Celibidache versus CELI

  • Kenner werden es gewiss gleich erkannt haben, daß es sich bei CELI und Celibidache um ein und denselben Dirigenten handelt.
    Jenen nämlich der zu Lebzeiten jegliche Aufnahmen seiner Konzerte verhinderte - und von dem desungeachtet plöötlich viele Aufnahmen am Markt sind.


    Die heutige Frage könnte auch heissen EMI versus Deutsche Grammophon, denn es solll darüber diskutiert werden, welcher Serie der Vorzug zu geben ist, den Aufnahmen mit den Münchnern oder jenen die CELI mit dem RSO Stuttgart gemacht hat....


    Bahn frei !!


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Also ich kenne von Celibidache nur Aufnahmen mit den Münchner Philharmonikern, von daher kann ich zum RSO Stuttgart nichts sagen.


    Die Celibidache-Aufnahme, die mir bisher am meisten zusagte, ist der Bolero von Ravel:



    Niemand dirigiert ihn wohl langsamer, und dennoch: keine Langeweile, im Gegenteil! Die ultimative Interpretation für mich.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II. ,



    eine der interessanteste Interpretationen durch Celibidache !


    Hinweisen m u s s man aud f Celi's Aufnahmen in Italien ( etwa Brahms oder Schumann ) , die ich nicht missen möchte !


    Ravel selbst hat vielleicht die authentischste alle Interpreationen selbst dirigiert .


    ( Es gibt allerdings Stimmen , dass Ravel diese erhältliche Aufnahme gar nicht selbst dirigiert hat ! Eine Begründung dazu kenne ich leider nicht . ).


    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Heute vor 15 Jahren, am 14. August 1996, starb Sergiu Celibidache in seiner alten Mühle in der Gemeinde La Neuville-sur-Essonne in der Nähe von Paris, wo er mit seiner Frau Iona, einer rumänischen Malerin, lebte. Er ist auf dem kleinen Friedhof des Dorfes begraben.



    Sergiu Celibidache (* 28. Juni 1912 in Roman, Region Moldau, Rumänien;
    † 14. August 1996 in La Neuville-sur-Essonne bei Paris), rumänischer Dirigent und Musiklehrer


    LG


    :hello:


    PS: Mein Lieblingssender WDR3 bringt gerade in seinem "Sonntagskonzert" ein Portrait des Dirigenten, u.a. mit seltenen Aufnahmen aus dem Archiv des WDR-Sinfonieorchesters (Brahms op.68 ).

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Eigenartigerweise dürfte es kaum jemand geben, der die Aufnahmen die in Münschen entstanden sind mit jenen, die früher entstanden sind verglichen hat. Eigentlich nicht verwunderlich, denn lange Zeit hat sich ja niemand für Celi interessiert, die alten Aufnahmen ruhten in den Archiven und kein Hahn krähte danach. Das alles hat sich grundlegend geändert, als nach Celicidaches Ableben die Erben die Konzertmitschnitte aus München freigaben und der EMI den Zuschlag erteilten. Da wurden dann von anderen Firmaen relativ rasch die Archive nach Celi-Dirigaten durchforstet - und man wurde fündig.
    Und eigentlich DOCH verwunderlich, denn spätestens nach Veröffentlichung der Münchner Konzertmitschnitte stieg das Interesse an Celi ins schier unermessliche, er ward zum Guru hochstilisiert - allerdings nur für kurze Zeit. Vieles ist bereits wieder gestrichen, das Interesse scheint abgeflaut (?) Dennoch wird es vermutlich irgendwo in den Weiten des Internets Leute geben die ihn für einen der interessantesten und umstrittendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts halten. - und das IMO zu recht....





    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das "Problem" der früheren Celibidache-Aufnahmen (sagen wir mal vor ca. 1980) ist vielleicht, dass das "Typische", was Celi auszeichnete, noch nicht so dermaßen ausgeprägt vorhanden ist. Wir hatten die Thematik erst kürzlich in einem anderen Thread. Seine Aufnahmen von Bruckner etwa sind bis Anfang der 1980er keineswegs so langsam, wie man es gewohnt ist. Diejenigen, die Celibidache gerade wegen seiner extremen Tempi lieben, werden da evtl. sogar enttäuscht sein. Das Phänomen Celibidache ist m. E. gerade auch ein Altersphänomen. Wir sprechen beinahe ausschließlich über Aufnahmen, die in den letzten zehn, fünfzehn Jahren seines Lebens entstanden sind: eben jene, die EMI aufgelegt hat.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Ich möchte mal eine Lanze für den frühen Celibidache brechen. Das Label audite hat sich des Andenkens von Celibidache nun bereits mit einer zweiten Edition angenommen: The Berliner Recordings 1945-1957 auf vierzehn CDs. Zusammengenommen mit der vor vier Jahren erfolgten Veröffentlichung aller RIAS-Einspielungen aus dem gleichen Zeitraum ist das ein gewaltiger Brocken. Allein deshalb ein Brocken, weil Celibidache nicht nur Brahms, Haydn und Mozart dirigiert sondern Komponisten auf seine Programme setzt, die während des Nationalsozialismus verpönt oder gleich verboten waren. Einer von ihnen ist Günter Raphael, der einst die Nachfolger des Thomaskantors Karl Straube antreten sollte, als Halbjude jedoch mit totalem Berufsverbot belegt wurde. Nach Kriegsende konnte er dieses Amt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten. Er starb 1960 in Köln, ist aber in Meinigen begraben, wo seiner gedacht wird. Raphaels expressive 4. Sinfonie ist erst 1947 entstanden. Darin überwindet er seinen an Brahms orientierten spätromantischen Stil. Der langsame Satz erinnert stark an den Beginn von Bartoks Blaubart, im Finale gibt es gar folkloristische Anklänge. Seinen Lehrer Heinz Thiessen, der mit den Nationalsozialisten auf Kriegsfuß stand und ebenfalls nicht aufgeführt wurde, ehrt Celibidache mit der Einspielung dessen bedrückend-wuchtigem Vorspiel zu einem Revolutionsdrama, in dem die Tell-Ouvertüre von Rossini wie eine Kampfansage zitiert wird. Schließlich galt es in den Trümmern des zerstörten Berlin auch Felix Mendelssohn Bartholdy neu zu entdecken. Seine 4. Sinfonie, die „Italienische“ eröffnet gefolgt von der Melusinen-Ouvertüre zu Recht die gesamte Edition.


    Beim Studium der Titelliste fällt eine Art Vier-Mächte-Status auf. Es scheint, als hätten die Sieger über Hitlerdeutschland, nämlich Sowjetunion, USA, England und Frankreich im Hintergrund an der Programmgestaltung mitgewirkt. Nahe liegt es. Schließlich hatten sie bei der Wiederbelebung des kulturellen Lebens die Fäden in der Hand und das letzte Wort. Celibidache dürfte damit kein Problem gehabt haben. Er war unbelastet und wurde nicht von ungefähr gleich 1945 Nachfolger des in den Nationalsozialismus verstrickten Wilhelm Furtwängler am Pult der Berliner Philharmoniker. Dmitri Shostakovich ist mit seiner 9. Sinfonie vertreten, Sergei Prokofiev mit der Ersten und der Orchestersuite Nummer 2 aus dem Ballett Romeo und Julia. Unbekannte für das Berliner Publikum waren César Gui, der gebürtige Franzose, den es nach Russland verschlagen hatte, mit seiner 3. Suite „In mondo populari“, und der Russe Rheinhold Glière mit seinem Konzert für Koloratursopran, in dem sich die tüchtige Erna Berger der halsbrecherischen Vokalisen annahm. Die USA repräsentieren Aaron Copland mit der Konzertversion seines „Ballet for Martha Graham“, Edward MacDowell mit der Romanze für Violincello und Orchester, Walter Piston mit seiner 2. Sinfonie sowie Samuel Barber „Capricorn Concerto for flute, oboe, trumpet and string orchestra“. Aus England stammen die „Sinfonia da Requiem“ von Benjamin Britten nebst einer Suite aus Henry Purcells Oper King Arthur, die für unsere heutigen barockmusikerprobten Ohren viel zu dick aufgetragen wirkt.


    Frankreich, der einstige Erzfeind ist auffallend oft vertreten, als sei für Celibidache die Aussöhnung mit diesem Land eine Voraussetzung für das Fortbestehen Deutschlands nach dem verlorenen Krieg gewesen. Das war weitsichtig und weise. Es ist auch kein Zufall, dass er, der umtriebige Weltbürger, in Frankreich schließlich seine letzte Heimat und Ruhe fand. Zu hören ist Berlioz mit der Fantasy-Ouvertüre „Romeo et Juliette“ und dem „Römischen Carneval“, Bizet mit seiner 1. Sinfonie, Debussy mit „La mer“ und Milhaud mit seiner „Suite francaise“. Sogar die Arie „Sieh, mein Herz erschließet sich“ aus Saint-Saenses "Samson und Dalilah" mit Margarete Klose wurde eingespielt – sehr pastos, wie von dieser Altistin gewöhnt und in deutscher Sprache. Das ist nicht der einzige Auftritt der Klose. Sie ist auch in der „deutschen Abteilung“ mit Liedern von Hugo Wolf unterwegs, die der Komponist selbst orchestriert hatte. Wolf konterkariert sich damit selbst. Seine in der Anlage feinziselierten Lieder drohen mitunter in der Fülle des Orchesters unterzugehen. Die Klose ist zu üppig für Wolf, weiß den Liedern – darunter Anakreons Grab, Über Nacht, Denk‘ es, o Seele und Gesang Weylas – aber sehr viel Ausdruck abzugewinnen. Sie weiß auf ihre Art zu fesseln. Ich habe ihr gern und mit großer Anteilnahme zugehört und halte diese Lieder für den spektakulärsten Fund dieser Ausgrabungen. Es fehlen auch guten alten Bekannten nicht in dieser Edition, in diesem Falle Brahms (4. Sinfonie), Strauss (Till Eulenspiegel), Beethoven (7. Sinfonie und Leonoren-Ouvertüre 3) Haydn (94. und 104. Sinfonie) und Mozart (5. Violinkonzert).


    Celibidache blieb in Berlin nicht viel Zeit. Die Philharmoniker entschieden sich 1952 für Herbert von Karajan und damit gegen Celibidache. Bezeichnenderweise ist das letzte Berliner Konzert der Edition ein Fragment. Vom Konzert mit dem Deutschen Sinfonie-Orchester 1957 im Titania-Palast haben sich nur Teile der 7. Sinfonie von Beethoven erhalten. Erst 1992 kehrte er für ein Benefizkonzert zurück. Da war Karajan längst gestorben. Was, wenn er damals doch hätte bleiben können? Die Geschichte des berühmten Orchesters wäre fortan gewiss anders verlaufen. Die ersten Jahre nach der Stunde Null in Deutschland waren kulturell wirklich ein Neuanfang. So radikal wie furios. Davon kommt einem vieles aus der Edition entgegen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent