„Nebenwerke“ – Welche verdienen Beachtung?

  • Hallo liebe Musikfreunde,


    bei sicherlich allen Komponisten finden sich in den jeweiligen Werkverzeichnissen sog. „Nebenwerke“, die oftmals wenig beachtet bzw. von Kritikern gelegentlich als „qualitativ geringwertig“ eingeschätzt werden. Solche Werke sind kaum populär, deswegen teilweise in Vergessenheit geraten – ein Grund, ihnen wieder oder endlich einmal Beachtung zu schenken. Sie entstanden aus unterschiedlichsten Motiven: Es mag sich dabei um Auftragsarbeiten handeln; um Frühwerke, die kaum Beachtung fanden usw.


    Da ich mich nicht mit der 10. Einspielung einer x-beliebigen Symphonie beschäftigen möchte und auch nicht zig verschiedene Aufnahmen eines berühmten Konzertes benötige, so ich denn die für meinen Geschmack „optimale“ Aufnahme gefunden habe (soll heißen: ich beabsichtige auch zukünftig, mit meiner Musikleidenschaft mehr in die Breite als in die Tiefe zu gehen), interessieren mich eben auch diese Nebenwerke. Sie vermögen, das Bild, welches man von einem Komponisten hat, abzurunden, ihn von einer anderen Seite zu zeigen als man es von den Hauptwerken gewohnt ist etc.


    Mir fiel dieser Thread eben ein während ich die Streichersonaten von G. Rossini hörte. Rossini ist ja einer der bedeutendsten Opernkomponisten überhaupt – aber wer kümmert sich schon um die sechs Streichersonaten, die er als 12-jähriger Jüngling schrieb? Es existiert eine sehr schöne Einspielung mit der Academy of St. Martin in the Fields unter N. Marriner; dabei handelt es sich um leichte, beschwingte, heitere Musik, die etwas an Haydn erinnert. Trotz ihres Alters – die Aufnahmen sind aus den Jahren 1965 bis 1969 - ist die Klangqualität dieser CD famos.



    An anderer Stelle verwies ich schon einmal auf die Klavierwerke von Anton Bruckner. Diese zeigen den großen Symphoniker einmal von einer ganz anderen Seite, nämlich einer ausgelassenen, heiteren und verspielten Seite, ganz abseits von der Schwere und Jenseits-Bezogenheit seiner bekannten Hauptwerke.


    Auch wenn es sich jeweils sicherlich nicht um wirklich große Kompositionen handeln mag, so lohnt es sich m.E. doch, hin und wieder bekannte Pfade zu verlassen und diese Nebenwerke zu betrachten.


    Welche Nebenwerke verdienen Eurer Meinung nach Beachtung, welche Aufnahmen könnt Ihr empfehlen?


    Gruß, Cosima (für Anregungen immer sehr dankbar)

  • hallo, cosima,
    da gibt es sicherlich einige werke, aber unbedingt hörenswert ist die begräbniskantate für joseph II. von beethoven. eine tolle und ergreifende aufnahme von thielemann bei dg.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Cosima,


    wenn Dir das gefällt, solltest Du Dir auch die Streichersinfonien von Mendelssohn und die Klavierwerke von Rossini anhören. Weiter kann ich Dir in dieser Richtung Castelnuovo-Tedesco empfehlen. Zwar habe ich keine CD von ihm, was ich aber in einem Konzert gehört habe, hat mir sehr gefallen. Das waren ebenfalls Stücke für Streichorchester.


    Viele Grüße,


    Walter

  • "Sonstige Werke"?


    Vielleicht die sechs Toccaten von JSB, die mE nach meiner Beobachtung nur allzu leicht als vernachlässigenswerte Jugendarbeiten Bachs abgetan werden.


    Wer Klavierklang bevorzugt, möge auf Glenn Gould zurückgreifen. Wer dagegen den Cembaloklang bevorzugt, höre sich die klang- (sehr direkter Cembaloklang, als stehe man direkt daneben) und spieltechnisch außerordentlich gelungene Aufnahme von Kenneth Gilbert (Archiv), einem Leonhardtschüler, an, der die Toccaten BWV 910, 911 und 915 eingespielt hat. Die etwas "diskretere" Cembaloaufnahme aller Toccaten mit Peter Watchorn (Hänssler) hat allerdings auch ihre Qualitäten, zeichnet sie sich doch durch Abwechselungsreichtum aus (dort temporeich und donnernd, an anderer Stelle in sich gekehrt, grüblerisch).

  • Eine interessante Frage, natürlich aufgrund der außerordentlichen Dehnbarkeit des Begriffs "Nebenwerk" nicht leicht zu beantworten. Oft sind Stücke, die aus welchen Gründen auch immer nicht ganz so populär sind, ja keineswegs Nebenwerke.
    Egal, auf ein paar ganz klar unter die Kategorie "Nebenwerk" fallende Stücke haben Claus Huth und meine Wenigkeit ja schon mit Eifer hingewiesen, ich möchte die Empfehlung durch den Hinweis auf Haydns entsprechende Stücke ergänzen (kenne bisher nur eine der bei Brilliant erschienen CDs). Die Beethoven-CD ist besser, überrragende Interpreten und vermutlich auch eine strenge Auswahl aus den dutzenden von Liedern, während der Haydn Teil eines größeren Projektes ist



    Ein weiterer Hinweis soll Händels italienischen Kantaten gelten, wobei es sich hier nicht wirklich um "Nebenwerke" handelt, sondern um einen "Pool" von teils außerordentlichen Werken, manche lyrisch, manche Quasi-Opernszenen en miniature, aus dem er sich in seiner späteren Karriere immer wieder gern bediente. Die Brilliant-Auswahl ist für 5 Euro zu haben, jeder, der nicht allergisch gegen Barockoper ist, sollte sich das anhören



    Die Empfehlung für Mendelssohns Streichersinfonien (IMO ebenfalls keine Nebenwerke, sonst sind die ersten 20 Moazrtsinfonien erst recht Nebenwerke) möchte ich nachdrücklich unterstützen!


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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