Bedrich Smetana - Nur mein Vaterland?

  • Angesichts der geringen Präsenz des großen böhmischen Romantikers hier im Forum soll dieses Thema in seinen hoffentlich zahlreichen Antworten den Komponisten Smetana über seinen berühmten Zyklus 'Ma Vlast' hinaus ins Licht rücken.





    Dies entspringt nun meinerseits weniger einem missionarischen Eifer als vielmehr dem oben genannten Missstand, von diesem Komponisten nichts weiter als 'Ma Vlast' und seine Oper 'Die verkaufte Braut' zu kennen.


    Zwar erweckte das dort Gehörte stets das Verlangen nach mehr von dieser herrlichen Musik, doch beim Versuch, dieses zu stillen, werde ich nach wie vor von einer gewissen Ratlosigkeit umfangen.


    Zu guter Letzt schließlich gestehe ich doch noch ein gewisses Maß an Missionarseifer gegenüber jenen, die vielleicht Ma Vlast noch nicht im Gesamten kennen oder gar nur die allbekannte 'Moldau'.
    Ehe man den ganzen Zyklus nicht gehört hat, ist alles, was man an der Moldau zu schätzen glaubt, nur ein schwacher Abglanz dessen, was sich einem im großen Kontext dann eröffnet. Und allein schon die Harfenklänge von Vysherad lassen einen Smetanas Tonsprache wohl nicht mehr so schnell vergessen.



    Nun denn, möge hier ein fruchtbares Werkregister mit wertvollen Empfehlungen entstehen!

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Es gibt einen thread zum ersten Streichquartett und einen zum Klaviertrio. Beide allerdings noch nicht sehr lang, das ist richtig.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mein Problem ist mit diesem Zyklus, dass ich ihn zwar gerne höre, aber mir die ersten drei Teile (Vysehrad, Die Moldau, Sarka) besser gefallen als der Rest.


    Ansonsten höre ich auch gerne die Opern von Smetana, allerdings gibt es da nicht viel Auswahl (von der "Verkauften Braut" einmal abgesehen), was die Aufnahmen betrifft. Es gibt leider auch kaum Aufführungen. Näher kenne ich nur "Die verkaufte Braut" und "Dalibor".


    Vor einiger Zeit habe ich "Das Geheimnis" in einer Rundfunkübertragung gehört, eine wunderschöne Oper ... wenn die anderen unbekannteren Opern von ihm auch so schön sind, dann gibt es bei Smetana sicher noch einiges zu entdecken.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Ich werde mir den Thread zum Streichquartett demnächst unter die Lupe nehmen, aber hier zunächst in aller Kürze auf die unten abgebildete Aufnahem der Streichquartette Nr 1 und 2 hinweisen.



    Voll Feuer und herbem Zugriff einerseits, melancholisch nachdenklich klangschön andrerseits. Voller, körperhafter Instrumentenklang.
    Smetamas Streichquartette sind schon eine Entdeckung wert - speziell in dieser Einspielung mit dem Talich Quartett....


    Smetana gehört zu den bekannten, aber dennoch unterschätzten Komponisten...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Diese hier hatt ich schon mehrfach in der Hand, aber dann immer wieder zurückgelegt, weil ich nicht noch eine weitere Aufnahme vom Vaterland habe wollte...



    Vielleicht kennt ja jemand von Euch die Aufnahmen und kann was zu Tonqualität und Interpretation sagen ?



    :hello:


    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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  • Ja, Smetana ist auch bei mir angesichts seiner Beliebtheit etwas vernachlässigt. Ich besitze neben dem umvermeidlichen Ma Vlast Zyklus und dem bekannten Streichquartett (mit dem Cleveland Quartet) nur noch ein paar Sinfonische Dichtungen (Richard III, Wallensteins Lager, Hakon Jarl, eingespielt von Rafael Kubelik) und die Triumphale Sinfonie op. 6 (erschienen bei Marco Polo), Klaviertrio op. 15 (in einer Aufnahme mit dem Trio Fontenay) und ein paar Klavierstücke, eingespielt von András Schiff. Und da ist zuguter Letzt noch der Prager Karneval.


    Das Opern bei mir fehlen, ist bei mir normal. Opern kann ich nur in der Oper gescheit genießen.


    Aber andererseits, gibt es denn wirklich wesentlich mehr? Finde weder bei Wikipedia noch bei Klassika eine größere Liste.


    Bitte keine Ma Vlast Diskussion starten. Dafür gibt es bereits einen eigenen Thread.

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

    2 Mal editiert, zuletzt von enkidu2 ()

  • Gerade was die Opern betrifft gibt es bei Smetana wirklich noch einiges zu entdecken. Zwar habe ich live auch nur Dalibor und Die verkaufte Braut erleben können - aber in meiner CD/LP Sammlung finden sich noch einige andere Schätze:
    Der Kuss, Die Teufelwand, Zwei Witwen und besonders Libussa, die, wie in der einschlägigen Literatur zu lesen ist, so etwas wie eine tschechische Nationaloper darstellt.


    Hier nur in kürze zwei Empfehlungen zur Verkauften Braut:

    Mit der Benackova und dem jungen Dvorsky eine wirklich erfreuliche Aufnahme, die auch klangtechnisch ordentlich ausgefallen ist.


    Die Einspielung unter Kempe ist leider in deutscher Sprache aber dafür ist hier ein überragender Wunderlich zu erleben - und auch die Lorengar und Frick sind hervorragend:


    Zur Anfrage von Dir, Reinhard:
    Ich habe mir die Aufnahme gekauft - sie erreicht hinsichtlich der Interpretation nicht ganz die Einspielung unter Kubelik in Prag 1990 aber schon mit der aus Boston hält sie locker mit - Zur Aufnahmetechnik ist festzustellen: mehr als gut! Zum Kauf hat mich allerdings der Rest der Werke "überredet", die sich auf den beiden CDs befinden: diese Orchesterwerke zeigen, dass es eigentlich schade ist, dass man nur Mein Vaterland kennt - eine wirklich "preiswerte" Sammlung!!

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. (Friedrich Nietzsche)

  • Zitat

    Original von enkidu2
    Aber andererseits, gibt es denn wirklich wesentlich mehr?


    Na ja, bei manchen Komponisten bedarf es nicht so vieler Werke um sich einen bleibenden Platz in der Musikgeschichte zu sichern.


    Aber Du hast schon recht, viel scheint es da nicht mehr zu geben, und da ich mich im Bereich Oper leider nicht auskenne, kann ich die Bedeutung seiner 8 Opern nicht einschätzen..


    Es gibt aber noch ein paar sehr schöne Lieder von ihm, zu finden beispielsweise hier:



    5 Abendlieder / Liebesfrühling


    Ich habe zwar ziemliche Schwierigkeiten mit der Kunstgattung des Liedes, aber diese CD gehört zu meinen Lieblingen.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von Giovanni Bertati
    Zum Kauf hat mich allerdings der Rest der Werke "überredet", die sich auf den beiden CDs befinden: diese Orchesterwerke zeigen, dass es eigentlich schade ist, dass man nur Mein Vaterland kennt - eine wirklich "preiswerte" Sammlung!!


    Na, dann weiß ich ja, was ich morgen in der Mittagspause mache... :]

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Kann dir ebenfalls zum Brilliant 3er raten. Tonqualität ist sehr gut und auch Ma Vlast braucht sich nicht zu verstecken. Die anderen Orchesterwerke sind auf jeden Fall kennelernwürdig. Wallensteins Lager ist mir positiv in Erinnerung.
    Die Festliche Symphonie kann mehr als Kuriosum gesehen werden mit der sich Smetana beim Kaiserpaar einschmeicheln wollte, da er 1848 in Prag eher unangenehm aufgefallen war. Sie macht üppig Gebrauch von der Kaiserhymne.


    Als besonderes Kleinod ist die Ouvertüre zu Dr. Faustus, die mit einer interessanten Instrumentierung aufwarten kann.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

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  • Aus der eben erworbenen CD-Box sticht eine besonders interessante Entdeckung aus dem orchestralen Schaffen Smetanas hervor, die Introduktion 'Prager Karneval'





    Smetana schrieb dieses Stück völlig ertaubt im Jahre 1883, es sollte sein letztes Orchesterwerk werden.
    Zur selben Zeit entstanden wie sein 2tes Streichquartett, konnte Smetana das als große symphonische Suite geplante Werk nicht mehr vollenden, da sich der Gesundheitszustand des Komponisten zu dieser Zeit drastisch verschlechterte.


    Lediglich der erste Teil entstand noch zu dieser Zeit, in der er auch noch in einem letzten Aufbäumen seiner Schaffenskraft mit der Arbeit an der Oper 'Viola' begann. Der Uraufführung des Fragments von Pražský karneval die im Konzert zur Feier seines sechzigsten Geburtstages stattfand, konnte der Schwerkranke nicht mehr beiwohnen. Am 25. Febr. 1884 dann überschrieb er, offenbar seines baldigen Endes bewusst, ein Notenblatt als »Poslední arch« (Letzter Bogen), ehe kurz daruf, aufgrund seiner fortschreitenden nervösen Zerrüttung im April 1884 seine Einweisung in eine Prager Anstalt für Geisteskranke erfolgte, in der er wenig später verstarb



    Vom Publikum wurde das Stück zur damaligen Zeit verhalten aufgenommen, die für Smetana ungewohnte, neuartige Harmonik irritierte die damaligen Hörer.



    Aus heutiger Sicht ist dies sicher nicht mehr so ganz nachzuvollziehen, wenngleich doch eine im Vergleich zu ( den frühen Teilen von) Ma Vlast veränderte Tonsprache auffällt, die den Spätstil des leider zu früh verstummten Smetana kennzeichnet, oder vielleicht besser, wohl gekennzeichnet hätte, angesichts dieses für sich allein stehenden Fragments, das höchstens im Vergleich zu den 1878/1879 entstandenen beiden letzten Teilen des Vaterlands-Zyklus'

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • heute vor 190 Jahren geboren:


    220px-Smetana.jpg


    Bedřich (Friedrich) Smetana (* 2. März 1824 in Litomyšl, Ostböhmen; † 12. Mai 1884 in Prag) war ein böhmischer Komponist.
    Heute noch als Schöpfer der Oper Prodaná nevěsta (Die verkaufte Braut) bekannt, ebenso wie die sinfonische Dichtung Die Moldau (Vltava) aus dem sinfonischen Zyklus Mein Vaterland (Má Vlast).



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Obwohl Harald noch letztes Jahr an Smetana erinnert hat, finde ich, dass es nicht zu viel ist, jedes Jahr an diesen großartigen Komponsiten zu erinnern. Diejenigen, die sich darüber beschweren, dass sie hier nur Geburtstagsgrüße zu lesen bekommen, haben doch genügend Gelegenheit, hier ihrerseits substantielle Beiträge anderer Art einzustellen.


    Ich habe meinerseits heute eine Aufnahme vorzustellen von einem Dirigenten, der vor einer ganzen Reihe von Jahren zur böhmischen Musik Smetans und Dvoraks gefunden hat und dabei großartige Aufnahmen zu Stande gebracht hat, Nikolaus Harnoncourt.


    Heute ist die 191. Wiederkehr Smetanas Geburtstag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, inzwischen wird sich der letzte Tamino an deine auch "krummen" Geburtstags-INFOs gewöhnt haben - ist ja OK ! :D


    Aber ich war relativ überrascht, dass Du an die Harnoncorurt-Aufnahme des Vaterland-Zyklusses erinnern willst ! Tontechnisch ist die natürlich voll OK, aber ansonsten ist das für mich die schwächste und langweiligste Aufnahme der Dichtungen !
    In dem inzwischen sehr umfangreichen MeinVaterland - Thread hatte ich 2007 meine Enttäuschung über diese RCA-Harnoncourt-CD´s kundgetan:

    Zitat

    ;( Harnoncourt scheint wiedermal nicht "mein Dirigent" zu sein.


    Seine RCA-Mein Vaterland-Aufnahme hat schöne Momente (zum Beispiel in Sarka kurz vor dem Schluß), die großartig wirken - aber nur im ersten Moment. Es stellt sich durch das ungewöhnlich langsame Tempo nichts ein, dass ein für die einzelnen Dichtungen zu packen vermag. Man muß sich zwingen die Sätze zu Ende zu hören; die Musik kommt nicht in den Gang.
    Die 6Dichtungen dauern bei Harnoncourt 84Minuten, gegenüber meinem Favorit Ancerl mit 75Minuten.


    Die Moldau ist bei Harnoncourt trockengelegt, die Musik fließt nicht - obwohl Ancerl auch 12:29 braucht ist es bei ihm überall spannend; noch besser Fricsay mit 11:01 ohne irgendwo gehetzt zu wirken; Harnoncourt mit 12:54 schießt den Vogel ab, der in die trockene Moldau fällt.
    Wie man Tabor so emotionslos und belanglos dirigieren kann ist mir ein Rätsel - 14:25 Minuten Langeweile.


    Im Prinzip verstehe ich die Threadüberschrift so, dass es um Smetanas weitere Werke gehen soll.
    Deshalb möchte ich meinerseits noch einmal an die von Reinhard in Beitrag 5 gezeigte BRILLNAT-BOX mit den sinf.Werken Smetanas erinnern.
    Theodore Kuchar hat mit der Janacek PH zwar kein absolutes Spitzenensemble zur Verfügung; aber Eines, das mit Herzblut spielt und deutlich vorführt, dass Smetana mehr hörenswertes als sein Vaterland-Zyklus geschrieben hat.
    Die weiteren Tondichtungen stehen den bekannten Kubelik-Aufnahmen (DG) kaum nach und werden mit Emotion und Hingabe interpretiert.
    Die Ouvertüre Die verkaufte Braut mit den drei Tänzen daraus liefert Kuchar richtig mit "schmackes" und selbst die ansonsten etwas langatmige Festive Sinfonie op.6 wirkt hier ebenfalls kurzweiliger, als ich es von früher in Erinnerung hatte. Weiterhin liefert die 3CD-Box Kurz-Werke und Polkas, die einem vorher noch nirgens begegnet sind.
    ;) Aber auch der Vaterland-Zyklus gehört mit Kuchar zu den hörenswerten verfügbaren GA.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang