Klassische Musik - Spaßfaktor NULL oder HUNDERT

  • Liebe Forianer


    Mit diesem Theme leite ich eine Staffete von Threads zum Thema "Klassische Musik" ein, die generell scheinbar ähnlich sind - aber doch - wenn man das Thema ernst nimmt - durchaus Unterschiede aufweisen, und die den Vorteil haben, daß sich auch jene positiv einbringen können, die keine "musikalische Ausbildung genossen haben - wobei aber auch letzter Gruppe hier voll zum Zug kommen können.


    Anders als beim Thread:
    Niemand hört heutzutage mehr Klassik -oder doch ?


    geht es hier nicht um die Frage, inwieweit die "klassische Musik" im Bewusstsein des Durchschnitts der heutigen Gesellschaft verankert ist,
    sondern WARUM klassische Musik einerseits SPASS macht. warum deren Anhänger dafür glühen - und andrerseits ein anderer Personenkreis von ihr nicht berührt wird. Jahrzehnte - nein Jahrhunderte war diese Musik (wenn man Lautenmusik und höfische Tänze der Renaissance einerseits - und Barockmusik andrerseits hier gelten lässt) dem Adel bzw priveligierten Bürgerschichten vorbehalten. Als diese Musik "allgemein" zugänglich wurde erregte dies jedoch kein großes Aufhebens


    Ich beziehe mich uin diesem Thread vorzugsweise auf "Ohrwurmklassik", die man sich EIGENTLICH nicht "erabeiten " muß, sondern die eingängig und anspringend ist. - oder der diese Attribute zumindest gemeinhin nachgesagt werden...


    Also: Was macht den "Spaßfaktor" bei "unserer" Musik aus ?


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei mir war und ist es auch noch heute ein regelmässiges Bedürfnis nach Harmonie, welches ich mir am besten durch Hören von insbesondere melodischer und von einer feierlichen Steigerung ausgezeichneter Orchestermusik befriedigen kann.


    Angefangen hat es bei mir auch durch "Ohrwurmklassik", als da wären beispielsweise "Die Moldau", "Les Preludes", einschlägige Ausschnitte aus "Carmen", "Die kleine Nachtmusik", "Mozart 40 erster Satz", aber merkwürdigerweise auch mit Ravels "Bolero" - dessen dramatische Steigerung zündet auch bei Laien!


    Sind also weitestgehend Werke, die aufgrund ihreres plakativen Aufbaus einen spontanen Hörgefallen haben.


    Natürlich - so war und ist es auch bei mir - verschiebt sich mit wachsender Hörerfahrung die Schwelle des spontanen Hörgefallens immer weiter nach hinten - will sagen im Extremfall reichen mir heute bereits gewissermassen kleinste Ton - oder Rhytmuspassagen mit Wiedererkennungswert über das Werk verteilt aus um mich auch ohne geplantem konzentrierten Zuhören zu unterhalten.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Bereits in meinem Elternhaus kam ich mit Klassik in Berührung, und manches gefiel mir auch bald. Allerdings war diese Musik für mich nicht klar von anderer unterschieden. Außerdem sind es wohl immer einzelne Elemente, die einem als Kind auffallen: die seltsame Stimmung der langsamen Einleitung von Beethovens 4. Symphonie oder das trauermarschartige Thema im 1. Satz dieser einen a-moll-Sonate von Schubert.
    Etwas älter hatte ich auch Spaß an polyphoner Musik, also Kanons wie "Bruder Jakob" oder "Hejo, spann' den Wagen an". So bekam ich wohl relativ früh auch einen Draht zu Fugen. Allerdings fand ich da zunächst einmal die ersten Takte, die ja immer noch recht übersichtlich sind, sehr aufregend, während mir der weitere Verlauf zu kompliziert war.
    Von Fugen ausgehend habe ich mir dann vorgestellt, dass sich Klassik von anderer Musik vor allem dadurch unterscheidet: sie ist dichter und bietet mehrere Melodien auf einmal.


    Viele Grüße

  • Ehrlich gesagt, "Spaß" hat mir Musik nie gemacht. Sie war mir seit je innerstes Bedürfnis, gegen das ich mich weder wehren wollte noch konnte. Ich kann mich noch nicht mal an eine Art Initialzündung erinnern, die diesen Prozeß in musicis ausgelöst hatte. Mag sein, daß ich mich gegen diesen "Spaß" instinktiv wehre, weil er in den letzten 15-20 Jahren - nicht zuletzt auch durch die Werbung - geradezu inflationär benutzt wird. Das geht hin bis zu Spaß-Gesellschaft, in der alles und jedes verfügbar sein soll - zum Ablenken, zum Zeit-totschlagen. Mag auch sein, daß meine Abwehr gegen dieses Wort auf andere überinterpretiert wirkt, vor allem auf junge Leute, die sich wundern, warum ein alter Zausel wie ich ein solches Wortgewicht in den Begriff wuchtet. Wobei es mir natürlich fernliegt, anderen den Spaß zu verderben. Für mich selbst war von Anfang an ein anderer Begriff maßgeblich: Neugier. Aus dieser Neugier gewann ich Freude an der Entdeckung, Begeisterung und - ja auch das - Erschütterung. Das ist, für mein Verständnis, weit mehr als Spaß...


    Florian

  • Angefangen hatte alles damit, dass ich zuhause schon als kleiner Junge immer die Operetten anhören „musste“, die meine Eltern hörten. Weiter ging es in der Schule, wo wir im Musikunterricht diverse Komponisten und deren Werke durchnahmen; wobei mein Interesse sehr gedämpft war.


    Die Initialzündung war ein Readers-Digest-Prospekt für Schallplatten. Er weckte meine Neugier und war praktisch der „Einstieg“. Smetanas „Moldau“, Tschaikowskys „Klavierkonzert Nr. 1“, Beethoven-Sinfonien usw. waren der Inhalt einer sehr preiswerten LP-Kassette, die ich mir damals bestellte und auf dem Plattenspieler meiner Eltern hörte, weil wir selbst noch keinen hatten. Den Durchbruch brachte dann – reiner Zufall – ein Heft der „Hi-Fi-Stereophonie“, die ich mir danach regelmäßig kaufte. Die darin enthaltenen Schallplatten-Rezensionen las ich begierig und kaufte mir die am besten bewerteten LPs im Glauben daran, dass darauf Verlass sei. Erst um einiges später stellte ich dann fest, dass die "beste Aufnahme" möglicherweise für den Rezensenten die beste sein mochte, für mich aber nicht unbedingt sein musste.


    Wenig später kam dann ein Garrard 301 mit einem ich-weiß-nicht-mehr-was-für-einem Tonarm; der dann bald durch einen (langen) SME 3012 mit einem mir inzwischen nicht mehr erinnerlichen Shure-System (ich denke, es war ein Shure V-15) ergänzt wurde, wunderbar montiert auf einer extra beim Schreiner maßgeschneiderten und nach den mitgelieferten Schablonen gefrästen extragroßen massiven Teakholzkonsole. „Dieses“ Laufwerk mit „diesem“ Tonarm waren mein ganzer Stolz und der Anfang einer unheilvollen und finanziell für mich fast nicht tragbaren „Sucht“. Es folgte – wiederum kurz danach – ein Thorens TD 124, der den vorhandenen SME 3012 erhielt. Es kamen verhängnisvolle Käufe diverser hochwertiger Systeme und eines zweiten SME 3012 dazu. Vom Rest der Anlage (verraten sei hier nur die Marke QUAD und der Hinweis auf herrlich klingende und enorm sperrige Elektrostaten) will ich hier lieber nichts verraten, weil auch die hier bereits erwähnten Teile jedem einigermaßen vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Leser verraten, dass ich ganz offensichtlich schon mit rund 20 Jahren einen ausgewachsenen Dachschaden hatte. Glücklicherweise hatte mich meine Frau trotzdem nie verlassen, obwohl sie es mir des öfteren angedroht hatte.


    Schallplatten hören und Anlagen vergleichen mit Freunden und Bekannten wurde zum (unvernünftigen und geldverschlingenden) Hobby, das so manch anderen harmlosen „Mitmacher“ ebenfalls in seinen Bann zog.


    Im Lauf der Jahre wurde das fast exzessiv intensiviert. Wir hörten mehrmals hintereinander Beethovens Fünfte und verglichen Karajans Auffassung und Interpretation mit der von Furtwängler. Karajan war damals auf seinem Zenit angelangt – und wir meinten trotzdem, dass bei Furtwängler alles deutlich durchhörbarer (und langsamer und damit „schöner“) war. Die Holzbläser waren wunderbar zu orten, die bei Karajan fast untergingen. Karajan entfachte einen Orkan, während Furtwängler „Musik hörbar“ machte. Natürlich alles immer unter dem Vorbehalt, dass die Hörgewohnheiten grundsätzlich immer ebenso individuell und damit keinesfalls „objektiv“, sondern subjektiv sind wie so vieles andere auch.


    Langsam kam die Abkehr von orchestralen Werken und das immer stärkere Interesse an Kammermusik. Wir hatten Schubert als einen der ganz Großen neben Mozart, Beethoven u.a. für uns entdeckt, als er bei vielen fast noch als „Wiener Schrammerlkomponist“ verschrien war. Wir entdeckten Dvorak und stellten fest, dass wir, die wir glaubten, schon so viel zu kennen, in Wirklichkeit fast so gut wie gar nichts kannten. Wir schwärmten für Maria Callas, Ettore Bastianini, Tito Gobbi, Boris Christoph und unendlich viele andere Opernsänger und -Sängerinnen, die heute fast schon vergessen sind, weil ja so viele wirklich gute Stimmen nachkamen und immer wieder nachkommen. So ging das viele Jahre, bis die Berufe uns so stark forderten, dass wir „nur noch“ hin und wieder hörten, weil keine Zeit für die intensive Beschäftigung mehr da war. Es war auch keine Zeit mehr da, um die „so dringend nötigen Verbesserungen“ an der Anlage vorzunehmen (die in Wirklichkeit ja niemals nötig waren, um zufriedenstellend Musik zu hören).


    Es war Zeit, um festzustellen, dass Musik auch über einfache Anlagen schön sein konnte und dass es nicht immer die Non-Plus-Ultra-Geräte sein mussten. Es war die Zeit, wo mir das ungestörte und einfache Musikhören über ein Kofferradio lieber war als das anspruchsvolle Hören mit der unvermeidlichen, endlosen und oftmals verzweifelte Suche nach einem Brumm oder sonst was.


    Wir besuchten viele Konzerte und führten unsere Kinder zielstrebig an gute Musik (Natürlich: Was ist „gut“ und was ist nicht mehr gut? Wer will diese Frage beantworten!) heran. Wir waren allen schönen Künsten wie Malerei und Literatur ebenso aufgeschlossen, weil ja eines das andere befruchtete.


    Musik gehörte und gehört unabdingbar zu unserem Leben. Ohne Musik würde uns sehr viel fehlen. Und wir können problemlos akzeptieren, dass die von uns bevorzugte Musik vielen anderen nicht gefällt. Ich selbst höre sehr gern (und sehr laut) Verdi-Opern mit meinen Lieblingssängern, während meine Frau Opern gar nicht mag.


    Heute führen wir unsere Enkelkinder peu à peu an „gute“ (schon wieder diese abgedroschene Phrase!) Musik heran. Sie spielen alle Klavier, Violine, Gitarre und Flöten. Wir machen das so interessant, dass sie gerne „bei der Sache“ sind und sie nie „über“ bekommen. Wir locken sie in Konzerte, hören vieles gemeinsam von LPs, DAT-Kassetten und natürlich CDs (und manchmal auch noch von Musikkassetten, von denen wir eine unendlich große Sammlung von im Rundfunk aufgenommenen Sendungen haben).


    Es ist herrlich, seine Kinder (und Enkelkinder) an schöne Musik heranzuführen und sie dafür zu begeistern. Heute sind wir alt – und haben entsprechend Zeit. Wir können nur hoffen, dass noch genügend Zeit bleibt, auch selbst noch viel Freude daran zu haben. Es gibt noch immer so unendlich viel Neues zu entdecken.


    Das ist jetzt leider ein bisschen sehr lang geworden – und abgeschweift bin ich wohl auch etwas vom Thema. Sorry.

    VJ

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  • Hallo,


    der Spaßfaktor tendiert bei mir gen 100, besonders, wenn ich an ein kommendes Highlight hier in Krefeld denke. Im Rahmen der Orgelwoche ist traditionell das letzte Konzert "The last night of Orgel". In der Woche davor gibt es etliche Orgelkonzerte mit namhaften Solisten. In der "last night" ist es eine Mischung aus Orgelmusik und Chor. Den Abschluß dieses Konzertes mündet in den traditionellen Gesänge der "Last night of the Proms" inclusive "Rule Britannia" und "Pomp and Circumstances". Das Publikum singt, pfeift und trötet mit, dass eine echte Freude ist. Da wird Musik zum echten Spaßfaktor.

  • Ich tue mich etwas schwer mit dem Begriff 'Spaßfaktor'.


    Ich möchte das bei mir eher 'Stimmungsfaktor' nennen. Es gibt Musik, die mir einfach Spaß macht, Musik, die meine Depression unterstützt, Musik, die mir tief ins Herz geht und mich zu Tränen rührt...


    Das, was allgemein 'Klassik' bezeichnet wird, spricht einfach meine Sprache. Damit möchte ich nicht werten, aber es gibt nur sehr wenig Popmusik, der ich bisher begegnet bin, die eine annähernd vergleichbare Wirkung auf mich hat.


    Obwohl ich das nicht von klein auf gelernt habe: ich bin mit 14 selbst zur sog. 'Klassik' gewechselt...

  • Das Wort "Spaß" liegt mir nicht so, Spaß verbinde ich eher mit Witz, Unterhaltung.
    Mich hat klassische Musik schon sehr früh fasziniert, natürlich nicht alles, aber einiges, und es ging und geht heute dabei noch um Emotionen, traurige, fröhliche, glückliche, würde ich sagen.
    Über lange Stecken wurde es dann zu einer wirklichen Sucht, im Sinne, daß ich so davon angetan war, daß ich nicht anders konnte, als zu hören und mich in ein Intrument dermaßen zu verkriechen, teils um immer besser zu werden, teils aus persönlichen Ambitionen.
    LG Michael

  • Worüber wir hier reden, das hat mit "klassischer" Musik ja nur indirekt etwas zu tun. Ich setze einmal voraus, dass damit vorwiegend das gemeint ist, was wir unter E-Musik (= ernste Musik) verstehen.


    Und warum sollte diese Musik nicht auch "Spaß" (= Freude) machen? Die Bezeichnung "Spaß" kommt vom italienischen "spasso" und bedeutet wörtlich übersetzt "Zerstreuung, Vergnügen, Zeitvertreib". Also genau das, wofür der größte Teil der von uns hier angesprochenen "klassischen" Musik ursprünglich komponiert wurde: Zum größten Teil zur Unterhaltung für den Adel.


    Und der "Spaßfaktor" dürfte bei E-Musik kaum viel anders sein bei der sogenannten U-Musik. Wir sollten nicht übersehen, dass es auch bei der sogen. U-Musik enorm viel sehr gute Musik gibt, die möglicherweise einzig unter der Tatsache leidet, dass sie im Rundfunk und Fernsehen so entsetzlich oft gesendet wird, dass man sie sehr schnell "über" hat. Aber einmal ganz offen gestanden: Wenn ich Schuberts "Forellenquintett" am Tag drei- oder gar fünfmal hören "müsste", dann hätte ich das irgendwann auch "satt". Und ebenso offen gebe ich zu, dass es auch unter der sogen. "klassischen" Musikliteratur einen Haufen "Mist" gibt (natürlich nur für meine Begriffe). Und es gibt eine Menge Musikliteratur, die dem einen oder anderen unter uns überhaupt nicht zusagt, weil er sie einfach entsetzlich findet. Zumindest dann, wenn er ehrlich ist.


    Wir alle sind (mehr oder weniger) Individualisten. Und dem angepasst ist auch unser Musikgeschmack. Das ist völlig normal. So käme ich nie auf die Idee, Moses KR1 Musikgeschmack zu kritisieren, nur weil mir persönlich die übliche traditionelle Orgel- und Chormusik nicht gefällt, oder weil mir ein singendes, pfeifendes und trötendes Publikum absolut keine Freude bereitet, weil mich so etwas beim Musikhören stört und ich es in keiner Weise als "Spaßfaktor" empfinden könnte. Und ebenso hoffe ich, dass er so tolerant ist und mir meine Freude (Spaß) an Kammermusik oder Opern oder U-Musik lässt. Nur er kann beurteilen, was ihm gefällt, und nur ich kann beurteilen, was mir gefällt. Und beide sollten wir von anderen so viel Toleranz erwarten dürfen, dass sie uns die Freude an dem lassen, was uns gefällt.


    Ich fände es entsetzlich, wenn ich jeden Tag nur Austern, Kaviar und Champagner essen und trinken müsste. Da würden mir ganz schnell trockenes gutes Brot und Leitungswasser fehlen, ja, ich würde geradezu danach hungern und dürsten. Dieser Luxus ist nur deshalb ein Luxus, weil er teuer ist und wir ihn uns normalerweise nur relativ selten leisten können. Wir wären arme Schweine, wenn wir ausschließlich nur noch das jeden Tag zu essen und zu trinken bekämen. Auch hier ist es die "Dosierung", die das "Besondere" macht.l


    Ich sehe das bei Musik, Malerei und Literatur nicht viel anders. Taglich nur noch einzig das "Gute" vorgesetzt zu bekommen würde es sehr schnell "alltäglich" machen. Auch hier ist es - vielleicht? - die Dosierung, die es zu etwas Besonderem macht.


    Ansichten und Meinungen sind immer "individuell". Die hier geäußerte Ansicht ist meine Ansicht, die sich keinesfalls mit den Ansichten anderer decken muss. Jeder hat ein Recht auf seine eigene Ansicht und Meinung. Schön, wenn ihm das von anderen zugestanden wird - schlimm, wenn das nicht so wäre.

    VJ

  • Ich bin nicht sicher, ob der Begriff "Spaß" es trifft. Spaß macht mir das Cello spielen oder auch das Zusammensitzen mit netten Leuten. Oder nach CDs suchen. Spaß umfasst wohl eher eine kurze Zeitspanne.
    Ich würde es als Freude bezeichnen. Größte Freude. Es verschafft eine anhaltende und lange Befriedigung, wunderbare Musik im Kopf zu haben.
    Ich sagte ja, Cello spielen macht Spaß, die Musik, die dabei entsteht (oder entstehen sollte) macht Freude.
    Unter dem Aspekt Freude ist klassische Musik eine 100.

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  • Lieber VJ, das unterschreibe ich gerne. Nicht, dass mir das überall gefällt. Im Konzert oder in der Oper stört mich schon ein langsam ausgewickeltes Bonbon oder die Kette an einer Handtasche, die unbedingt geraschelt werden will. :boese2: :boese2: :boese2: :boese2:


    Bei dem angesprochenen Konzert wird natürlich das Publikum nicht von Anfang an eingebunden, sondern nur bei den Gesängen der last night of the proms.


    LG Uwe

  • Spaßfaktor beim Zuhören -- oder beim Mitmachen?

    Vielleicht ist diese Unterscheidung nur für diejenigen wichtig, die – wie ich – nicht oder nicht mehr aktiv musizieren, die nicht einmal in einem Laienchor mitsingen (höchstens Sonntags in der Kirche), die nur als „Publikum“ oder/und als „Sammler“ mit der Musik etwas zu tun haben.


    Natürlich ist das Musik-Hören ein Teil unseres Lebens, auf das wir nicht verzichten können. Musik machen ist aber möglicherweise genauso wichtig, wenn nicht wichtiger. Ich glaube, dass der Parademarsch der Popmusik, der durch die Medien in früher unvorstellbarem Maße verstärkt und durch viele verschiedene Richtungen und Formen angereichert werden konnte, vor allem damit zusammenhängt, dass mit ganz wenig musikalischen Kenntnissen und Übungen möglich war, in einem Band zu spielen. Die nötigen Kenntnisse konnte man sich auch als Autodidakt erwerben. Die Freude am Musik-Spielen war das Lebensideal von vielen Jugendlichen, die dann sozusagen von Kindesbeinen an nur ihre Musik und die ihrer Mitmarschierenden gehört und also genossen haben. Es konnte nur in einigen wenigen Fällen dazu führen, dass dabei auch das Interesse an der klassischen Musik erweckt wurde.


    Das Demokratische an diesem Musik-Machen (das auch im Jazz bestimmend war) war mir schon immer recht sympathisch, auch wenn ich die Musik selbst nie lieb gewinnen konnte.


    Mir scheint jedoch, dass in unseren Tagen immer mehr Kinder in die Musikschule gehen. Ein Instrument zu spielen (das nicht mehr notwendig die Gitarre sein muss…) fängt wieder an, modern zu sein. Dabei scheinen die Bands, die in den siebziger und achtziger Jahren noch wie Pilze aus dem Boden schossen, doch an Zahl etwas weniger und an Einfluss und Wirkung etwas schwächer geworden – soweit ich das beurteilen kann, natürlich kann ich mich auch irren.


    Das „Mitmachen“ im Bereich der klassischen Musik zu unterstützen wäre schon eine schöne Aufgabe aller Freunde der klassischen Musik.



    :hello: KP

  • Natürlich gibt es Musik, die schon vom Komponisten als Scherz oder musikalischer Spaß angelegt wurde. Bei solchen Konzertstücken entspannt sich das Publikum, die Mundwinkel gehen nach oben, manchmal wird freudig mitgesummt. Das sind Musikstücke die keinen tiegergehenden Anspruch haben, sondern einfach erfreuen wollen.
    Das Heilbronner Sinfonie Orchester ist gerade in den Abschlussproben für das Mietekonzert am 27. September. Da steht mit "Il carnevale die
    Venezia" (Variationen alla Paganini) von Vinzenzo Tommasini ein solches Werk auf dem Programm. Es sind sinfonische Variationen über den Gassenhauer "Mein Hut der hat drei Ecken".
    Obwohl die Musik zum Teil ganz schön schwierig ist, waren Dirigent und Musiker mit Feuereifer und sichtbarer Begeisterung bei der Sache. Meine Frau und ich wolllten nur ganz kurz in die Probe hineinhören waren aber sofort so gefangen vom heiteren Charakter dieses Werkes, blieben obwohl wir in Eile waren bis zum Ende und gingen beschwingt von dannen. Das bewirkt Musik mit Spaßfaktor!
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ehrlichgesagt halte ich überhaupt nichts von Spaß in der Musik. Musik soll mich rühren.
    Wenn ich lachen will, erzähl ich Witze. Aber nie würde ich Musik dazu verwenden. Reine lustige Musik würde mich zudem auch langweilen. Daran hab ich kein Interesse.


    Ab und an passiert es aber, dass es Stellen gibt die mich auf irgendeine Weise zum schmuntzeln bringen. Ich erinnere mich da spontan an eine Kadenz eines Klavierkonzertes, bei dem der Tremolo so spontan kam, dass es witzig klang.
    Prozentual - um an den Threadtitel anzuschließen - würde ich sagen:
    Spaßfaktor vllt 5...



    C.

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  • Es ist ein wahres Glück, dass die Geschmäcker eben mal sehr unterschiedlich (individuell) sind. Und diese Individualität sollten wir allen zugestehen: Denen, die Spaß daran haben und denen, denen dieser Spaß zuwider ist. Was allerdings nichts daran ändert, dass die meiste der von uns so geliebte Musik eben zum Ergötzen und Spaß Ihrer Zuhörer (sofern sie denn damals überhaupt zugehört haben und sich nicht mit völlig anderen Dingen beschäftigten!) komponiert wurden.

    VJ

    Einmal editiert, zuletzt von VJ ()

  • Zitat

    Original von VJ
    Was allerdings nichts daran ändert, dass die meiste der von uns so geliebte Musik eben zum Ergötzen und Spaß Ihrer Zuhörer [...] komponiert wurden.


    Das glaube ich weniger.
    Kannst Du belegen, dass das Vokabel "Spass" zur Charakterisierung der klassischen Musik von den Zeitgenossen/der Zielgruppe öfter verwendet wird als "Erbauung" oder "Belehrung"?
    :beatnik:

  • Vielleicht wäre es sinnvoll, sich an das Thema dieses Threads zu erinnern. Alfred Schmidt schrieb in seinem Eröffnungsbeitrag:


    „...geht es hier nicht um die Frage, inwieweit die "klassische Musik" im Bewusstsein des Durchschnitts der heutigen Gesellschaft verankert ist,
    sondern WARUM klassische Musik einerseits SPASS macht. warum deren Anhänger dafür glühen - und andererseits ein anderer Personenkreis von ihr nicht berührt wird. Jahrzehnte - nein Jahrhunderte war diese Musik (wenn man Lautenmusik und höfische Tänze der Renaissance einerseits - und Barockmusik andrerseits hier gelten lässt) dem Adel bzw priveligierten Bürgerschichten vorbehalten.


    Ich beziehe mich in diesem Thread vorzugsweise auf "Ohrwurmklassik", die man sich EIGENTLICH nicht "erabeiten " muß, sondern die eingängig und anspringend ist. - oder der diese Attribute zumindest gemeinhin nachgesagt werden...


    Also: Was macht den "Spaßfaktor" bei "unserer" Musik aus ?“


    Alfred Schmidt fragte nicht, OB diese Musik Spaß mache (denn er setzte das – zurecht – als selbstverständlich voraus), sonder er fragte, WARUM diese Musik seinen Anhängern so viel Spaß bereite. Und er ergänzte:


    „Ich beziehe mich in diesem Thread vorzugsweise auf "Ohrwurmklassik", die man sich EIGENTLICH nicht "erarbeiten " muß, sondern die eingängig und anspringend ist – oder der diese Attribute zumindest gemeinhin nachgesagt werden...“


    Also sprach er ganz offensichtlich nicht die „tiefschürfenden“ (wenn sie es denn tatsächlich sein sollten!!!) Kompositionen an, die ganz offensichtlich „keinen Spaß“ machen, sondern eine intensive Beschäftigung verlangen, um dann (möglicherweise) zu einer „Erkenntnis“ zu gelangen oder einen „Zugang“ zu finden. Es ist ja überhaupt keine Frage, dass es sowohl Musik als auch Malerei oder Literatur (also die bekanntesten und verbreitetsten unserer sogenannten „Schönen Künste“) gibt, wo sich zumindest der eine oder andere von uns hin und wieder (hoffentlich!) fragt, ob man das überhaupt noch als „schön“ oder als „musikalisch“ oder „harmonisch“ oder wie auch immer bezeichnen kann.


    Also: Diese Musikrichtung hat der Eröffner dieses Threads ganz offensichtlich nicht gemeint. Darüber sollte Einigkeit (neudeutsch: Konsens) bestehen.


    Er meinte vielmehr die „Ohrwurmklassik“, von der er ausdrücklich sagte, dass man sich die nicht „erarbeiten“ müsse.


    Und das ist der Punkt: Weder der Adel noch die privilegierten Bürger, für die derartige Musik damals geschrieben wurde, hatten groß Lust, sich tiefschürfend auf die Musik zu konzentrieren. Sie wollten Unterhaltung und Spaß haben und ganz sicher nicht „erbaut“ oder „belehrt“ werden.


    Ich möchte es mir hier ausdrücklich ersparen, das zu tun, was möglicherweise schlussendlich „die Freude an der Musik“ verderben könnte: Das Analysieren und Interpretieren in die, in die und in noch eine andere Richtung. Ich hatte schon in meinem ersten Beitrag zu diesem Thread geschrieben: „Weiter ging es in der Schule, wo wir im Musikunterricht diverse Komponisten und deren Werke durchnahmen; wobei mein Interesse sehr gedämpft war.“ Ich hätte richtigerweise schreiben sollen: „...wobei mein Interesse maßlos beeinträchtigt wurde.“ Denn es war dieses für meine (auch heutigen) Begriffe sinnlose Herumstochern, Zerpflücken und schwachsinnige Interpretieren – sowohl von Musik als auch von Malerei und Dichtung. Ich will hier niemandem zu nahe treten. Ich verstehe durchaus, dass man nach den „Dingen dahinter“ fragt und sucht. Aber bitte im Rahmen!


    (Obwohl es überhaupt nicht zum Thema passt: Wir waren kürzlich mit einer kleineren Gruppe von rund 12 Personen beim Abendessen. Sowohl meiner Frau als auch mir hatte es köstlich gemundet, denn die Küche war hervorragend – ein ganz ausgezeichnetes Fleisch, köstliche Salate und Gemüse, alles gekonnt zubereitet und wirklich so gemacht, dass wir es uns nicht besser hätten wünschen können. Einfach rundum stimmig. Dazu eine erlesene Weinkarte, die – guten Geschmack (über den sich natürlich immer streiten lässt) vorausgesetzt - ebenfalls keine Wünsche offen ließ. Und dann, schon zu Anfang des Essens, begannen zwei der Teilnehmer – offensichtlich selbsternannte Gourmets –, zu bemängeln, warum das und das nicht ganz so gut sei, weil das und das noch besser hätte gemacht werden können. Das führte zu einer so schwachsinnigen Diskussion in der Runde, dass wir nahe daran waren, aufzustehen und zu gehen, weil uns diese dämliche Diskussion im wahrsten Sinne des Wortes „den Appetit“ zu verderben drohte. Denn wir freuen uns immer darauf, wenn wir hervorragendes Essen und köstlichen Wein genießen können. Nicht dass wir keinesfalls bereit wären, auch einmal über die Essens- und Weinqualität zu diskutieren. Aber alles zu seiner Zeit – und mit Maß.
    Ich fragte dann schließlich doch reichlich genervt, ob es nicht sinnvoller wäre, zunächst einmal das Essen zu genießen und vielleicht hinterher darüber zu diskutieren – was von den meisten mit Zustimmung beantwortet wurde. Der Abend war noch einmal gerettet. Möglicherweise wäre ansonsten uns allen im Lauf der Zeit doch noch der Appetit vergangen.)


    Ich habe das eingeschoben, weil es mir bei der Musik (und ebenso bei der Malerei) oftmals ganz ähnlich ergeht: Ich will die Musik (oder die Bilder) ganz einfach genießen. Oder sollte ich besser sagen: Ich will Spaß daran haben?


    Also noch einmal: Die Frage war, warum uns diese Musik so viel Freude bereitet und Spaß macht. Zumindest ich würde niemals mehr so oft und viel Musik hören wollen, wenn sie nur zur „Erbauung und Belehrung“ gedacht wäre. Weil mir das dann keinen „Spaß“ mehr machte. Und für die, die es vielleicht überlesen haben: Die Bezeichnung "Spaß" kommt vom italienischen "spasso" und bedeutet wörtlich übersetzt "Zerstreuung, Vergnügen, Zeitvertreib". Zur Erbauung gehen die Gläubigen in die Kirchen und zur Belehrung gehen die Interessierten in die Schulen und Universitäten oder in die Volkshochschulen. Oder sie hören, wie die Wähler, auf die Politiker, die Ihnen einreden, was sie glauben, wissen und wählen sollten.

    VJ

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  • Na gut, war ein bisschen verkürzt dargestellt ...
    ;)
    Aber die Vorstellung, dass die klassische Musik in erster Linie zum Zweck des Spaßes erzeugt wurde, halte ich für einen Irrtum.


    Außerdem wird zwar kaum ein heutiger Klassikliebhaber oder -kenner behaupten, dass er nie Spaß mit der klassischen Musik hätte. Aber in der Regel wird man da fundamentalere Erlebnisse als Zerstreuung, Belustigung, Spass suchen, wenn man klassische Musik hört.


    Belehrung und Spaß sind natürlich auch keine sich ausschließenden Kategorien. Wenn wir in der Zeit Haydns bleiben, empfehle ich diesbezüglich die Romane von Wieland - da wird ganz klar, dass die Hauptintention: Besserung, Belehrung des Lesers mit durchaus spaßiger Würze serviert wird.


    Aber wenn wir mal von der Belehrung absehen - so etwas wie Erbauung sehe ich doch fast immer mehr im Vordergrund als Zerstreuung.


    Wenn wir ins Barock zurückgehen, wäre es theoretisch interessant, die Ballett-Tanzmusik mit der (wohl nicht erhaltenen) Tanzmusik für das Wirtshaus zu vergleichen. Welche Funktion so ein Ballett hatte, kann ich nicht beurteilen. Allerdings bietet sich hier an, Alfreds "Ohrwurmklassik" zu demontieren: Mir hat sich noch von keiner barocken Ballettmusik ein Ohrwurm gebildet (zum Glück, ich mag Ohrwürmer nicht so gern, ich bin froh, wenn sie wieder draußen sind).


    Also: Ebenso wie beim Genuss guter Speisen und Weine der Spaß nicht im Vordergrund steht, so ist das beim Hören von klassischer Musik und beim Betrachten von Kunstwerken.


    Besonders einprägsame Themen und Motive, die dem Hörer sofort im Ohr hängen bleiben, sind in der klassischen Musik die Ausnahme.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    WARUM klassische Musik einerseits SPASS macht. warum deren Anhänger dafür glühen - und andrerseits ein anderer Personenkreis von ihr nicht berührt wird.


    Vielleicht ist das ganz trivial.


    Wenn man einmal für etwas glüht, dann kann man auch Spass dadurch entwickeln. So hat der Theologe Spaß an der Theologie, jeder Wissenschaftler Spaß an seiner Disziplin. Das heißt aber nicht, dass die Theologie oder die Wissenschaften von sich aus spaßig sind, oder dass ihr Hauptzweck der Spaß ist.
    :hello:

  • Zitat

    Und das ist der Punkt: Weder der Adel noch die privilegierten Bürger, für die derartige Musik damals geschrieben wurde, hatten groß Lust, sich tiefschürfend auf die Musik zu konzentrieren. Sie wollten Unterhaltung und Spaß haben und ganz sicher nicht „erbaut“ oder „belehrt“ werden.


    Das würde ich durchaus unterschreiben.


    Es wird ja von Klassik-Insidern gerne so getan, als wäre das hören von "klassischer Musik" notwendigerweise eine "Anstrengung", ein Mißvergnügen, und man müss erst erkennen wie sich der Künstler angestrengt hat, um das Werk auf irgendeine Weise letztlich doch geniessen zu können. Ich habe an sich keine Vorbehaslte gegen "Analysen" von Werken, und so etwas kann ein Forum sicher interessanter machen - aber es sollte keine unabdingbare Voraussetzung zum Genuss von "klassischer Musik" sein.


    In erster Hinsicht ist sie zum Vergnügen da- und das wurde auch meist so gesehen. Ausnahmen machte hier die Kirche und jene die "Arbeitermusik" machen wollten, deren einziger Sinn gewesen zu sein scheint, die "neue Zeit" musikalisch einzuleiten, klassenbewusst und hässlich. Aber sicher bin ich hier zu streng.


    "Ohrwurmklassik" (manche möchten sie "demonitieren" ist ja in letzter Konsequenz die PR-Abteilung der Klassik, sie lockt neue Interessenten ann. Kaum jemand wird sagen: Ich gebe jetzt meinen geliebten Schnulzenschlager auf und werde in Zukunft nur sperriges und Unangenehmes hören, bis ich den Zugang gefunden haben werde....


    Und in der Tat war die Frage gestellt, WARUM Klassik Spaß macht, und nicht OB.


    Mir hat der Vergleich mit dem Restaurant sehr gut gefallen.


    Ich würde ihn in ähnlicher Form fortsetzen.


    Die einen mögen Fast food, wo unangenehm riechende Laibchen
    mit etwas Mayonaisepapp in ein zähes Weißbrotbrötchen gepappt werden.



    Die anderen lieben die gutbürgerliche Küche
    oder raffiniert gewürzte Speisen jeglicher Kultur.
    Dann gibt es die "Gesundheitsapostel" und "Intellektuellen Esser"


    Die erste Gruppe brauche ich wohl nicht näher zu erläutern, die "Intellektuellen Esser" sind die Anhänger der neuvelle cuisine", wo ein winziges Stück Fleisch auf dem Riesenteller liegt, nebst einem Blatt Papier auf dem die Gedanken des Maitre du Cuisine zu dieser Speise in Sonettform festgehalten wurden....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    "Ohrwurmklassik" (manche möchten sie "demonitieren" ist ja in letzter Konsequenz die PR-Abteilung der Klassik


    Ich wollte eher Deinen Begriff demontieren.
    Du sagst es: Das ist die PR-Abteilung.
    Und zwar für den heutigen Schlager-Hörer.


    Und somit sicher nicht "unsere" Klassik.
    Wenn ich einmal "uns" als die Forianer nehme.
    Die hören z.B. nicht nur den Finalsatz aus Haydns 104. sondern auch andere Haydnsinfonien.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Das würde ich durchaus unterschreiben.


    Komisch. Ich nicht. Für mich ist erbaut (über etwas) sein relativ identisch mit erfreut (über etwas) sein. Ggfs. ist erbaut sein etwas erhabener als erfreut sein? Anders ausgedrückt: Der Adel ist erbaut, der Pöbel erfreut (über dasselbe Ding). Zwar ist Freuen nicht das gleiche wie Spaß, aber letzterer ggfs. eine Steigerung des Erstgenannten. Wenn also etwas 'der Erbauung' dient, dann in Bezug auf Musik m.E. doch der Unterhaltung, wenn auch eher der 'gepflegten'...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Ich bin in der Hinsicht kein Theoretiker, möchte daher auch nichts Allgemeingültiges formulieren.


    Ich kann nur mein eigenen Erfahrungen schildern - vielleicht hat die eine oder der andere das ähnlich erfahren.


    Ich habe angefangen, mich für die von Euch "Ohrwurmklassik" titulierte Musik zu interessieren. Da war ich auch noch etwas jünger, und irgendwie muss man den Zugang ja bekommen. Insofern finde ich die PR-Abteilung gar nicht so unpassend, nennen wir es vielleicht auch "Einstiegsdroge"... :rolleyes:


    Diese Musik hat mir Spass gemacht, und sie hat mich angesprochen und berührt.


    Aber irgendwann hatte ich sie nun zum hundertsten Mal konsumiert und dachte, mensch, da muss es doch noch mehr geben. Und dann habe ich mich durchgetastet, habe alles Mögliche angehört, angefangen, selbst zu musizieren und zu experimentieren.


    Und das hat mir Spass gemacht. Manchmal hat es mich auch nachdenklich oder traurig gemacht, jedenfalls waren es letztlich stimmungsbeeinflussende Eindrücke für mich. Drogen ohne medizinische Nebenwirkungen.


    Es ist m.E. eine Sache von Hörgewohnheiten. Wer sich an die Haute Cuisine gewöhnt hat, weil sie einfach seinen/ihren Geschmack trifft, der mag eben irgendwann kein FastFood mehr.


    Ich mag jetzt eben (fast) keinen Pop mehr hören (bitte zerfleischt mich nicht, da gibt es auch ganz tolle Sachen, ich mag sie nur meistens nicht hören), weil die Klassik mir eben besser schmeckt - und besser bekommt.


    Und die Klassik ist ja weiss Gott ein heterogenes Feld. Vermutlich habe ich vollkommen andere Vorlieben und Gewohnheiten als beispielsweise der Lullist, ich habe mich an anderer Stelle schon als Strauss-Verehrer geoutet etc. Also bietet sich hier auch noch Raum für ganz viele verschiedene Geschmäcker.


    N.B.: Wenn ich zwischen französischem Barock und den 1-Live-Charts wählen dürfte, wäre ich immer noch eher bei Dir, Lullist. ;)


  • Man überträgt m.E. zu leicht Kategorien einer Zeit und Gesellschaft, in der eine Reiz- und Musiküberflutung herrscht, wie "PR" und vielleicht sogar der Begriff "Spaß", auf Umstände, denen sie nicht gerecht werden. Man kann auch nicht gewisse Gepflogenheiten, die vorübergehend im 18. Jhd. mal geherrscht haben mögen (Essen und Reden während der Musik) auf die gesamte Vergangenheit übertragen. Und wenn "Erbauung" heute einen religiös-salbadernden Unterton hat, muß das nicht heißen, daß das immer so gewesen ist. (Wenngleich die religiös erbauende Ziele, die Bach u.a. mit der Musik verfolgten sehr gut belegt sind.)


    Die übliche Musiziersituation in der Haus-, Hof und Salonmusik war m.E. ganz gewiß nicht, daß währenddessen geredet oder gegessen wurde (in der Kirche sowieso nicht). Und selbst wenn es mitunter so war, so wissen wir, wie z.B. Beethoven reagiert hat, wenn sein Publikum bei derlei Veranstaltungen der Musik nicht die nötige Aufmerksamkeit widmete. (Und das Applaudieren mitten im Satz oder eine dacapo Forderung nach einem besonders beliebten Satz war ja ein Zeichen hoher Aufmerksamkeit, auch wenn es unseren Gepflogenheiten widerspricht.)


    Ich stimme auch dem zu, was Du weiter oben schreibst. Von den Nuancen, die "Spaß", "Freude", "Glücksempfinden" usw. unterscheiden abgesehen, ist ein Punkt wohl der, daß die intensive Beschäftigung mit etwas, das einen begeistert, mit "Spaß" (oder besser Freude) verbunden ist. Daß heißt aber eben lange nicht, daß das Objekt oder die Tätigkeit für diese subjektive Freude da ist (Bergsteigen macht auch Spaß, aber die Berge sind nicht dazu da, uns Spaß zu bereiten).


    Eine übliche Unterscheidung (auch wenn sie manchem sophistisch vorkommen mag) zwischen Kunst einerseits und Unterhaltung andererseits, ist eben, daß letztere direkt auf das Vergnügen abzielt, während erstere zunächst Selbstzweck ist. Die Idee ist dann, daß die besonderen "Freude", "Erbauung", "Bewegung" usw., die in der Begegnung mit Kunst entsteht, in dieser spezifischen Weise nur möglich ist, weil es sich eben um etwas handelt, was nicht zu meinem Vergnügen da ist, sondern Selbstzweck.


    Eine Parallele besteht in einer Relation wie Freundschaft. Gewiß bereiten Freundschaften Vergnügen. Aber man kann nicht in ein genuin freundschaftliches Verhältnis eintreten, wenn man die entsprechende Person so behandelt, als sei sie zum Zwecke, Vergnügen zu bereiten, da. Ich muß sie um ihrer selbst willen schätzen, nicht weil mir der Umgang Freude macht.


    Die analoge Behauptung im Falle der Kunst wäre, daß die entscheidende Dimension von Kunst und das spezifische Erlebnis und die Freude an der Kunst nicht möglich werden, wenn ich Kunst so behandle, als sei sie hauptsächlich zu meinem Vergnügen da. (Das ist von der Rezipientenseite formuliert. Vom Werk oder dem Schöpfer ausgehend, würde man sagen, daß ein Kunstwerk eben als Selbstzweck geschaffen werden muß, nicht als Mittel zum Spaß).


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallöchen an alle Forianer,


    also ich, ein neuer stolzer "Tamino", sehe das so: Die Klassik (Klassik im allgemeinen Sinne, sprich alles außer Pop, Rock und Jazz) ist die emotionalste aller Musikarten, nur ist genau diese Emotionalität versteckter, man muss sich Zeit nehmen, mal alle Vorurteile beiseite lassen, die Musik genießen, sich konzentrieren, denn dann wird jeder einigermaßen vernünftige Mensch einsehen: Klassik = Spaßfaktor 100; Langeweilefaktor 0.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    [quote]Original von teleton
    Pettersson-Sinfonien [...] (das bedeutet das man viel Zeit für das Hören und noch mehr Zeit, bis sich mal innerhalb der Werke ein Spaßfaktor ergibt, investieren muß).


    Also Pettersson und "Spaß-Faktor" ...
    Das passt jetzt nicht ideal zusammen.



    Hallo kurzstückmeister,


    ich möchte Deine Antwort aus dem "Lückenschließer-Thread" hier an der richtigen Stelle beantworten.
    Offenbar haben wir vom Begriff SPASS oder Spaß-Faktor unterschiedliche Auffassungen.
    Für mich bedeutet SPASS Lust und Freude an einer Sache zu haben. Der Spaß-Faktor ergibt sich aus dieser Freude an der Sache - und diese Freunde und den Spaß habe ich bei klassischer Musik grundsätzlich.
    :yes: Im Vorbeitrag hat das neue Mitglied Helge es so ausgedrückt, wie ich es auch sehe: Klassik = Spaßfaktor 100; Langeweilefaktor 0.


    Aber um nochmal auf Pettersson zu kommen.
    Dort sehe ich den Spaßfaktor etwas eingeschränkt, weil die nervenden Wartezeiten innerhalb der Hörsitzung seiner Sinfonien auf etwas Bedeutendes, Erhebendes wirklich manchmal sehr langwierig sind. Ich habe also bisher nicht so viel Lust und Freude an dieser Musik entwickeln können (aber ich werde es irgendwann, wenn es die GA gibt die Petterson-Sinfonien weiterhin verfolgen). Daher ist der Spaß-Faktor dort auch aus meiner heutigen Sicht noch sehr niedrig.
    :D Genauso geht es mir mit "Schleiereulenmusik" - jeder weiß was ich meine !
    Da geht der Spaß-Faktor gegen NULL und der Zahnschmerz-Faktor gegen 100.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • teleton


    Nein - leider nicht alle: Ich mit meinem Ausländerdeutsch habe keine Ahnung davon, was "Schleiereulenmusik" bedeutet...
    Zwar kann ich mir darunter (vgl. Zahnschmerzfaktor...) Einiges schon vorstellen.


    Überhaupt finde ich im Forum Vieles auch sprachlich sehr interessant. Da ist auch gleich dieses Wort "Spaß": Es hat, soweit ich es überhaupt beurteilen kann, eine Bedeutung, die man in einer anderen Sprache nur schwierig widergeben kann. Meine Kollegen sagen mir zum Abschied: Hab viel Spaß bei der Übersetzung - und ich weiß, dass es nun nicht Scherz oder Vergnügung bedeutet, sondern Freude an der Arbeit. Aber natürlich bedeutet das auch eine Art Vergnügung. Ist das nicht auch mit der Musik der Fall?


    :hello: KP

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