Einen Tag nach der Wiesbadener Premiere von Wagners Oper „Tristan und Isolde“ kam auch in Köln eine neue Produktion dieser „Handlung in 3 Akten“ auf die Bühne. Die Verantwortung für diese Neuinszenierung lag in den Händen von Markus Stenz (Dirigent) und David Pountney (Regie). Auch Pountney gelang, ähnlich wie Hilsdorf in Wiesbaden, keine wirklich gelungene Umsetzung des schwierigen Werkes, er scheiterte aber auf merklich niedrigerem Niveau, als das in der hessischen Landeshauptstadt zu erleben war.
Auch in Köln schliesst die Szene, wie in Wiesbaden, mit einem bemalten Prospekt ab – hier sind es Meereswellen, die auf der Leinwand zu sehen sind. Am Ende des Vorspiels erkennt man im oberen Bereich der Bühne den Seemann, der sein Lied singt. Wenn dann der Blick auf die Szene freigegeben wird, ist ein angedeutetes Schiff zu sehen mit einer quadratischen Spielplattform, gut einen Meter über dem Bühnenboden montiert, mit Tüchern, die Segel symbolisieren und auf ebener Erde eine graugekleidete Rudermannschaft, die dieses Schiff vorwärts treibt. Umrahmt wird die Bühne von jenen Meereswellen, die schon auf dem Prospekt zu sehen waren.
Die Kostüme entsprechen klassischen Vorlagen, klar ist Magd Brangäne von der Herrin Isolde zu unterscheiden. An Personenführung bietet David Pountney während dieses ersten Aktes nichts, was mitteilenswert wäre – er unterbindet noch nicht mal Überzeichnungen mit weit weggestreckten oder zum Himmel empor gerissenen Armen. Tristan hält ein grosses Ruder umklammert, der Todestrank befindet sich in einem schwarzen Fläschchen, der Liebestrank in einem roten. Am Ende steht König Marke im vollen Ornat auf halber Bühnenhöhe im Hintergrund.
Der zweite Akt spielt dann in einer Traumlandschaft – Malerstaffeleien fallen ineinander, Würfel drehen sich, Balken liegen herum. Halbkreise sind auf einem grossen Kubus zu sehen, eine goldene Kugel fährt auf der sich fast ständig ganz langsam drehenden Bühne herein. Isolde trägt die Farben des Tages, von rot ins gelb übergehend, Tristan das silbrige blau der Nacht und auch die Bühne changiert in diesen Farben. Brangäne wird von Isolde an einen der Würfel angebunden, aber später sieht man sie auf diesen Balkentrümmern liegen, im tiefroten Kleid mit offenem Haar, wenn sie ihren Wachruf singt. Später, wenn der König die Szene betreten hat, sieht man Brangäne wieder in ihrer Dienerinnenkleidung, festgebunden an dem Würfel. Fast ständig klettern Isolde und Tristan über diese Landschaft, ohne sich wirklich Nahe zu kommen. Das passiert erst mit dem Auftritt Melots und des Königs: Tristan und Isolde fliehen in einen weiss ausgeleuchteten Kasten, ein Refugium, in das Melot später mit Gewalt eindringen wird. Tristan stürzt sich waffenlos in das Schwert von Melot.
Dieser zweite Akt lebt vom Bühnenbild und den Lichtwirkungen – diese können aber über die Dürftigkeit der Personenführung, über den Mangel an Inszenierung nicht hinwegtäuschen.
Der dritte Akt zeigt ein Strandlandschaft, vereinzelt sind Steine zu sehen, im Vordergrund in einem Kahn, der sterbenskranke Tristan. Inszenatorisch passiert auch hier nichts, was erwähnt werden müsste. Gegen Ende kommen aus dem Bühnenboden die Personen der Handlung herauf. Sie alle sehen aus wie Isolde und bewegen sich sonnambul – keine realistische Szene, vielleicht die finale Fieberphantasie Tristans. Isolde wird beim Liebestod ihren Mantel ausziehen und in jenem sonnenfarbenen Kleid auf der Szene stehen, das sie im zweiten Akt trug. Im Hintergrund sieht man die Halbkreise des zweiten Aktes, einer davon hat sich zum ganzen Kreis vervollständigt.
Die Musik ist noch nicht richtig verklungen, da sind schon massive „Buh“-Rufe aus dem Zuschauerraum zu hören.
Die Inszenierung von David Pountney ist nicht nur langweilig, sie offenbart auch das Unvermögen des Regisseurs, diesen Stoff adäquat auf die Bühne zu bringen. Pountney gehörte einstmals zu den interessanteren Regisseuren seiner Generation – wer diesen „Tristan“ sieht, wird das nur schwer nachvollziehen können. Leider beantworten Pountney und seine Kostümbildnerin Marie-Jeanne Lecca den Publikumsprotest mit geradezu erfreuten Gesten – möglicherweise glauben beide, ihnen sei ein provokante Produktion gelungen – das Gegenteil ist Fall.
Musikalisch setzt Markus Stenz auf ein – wie schon Marc Piollet in Wiesbaden – getragenes Grundtempo. Und er macht das mit ebenfalls bewunderungswürdigem Durchhaltevermögen. Allerdings beschleunigt Stenz dann doch phasenweise recht stark, kommt also zu einem etwas anderen Gesamtaufbau seiner Interpretation, als Piollet. Vom Klangbild her wirkt das Kölner Gürzenich-Orchester seidig und warm, kompakt, wenig angeschärft und in der Eruption gebremst. Auch hier gilt: wer sich auf so eine Interpretation einlassen kann, wird musikalisch an diesem Abend Freude finden. Das Kölner Publikum überschüttete Stenz und seine Musiker/innen mit deutlichen „Buh“-Rufen.
Bei den Sängern machte der klangschöne Bariton Samuel Youn als Kurwenal nachdrücklich auf sich aufmerksam, der Sänger verfügt über ein breites Ausdrucksspektrum und über eine unangestrengte, natürlich eingesetzte und gut kontrollierte Stimme.
Schwächer der König Marke von Alfred Reiter. Reiter überzeugt mit klarer Diktion und einer wirklich ergreifenden singdarstellerischen Ausgestaltung der grossen Klage des Königs aus dem zweiten Akt, kann aber Problem in der Höhe und bei der Phrasierung nicht verbergen.
Dalia Schaechter, die Brangäne, ist über ihren Zenit hinaus, die Stimme wirkt angegriffen, leicht abgesungen und wird den Anforderungen der Partie nicht mehr voll gerecht.
Mit schmaler Stimme, die im ersten Akt heftig vor sich hin schlug, mit einer nicht hinreichenden Expansion in der Höhe und merklichen Intonationsproblemen überzeugte Annalena Persson als Isolde nicht.
Der amerikanische Tenor Richard Decker als Tristan hatte schon im ersten Akt wenig klangvolle Töne anzubieten, da wurde einmal mehr versucht, irgendwie durch die Partie zu kommen. Auch der zweite und dritte Akt wurde vom diesem Sänger nicht bewältigt – wenn nichts mehr ging, wurde forciert. Erstaunlich, dass Decker im dritten Akt noch zu einigen lyrischen Tönen in der Lage war.
Alle drei, Persson, Decker und Schaechter wurden mit teilweise enormen „Buh“-Rufen vom Publikum empfangen.
Für mich war es ein interessanter Vergleich, den „Tristan“ an zwei aufeinanderfolgenden Abenden an zwei verschiedenen Häusern erleben zu können – überzeugt hat mich keine der beiden Produktionen, aber Hilsdorf in Wiesbaden hat dann doch die Nase leicht vorn.