Otto Jägermeier - ein reales Phantom ?

  • Hallöchen,


    ich habe gerade eine Aufnahme des Fragment-Violinkonzertes von Otto Jägermeier bekommen.


    Nun habe ich zu Otto Jägermeier immer nur gefunden, dass er eine fiktive Person sei, die sich der Musikologe Jakob Schwalbe ausgedacht hat. Manche Internetseiten behandeln ihn aber auch wie eine richtige, reale Person (angeblich von 1870-1933 gelebt).


    Was wisst ihr über den?
    Und wenn er erfunden ist, wer hat dann "seine" Musik geschrieben??


    Danke für die Hilfe!


    Ach, und nebenbei noch ne Frage: Von euch kann mir nicht zufällig jemand was zu "Louis Marischal" sagen, z.B. wann der überhaupt gelebt hat???




    Gruß,

  • Hallo,


    Otto Jägermeier ist eine erfundene Person, ebenso wie der Musikologe Jakob Schwalbe, der ihn sich angeblich ausgedacht hat und dessen Kompositionen selbst verfasste.


    BEIDE Personen sind ihrerseits Erfindungen des Schriftstellers Herbert Rosendorfer.


    Peinlicherweise (oder besser gesagt lustigerweise) ist der Redaktion des Altehrwürdigen Riemann-Musiklexikon ein Lapsus passiert, Jägermeier wurde dort etliche Auflagen als real geführt,


    Dieses Schicksal teilt Riemann übrigens mit den "Klassika" internetseiten.


    Ob unser Pongo dereinst auch den Riemann ziert ???


    :D :D :D


    Freundliche Grüße
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Danke, Alfred, für die Informationen!


    Allerdings verstehe ich dann immer noch nicht, wieso dann zu "Otto Jägermeier" trotzdem Werke zugeordnet und mit fiktiven Kompositionsjahren verbunden werden, ebenso wie Stücke "ohne" Komponist einfach als seine erklärt werden. So stehts jedenfalls bei Wikipedia:


    http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%A4germeyer


    Ich meine, bei dem Adelaide Violinkonzert von Mozart steht doch jetzt auch "von Marius Casadesus". Wieso steht dann nicht bei Jägermeier: "Sonate xy von Herbert Rosendorfer 1977"???? ?( ?(


    Gruß,

  • Hallo Alfred,


    Zitat:
    <Peinlicherweise (oder besser gesagt lustigerweise) ist der Redaktion des Altehrwürdigen Riemann-Musiklexikon ein Lapsus passiert, Jägermeier wurde dort etliche Auflagen als real geführt.
    Dieses Schicksal teilt Riemann übrigens mit den "Klassika"-Internetseiten.>


    Diese Annahme, lieber Alfred, ist, was 'Klassika' betrifft, nicht richtig! Als Mit-Autor der Homepage habe ich den guten Otto Jägermeier ganz bewußt in die Reihe der real existierenden Komponisten mit aufgenommen und wollte die Nichtexistenz grundsätzlich unerwähnt lassen, um den irreführenden Scherz des noch zu entdeckenden Schöpfers großer symphonischer Dichtungen fortzuführen. Leider bin ich jedoch aus Zeitmangel noch nicht dazu gekommen, das Kapitel Jägermeier mit Angaben zu Leben und Werk zu ergänzen.
    Und ich denke, genau die gleiche Absicht verfolgte auch Gerhard Dietel mit dem Eintrag über Jägermeiers Symphonische Dichtungen in seinem Buch 'Musikgeschichte in Daten' (dtv), der keinerlei Hinweis auf die Erfindung dieses Phantoms enthält:


    Otto Jägermeier (1870-1933):
    Symphonische Dichtungen - 1900-21:


    "Letzte hypertrophe Steigerung der sinfonischen Dichtung Richard Straussscher Prägung; neben dramatisch-aktionistischen erscheinen auch philosophische und wissenschaftliche Programme:
    'Psychosen' (1900) basiert auf Sigmund Freuds 'Studien über Hysterie' und der psychoanalytisch orientierten Ästhetik Sir Andrew Marbots, die 'Titanenschlacht' (1901) führt zum Kampf zweier gegeneinander anblasender Blechbläsergruppen mit offenem Ausgang (Vorwegnahme aleatorischer Ideen), die 'Grundzüge der tanszendentalen Analytik nach Kant für großes Orchester, Soli, Chor, Orgel und obligatem Universitätsprofessor' (1914) verbindet sinfonische Dichtung, Oratorium und Melodram, 'Im Urwald' (1920) schließlich verwendet madegassische Eingeborenengesänge und phonographische Aufzeichnungen von Urwaldlauten."


    Außer Jägermeier und dem bekannteren P.D.Q. Bach scheint es jedoch noch mehr solcher fiktiven Musikergestalten zu geben. Über den angeblichen Komponisten Rainer Hohn-Jeckenbach gab es z. B. vor einiger Zeit ein exzellent gemachtes Komponistenportrait im Radio (Bayern 4), das von seiner Präsentation her einen absolut seriösen Eindruck machte, lediglich jedoch durch manche inhaltliche Merkwürdigkeiten zu Leben und Werk aufhorchen ließ und das Hörer-Publikum ins Grübeln brachte.


    Gruß
    Johannes

  • Hallo Guercoeur,


    dann bist du Johannes Hanstein, der diese wunderbaren Werkverzeichnisse erstellt?


    Ich fass es ja nicht! :jubel: :jubel: :jubel:

  • Hallo petemonova,


    kaum schreibt man ein Wort zu viel, schon ist man enttarnt. :-)
    Aber wenn man ein so schönes Kompliment bekommt, kann ich gut damit leben.
    Ja, mittlerweile gibt es 92 Werkverzeichnisse von mir auf besagter Site (Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts), weitere sind in Arbeit. Jetzt gerade das sehr umfangreiche von Bohuslav Martinu. Ein höchst interessanter und vielseitiger Komponist übrigens, von dem man im allgemeinen (auch ich) noch viel zu wenig kennt.


    Herzliche Grüße
    Johannes

  • Hallo,


    ich hab es natürlich gewusst, aber "enttarnen" musste sich Johannes schon selber :D


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hi,


    die Klassika Seiten waren mir noch gar nicht bekannt... hmm, scheint eine schwere Bildungslücke zu sein, nach dem Aufruhr hier zu deuten.


    Ich habe noch mal kurz gestöbert in den Werklisten und besonders zu den Violinkonzerten und das ein oder andere fehlt noch. OK, ich weiß, unten drunter steht immer "Personenangaben noch nicht vollständig und werden nach und nach ergänzt". Falls aber bzgl Violinkonzerte noch die ein oder andere Information benötigt wird, könnte ich das mit meinen Daten gerne gegenchecken.


    Ein kurzer Blick hat für mich nämlich gleich seltsames hervorgezaubert:
    Ich habe eine Renzo Bossi CD, auf der sind folgende Werke:
    Violinkonzert, op.15 (fehlt)
    Dittico für Streichorchester, op.28 bis (fehlt)
    Otto Canzoni für Streichorchester, op. 23 bis (was im Widerspruch zu dem Duo op.23 bis auf der Klassika Seite steht)
    Bianco e Nero, für Orchester, op.21 (fehlt)


    Vielleicht liege ich ja auch völlig falsch, dann möchte ich den Frevel entschuldigen.


    Gruß,

  • Hallo,


    wenn Du speziell etwas aus Deinem bevorzugten Gebiet Violinkonzerte beitragen möchtest, ist das immer willkommen. Wende Dich dazu aber bitte an den Betreiber und Hauptautor der Homepage, dessen Webadresse unter der Rubrik 'Kontakt' zu finden ist. Gleiches gilt für die Berichtigung von Fehlern (wie in Deinem Beispiel Renzo Bossis opus 23). Da ich keinerlei Angaben zu diesem Komponisten besitze, kann ich dazu leider nichts sagen.


    Vielen Dank für Deine Hinweise und schöne Grüße
    Johannes

  • ... aber lieber ist es uns natürlich, er schreibt exklusiv hier.


    Freundliche Grüße


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Auszugsweise Wiedergabe eines Eintrags über Ott Jägermeier in
    "Das neue Lexikon der Musik (4 bände insgesamt ca 3000 Seiten)
    Metzler-Stuttgart:



    Zitat

    ...er studierte in München bei Rheinberger und Thuille und ließ sich nach längeren Reisen durch viele europäische Länder in Madagaskar nieder. In seinen Werken - fast ausschließlich symphonische Dichtungen - verbinden sich Einflüsse von R. Strauß mit Gestaltungselementen der Eingeborenenmusik zu einer durchaus persönlich geprägten musikalischen Sprache, die zunehmend das Interesse der musikhistorischen und ethnologischen Forschung findet.


    Werke: Klavierlieder darunter der Zyklus Canavalia (Text: E.F. Draecker) Symphonische Dichtungen: Psychosen (1900) Titanenschlacht (1901) Meerestiefe (1902) Im Urwald (1920) Diego Suarez (1926) mit Chor


    Irgendgemand aus einem Internetforum hat mal (ohne mich zu kennen) von mir behauptet, ich würde zum Lachen in den Keller gehen.


    Sollte ich also in den nächsten Tagen nicht im Forum erscheinen -
    ich bin grad im Keller :stumm::P ROTFL :hello:


    Gruß aus einem Wiener Keller


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    danke für den Auszug. So ähnlich findet man es auch in wikipedia.


    Ich habe noch mal einen Freund gefragt, der sich spezialisiert hat auf Komponistenfragen. Der hat gesucht und gestöbert und ist jetzt der Meinung, dass die meisten Kompositionen von Egon Voss (*1938 ) sind. Das scheint auch derjenige zu sein, der das "Vermächtnis" Otto Jägermeiers pflegt.
    Ich habe dann noch mal bei den Nürnberger Symphonikern nachgefragt (das Orchester in meiner Aufnahme), was die denn von der ganzen Sache halten und unter welcher Prämisse sie solche Werke spielen. Aber da konnte sich keiner an auch nur irgendwas erinnern...


    Der Voss lacht sich bestimmt auch einen - und bestimmt nicht im Keller.


    Gruß,

  • Und ich dachte früher, Herr Jägermeier dürfe sich nach Ablegen der Meisterprüfung Herr Jägermeister nennen.
    Man lernt doch nie aus!

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Gestern habe ich in Wien feststellen können, daß einige Neu-Taminos mit den Werken Jägermeiers - und auch mit seiner Biographie - nicht wirklich vertraut sind.


    Die neueren Auflagen von Riemann - das haben wir gemeinsam festgestellt - ignorieren diesen genialen Schöpfer der "Titanenschlacht"


    Daher habe ich - um Jägermeier zu würdigen - diesen Thread wieder nach oben geholt....


    Übrigens hat sich doch einiges getan:


    Wie ich auf einer Musikseite des Deutschen Musikrates nachlesen konnte wurde inzwischen vom Großneffen des Komponisten, Dr. Hinrich Brecht Jägermeier die Otto Jägermeier Gesellschaft gegründet.


    http://www.miz.org/index.php?seite=details&id=210


    Die Website MIO Otto Jägermeier (Musikinstitut Otto Jägermeier) gibt es aber leiden nicht mehr.


    Dennoch - Ganz vergessen ist er (noch) nicht


    http://www.musikschule-meckenheim.de/jaegermeier.htm



    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !