ich mich dem Zeittrend oder dem gerade Gewünschten versucht anzupassen. Darum ist so im laufe der Zeit vieles über die Ohren an mein Herz gelangt.


    Vieles von dem was ich hörte, höre ich auch heute noch. Vorwiegend aber klassische Musik. Da ich mir vor einiger Zeit einen Jugendtraum verwirklicht habe - ein Klavier - lerne ich dazu und betrachte besonders gerne Pianisten und ihre Art Musik zu interpretieren.


    Ich glaube aber, Klassik ist bei mir die Zukunft.


    Musikalische Grüße


    Detlef

    Werden im Wirken - Großes braucht seine Zeit

  • Der Lullist hat das oben sehr schön beschrieben, wie aus einem mehr "zufälligen" Einstieg an einem Punkt der Musikgeschichte (in der Regel wohl eher einer der bekannteren Komponisten aus Klassik oder Romantik, bei mir war's Mozart) und der daraus resultierenden Faszination ein konsequentes "Sich-Weiterentwickeln" und Suchen nach bevorzugten Werken/ Stilen/ Interpretationen wird.


    Eine spannende Phase! Gerade, wenn man rückblickend nachvollzieht, wie man mehr oder weniger zielsicher auf die Musik-Gebiete zugesteuert ist, die einem heute die liebsten sind - und sich dann vorzustellen, wohin die "Entdeckungsreise" künftig noch führen wird.


    Bei mir war der Operneinstieg (definitv meine Lieblingsgattung) beispielsweise mit den Mozart-Klassikern erfolgt, schnell kam jedoch die Faszination für die Barock-Oper vor Mozart und die italienische Belcanto-Oper nach Mozart dazu.


    Ein gutes Beispiel ist dabei Verdi, von dem ich zuerst Werke wie Aida und La traviata sehr schätzte, wohingegen ich z. B. mit dem Don Carlo nicht viel anfangen konnte. Die Reichhaltigkeit dieser Partitur erschloss sich mir erst im Laufe der Zeit, so dass Don Carlo heute meine absolute Lieblings-Verdioper ist - das hätte ich mir damals in meiner "Traviata"-Phase beim besten Willen nicht vorstellen können. :]


    Oder die Werke, die wir im Chor singen - viele davon kannte ich zuvor nur dem Namen nach, durch intensives Probieren wuchsen mir dabei Werke ans Herz, die ich vorher -wenn ich sie überhaupt schon mal gehört hatte- gar nicht wirklich wahrgenommen hatte. Dvoraks "Stabat mater" und "Requiem" zähle ich dazu - ich möchte sie heute nicht mehr missen.


    Daher bin ich gespannt, was die Zukunft an neuen Eindrücken und Vorlieben noch alles bringt! Es bleibt spannend und noch soooo viel zu entdecken - und das macht die klassische Musik für mich so faszinierend!

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Mein Musikverständnis / Musikgeschmack hat sich insofern geändert, als dass ich Rockmusik und Progrock nunmehr mit anderen Ohren zu hören scheine, je mehr Klassik ich höre! Ich höre auf einmal Sachen, die ich früher nicht gehört habe. Das große Staunen geht von vorne los. Auch hat sich meine Hochachtung vor komplizierter Progmusik eher erhöht, als dass ich sie durch die Klassik verloren habe.


    Bei klassischer Musik kommt mir nach wie vor nichts über HIP.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo,


    das, was mich an Musik interessiert und wie es auf mich wirkt, hat sich im Laufe meines Lebens sehr geändert. Ich glaube, folgende Tendenzen bei mir ausmachen zu können:


    - Früher konnten mich verstärkt äußere Bestandteile in der Musik fangen, wie z.B. romantische Melodien, spannende Verläufe, die Bombastik oder Feinheit des Orchesterklanges, Lustiges oder Trauriges, Heftiges oder Zartes u.s.w. Dies spielt nun immer weniger eine Rolle für mich. Meine Entwicklung geht dahin, dass mich im wesentlichen die innere Konstruktion, die gesamte Form eines Musikstückes sowie der Aufbau im Kleinen und im Großen interessiert und anspricht.


    - Früher hörte ich eine große Bandbreite von Musikstücken; mittlerweile beschränkt sich ein Musikhören nur noch auf verhältnismäßig wenige Werke


    - Früher erweiterte ich meinen musikalischen Horizont durch Hören einer großen Anzahl und Bandbreite von Musikstücken. Heute bedeutet Erweiterung eher das immer tiefere Eindringen eines Werkes.


    - Eine weitere Richtungsänderung: Vom Wohlgefallen des Beschreibenden der Natur bzw. von Emotionen in der Musik hin zur Entwicklung des Eigenen, eher für sich musikalisch selber Stehenden.


    - Vom eher emotionalen hin zum eher verstandesmäßigen Hören


    - Früher hörte ich eher rein konsumierend, währenddessen ich heute den Eindruck habe, zwar hörend, aber innerlich mitgestaltend wahrzunehmen.


    - Äußerlich gesehen tendiere ich im Allgemeinen von Orchesterwerken hin zur Kammermusik, von Frühwerken der Komponisten zu Spätwerken.


    Gleichgeblieben ist mein Interesse, Neues zu hören und immer weiter zu suchen.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

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  • Mein Geschmack wandelt sich (noch) in erster Linie in Form von Erweiterung. Dabei kann ich selten wirklich sagen, dass ich bestimmte Komponisten nicht gemocht hätte, dann aber schätze; ich kannte sie vorher einfach kaum. Ich weiß z.B. noch ziemlich genau, dass ich ab ca. 1997 ein Interesse an Haydn- Sinfonien jenseits der Handvoll, die ich vorher kannte, zu entwickeln begann. Ebenso an Händelschen Werken außer den üblichen Verdächtigen ca. 2002/03 und etwa gleichzeitig an anderer weniger bekannter Barockmusik und Schumanns Klaviermusik.
    Es gibt gewiß Stücke, etwa etliches von Tschaikowsky, die ich zwischenzeitlich überhaupt nicht mochte, nachdem ich sie mit 15 geliebt hatte. Bei solchen Dingen bin ich inzwischen aber lockerer, höre sie zwar selten, versuche dann aber ihre spezifischen Qualitäten wahrzunehmen (und sie nicht sinnlos an z.B. Beethoven zu messen und zu verwerfen).
    Interpretationen interessieren mich hauptsächlich bei einer vergleichsweise geringen Zahl von Werken, die ich gut kenne. Da kann ich noch keine persönliche Rezeptionsgeschichte schreiben. Ich toleriere in begründeten Ausnahmefällen un-Hippen Barock, ab Haydn & Mozart ist die Frage der Instrumente für mich völlig sekundär. Meine zentralen Vorlieben sind in jedem Fall Transparenz, Geradlinigkeit, Verve (also etwa die Linie Toscanini, Kleiber, Scherchen, Markevitch, Fricsay), obwohl ich bei den Stücken, wo mich die Interpretationsgeschichte interessiert, eben auch versuche, die Faszination von Furtwängler u.ä. zu verstehen. Klangmagie hat mich noch nie interessiert, auch kann ich mit den Komponisten, die für solche berühmt sind, meist eher wenig anfangen... Ich hatte auch von Anfang an wenig Probleme mit dem Klang historischer Aufnahmen oder Streichquartetten, den viel Hörer anscheinend ja als abschreckend, unsinnlich oder was weiß ich empfinden. Allerdings mochte ich schon als relativ erfahrener Hörer Klaviersolomusik lange nicht besonders. Ich habe erst ca. 1997, da hörte ich schon 10 Jahre Klassik eine Ges.-Aufn. der Beethovensonaten gekauft, Chopin und Schumann z.B. entsprechend noch einige Jahre später erst wirklich wahrgenommen, auch wenn ich natürlich vereinzelte Stücke kannte. Insgesamt bin ich aber immer recht komponistenzentriert vorgegangen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Merkwürdig, dass die meisten sich als statisch outen.
    Generell sollte doch ein Wechsel der Vorliebe von reißerischen, vordergründigen Stücken zu komplizierteren, "langweiligen" stattfinden - soll nicht heißen, dass man erst nur das eine, dann nur das andre mag, aber dass tendentiell zuerst die eine Gruppe von Stücken mehr Chancen haben, später die andere.


    Abgesehen von einer fortwährenden Erweiterung der gemochten Stile und Stücke ist bei mir obiges schon festzustellen gewesen. War Holst mit seinen Planeten anfangs (Gymnasium Unterstufe) noch einer der liebsten, ist er seit langem völlig verschwunden aus meinem (erweiterten) Gesichtsfeld. Oder Penderecki, der in meiner Anfangszeit, was die Begeisterung für Nachkriegsavantgarde betrifft, mich sehr begeistert hat, und nun aus der Sammlung der CDs mit wirklich guter Musik ausgeschieden wurde.


    Das soll aber nicht heißen, dass ich anfangs nur Holst und Orff gehört habe ...

  • Zitat

    (ich dachte etwas mit New-York oder Chicago)


    Die Herzogin von Chicago!!!


    Hallo, bei mir hat alles mit Mozart, Haydn und Schubert begonnen. (cirka bis zum 12 Lebensjahr), dann kamen Vivaldi, Händel und Bach. Zu dieser Zeit hörte ich nur Symphonien und Konzerte. Oper war für mich einfach nur Geschreie.


    Dann war Klassikpause (ca.2 1/2 Jahre), dann begann ich wieder mit meinen "alten" Favoriten, allerdings kamen dann bei Mozart die Opern und bei Bach, Händel und Haydn die Oratorien dazu.


    Seitdem höre ich fast nur noch Opern.
    Hier ist mein Werdegang:
    Mozart (Zaubeflöte, Entführung)
    Mozart (Da Ponte Opern)
    Mozart (Frühe Opern Und Titus)
    La Traviata
    Aida
    ROSSINI (Der Barbier, Cenerentola)
    usw.


    Damals konnte ich mit Donizetti nix anfangen, heute kann ich Mozart nimma hören, obwohl das am Mozartjahr (ausgenommen Opera seria) liegt :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz:


    In Zukunft werde ich in die Moderne einsteigen, meine Barockopernkenntnisse erweitern und alle Scheiben kaufen, die ich zu einem günstigen Preis haben kann!! :D :D :D


    LG Joschi

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Das soll aber nicht heißen, dass ich anfangs nur Holst und Orff gehört habe ...


    Dann solltest Du gerade noch einmal schauen, ob du nicht doch wieder was mit Holst und Orff anfangen kennst. Ich kenne das Phänomen sehr gut. Man erinnert sich heute eines Stückes und fragt sich schließlich, was man früher wohl so faszinierend daran fand. Meistens hat man noch das Hauptthema im Kopf und erachtet es heute als längst nicht mehr so großartig wie früher.
    Doch meist hat man gar nicht alles in Erinnerung, und wenn man dann ncoh einmal besagtes Werk auflegt, ist man doch wieder überrascht, was es da noch alles gibt.
    Um bei Deinen Beispielen zu bleiben: So trivial sind die Planeten von Holst bnun auch nicht. Ich meine mich zu erinnern, daßHolst durchaus Polytonalität und Polyrhytmik ins Spiel bringt (Mars z.B.). Wenn ich irre, korrigiert mich.


    Mir ging das schon desöfteren mit Werken, von denen man ein bestimmtes Thema behält und gleich das ganze Werk damit identifziert. Aber wie gesagt viele Details dann doch nicht mehr im Kopf hat.


    Also: Holst und Orff in den Player :D

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  • Als Jugendliche habe ich vor allem leichte Opern und Operetten sowie romantische Lider gemocht.


    Daran habe ich heute nur noch wenig Freude; es scheint aber wieder mehr zu werden. Allerdings mehr zur Unterhaltung und Opern / Operetten nur in Auszügen. Ganz besonders im Sommer bei Freilicht-Konzerten.


    Lange Zeit gab es dann eine gewisse Vorliebe für Klassisches, aber auch für ganz anders geartete Musik. Ich habe da aber nur zum Vergnügen gehört und meist nur recht Populäres. Viel nur in Auszügen je nach Stimmung; sehr gerne langsame Sätze.
    Lieblingsepoche war auch damals die Romantik. Besonders gefallen hat mir Alles, was in Richtung Programm-Musik ging. Absolute Musik war mir zu schwierig, weil ich mir nichts dabei vorstellen konnte - von Ausnahmen abgesehen.


    So allmählich wurde mir klassische Musik immer wichtiger. Mich lockte es jetzt auch, die Werke, von denen ich einzelne Sätze kannte, als ganzes zu hören.
    Eine gute Weile war dann Mozart mein Lieblingskomponist, eher Kammermusik als Sinfonien. Heute ist bei diesem Komponisten ein gewisser Überdruß gegeben.
    Über einen Volkshochschulkurs kam ich dann zu Dvorak, meinem momentanem Lieblingskomponisten. Und über Dvorak zu Brahms, der ja auch sein Vorgänger war. Da habe ich aberr bis jetzt nur wenig gehört. Ich habe aber vor kurzem die 4 Sinfonien geschenkt bekommen und will demnächst einmal mich denen zuwenden.


    Durch Zufall entdeckte ich auch von Berlionz die Symphonie fantastistique. Anderes von diesem Komponisten habe ich aber noch nicht gehört; auch die Sinfonie selbst noch nicht wirklich intensiv.
    Und ab und zu höre ich auch Anderes, was mich anspricht, meist aus der mittleren oder späten Romantik. Wie Smetanas "Die Moldau" oder auch Musik mit Cello von Chopin.


    Zu0r Zeit bevorzuge ich Kammermusik. Bei Orchestermusik ist beim Hören auf so viel Verschiedenes zu achten, das ist arg anstrengend für mich, die ich da nicht so geübt bin.


    Ich höre jetzt meistens Werke insgesamt. Und bemühe mich um ein wirkliches Zuhören mit Verfolgen von Themen und deren Verarbeitung, Heraushören von Instrumten, auch Achten auf die Struktur. Wobei mir wichtig ist, dass das Genißen nicht zu kurz kommt dabei.

    Anna-Beate

  • Zitat

    Oder - sehr ungewöhnich, aber immerhin möglich - hat sich seit Eurer Jugend der Musikgeschmack (ich meine jetzt vorzugsweise in Bezug auf Interpretationsstil) überhaupt nicht geändert ??


    Dies ist eine der Ausgangsfragen für diesen Thread.


    Das sich der Musikgeschmack schon durch die Erweiterung auf neue Komponisten und Werke stark erweitert ist eine logische Folge, weil man als Musikliebhaber immer weiter auf der Suche nach neuem interessanten Musikmaterial ist. Dieser Zustand wird bei mir nie anhalten.
    Auch Werke aus dem 20.Jahrhundert (z.Bsp. von Bartok), mit denen man zuerst in der Jugend wenig anfangen konnte gehören heute zu meinen Lieblingswerken. Die Komponisten des 20.Jahrhunderts gehören heute zu meinen Favoriten mit der größten Anzahl CD´s. Das zu der Erweiterung des Musikgeschmackes.
    Das heißt nicht, dass ich nicht heute regelmäßig zu Brahms und Beethoven zurückgreife :jubel:.


    :yes: Das ich packende Interpretationen und Werke, die keine Langeweile auslösen schon immer schätzte, das hat sich nie geändert.


    ?( Auch meine Antipathie gegen schrille Solostimmen (Tenor und Sopran) hat sich nie geändert. Werke in denen dieses Gekreische vorhanden ist, meide ich. Der Auslöser für diese Antipathie könnte mein Vater gewesen sein, der im Radio Tenöre gehört und mitgesungen hat - dies war für mich ein Graus - er konnte nie verstehen, warum ich das nicht schön fand.
    Opern will ich nur LIVE hören - da habe ich keine CD !
    8) Popmusik habe ich nie gerne gehört: Das was meine Mitschüler hörten war für mich immer "Schrott"; schon damals hörte ich lieber die gesangsfreien Klassikplatten meiner Eltern (Beethoven, Schubert, Liszt, Tschaikowsky).


    :beatnik: Bei Tschaikowsky hatte ich eine gewisse Sättigung verspürt und diesen Jahrelang nicht mehr gehört. Erst viel später wieder, durch die TOP-Solti-CD´s der Sinfonien 5+6 (und dieses Jahr durch die Mrawinsky-Aufnahmen) habe ich wieder zu Tschaikowsky zurückgefunden und höre auch alle anderen Werke vom ihm wieder gerne.
    Ich habe mich auch schonmal mit Nutella übergegessen und mag es heute wieder. :D


    :) Das ich bis heute gerne Programmmusik höre rührt noch aus meiner Jugendzeit zurück, als Liszt noch mein absoluter Lieblingskomonist war.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Auch bei mir ist ein deutlicher Wandel des Geschmacks im Laufe der Zeit festzustellen. Der Einstieg erfolgte über das Standardrepertoire der Wiener Klassik, dann folgte eine rasche Erweiterung nach vorn und hinten (ohne Schwerpunkt und ohne Kennerschaft).


    Nach einer berufsbedingten Pause der zweite Einstieg, beginnend mit einer raschen Verminderung und Konzentration der Sammlung. Das Forum hat den Wandel tatkräftig gefördert, aber nicht hervorgerufen. Ich habe es in anderen Threads bereits erwähnt: Die Tendenz geht in Richtung Kammermusik und Klavier solo, weg von den Klangmassen moderner Symphonien und Orchesterwerke. Bei Schumann ist derzeit Schluß mit den Symphonien (letzter Kauf: Marriner auf Brilliant Classics), alle moderneren habe ich verkauft (Schostakowitsch, die Amerikaner, sogar Elgar, aber nicht VW und Sibelius) oder nie besessen (Mahler, Bruckner, Tschaikowskij, Glasunov usw).


    Ich bin mittlerweile der Ansicht, daß es schwerer ist, überzeugende Werke für Soloinstrumente und kleinbesetzte Ensembles zu schreiben, als für große Orchester. Außerdem bin ich der Überzeugung, daß der Geschmackswandel mit meinen ästhetischen Vorlieben insgesamt zu tun hat, in der Malerei, der Innenarchitektur, dem Film, der Lyrik, der Kochkunst, der Mode zB.


    Schwerpunkt derzeit die französische Klaviermusik ab etwa Faure, Alkan, Chabrier, über Debussy, Ravel, Dukas bis zu Messiaen. Da gibt es noch viel zu entdecken (de Severac, Caplet, Ropartz, Saguet usw.), und zeitlich nach vorn schreiten will ich auch noch (Jolivet, Milhaud, Boulez u.a.)
    Auch auf die Italiener dieser Zeit bin ich gespannt.


    Das Forum begleitet und unterstützt den Wandel. Nirgendwo erhalte ich so viel Hilfe, soviele aktuelle Infos wie hier. Nur in der Fachliteratur findet man noch mehr Infos.


    Neben dieser Unterstützung spielt das Forum auch eine entscheidende Rolle bei der Erweiterung meines Geschmacks, also die Anregung, sich mit anderer Musik als bisher zu beschäftigen. Bei mir sind zentral zu nennen die wichtigen Anregungen hinsichtlich der Musik vor Beethoven, besonders fran., ital. und deutscher Barock, und hinsichtlich zeitgenössischer Musik (auch wenn sich Edwin bislang vergeblich bemüht, mir die Symphonien von Schostakowitsch schmackhaft zu machen :D )


    Ich bin überzeugt, daß sich mein Geschmack im Laufe der nächsten Jahre noch weiter wandeln und das Forum dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Ich rechne zwar nicht damit, daß ich irgendwann wieder großorchestrale Werke schätzen werde, aber auch ohne diese Klangmassen gibt es noch genug Musik zu entdecken.