Was mich an Joseph Haydn fasziniert.....

  • Ich habe soeben die Reihe: "Was mich an ... fasziniert" durchforstet.
    Sie ist - abgesehen von Johannes Brahms - nicht besonders erfolgreich.
    Vielleicht vermag heutzutage niemand mehr zu faszinieren? - Popstars natürlich ausgenommen.


    Dennoch: Joseph Haydn - der Jubilar - wenn man ein Todesjahr als Jubiläumsjahr "feiern kann" - fehlt noch in dieser Serie.


    Da stellt sich die Frage: Vermag Joseph Haydn, von dem schon Robert Schumann vor nahezu 150 Jahren gesgt hat, seine Musik habe in unserer Zeit (nämlich jener von Schumann) "nichts mehr zu sagen" - heute noch irgendjemand zu "faszinieren" - oder ist "faszinieren" einfach nur das falsche Wort ?


    Papa Haydn" ein Produzent von "hausbackener Musik" an einem "Provinzhof" ? Oder ein kühner Neuerer in Sachen Kammermusik ?
    Reformator der Sinfonie ? Ein (bis heute !!) verkannter Opernkomponist ? Ein Londoner Superstar des 18. Jahrhunderts ?
    Haydn hat in der Tat viele Gesichter...


    Welches hat euch "fasziniert ?"


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Vielleicht vermag heutzutage niemand mehr zu faszinieren? - Popstars natürlich ausgenommen.


    Hallo Alfred,


    doch, mich schon... aber das betrifft prinzipiell alle Personen und Persönlichkeiten der klassischen Musikwelt. Wie schon im Händel-Thread, so sollte auch hier eine Wortherkunft an erster Stelle stehen, damit klar ist, worüber diskutiert wird:


    fascinare [lat.] verhexen, behexen, beschreien
    fascinare [it.] bezaubern


    Wichtig wäre dann noch zu wissen, ob die Person oder deren Werk gemeint ist. Bei Mozart beispielsweise faszinieren (meistens) Werk und Autor oder ggfs. Werk durch Autor oder Autor durch Werk, wenn man die Anekdoten hinzuzieht. So wird sein Requiem, welches musikalisch sicher mehr als wertvoll ist, erst durch die Enstehungsumstände (die wohl keiner näheren Erläuterung bedürfen) 'faszinierend'...


    Solches ist bei Haydn eher seltener der Fall, wenn auch 'ganz nette' Anekdoten (z.B. die zur Abschieds-Sinfonie) überliefert sind. Bei Hayfn 'zieht' das nicht so wirklich... Wen würde eine 105te, unvollendete, Sinfonie interessieren...?


    Dennoch kann natürlich auch Haydns Musik (wenn auch weniger die Person, allenfalls die Schädelgeschichte) eine Faszination ausüben. Dazu ist die Person selbst, wenn auch hochachtbar, einfach zu blass - ganz im Gegenteil zu seiner Musik.


    ~ ~ ~


    Bei Haydn sind es weniger die Vokalwerke und Sinfonien, die mich faszinieren (wobei ich besonders letztgenannte durchaus schätze), sondern ganz eindeutig seine Kammermusik, insbesondere die Streichquartette. Das ausnahmslos hohe Niveau vom ersten 'Versuch' bis zum abgebrochenen letzten Auftrag des gebrochenen Haydn ist durchaus faszinierend. Was genau meine Faszination ausmacht, ist sehr schwer zu sagen. Als 10- bis 15jähriger empfand ich Quartette eher als Verschwendung schöner Melodien an zu wenige Stimmen. Die großangelegte Sinfonie mit möglichst vielen Instrumenten galt für mich als 'richtige' Musik... Heute reizt mich (neben der praktischen Kompaktheit) gerade dies besonders: Mit wenigen Stimmen (bzw. Instrumenten) Großartiges hervorzaubern.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Guten Morgen Alfred,
    schön ,daß "Papa"Haydn wieder einmal zum Zug kommt.Für mich ist er nach wie vor einer der faszinierendsten Komponisten,auf den ich bei meinen Ausflügen bis in die Gegenwartsmusik immer wieder zurückkomme.Gerade bei den Streichquartetten liegt ein nahezu unerschöpflicher Fundus an Eingebungen vor,wobei man manchmal den Eindruck hat,daß Haydn schon vieles vorweggenommen hat (bis hin zu Anklängen an Bartok und minimal music).
    Genial finde ich,wie Haydn nach den ihm gewidmeten Mozartquartetten (er war ja damals bereits immerhin in den Fünfzigern) noch einmal umgedacht hat und diese Musikgattung auf ein Niveau angehoben hat,an dem sich alle Nachfolger (einschließlich Beethoven) zu messen hatten.
    Viele Grüße
    Santoliquido

    M.B.

  • Lieber Alfred,


    mich fasziniert an Haydn vor allem sein schier unerschöpflicher Einfallsreichtum. Man kann sich alle Quartette anhören und wird bei jedem einzelnen Werk wieder überrascht. Man hat nie den Eindruck, ein Stück sei Variation eines anderen, sondern es ist, als fange Haydn wirklich jedesmal wieder von vorn an. Darin übertrifft er m.E. sogar Mozart. Seine Musik kann alles sein: witzig, geistreich, feierlich, erhaben, zart, kräftig, einfach, komplex usw.. Im unglücklichen Fall, dass ich mich für einen einzigen Komponisten entscheiden müsste, wäre die Entscheidung klar: Haydn.


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Zitat

    Original von ChKöhn
    mich fasziniert an Haydn vor allem sein schier unerschöpflicher Einfallsreichtum. Man kann sich alle Quartette anhören und wird bei jedem einzelnen Werk wieder überrascht. Man hat nie den Eindruck, ein Stück sei Variation eines anderen, sondern es ist, als fange Haydn wirklich jedesmal wieder von vorn an. Darin übertrifft er m.E. sogar Mozart. Seine Musik kann alles sein: witzig, geistreich, feierlich, erhaben, zart, kräftig, einfach, komplex usw.. Im unglücklichen Fall, dass ich mich für einen einzigen Komponisten entscheiden müsste, wäre die Entscheidung klar: Haydn.


    Da kann ich mich bis auf den letzten Satz voll und ganz anschließen! Der Liste von möglichen Attributen für Haydns Musik möchte ich noch ein weiteres explizites hinzufügen: Charmant. Das überschneidet sich zwar mit anderen genannten, aber ich finde, dass überhaupt kein zweiter Komponist dieses Attribut so verkörpert wie Haydn (wohlgemerkt, als eine mögliche Facette seiner Musik).
    Was mich außerdem an Haydns Musik fasziniert, ist ihre Knappheit (ich beziehe mich hier auf Quartette und Symphonien). Seine Sätze sind fast immer deutlich kürzer als vergleichbare von Mozart und Beethoven (als die späterer Komponisten sowieso), und trotzdem habe ich nie den Eindruck, es würde weniger passieren. In Bezug auf Mozart sogar häufig genug ganz im Gegenteil, Haydn ist m.E. auch durch seinen Einfallsreichtum meist viel dramatischer als jener, nämlich dramatisch im Stile einer Opera Buffa: Es ist immer spannend, was als nächstes passiert (wohingegen das bei Mozart häufig nicht so ist und man nach so mancher Exposition abschalten könnte, weil man schon alles Wesentliche gehört hat :untertauch: ;) ).
    Und im Vergleich zu Beethoven? Der ist m.E. meist ernsthafter, weniger "buffonesk". Und deswegen will ich eigentlich, um auf den letzten Satz des Zitats zurückzukommen, auf keinen von beiden verzichten.


    Um es auf einen Nenner zu bringen: Opernhafte Dramatik in Miniaturform, so facetten- und einfallsreich, dass sie immer wieder frisch und neu wirkt: Das fasziniert mich an Haydn!



    Gruß,
    Frank.

  • Es gibt hier schon einige threads, die in eine ähnliche Richtung gehen und die ich unten verlinke, weil ich nicht alles noch einmal wiederholen will...


    Abgesehen von dem dort Ausgeführten, kann ich mich Christian anschließen: Der Abwechslungsreichtum, die immer neuen geistreichen Einfälle, die bei entsprechend aufmerksamem Hören (und das müssen wir, wie anderswo gesagt, manchmal erst wieder lernen) auch bei vielen äußerlich ähnlich scheinenden Werken fast nie den Eindruck der bloßen Ausfüllung von Schemata auskommen lassen. Und die ihm anscheinend selbst eigene unerschöpfliche Entdeckerfreude, die ihn auch in seinen letzten beiden aktiven Jahrzehnten, etwa zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr zu immer neuen Experimenten trieb.


    Den Charme will ich nicht abstreiten, obwohl ich den anderswo noch deutlicher finde (z.B. Mozart, Schubert). Ich weiß nicht mehr genau, wo ich das herhabe, aber einige Kommentatoren haben hervorgehoben, daß nicht der feinsinnige Boccherini sich (schon damals) mit seinem Kammermusikstil durchgesetzt hat, sondern Haydn, der "Bauer", mit manchmal derben Scherzen, getadelten Oktavparallelen oder Bordunquinten. (Klingt nach DDR-Musikwissenschaft, aber aus dieser Ecke besitze ich kein Haydn-Buch). Das ist natürlich sehr verkürzt, denn bei Boccherini findet man ja viel deutlichere Tonmalerei und Rokokohaften Pastoralstil...


    Der Unterschied besteht vielleicht doch eher in der Universalität Haydns. Zwar haben wir vielleicht als Musterbeispiel Stellen mit augenzwinkerndem und eher gemütlichem Humor vor Augen, aber das ist ja lange nicht alles. Die Ausdruckskraft reicht ebenso von den herben Sinfonien um 1770, den erhabenen langsamen Sätzen in den späten Quartetten bis zu Stücken, die in formaler und ausdrucksmäßiger Hinsicht nur außergewöhnlich genannt werden können, wie der Einleitung zur Schöpfung oder den "7 letzten Worten". Das Chaos bei Rebel mag chaotischer und dissonanter sein, den Eindruck von Weite und Leere vermittelt es für mich nicht so wie Haydns. Und der nächste Komponist, der mir einfällt, der es wagte, 6 langsame Instrumental-Sätze hintereinander weg zu präsentieren, ist Schostakowitsch, in seinem letzten Quartett...


    Was mir noch einfällt, weil ich gestern zweimal das "Quintenquartett" angehört habe: Obwohl Haydn auch sehr locker und luftig schreiben kann, gibt es Sätze wie den Kopfsatz dieses Werks, die an motivischer Dichte und Stringenz der Entwicklung ihresgleichen suchen. Mir fiel gestern beim Hören plötzlich Beethovens 5., 1. Satz ein. Wäre vermutlich ohne solche Sätze Haydns nicht denkbar.


    Der Haydn Meta-Thread


    Happy Birthday


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    Ja, einen ähnlichen Thread gab es neulich schon, aber mir fällt dessen genaues Thema gerade nicht ein.


    Zitat

    Den Charme will ich nicht abstreiten, obwohl ich den anderswo noch deutlicher finde (z.B. Mozart, Schubert). Ich weiß nicht mehr genau, wo ich das herhabe, aber einige Kommentatoren haben hervorgehoben, daß nicht der feinsinnige Boccherini sich (schon damals) mit seinem Kammermusikstil durchgesetzt hat, sondern Haydn, der "Bauer", mit manchmal derben Scherzen, getadelten Oktavparallelen oder Bordunquinten. (Klingt nach DDR-Musikwissenschaft, aber aus dieser Ecke besitze ich kein Haydn-Buch). Das ist natürlich sehr verkürzt, denn bei Boccherini findet man ja viel deutlichere Tonmalerei und Rokokohaften Pastoralstil...


    Schubert und Mozart finde ich nicht besonders charmant; vielleicht kenne ich das falsche, oder es liegt eben im eigenen Ermessen, was man als charmant bezeichnet (Als gebürtiger Ostwestfale dürfte klar sein, dass ich "Haydn, den Bauern" charmant finde und nicht die feinsinnigeren Komponisten... :D ). Vielleicht wäre das mal einen Thread wert, was an und welche Musik charmant ist.


    Zitat

    Was mir noch einfällt, weil ich gestern zweimal das "Quintenquartett" angehört habe: Obwohl Haydn auch sehr locker und luftig schreiben kann, gibt es Sätze wie den Kopfsatz dieses Werks, die an motivischer Dichte und Stringenz der Entwicklung ihresgleichen suchen. Mir fiel gestern beim Hören plötzlich Beethovens 5., 1. Satz ein. Wäre vermutlich ohne solche Sätze Haydns nicht denkbar.


    Ja, der Vergleich ist mir auch schon in den Sinn gekommen - sowohl, weil das Viertonmotiv quasi genauso den Satz durchzieht wie das Schicksalsmotiv bei Beethoven, als auch, weil ich die Wirkung in ihrer düsteren Dramatik vergleichbar finde (Reprise! Und hier bleibt sogar nach dem Hauptthema die Musik kurz liegen, wie bei Beethoven; und nachher kommt sogar das Schicksalsmotiv...). Toll, dass es auch so etwas bei Haydn gibt!



    Gruß,
    Frank.

  • Bei mir war es so:
    Mit 17 (also vor 27 Jahren) begann ich, klassische Musik zu kaufen. Zunächst von den bekannteren Komponisten, Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, aber nach und nach querbeet durch die Gattungen und Epochen. Die Schwerpunkte wechselten, aber Haydn war immer dabei (wenn auch mit unterschiedlichen Gattungen). Es gab und gibt Flauten bei Bach, bei Mozart, bei Beethoven, bei Wagner, bei Verdi. Bei Haydn: nie. Woran kann das liegen:


    Haydn fasziniert mich auch als Person. Er ist "normal" und gleichzeitig Vorbild für alle, auch in der heutigen Zeit: Durch harte Abeit erreicht er trotz einfacher Herkunft einen guten Ausbildungsstand. Schwierige Phasen werfen ihn nicht aus der Bahn. Er findet einen Arbeitsplatz, nach einiger Zeit verliert er ihn, er findet einen anderen. Er erledigt seine Arbeit vorbildlich. Er entpuppt sich als das, was wir heute "High Potential" nennen würden. Solche Leute machen Karriere, die Verantwortung steigt, und nicht alle werden ihrer Verantwortung gerecht oder nehmen sie überhaupt an. Haydn tat es. Er verkörpert also den Normalbürger genauso wie die Elite. Viele andere waren entweder nur Elite oder sie sind mit ihrem Leben irgendwann nicht mehr zurecht gekommen. Man erkennt sich in Haydn wieder: Genie, aber doch irgendwie erreichbar.


    Das ist meine persönliche Sichtweise, was natürlich kein hinreichender Grund ist, Haydn-Musik zu hören. Für letzteres fallen mir folgende Gründe ein:


    - Menge. Man findet immer wieder Werke von ihm, die man noch nicht kennt.
    - Vielfalt. Er ist in jeder Gattung vertreten. Hat man Opern satt, hört man eben Klavier. Ist man davon genervt, nimmt man Symphonien. Oder Messen. Oder Streichquartette.
    - Tiefgang. Seine Werke haben Tiefgang. Aber sie vereinnahmen einen nicht so sehr wie z.B. eine Beethoven-Symphonie oder eine Wagner-Oper. Ja, er schrieb auch Werke ohne Tiefgang, z.B. die frühen Klaviersonaten, und man kann sie doch hören, immer wieder. Bei Mozarts frühen Symphonien ist das nicht so, ich weiß nicht, warum...



    Thomas Deck

  • Eine Sache habe ich noch vergessen: Die Variationssätze. Durch sie zieht sich fast immer eine spürbare Zuneigung zum Thema, zu dessen - oft verborgenen - Schönheiten, die dann eben durch die Variationen hervorgekehrt werden. Ich sehe das als Gegenteil von z.B. Beethovens Vorgehensweise, der mit Vorliebe zuerst einmal alles seziert oder gar zertrümmert, um dann aus den Bruchstücken die großartigsten Werke zu bauen (exemplarisch in den Diabelli-Variationen). Haydn erhält seine Themen nicht nur sondern veredelt sie durch liebevolle, dabei natürlich höchst kunstvolle Behandlung. Das finde ich besonders anrührend, wenn es sich um eigentlich ganz simple (um nicht zu sagen: banale) Themen handelt, die man einer solchen Zuwendung vielleicht gar nicht für Wert erachtet hätte . Musterbeispiel ist natürlich der Variationssatz "mit dem Paukenschlag".


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Ich kannte Haydn lange auch nur als "Aufheizer" im Orchesterkonzert - eine nachlässig einstudierte Sinfonie (idR eine Londoner) als Auftakt zum "eigentlichen" Konzert. Zu genauerem Zuhören brachte mich vor Jahren ein Konzert des Chamber Orchestra of Europe unter Harnoncourt, bei dem IIRC Schubert V., Mendelssohn op. 64 und - nach der Pause - Haydn gespielt wurde (Schande über mich: ich weiß nicht mehr, welche Sinfonie).
    Noch eins drauf setzte 2-3 Jahre danach Alfred Brendel mit einem stark Haydn-betonten Klavierabend.


    Letzten Dienstag war ich beim Auryn-Quartett, das derzeit (Haydn-Jahr) alle seine Streichquartette im WDR in Köln aufführt (außerdem wohl auch in Detmold). Leider, leider werde ich wohl an keinem anderen Termin können. Ich war wirklich von den Socken, vor allem von op. 33 Nr 2; das hat mich wirklich fast vom Stuhl, will sagen: aus dem Sessel gerissen. Da muß ich dringend noch mal bei...


    NB: der Zyklus wird vom WDR (IIRC ab Anfang Mai) auch gesendet.


    Bernd

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  • Die neue Radiobroschüre gibt die Sendetermine bekannt:


    06.5. - Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze
    13.5. - Opus 1
    20.5. - Musik als Sprache
    27.5. - Musikalische Form
    03.6. - Humor
    10.6. - Stilfragen


    Sendezeit jeweils um 20.00 Uhr.

  • An Haydn fasziniert mich, daß er bei aller Begabung doch ein recht normaler und moderater Mensch geblieben zu sein scheint. Ein wackerer Beamter in Eszterhazy´schen Diensten, so kommt er einem vor.


    Um dem dieses Jahr sicher dort ausbrechenden Trubel zu entgehen, habe ich im vergangenen Jahr sein Grab in Eisenstadt besucht und mir dabei wieder einmal gedacht: Schade, Joseph, daß es keinen Film über Dich gibt, so wie einst "Amadeus" über Deinen Kollegen. Substanz wäre weiß Gott genug vorhanden.


    Einen Beginn wüßte ich schon: Kanonendonner der französischen Besatzungstruppen rund um Wien, den Haydn auf seinem Sterbebett hört und sich an sein langes Leben erinnert.....


    H.

    Die Wahrheit liegt hinter dem Denken.

  • Hallo Alfred!


    Schön, endlich einmal "Papa Haydn"... :D
    Nun ja Haydn ist durchaus eine interessante Persönlichkeit gewesen:
    Auf der einen Seite war dieser edle, irgendwie korrekt wirkende Mann, mit geregeltem Tagesablauf usw., und auf der anderen Seite der Lausbub, der der Kaiserin in jungen Jahren auf den Hut gespuckt und einen seiner ersten Vorgesetzten den Zopf abgeschnitten hat... 8o:hahahaha: Der "charmante" Haydn.


    Sicher ein Attribut, das dieser Mensch absolut verdient. Seine Musik ist einfach "charmant". Mit unglaublichen Ideenreichtum komponiert dieses Genie, zuerst kannte ich nur die monumentalen Vokalwerke, wie z.B. Die Schöpfung oder Die Jahreszeiten und seine Sinfonien.
    Jetzt beginne ich seine Streichquartette zu entdecken, diese unglaublich "charmante" Musik, diese unglaublichen Schätze der Musik... :jubel: :jubel: :jubel:


    Tja vor allem fasziniert mich bei Haydn die Monothematik, die ja ein großer Grund war, warum Haydn Beethoven eigentlich überhaupt nicht leiden konnte. Dieser hat diese nämlich klar abgelehnt und nicht angewendet. Aber das zeigt eben die Individualität aller Komponisten und Künstler, jeder trägt seine persönliche Handschrift.


    Meine Liebe zu "Papa Haydn" war jedenfalls bereits nach einigen Takten der Jahreszeiten geweckt und unglaublich stark... :angel:


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Zitat

    Original von Hammel
    Schön, endlich einmal "Papa Haydn"... :D
    Nun ja Haydn ist durchaus eine interessante Persönlichkeit gewesen:
    Auf der einen Seite war dieser edle, irgendwie korrekt wirkende Mann, mit geregeltem Tagesablauf usw., und auf der anderen Seite der Lausbub, der der Kaiserin in jungen Jahren auf den Hut gespuckt und einen seiner ersten Vorgesetzten den Zopf abgeschnitten hat... 8o


    Er hat meines Wissens einem anderen Chorbuben den Zopf abgeschnitten; rausgeflogen wäre er wohl aber ohnehin wegen Stimmbruch.


    Zitat


    Tja vor allem fasziniert mich bei Haydn die Monothematik, die ja ein großer Grund war, warum Haydn Beethoven eigentlich überhaupt nicht leiden konnte. Dieser hat diese nämlich klar abgelehnt und nicht angewendet.


    Woher stammt denn diese bizarre Idee?
    Nichts davon ist haltbar. Beethoven war zu widerborstig (und Haydn vermutlich anderweitig zu beschäftigt), als daß aus dem Unterricht etwas hätte werden können, und der junge Beethoven nahm Haydn dessen durchaus gut gemeinten Ratschlag, das c-moll-Trio in op.1 noch nicht zu veröffentlichen, übel. Ebenso wie dessen Bitte, er solle als "Schüler von Haydn" firmieren. Wenn er später sagte, bei Haydn habe er überhaupt nichts gelernt, dann mag das auf den Unterricht bezogen richtig sein, aber von der Musik Haydns hat Beethoven soviel gelernt wie kaum irgendwo anders. (Wenn Beethoven behauptete, er sei mit dem "obligaten accompagnement" auf die Welt gekommen, unterschlägt er, daß er genau dies, den mitunter so genannten "durchbrochenen Satz", das Umschlagen von Hauptstimme und Begleitung, die Bedeutung kleiner, scheinbar nichtssagender Floskeln gerade von Haydn, der es "erfunden" und schon in op.33 perfektioniert hatte, übernommen hat.)


    Die Monothematik (die bei Haydn keineswegs durchweg dominiert) hat Beethoven vielleicht nicht so häufig angewendet. Aber er hat wiederum das Verfahren, alle thematischen Gestalten eines Satzes aus wenigen Keimzellen zu entwickeln, von Haydn übernommen. Schon im Hauptsatz der ersten, Haydn gewidmeten, Klaviersonate besteht eine solche Verwandtschaft der Themen.
    Wenn Du gerade die Quartette zur Hand hast, vgl. mal den Kopfsatz von 50,4 mit dem von Beethovens 5. Sinfonie bzgl. der Gestaltung von Haupt- und Nebenthema. Oder wie oben angeführt das Quintenquartett.
    Sicher hat Beethoven auch einiges von Mozart, CPE Bach, JS Bach und Händel gelernt. Aber für seine zentralen kompositorischen Verfahren scheint mir der Einfluß Haydns der wichtigste zu sein.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Ich kenne nur die sacralen Werke von Haydn. Hier muss ich besonders seine 7 großen Messen erwähnen. Sie sind sehr melodisch und abwechslungsreich, dabei doch manchmal schlicht. Sie lassen sich sehr gut singen, die Soli innerhalb der Messen sind für jeden Solisten, vom Sopran bis zum Bass, ein Highlight, es gibt für alle was zu tun.


    Die Chöre sind anspruchsvoll und voller Harmonie, wie auch eine seiner Messen heißt.

  • Hallo Johannes!!


    Jaja...
    Wie du richtig sagst, hat Beethoven Haydn durchaus geschätzt! Er hat viele Sachen von Haydn übernommen, auch das ist richtig das stimmt.
    Ich habe auch nie etwas anderes behauptet.


    Ich habe nur gesagt, Haydn konnte Beethoven nicht leiden und DAS stimmt sehr wohl! Haydn war Zeit seines Lebens von Mozart wesentlich mehr fasziniert (er beteuerte mehrmahls, Mozart sei besser als er selbst) als Beethoven.


    Und teilweise liegt das durchaus an der Monothematik. Haydn hat sie auch nicht immer angewandt (was ich auch nie sagte) aber er konnte wahrscheinlich anfänglich mit dem jungen Revoluzzer Beethoven und dessen Musik nichts anfangen bzw. er hat es einfach nicht sehr geschätzt. Die Monothematik wendet Beethoven in jungen Jahren auch nicht an, bzw. nicht häufig.
    Dass ihm Beethoven das mit dem c-moll Trio übelgenommen hat, kann jeder anders interpretieren. Fakt ist, Haydn war von der Musik Beethovens (zumindest als Schüler) nicht so begeistert wie von der Musik Mozarts.


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Zitat

    Original von Hammel
    Fakt ist, Haydn war von der Musik Beethovens (zumindest als Schüler) nicht so begeistert wie von der Musik Mozarts.


    Was irgendwo logisch ist: Haydn hat den kompletten Mozart erlebt, Beethoven aber nur als jungen Mann kennen gelernt. Haydn war zwar auch älter als Mozart, aber zu Beethoven betrug der Altersunterschied satte 38 Jahre, das ist ein Generationenunterschied.



    Thomas Deck

  • Zitat

    (musica) Die Chöre sind anspruchsvoll und voller Harmonie, wie auch eine seiner Messen heißt.


    Obwohl das sicher richtig ist, heißt die Harmoniemesse wegen dem ausgiebigen Einsatz der Holzbläser (der "Harmonie(musik)") so.


    Zum Verhältnis von Haydn und Beethoven:
    Mir sind keine offen negativen Aussagen Haydns über die Musik Beethovens bekannt. Bekannt ist das Scheitern des Unterrichts, die Anekdote mit dem Trio und auch einige Aussagen über den jungen Beethoven. Die habe ich aber immer hauptsächlich bezogen auf dessen ungestüme Persönlichkeit, dabei als eher gutmütig, vielleicht ein wenig spöttisch verstanden.
    Daß kein so freundschaftliches Verhältnis bestand wie zu Mozart, ist klar. Vermutlich hatten die beiden aber auch nicht viel Kontakt; Haydn war dann wieder in London und hatte insgesamt anderes zu tun, Beethoven ebenfalls. Außer dem Generationenunterschied waren die Persönlichkeiten auch zu unterschiedlich.


    Haydn schrieb ja durchaus noch etliche Werke, nachdem er Beethoven und dessen frühes Schaffen kennengelernt habe. Manche vermuten (was ich aber nicht glaube), daß das Auftauchen von scherzoartigen Presto-Menuetten in den Quartetten op.77 auf diesen Kontakt zurückginge. Oder sogar daß Haydn durch eine Art Konkurrenzverhältnis (Beethovens op.18 wurde beinahe gleichzeitig komponiert) entmutigt worden wäre und deshalb das d-moll-Quartett Fragment geblieben sei. Das ist m.E. nicht sehr wahrscheinlich. Haydn war nach der großen Anstrengung mit den Jahreszeiten und letzten beiden Messen, die er mit knapp 70 Jahren komponierte, anscheinend zu alt und zu konzentrationsschwach, um weiter zu komponieren.


    Aber die "Monothematik" hat damit nichts zu tun, zumal es wirklich zig Sonatensätze Haydns gibt, die überhaupt nicht monothematisch sind, und gar nicht klar, warum es deswegen einen Konflikt mit Beethoven hätte geben sollen.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Haydn war nach der großen Anstrengung mit den Jahreszeiten und letzten beiden Messen, die er mit knapp 70 Jahren komponierte, anscheinend zu alt und zu konzentrationsschwach, um weiter zu komponieren.


    8o 8o 8o
    Seine Schottische Lieder wurden erst danach komponiert. JUWELEN, PERLEN !!! :yes:


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil


    8o 8o 8o
    Seine Schottische Lieder wurden erst danach komponiert. JUWELEN, PERLEN !!! :yes:


    LG, Paul


    Ja, sicher sind sie das. Aber solche Bearbeitungen fremden Materials erfordert m. E. nicht (mehr) soviel eigene Schaffenskraft wie beispielsweise ein Oratorium oder ein Streichquartett, das den Anforderungen des verwöhnten Publikums gerecht werden soll.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat von Ulli


    Ja, sicher sind sie das. Aber solche Bearbeitungen fremden Materials erfordert m. E. nicht (mehr) soviel eigene Schaffenskraft wie beispielsweise ein Oratorium oder ein Streichquartett, das den Anforderungen des verwöhnten Publikums gerecht werden soll.


    He, he... Ich zähle auch zu dieses verwöhnte Publikum, denke ich. Und für mich sind dies absolut nicht die Leistungen eines fast senilen Greis. :motz:
    Und laut Beethoven waren solche Bearbeitungen nicht etwas, das man so aus dem Ärmel schüttelte.


    LG, Paul

  • Ich weiß ja nicht, inwiefern die Angaben über das Alter des Komponisten bei den Bearbeitungen zutrifft...


    Zitat

    Ich zähle auch zu dieses verwöhnte Publikum, denke ich.


    Wo Du doch Streichquartette so gern hörst. :P


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Mag sein. Das bin ich in dem Falle sehr gerne und mit Überzeugung.


    Aber schau Dir mal an, welche Leute in der Mehrzahl zu Haydns Lebzeiten seine Oratorien zu Gehör bekamen und welche seine Quartetten... :pfeif:


    :hello:


    Ulli

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  • Zitat

    Original von musicophil

    8o 8o 8o
    Seine Schottische Lieder wurden erst danach komponiert. JUWELEN, PERLEN !!! :yes:


    Haydn hat das anscheinend selbst so empfunden. Er sendete die fertiggestellten Mittelsätze des unvollendeten d-moll-Quartetts (op.103) mit einem Zitat (Lied) "Dahin ist all meine Kraft... alt und schwach bin ich" an den Verleger.
    Das Setzen einer vorgegeben Melodie erfordert sicher auch noch gewisse Fähigkeiten, aber eben deutlich weniger als ausgefeilte Sonatensätze (vermutlich fehlen daher auch die Ecksätze in besagtem Quartett). Vermutlich ging es ihm auch darum, seinen eigenen Maßstäben gerecht zu werden.


    Haydn hat außerdem einen guten Teil der Schottischen etc. Lieder schon seit den 1790ern, als die Schaffenskraft noch ungebrochen war, geschrieben.
    1799 unterbrach er, nachdem die beiden schließlich als op.77 veröffentlichten Quartette geschrieben waren diese Arbeit (das sollten eigentlich auch 6 werden) für die "Theresienmesse" und die "Jahreszeiten". Bereits die Komposition der "Schöpfung" 1797/98 soll ihn so angestrengt haben, daß er danach krank wurde. Nach den Jahreszeiten folgten dann noch 1801 und 1802 je eine Messe, dann eben nur noch einige der schottischen Lieder.
    Nach einigen Berichten soll der alte Haydn darunter gelitten haben, daß es ihm an der Kraft mangelte, die weiterhin "zufliegenden" musikalischen Einfälle auszuarbeiten.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    von musicophil: ...die sind für das "Pöbel"...


    Ok...interessante Sichtweise... :P
    Dann gehöre ich da wohl dazu... :baeh01:
    Aber, wie ulli richtig sagt: "mit Überzeugung"! :D


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Immer, wenn ich einen Thread kreieren will, dann stelle ich fest, daß ich das schon vor einigen Jahren getan habe.
    Allerdings hat meine Sichtweise sich dann gewandelt, sodass ich gerne neu starten würde. Im konkreten Fall wäre es schon verlockend, gewisse Aussagen ins Nirwana zu senden, wenn etwa einst gesagt wurde - Haydns Steichquartette wären für den Pöbel.
    Ein klassischer Beweis dafür, daß das "goldene Zeitalter" von Tamino so golden nicht war.......


    Hätte man mich vor 10 Jahren gefragt, was mir von Haydn die liebsten Werke wären - ich hätte - nach den Oratorien sofort die Sinfonien genannt.
    Sein Opernschaffen wurde ja - von Zeitgenossen abgesehen - niemals so besonders beachtet, auch viele Gelegenheitswerke werden eher am Rande wahrgenommen.


    Die Streichquartette Haydns sind erst seit einigen Wochen wirklich in mein Bewusstsein gedrungen, als ich begonnen habe, die Werke systemeatisch zu hören und Threads zu ergänzen, zu erstellen und anzuregen. Aus einer Pflichtübung wurde langsam aber sicher eine Passion - und ich bin traurig, daß meine Zeit es mir nicht erlaubt die Werke komplett durchzuhören - zumindest nicht in einem Guss.


    Ähnlich wie bei den Sinfonien ist es so, daß jedes Werk ein Unikat ist, kaum vergleichbar mit einem zweiten. Das ist eine Erfahrung, die wie eine Binsenweisheit klingt, aber beileibe keine ist, denn für den "Neueinsteiger" mögen die Streichquartette zu Beginn doch alle irgendwie "ähnlich" klingen.
    Das ist aber eine Täuschung, es ist genau umgekehrt. Unvorstellbar, welcher Ideenreichtum in Haydn steckte, und ebenso unvorstellbar, wie hausbacken man seine Werke noch vor wenigen Jahren interpretierte. Nicht nur die Streichquartette, "Papa Haydn" im schlechten Sinne des Wortes - ist eine selbsterfüllende Prophezeihung - meist ausgelöst durch zu biedere Interpretationen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein Unterschied der Streichquartette zu den Sinfonien, den Klaviertrios und Klaviersonaten ist, dass Haydn sie viel systematischer komponiert hat. Klar, die Trios wurden oft auch als Dreierpacks komponiert und veröffentlicht und bei den Sinfonien gibt es außer den offensichtlichen "Blöcken" der "Pariser" und "Londoner" einige weitere Gruppen, die eine bewusste und vielfältige Ausschöpfung der musikalischen Möglichkeiten enthalten. (So etwa die ebenfalls schon für London (die Reise kam nicht zustande) komponierten 76-78, oder auch einige der Sinfonien um 1770 (wie 44,45,46,47 usw.).
    Selbst bei den ganz frühen Werken, wo Verleger später Stücke, die eigentlich nicht dazugehörten, eingefügt haben, wird auf eine gewisse Vielfalt ud Abwechslungreichtum geachtet (so gibt es in op.1 und op.2 entgegen dem Standardschema jeweils ein Stück, das mit einem langsamen Satz beginnt, Haupttonarten der Stücke werden nicht wiederholt usw.)).
    Ganz klar ist diese Systematik aber bei fast allen späteren Sechser-Opera. Gerade die jeweiligen "Gründungswerke" op.9+17 und op.33 scheinen äußerlich (Tonarten, Satztypen- und -reihenfolge) beinahe übertrieben systematisiert (siehe etwa thread zu op.33).


    Und es gibt natürlich anteilmäßig deutlich mehr reife und späte Quartette als Sinfonien. Zwischen 1787 und 1800 (das Fragment op.103 von 1803 zähle ich nicht mit) schrieb Haydn seine letzten 17 Sinfonien (88-104), aber 32 Quartette (op.50 -op.77), also etwa die Hälfte seiner Werke in dieser Gattung (über die Hälfte, wenn man die frühen Divertimenti nicht rechnet).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Und es gibt natürlich anteilmäßig deutlich mehr reife und späte Quartette als Sinfonien.


    Ich finde, daß hier doch ein wenig das Clicheé bedient wird, welches Haydns frühe Sinfonien nicht ernst nimmt, oder ihnen zumindest nicht jenen Stellenwert einräumt, wie seinen Alterswerken. Ich selbst war vor etlichen Jahren - eigentlich schon Jahrzehnten - dieser Meinung. Da trennte ich die Fühwerke, die als "Gelegenheitswerke" gesehen wurden - von den "Meisterwerken" Glücklicherweise fand ich dann irgendwo einen Artikel in einer der diversen Fachzeitschriften, - oder war es in einem CD-Booklet ? - der diese Auffassung heftig angriff, und - absolut schlüssig - darlegte, daß ein Komponist, der über 50 Jahre lang im Mittelpunkt der Musikszene stehe, entweder unverändert seinem persönlichen Stil treubleibt - was ihn relativ schnell als antiquert erscheinen lässt - oder aber, daß er ständig den Finger am Puls der Zeit hat. Letztere führt natürlich dazu, daß sich sein Stil wandelt und er sich Herausforderungen der Gegenwart auch im Alter stellt. Haydns Spanne war sehr groß - er experimentierte andauern und passte seinen Stil der jeweiligen Zeit und ihren Erfordernissen an - ohne ihn direkt aufzugeben. Somit könne man mit Fug und Recht behaupten, daß Haydns Entwicklung eine zeitbezogene - nicht aber eine qualitätsbezogene sei. Anders gesagt, Haydns Sinfonien sind ALLE Meisterwerke - jede den Erfordernissen zur Zeit und Anlass angepasst....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich finde, daß hier doch ein wenig das Clicheé bedient wird, welches Haydns frühe Sinfonien nicht ernst nimmt, oder ihnen zumindest nicht jenen Stellenwert einräumt, wie seinen Alterswerken.


    Im Gegensatz zu Mozarts frühen Sinfonien und Streichquartett fand ich die frühen Gattungsbeiträge von Haydn immer hochinteressant! Hier ist ausgezeichnete Musik zu hören.


    Allerdings war Haydn bei seinen ersten Sinfonien ein Endzwanziger, die Streichquartette op. 9 sind das Werk eines Enddreißigers. Also ist der Vergleich mit dem Wunderkind Mozart ohnehin nicht gerecht.


    :hello:

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