Hermann Abendroth

  • Der Dirigent Hermann Abendroth (1883-1956) wird im Forum zwar des öfteren genannt (meist als Wagner-Dirigent), dennoch ist er mir weitestgehend unbekannt.



    Dem Wikipedia-Artikel konnte ich entnehmen, daß er Gewandhauskapellmeister in Leipzig war seit 1934, ab 1937 auch Parteimitglied. Nach dem Krieg übernahm er dann die Leitung der Rundfunk-Sinfonieorchester in Leipzig und Berlin.


    Bislang kenne ich nur eine einzige Aufnahme, die 1943er "Meistersinger" aus Bayreuth, die er offenbar parallel mit Furtwängler dirigierte (auch diese liegen auf CD vor):



    Eine kurze Recherche ergab, daß mittlerweile aber doch auch einiges anderes auf CD greifbar ist.


    Welche Aufnahmen Abendroths würdet ihr empfehlen?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Schubert 8+9
    Schumann 4
    Brahms 1


    alles auf Berlin Classics, es gibt wohl auch alternative Aufnahmen auf historischen Labels wie Tahra oder so, aber die kenne ich nicht. Klangqualität ist akzeptabel.
    Es gibt auch noch etlichen Bruckner, mehr Brahms, Mozart, Haydn, Beethoven u.a.
    (Beethoven 9 besitze ich sogar, aber noch nicht recht gehört)
    Abendroth erinnert ein wenig an Furtwängler nur mit schnelleren Tempi ;)


    Die Einzel-CDs sind nun anscheinend leichter als Box erhältlich:



    Ob sich für Dich gleich die ganze Box lohnt, wage ich nicht zu beurteilen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • [timg]http://upload.wikimedia.org/wi…C_MiNr_0605.jpg;l;220;258[/timg]

    Hermann Abendroth (* 19. Januar 1883 in Frankfurt am Main; † 29. Mai 1956 in Jena) war ein deutscher Dirigent und Musikpädagoge. Er zählte zu den bedeutendsten Orchesterleitern des 20. Jahrhunderts.


    Er war ab 1905 Musikdirektor in Lübeck und ab 1911 in Essen sowie von 1915 bis 1934 Chefdirigent des Gürzenich-Orchesters und Direktor des Kölner Konservatoriums. Seine Ernennung zum Generalmusikdirektor erfolgte 1918. Als Nachfolger von Bruno Walter dirigierte er bis Kriegsende das renommierte Gewandhausorchester zu Leipzig.


    Er übernahm 1945 die Staatskapelle Weimar und leitete gleichzeitig bis zu seinem Tod die Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig und Berlin.

    Abendroth hat sich insbesondere als Interpret von Werken Beethovens, Brahms’, Bruckners und Mozarts verdient gemacht. Aufgrund der geringen Anzahl an Schallplattenaufnahmen geriet er jedoch beim breiten Publikum schnell in Vergessenheit. Heute ist sein 130. Geburtstag.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Wie im Falle seines Leipziger Amtsvorgängers Bruno Walter sind Abenroths Vorkriegs- (oder Kriegs-) aufnahmen häufig interessanter oder schlüssiger als die Postbellum-Einspielungen. Verwiesen sei auf Brahms 2. Sinfonie mit dem Rundfunkorchester Breslau. Auch die genannten "Meistersinger" erscheinen nicht nur hinsichtlich der Sängerbesetzung gelungener als Furtwänglers
    Parallelaufführungen.

  • Hermann Abendroth habe ich durch die Lebenserinnerungen Günter Wands kennengelernt. Er war Vorgänger von Günter Wand als Gürzenich-Kapellmeister in Köln und hat von 1915 bis 1934 zwanzig Jahre lang das Musikleben in Köln geprägt. Da ich keine CD mit seinem Gürzeneich-Orchester gefunden habe, habe ich di o. a. Doppel-CD gepostet, auf der er entweder das 3. KK Beethovens mit Swjatoslaw Richter dirigiert hat oder die Choralfantasie , ebenfalls mit Richter:


    Heute ist die 132. Wiederkehr seines Geburtstages.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Heute möchte ich an Hermann Abendroths Todestag erinnern und habe dazu diese Aufnahme ausgesucht:



    Heute ist Hermann Abendroths 59. Todestag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Eine Neue Box ist von ihm erschienen , mit Werken von Bruckner, Brahms und Beethoven

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Hermann Abendroth war ein Dirigent, der eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdiente. In den frühen Jahren der DDR war er ja durchaus so etwas wie ein Aushängeschild des neuen Staates (was ihm üble Polemik in der BRD einbrachte). Da er 1956 starb, gibt es m. W. keine Stereo-Aufnahme von ihm (ich würde mich gerne täuschen).


    Legendär sind Die Meistersinger von Nürnberg von den Bayreuther "Kriegsfestspielen" 1943:



    Abendroth dirigierte 1943/44 in Bayreuth abwechselnd mit Furtwängler. Es wurden in den beiden letzten Festspieljahren während des "Dritten Reiches" nur mehr Die Meistersinger gespielt. An der Stelle nochmal der Hinweis, dass die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft 1944 eine Vorstellung unter Furtwängler komplett in Stereo (!) einspielte, das ambitionierteste Projekt der RRG überhaupt, die zwischen 1942 und 1945 etwa 250 Stereo-Aufnahmen produzierte, von denen leider nur eine Handvoll die Wirren überlebt hat. Diese vermutlich erste komplette Stereo-Aufnahme einer Oper ist leider Gottes nicht darunter, die Bänder sind seit Kriegsende verschollen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hermann Abendroth war ein Dirigent, der eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdiente. In den frühen Jahren der DDR war er ja durchaus so etwas wie ein Aushängeschild des neuen Staates (was ihm üble Polemik in der BRD einbrachte).

    Angeblich hat (ich bin mal vorsichtig, weil ich es mal von einem Kölner Zeitzeugen hörte, aber nicht dabei war) Günter Wand die Bestrebungen Abendroths, an seine Kökner Jahre durch ein neues Engagement anzuschließen, hintertrieben...

    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Das ist ja interessant. Erinnert an den wohl auch etwas fragwürdigen Wechsel von Dimitri Mitropoulos zu Leonard Bernstein beim New York Philharmonic Ende der 50er Jahre. 1956 erschien ein desaströser Artikel des Musikkritikers der New York Times, Howard Taubman, der Mitropoulos' künstlerisches Renommee in Frage stellte. Im Jahre darauf wurde Bernstein zum Co-Dirigenten berufen; die Spielzeit 1957/58 teilten sie sich. 1958 trat Mitropoulos endgültig zurück. Unterschwellige Homophobie spielte dabei offenbar eine Rolle. Ironie des Schicksals, dass mit Bernstein aber ein ähnlich veranlagter Chefdirigent berufen wurde. Bernstein hatte allerdings laut Thomas Voigt einiges auf seiner Seite: er war jünger und populärer, er war Amerikaner, er war jüdisch (inklusive der damit verbundenen Connections) und er hatte sich nach außen hin eine idealtypische Fassade mit Frau und Kindern aufgebaut. Der einstige Protegé von Mitropoulos hatte seinen Gönner bald überflügelt und verdrängt.

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    – Luís de Camões

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  • Angeblich hat (ich bin mal vorsichtig, weil ich es mal von einem Kölner Zeitzeugen hörte, aber nicht dabei war) Günter Wand die Bestrebungen Abendroths, an seine Kökner Jahre durch ein neues Engagement anzuschließen, hintertrieben...

    Nun hätte Abendroth der Vater von Wand sein können. Da ist es auch verständlich, wenn der Junge, den Alten nicht vor der Nase haben wollt. Abendroth galt ja auch durch sein Engagement während der Nazizeit als belastet. Sollte das nicht auch eine Rolle gespielt haben?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • In den frühen Jahren der DDR war er ja durchaus so etwas wie ein Aushängeschild des neuen Staates (was ihm üble Polemik in der BRD einbrachte).

    Das führte dazu, daß man Hermann Abendroth, der von 1915 bis 1934 dem Chor und Orchester des Kölner Gürzenich als GMD vorstand, ursprünglich zwar zur Einweihung des wiedererrichteten Gürzenich am 2. Oktober 1955 eingeladen hatte, diese Einladung aber auf persönliche Intervention des damaligen Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer widerrufen werden mußte. Abendroth wirkte seit 1945 an führender Stelle, erst im Weimar, später am Gewandhausorchester Leipzig, in der DDR. 1955 befand sich der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt, und Adenauer befürchtete, daß man Abendroth möglicherweise als Agenten der östlichen Staatssicherheit benutzen würde. Eine absurde Vorstellung, aber in dieser manchmal bis zur Hysterie aufgeladenen Zeit nichts sonderlich Bemerkenswertes. Es mag auch sein, daß es zwischen Adenauer, der von 1917 bis 1933 Oberbürgermeister von Köln war, und Abendroth Differenzen gegeben hat, die Adenauer ihm nicht vergessen und nun, spät aber nicht zu spät, heimzahlen wollte. Es gibt dafür zwar keinerlei Beweise, doch war der Kölner OB sowohl Hausherr im Kölner Opernhaus wie auch im Gürzenich, der als städtische Konzerthalle diente. Mit Otto Klemperer, der ab 1917 bis 1924 ebenfalls in Köln stationiert war, hatte Adenauer kein herzliches, aber ein gutes Verhältnis, wie schriftliche Dokumente aus dieser Zeit bezeugen.

    Angeblich hat (ich bin mal vorsichtig, weil ich es mal von einem Kölner Zeitzeugen hörte, aber nicht dabei war) Günter Wand die Bestrebungen Abendroths, an seine Kökner Jahre durch ein neues Engagement anzuschließen, hintertrieben.

    Daß Günter Wand, der bereits 1945 zum GMD der Kölner Oper ernannt wurde und ab 1946 auch die Gürzenich-Konzerte leitete, eine Intrige gegen Abendroth wegen dessen eventueller Neuberufung nach Köln angezettelt haben sollte, halte ich persönlich für ein Gerücht. Gibt es dafür irgendwelche Belege? Mir ist nichts darüber bekannt, daß Abendroth in den Wirren der ersten Nachkriegsjahre überhaupt an einen Wechsel an seine alte Wirkungsstätte geplant haben sollte, zumal er in der Sowjetzone bzw. der späteren DDR nach kurzer Pause wieder an leitender Stelle tätig sein konnte. Seine Verwicklung in die Nazizeit hätte ihm im Westen in diesen Jahren wahrscheinlich nicht geschadet, jedenfalls ungleich weniger als sein Verbleiben im russisch besetzten Teil Deutschlands. Das war der eigentliche Grund, weshalb Abendroth im Westen nicht willkommen war. Künstler, die mit dem Nazi-Regime kooperiert hatten, gab es in Westdeutschland zur Genüge, und kein Mensch hat damals daran Anstoß genommen. Das wurde erst sehr viel später zum Thema.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Künstler, die mit dem Nazi-Regime kooperiert hatten, gab es in Westdeutschland zur Genüge, und kein Mensch hat damals daran Anstoß genommen. Das wurde erst sehr viel später zum Thema.

    Das gab es aber doch auch andere Beispiele, lieber nemorino, die zunächstz Auftrittsverbot hatten.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Das gab es aber doch auch andere Beispiele, lieber nemorino, die zunächstz Auftrittsverbot hatten.

    Richtig, lieber Rüdiger,


    aber das betraf nur die erste Nachkriegszeit, als die Alliierten mit viel Elan ihre "Entnazifizierung" durchführten. Von den Dirigenten betroffen waren u.a. Furtwängler, Karajan, Böhm, Clemens Krauss u.v.m. Auch Abendroth hatte in der Ostzone seine Schwierigkeiten.

    Das änderte sich aber zusehends, nachdem die westlichen Besatzungsmächte ihre Befugnisse mehr und mehr an deutsche Behörden übertrugen. Ich empfehle Dir dazu die Lektüre des Buches von Prof. Norbert Frei "Vergangenheitspolitik - Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit" (dtv, 1999), in der die Verharmlosung und Rehabilitierung der Nazi-Verbrechen seit Gründung der Bundesrepublik anhand zahlreiche Belege dediziert dargelegt wird. Bereits im Januar 1950 hielt der neue Bundesjustizminister Dr. Thomas Dehler (FDP) im Bundestag eine derart scharfe Rede mit weitreichenden Forderungen an die Siegermächte, selbst überführte Nazi-Verbrecher zu amnestieren, daß der französische Hochkommissar André Francois-Poncet tags darauf den Bundeskanzler auf den Petersberg einbestellte und Dehlers Ausführungen als Brunnenvergiftung brandmarkte. Adenauer mußte sich für seinen Innenminister rechtfertigen und entschuldigen.

    Dehlers Forderungen stießen damals in weiten Kreisen der Bevölkerung auf lebhafte Zustimmung. Mitläufer, wozu ja die Künstler fast alle zählten, waren ab spätestens 1950 alle wieder in Amt und Würden. Man wollte ganz allgemein mit der Vergangenheit abschließen und den Mantel des Vergessens darüber breiten.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Danke, lieber nemorino, für die Buchempfehlung. Die greife ich gern auf, zumal das Thema aktueller denn je ist. Denn was heute geschieht, das hat eine bittere Vorgeschichte.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent