Bernd Glemser - Der Russe aus dem Breisgau



  • Bernd Glemser? Who? Schaut man sich hier im Forum und andersweitig um, könnte man doch wirklich meinen, dass Bernd Glemser immer noch ein "Geheimtipp" ist, obwohl der Pianist seit knapp 20 Jahren Konzerte gibt und 1989 an die Musikhochschule Saarbrücken berufen und damit zum jüngsten Professor Deutschlands wurde:


    Ein nettes Detail: Bernd Glemser, noch immer Student an der Musikhochschule Freiburg, musste deswegen von der dortigen Schulbehörde als Student exmatrikuliert werden, bekam aber den tröstlichen Bescheid, dass er seine Examina innerhalb 2 Jahren nachholen dürfe......(!)


    Der Pianist wurde 1962 in Dürbheim am Fuße der Schwäbischen Alb geboren und studierte von 1981 - 1989 in Freiburg, in der Klasse von Viktor Margulis und heimste in dieser Zeitspanne eine Fülle von Preisen bei internationalen Wettbewerben ein. [Wen die Statistik interessiert: Glemser ging aus 17 (!) internationalen Wettbewerben als Sieger und Preisträger von Spezialpreisen hervor (Cortot, Rubinstein, Tschaikowsky, Busoni, Callas und viele mehr)]


    Die Kritiker beeindruckte Glemser jedenfalls nachhaltig. Der amerikanische Klavier-Kaiser Harald C. Schonberg erklärte in der New York Times anlässlich eines Wettbewerbs in Sydney "[...] einen Techniker von Weltrang gehört zu haben, der mit aristokratischem Spiel und im Geiste eines Glenn Gould den Wettbewerb buchstäblich gesprengt habe...[...]"


    Nun sollte man mit solchen Attributen vorsichtig sein, aber Bernd Glemser verfügt unbestrittener Maßen über eine fulminante Technik, wegen der man ihn gelegentlich mit großen russischen Virtuosen in Verbindung bringt. In der Tat ist Glemser ist ein hervorragender Prokoffiev-Spieler und überzeugt ebenso mit Rachmaninov oder Scriabin.


    Zu meinen Lieblingsplatten des Pianisten gehören seine Schumann-Aufnahmen. Aber dazu später mehr.


    Übrigens: Am 9. September spielt Bernd Glemser im Kloster Maulbronn (Ich habe gerade die Karten bestellt :D )


    Besonders auf den Schumann freue ich mich schon. Beethoven hat er soweit ich es überblicke noch nicht aufgenommen.


    L. v. Beethoven:


    Klaviersonate As-Dur op. 26
    Klaviersonate op. 27, Nr. 1 Es-Dur
    Klaviersonate op. 27, Nr. 2 cis-Moll


    R. Schumann:


    Arabeske op. 18
    Fantasie C-Dur, op. 17



    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian




    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Glemser ist der für mich größte lebende deutsche Pianist. Das erste, was ich von ihm hörte, war Schumann. Wirklich grandios: Vitalität einer Marth Argerich und zugleich die Noblesse von Arrau. Dann hörte ich Rachmaninovs 3. Klavierkonzert. Er ist der einzige, der mit Martha Argerichs und Horowitz Interpretation mithalten kann. Seine Scriabin - Sonaten sind mit Igor Shukovs durchaus vergleichbar.
    Und ganz nebenbei: Das meiste bekommt man zum Mitnahmepreis von 5-10 €, weil er bei Naxos unter Vertrag steht.


    Er hat neben seiner Aufnhame- und Konzerttätigkeit die Klavierprofessur in Würzburg inne.

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Jetzt würde mich aber die Auflösung des Rätsel um den Thementitel interessieren!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Theophilus,


    eigentlich ganz einfach: Glemser stammt aus dem Regierungsbezirk Freiburg (Breisgau) wurde von einem russischen Pianisten in Freiburg unterrichtet, hat eine Vorliebe für das russische Repertoire und wird wegen seiner fulminanten Technik oft mit der "Russischen Schule" verglichen.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

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  • Hallo Caesar73,


    es freut mich erfreuliches über Bernd Glemser zu lesen, denn ich habe mich auch quasi ins blaue hinein für die Prokofieff-Sonaten mit Bernd Glemser auf NAXOS entschieden (3CD´s) und bin mit diesen Aufnahmen zufrieden - ich kenne gar keine anderen Einspielungen.


    Die Kritik, die ich nach meinem Kauf der CD´s dazu las (Stereoplay), war auch positiv und jetzt dieser Thread - - - das muß also ein guter Kauf gewesen sein :D .


    Ich habe eigendlich nicht vor mir die Rachmaninow-Klavierkonzerte nun nochmal zu kaufen (habe Ashkenazy Nr.1-4, Horowitz Nr.3), aber wie steht es mit der Glemser-Aufnahme bei NAXOX ? Ich könnte mir vorstellen, das nur das Orchester der Grund wäre, diese Aufnahme nicht zu kaufen ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Lieber Teleton,


    die Rachmaninov KK kenne ich selbst nicht, aber Bubba hat dazu glaube ich etwas geschrieben- und bei dem Preis kannst Du eigentlich nicht viel verkehrt machen. In jedem Fall ans Herz legen, würde ich Dir seine neue Rachmaninov Platte, bei Oehms erschienen, z. B. mit der zweiten Klaviersonate von Rachmaninov und den Corelli-Variationen. Die Prokoffievplatten sind in jedem Fall eine Wucht!


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Caesar73,


    ein erfreulicher Thread. Ein Geheimtipp dürfte Glemser aber nun wirklich nicht mehr sein, jedenfalls nicht unter regelmäßigen CD-Käufern oder gar Sammlern. Viel zu oft wurde er bereits für seine Aufnahmen gelobt, als das man an ihm hätte vorbeigehen können.


    Empfehlen möchte ich seine hier noch nicht erwähnten Scriabin-Sonaten, die ich ebenfalls besitze und in guter Erinnerung habe, aber zugegeben lange nicht mehr gehört habe.


    Das "Problem" von Glemser ist, dass er ein Naxos-Künster ist (dieses und das Folgende könnte man übrigens auch von anderen Künstlern sagen, beispielsweise von Kliegel). Zwar dürfte Glemser seine Aufnahmen deutlich häufiger verkauft haben als viele seiner Konkurrenten, aber er wird eben nicht so sehr vermarktet wie beispielsweise die Künstler des Gelblabels. Stünde er bei der DG unter Vertrag, wäre er ein Superstar. Dass er dies nicht ist, mag auch Vorteile haben, wie z. B. ein Leben abseits des Promi-Gedöns. Es hat aber auch deutliche Nachteile. Der größte dürfte darin liegen, dass es Glemser nicht vergönnt ist, Konzerte mit hervorragenden Dirigenten und Orchestern aufzunehmen. So gilt für mich die Devise: Von Glemser sind zu kaufen: alle Solowerke, aber keine Orchesterwerke. Die Oehms-Ausgabe kenne ich allerdings nicht. Die alten Naxos-Klavierkonzerte habe ich mir nach Probe-Hören im Laden nicht gekauft. Da gab es bei mir aber auch bereits starke Konkurrenz. Damit ich mir noch ein weiteres Rach-Konzert kaufe, muss wirklich alles stimmen.


    Thomas

  • Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    [...] Das "Problem" von Glemser ist, dass er ein Naxos-Künster ist (dieses und das Folgende könnte man übrigens auch von anderen Künstlern sagen, beispielsweise von Kliegel). Zwar dürfte Glemser seine Aufnahmen deutlich häufiger verkauft haben als viele seiner Konkurrenten, aber er wird eben nicht so sehr vermarktet wie beispielsweise die Künstler des Gelblabels. Stünde er bei der DG unter Vertrag, wäre er ein Superstar. Dass er dies nicht ist, mag auch Vorteile haben, wie z. B. ein Leben abseits des Promi-Gedöns. Es hat aber auch deutliche Nachteile. Der größte dürfte darin liegen, dass es Glemser nicht vergönnt ist, Konzerte mit hervorragenden Dirigenten und Orchestern aufzunehmen. [...]


    Immerhin hat Glemser unter Sawallisch mit dem Philadelphia Orchestra zu derem 100. Geburtstags Rach 3 aufgeführt. Das Konzert soll sogar mitgeschnitten worden sein, aber wer weiß, ob das jemals in der Ladentheke zu haben sein wird...


    Bisher wurde Glemsers Debut-Album (reines Liszt-Programm) noch nicht erwähnt, gibt es momentan seeehr günstig, ein wahres Feuerwerk!



    Bernd Glemser
    Glemser spielt Liszt
    - Sposalizio
    - Sonetto 104 Del Petrarca
    - Apres Une Lecture Du Dante
    - Auf Dem Wasser Zu Singen
    - Ständchen
    - Der Müller Und Der Bach
    - Erlkönig
    - Sospiri
    - Bagatelle ohne Tonart
    - Rhapsodie Espagnole
    Koch-Schwann


    Gruß
    Karsten

  • Auch ich schätze Bernd Glemser sehr - vor allem als Rachmaniov- Interpret.
    Hier ist er für mich einer der ganz Großen unter den lebenden Pianisten.
    Ich denke, Rachmaninov ist seine Stärke.


    Doch dem schließt sich mein erster und bisher einziger Kritikpunkt bei Glemser an:
    Sein Prokofieff. Da ich diese Sonaten sehr schätze, habe ich mir alle drei Glemser-CDs zugelegt, kenne aber auch noch so einige andere Einspielungen vereinzelter Sonaten (Gavrilov, Nikolsky, Gould etc.).
    Das Problem: für mich fehlt der Biss, die Ironie und auch die Brutalität, die in so manchen Sonaten bei Prokofieff auftauchen.
    Sein Precipitato ist eher ein Prestissimo (was nicht gleichzusetzen ist!), jedoch fehlt es an Härte. Die Ironie im 2. Satz der 6. schaut hinter dem Vorhang hervor, traut sich jedoch nicht ganz raus.
    Es klingt alles ein wenig spätromantisch, rachmaninovesk sozusagen. Schade.
    Auch die nette Romeo & Julia - Transkription hätte IMO wesentlich spritziger ausfallen können.


    Gut, genug gemeckert, denn ansonsten ist Glemser ein wirklich hervorragender Pianist! :yes:


    :hello:
    Wulf.

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  • :hello: Hab ich weiter oben schon etwas dazu geschrieben ;)

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Zitat

    Original von Caesar73
    Zu meinen Lieblingsplatten des Pianisten gehören seine Schumann-Aufnahmen. Aber dazu später mehr.


    Ich würde mich über eine Einschätzung seiner Schumann-Aufnahmen freuen, lohnen sich die wirklich? In der Fachprresse wurden die eher gemischt besprochen, was mich von einem Erwerb derselben abgehalten hat. Ein Fehler?


    Viele Grüße,
    Christian B.

  • Ja, ohne daß ich die Aufnahmen gehört hätte. Von der Fachpresse sollte man sich nur dann von einem Kauf abhalten lassen, wenn entweder auf schwere aufnahmetechnische Mängel hingewiesen wird, oder von einer "radikalen" oder "völlig neuartigen" Interpretation die Rede ist (also angenommen werden kann, der Pianist habe eher sich selbst als das Stück verwirklichen wollen).


    Ich selbst habe aufgrund der Informationen aus diesem Thread jedenfalls Glemser auf meine Liste gesetzt und werde mir gerade die Schumann - Aufnahmen zulegen (weil er mir deutlich mehr zusagt als Rachmaninoff oder Liszt).

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Von der Fachpresse sollte man sich nur dann von einem Kauf abhalten lassen, wenn entweder auf schwere aufnahmetechnische Mängel hingewiesen wird, oder von einer "radikalen" oder "völlig neuartigen" Interpretation die Rede ist (also angenommen werden kann, der Pianist habe eher sich selbst als das Stück verwirklichen wollen).


    Stimmt schon, aber wenn ich schon einige Einspielungen von op. 13 und 17 habe, dann überelege ich es mir natürlich, ob sich eine weitere Einspielung lohnt. Bei op. 17 (Fantasie) ist die Frage immer schnell beantwortet, denn da gibt es m.E. nach wie vor keine wirklich vollends beglückende Aufnahme, entweder zu virtuos, oder zu lyrisch, und dann fehlt im 2. Satz der Zug. Bin auf Glemser gespannt!


    bg,
    Christian

  • Zitat

    Original von Christian B.


    Ich würde mich über eine Einschätzung seiner Schumann-Aufnahmen freuen, lohnen sich die wirklich? In der Fachprresse wurden die eher gemischt besprochen, was mich von einem Erwerb derselben abgehalten hat. Ein Fehler?


    Lieber Christian,


    ich habe, mir vorgestern noch einmal Glemsers "Symphonische Etüden" angehört, auf derselben CD ist übrigens auch die C-Dur Phantasie. Da ich Glemser aber in vierzehn Tagen mit der C-Dur Phantasie live höre, erstmal einige Sätze zu den "Etüden" und später dann mehr zu der Fantasie.


    Glemser spielt die Etüden (mit den fünf Variationen aus dem Nachlass) technisch absolut makellos, brilliant und kühl- vielleicht zu kühl, mir fehlt in den lyrischen Passagen manchmal ein wenig das Verträumte. Fasziniert hat mich die Etüde X "Sempre con energia" Das nimmt Glemser wörtlich, er spielt hier ein wildes Presto. Feurig und grandios gesteigert das Finale.


    Fazit: Mir gefällt die Interpretation Glemsers, auch wenn mir Ragna Schirmer noch mehr zusagt, aber das ist immer ein wenig stimmungsabhängig. Zu den Sonaten eins und drei ein andernmal mehr.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

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  • Hier mein kleines Erlebnis mit Glemser:


    27.3.2004, ein gewisser Glemser spielt in Warstein. Das ist im Sauerland, knapp 60 km südlich von meinem Wohnort. Ich hatte an dem Abend nichts Besseres vor, auf dem Programm standen Haydn und Schubert, aber ich hatte keine Karte. 60 km mit dem Auto fahren, und dann womöglich nicht rein kommen? Da nahm ich lieber das Rad, im Zweifelsfall wär's dann wenigstens eine schöne Radtour gewesen (sie führt nämlich über den schönen Haarstrang).


    Die Tour (Hinweg) war wirklich schön, die Nachmittags- bzw. Abendsonne ließ erste Frühlingsgefühle erwachen. Natürlich bekam ich noch eine Karte. Glemser spielte zuerst Haydns Nr. 20 in c-moll, ziemlich expressiv, wie ich fand, aber gut. Dann aber Schubert, Klaviersonate A-dur D 959. Ich kannte bis dahin keine Klaviermusik von Schubert. Aber das war so unglaublich gut. Glemser spielte wie in Trance und hat mich selbige versetzt. Das ist normalerweise nicht möglich, im Gegenteil, ab und zu habe ich sogar Konzentrationsprobleme. Der Klavierabend war genial. Die Rückfahrt musste dann halt bei Kälte und im Dunkeln stattfinden, aber so gegen 2 Uhr war ich wieder zuhause. Ich habe nichts bereut.



    Thomas Deck

  • Der Glemser Bernd ist schon super. Auch wenn mein werter Vorgänger mit seinem Fahrrad-Beitrag ein journalistisches Kabinettstückchen geliefert hat, möchte ich mich jetzt auch noch zu dem Thema äußern, allerdings ohne Fahrräder zu erwähnen.



    Ich habe von Bernd Glemser die Aufnahmen der Sonaten fis-moll und f-moll von Robert Schumann, das erste Klavierkonzert von Johannes Brahms und die Sonaten 2, 5, 6, 7, 9 nebst Fantasie Opus 28 von Aleksandr Skriabin. :jubel:




    Bei Schumann fis-moll stellt Bernd Glemser die zahlreichen großen Steigerungen mit Temperament, Klarheit und pianistischem Glanz dar. Den großen Bogen der Introduzione und die Ruhe der "Piu lento"-Abschnitte am Ende von Exposition und Coda des ersten Satzes, den Gesang der Aria und die Ruhepole des Finales und auch des Scherzos spielt er mit wunderbaren Pianissimi und märchenhaften Klangfarben. Wenn ich die Aufnahme mit der von Maurizio Pollini vergleiche, dann wirken dort die entsprechenden Abschnitte viel unruhiger und flüchtiger, was ich als ein Defizit an romantisch-literarischem Flair empfinde. In den Steigerungen spielt Pollini vielleicht noch etwas brillanter, demonstriert stärker das Rachmaninoff-Godowsky-Potential dieser Sonate, aber diese Stärke entschädigt nicht voll für das, was bei Pollini in den liedhaften Episoden fehlt. Und bei der wichtigsten Steigerung, dem "Allegro più" am Ende des Finales steigert Glemser ungleich mehr, spielt rasanter und ver-rückter als Pollini und gleichzeitig mit glänzender Präzision. :jubel:



    Im d-moll-Konzert von Brahms spielt Glemser live am 13. Januar 2000 mit den Duisburger Philharmonikern unter Leitung des Dirigenten Bruno Weil. Die Aufnahme wurde anscheinend vom Orchester selbst veröffentlicht.
    Es gibt aufnahmetechnische Defizite, so dass der Erwerb der Glemser-CD die Kenntnisnahme anderer Aufnahmen nicht ersetzen kann. Auch ist das Orchester anscheinend in den Klangfarben nicht immer ganz optimal.
    Die Gesamtwirkung gewinnt durch die Dynamik der Steigerungen, etwa den Oktavenstellen genau in der Mitte des ersten Satzes oder dem Schluß dieses Satzes, wo Glemser rasant und temperamentvoll loslegt. Das Ganze ist ein pianistisches Festmahl. Übrigens zeigt sich auf dieser CD das Orchester von seiner besten Seite in zwei "Zugaben", Johann Sebastian Bachs Sinfonia zur Kantate "Am Abend desselbigen Sabbats" BWV 42 und Max Regers Bearbeitung von Bachs Choralvorspiel "O Mensch, bewein dein Sünde groß" BWV 622. :angel:



    Live habe ich Glemser zwei mal gehört: 2003 oder 2004 mit den Bielefelder Philharmonikern und Peter Kuhn mit Rachmaninoffs drittem Konzert - sehr gut - und 1980 in einem Freiburger Meisterkurs mit Liszts Spanischer Rhapsodie, die mir damals sehr gut gefallen hat, obwohl ich das Stück nicht so mag wie andere von Liszt. Insgesamt lohnt es sich, Bernd Glemser zu hören. Was fehlt, sind allerdings regelmäßge Orchesterauftritte mit exzellenten Ensembles. Das erste Brahms in München, Wien oder Berlin, das wäre doch mal was... :yes:


    Die aktuellen Konzerte dieses Pianisten werden übrigens auf einer Schweizer "musicmasters"-Website angezeigt. So zum Beispiel Tschaikowskys Nr. 1 am 1. November in Seesen am Harz :hello: :hello: :hello:

  • Ich finde Glemser bei dem, was ich bisher von ihm kenne, auch sehr interessant.


    Von ihm würde ich mir bald mal eine Einspielung der Bilder einer Ausstellung wünschen!

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • :hello:


    ...bliebe mir als altem Duisburger zu ergänzen:


    wie der Kulturvermittler schon richtig vermutet, sind die CD-Mitschnitte der Sinfoniker (bis ca. 98/99) resp. Philharmoniker Veröffentlichungen in Eigenregie (Ein Orchestermitglied ist wohl auch Tontechniker...) - i.d.R. bekommt man sie wohl nur in einigen handverlesenen Läden oder über die "Gesellschaft der Freunde der DP"


    C.a. 2003/4 haben Sie in gleicher Besetzung auch die 5 Beethoven-Konzerte LIVE eingespielt - bloss kenne ich niemanden, der diese Box besitzt u. Rezensionen habe ich erstmal im Google nicht gefunden......


    Die Duisburger Sinfoniker waren übr. das 1. NRW-Orchester, dass ( `97
    war`s wohl / jedenfalls wieder mit Weil u. Glemser) eine China-Tournee unternommen hat - Darüber gibt`s einen knapp 1std. Doku-Film (also KEINE Konzertaufzeichnung), der seinerzeit auf 3sat lief u. eine Wiederholung verdient hätte: IMO nicht zuletzt deshalb, weil der Filmemacher spürbar u. sympathisch bemüht ist, jegliche Attitüde a la "Jetzt zeigen wir diesen Chinesen mal, was europäische Hochkultur ist !" zu vermeiden...


    guts nächtle !!!!!
    piet

  • Hallo, miteinander!


    Ich besitze eine billige DVD-Serie von Zweitausendeins, die einen technisch nicht vom Hocker reißt. Es sind durchwegs Aufnahmen aus den Neunzigern mit dem Orchester der italienischen Schweiz. Wieder einmal scheint zu stimmen, was oben behauptet wird und was ich schon öfters gehört habe: Glemser spielt nicht immer mit Spitzenensembles, aber er spielt selbst erstklassig, hier auf meiner DVD die Burleske von Strauss.


    Außerdem besitze ich die Rachmaninow-CD (3. Klavierkonzert), Prokofieff und Scriabin mit ihm und möchte oben Festgestelltes unterstreichen. Was Prokofieff anbelangt, bin ich am meisten angetan von der achten Sonate - vorher kannte ich nur McLachlan in der Brilliant-Einspielung und habe geahnt, dass man aus diesem genialen Werk wohl noch mehr machen können müsste ... :beatnik:


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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  • Bernd Glemser spielt Bach-Transkriptionen


    Hallo zusammen,


    auf einer neuen CD (aufgenommen im Dezember 2006 in München) hat Bernd Glemser Transkriptionen von Bach-Werken eingespielt, und zwar in Bearbeitungen von Ferruccio Busoni, Sergei Rachmaninov, Wilhelm Kempff und Myra Hess.



    In der Textbeilage findet sich ein schöner Aufsatz von Michael Bastian Weiß, „Musik durch ihre Veränderung erkennen“, in der Lesenswertes gesagt ist über das, was eine Transkription ausmacht, insbesondere wird Busoni zitiert, von dem gibt es dazu ja auch Schriftliches, und es zu kennen hilft natürlich sehr beim Anhören z.B. seiner Transkription der Chaconne aus der zweiten Partita für Violine solo.


    Schließlich ist bei kaum einem Werk auf den ersten Blick weniger verständlich, warum es trankribiert wurde, denn gerade die Violine gibt ja nicht oder doch nur kaum die Möglichkeit des mehrstimmigen Spiels, was bedeutet, dass das Bach‘sche Stimmengeflecht durch Brechungen, Arpeggien, ja sogar durch Pausen, quasi „hilfs"-konstruiert wird, auf dem Klavier wäre das ja Alles sehr einfach zu haben. Busoni macht aus dem Stück etwas geradezu luxuriös Pianistisches und sehr Virtuoses, er verfremdet (- und zwar zu etwas, was Bach so wohl nicht gemeint hat, denn schließlich hätte ihn kein Mensch daran hindern können, das Stück zum Beispiel für die Orgel zu entwerfen), aber die kompositorische Qualität bleibt erhalten. Hört man zuerst die Busonische Klavierversion und dann das Original, dann könnte man sogar meinen: die Version für Violine solo ist eine Verfremdung, in diesem Falle eine zur Kenntlichkeit!


    Was die Interpretation angeht, so ist das Alles pianistisch lupenrein und technisch perfekt, und, wie ich finde, auch musikalisch grandios gemeistert. Man hört auch Busoni oder Rachmaninov, aber vor Allem doch die Linearität Bachs. Glemser verzichtet auf jeden Drücker – und siehe da: das „Emotionale“ kommt von ganz alleine.
    So gespielt ist „Jesus bleibet meine Freude“ ein anderes Stück als in der Aufnahme von Dinu Lipatti. Dessen Version kann man ja kaum hören, ohne sie, angesichts der bereits fortgeschrittenen tödlichen Krankheit des dreiunddreißigjährigen Pianisten, als ein schlichtes Gebet zu verstehen, bei dem der Text der zugrundeliegenden Kantate eine wichtige Rolle spielt, Sentiment ist auf jeden Fall darin enthalten, wenn auch nicht „Kitsch“. Glemsers Version kann man sehr wohl als „reines Stimmenkonstrukt“ wahrnehmen – was aber dem Musikalischen (und auch dem „Romantischen“ der Bearbeitung) durchaus nicht den Weg versperrt.


    Die Klangtechnik der Aufnahme ist sehr gut, sie unterstützt den klaren Zugang des Pianisten zu den Stücken, und bringt den Klavierklang hervorragend in den Kopfhörer. Leider ist in der Textbeilage nicht dokumentiert, welchen Flügel Bernd Glemser spielt (liebe OEHMS Classics: dies nicht hinzuschreiben ist nun wirklich nicht mehr „state of art“), aber ich vermute, dass es sich um einen Steinway handelt; vergleicht man nämlich die Glemser-Aufnahme des „Jesus bleibet meine Freude“ mit der ebenfalls großartigen und ebenfalls großartig eingefangenen Darstellung von Juan Jose Chuquisengo (auf Sony), so wirkt sie rein klanglich eher nüchtern gegen den geradezu sinnlichen Fazioli-Klang der Version des Peruaners – wobei ich persönlich aber diese Nüchternheit als interpretatorisch gewollt und sehr angemessen empfinde.


    In Summe: mich beeindruckt die Einspielung sehr. Auch wenn mit Rachmaninov ein russischer Komponist auf der CD eine Rolle spielt: der „Breisgauer Russe“ (siehe Thread-Titel) gibt dieses im Grunde doch „sehr deutsche“ Programm in einer sehr persönlichen Sicht (wobei er aber schon mit seinen Schumann-Aufnahmen bewiesen hatte, dass er nicht nur „russisch“ auf höchstem Niveau kann).


    Gruß
    Pylades

  • ...gestern - nach Monaten mal wieder - "Hörzeichen" auf WDR III. mitbekommen (läuft immer um 14.45)...
    besprochen wurde die eben erwähnte CD !


    Auch der Rezensent ULRICH MUTZ war voll des Lobes !
    - z.B.:
    "Der (CD-)Titel trifft den Inhalt zwar nicht ganz genau, denn neben Transkriptionen enthält die Neuerscheinung Bearbeitungen, bei denen der Arrangeur dem Original auch Eigenes hinzugefügt hat. Das schmälert den Repertoirewert ... allerdings nicht im geringsten"
    und:
    "Trotz der in die Klaviatur gelegte Pedalstimme der Orgeloriginale - und trotz anderer manueller Schikanen - stösst Bernd Glemser nie an seine technischen Grenzen. Seinen feinfühligen Anschlag setzt er mit Erfolg ein, um den Satz transparent zu machen"


    ... ist bei jpc für passable 11 Eurönchens zu haben !


    :hello:
    Micha

  • Also kürzlich hatte ich die Gelegenheit, bei einnem Freund die Einspielung seiner 7. Sonate von Prokofiev zu hören. Sein Precipitato hat mich absolut überzeugt.
    Da war für mich alles enthalten, was ich gerade von diesem Stück erwarte - das bedeutet neben der Technik noch ein Stückchen mehr:)

    Eine Signatur, die ich 1990 verwendet habe:
    "Better to create than to consume"

  • Zitat

    Original von steppenhund
    Da war für mich alles enthalten, was ich gerade von diesem Stück erwarte - das bedeutet neben der Technik noch ein Stückchen mehr:)


    Könntest Du das etwas genauer beschreiben? (und ggf. auch Deinen Eindruck von der Enspielung mit Glemser!)
    Am besten hier, wo Du ja auch schon einige Beiträge geschrieben hast:


    Prokofiev 7. Klaviersonate


    Gruß pt_concours


    ps Ich habe Deinen Beitrag gleich zum Anlass genommen, die Einspielung mit Glemser (nach einigen Jahren), mal wieder zu hören!

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Sieben Jahre hat dieser Thread geschlummert. Nun finde ich den Namen Bernd Glemser wieder in der "Solisten-Kette"
    Ein willkommener Anlass, nachzusehen, was dieser Pianist inzwischen aufgenommen hat. Leider eigentlich so gut wie nichts.
    Lediglich eine Gesamtaufnahme aller Beethoven Klavierkonzerte mit den Duisburger Philharmonikern unter Bruno Weil aus dem Jahre 2002 habe ich gefunden. Sie wurde allerdinge erst im September 2013 bei mdg veröffentlicht.
    Allerdings finden wir noch zahlreiche Aufnahmen bei OEHMS Classics und noch mehr sind im Back-Katalog von Naxos zu finden. Vielleicht keint das eine oder andere Mitglied eine dieser Aufnahmen und möchte eine Bewertung oder die Schilderung des persönlichen Eindrucks wiedergeben....

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Eine Eindrucksschilderung könnte ich allenfalls von Livekonzerten geben und hier waren meine Erlebnisse mit diesem im Konzertsaal mitreißenden Pianisten so gut, dass er auf meinen Vorschlag hin beim Heilbronner Sinfonie Orchester engagiert wurde. Wir dürfen uns auf also den Pianisten über den das Fono Forum schrieb: " Glemser ist der deutsche Klangmagier seiner Generation, ein Wunder an Virtuosität bei gleichzeitiger künstlerischer Reife" freuen. Glemser wird am 24. April 2016 das Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30 von Sergej Rachmaninoff spielen. Daneben steht noch die Sinfonie Nr. 2 e-Moll von Rachmaninoff auf dem Programm. Herz was willst Du mehr.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Inzwischen hat Bernd Glemser wieder begonnen Aufnahmen zu machen, so wie die hier abgebildete und verlinkte CD mit ausgewählten Haydn Klaviersonaten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Richtig glücklich werde ich damit nicht, ich empfinde die Darstellung als zu wenig spritzig. Auf modernen Flügel kann man die Härte eines alten Hammerklaviers annähern simulieren. Das geschieht hier IMO nicht, breit und dröge klingt der Konzertflügel (na ja, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber ich vermisse einerseits das durchsichtig, silbrige, andrerseits den "Biß" - beides Eigenschaften, die ich mit einer Haydn- Klaviersonate normalerweise verbinde. Dieses "Manko" ist aber zu einem gewissen Teil sicher der Aufnahmetechnik anzulasten....(?)

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !