Große Pianisten im Dienste Beethovens

  • Wie immer zuerst der Versuch, zu definieren, worum es hier eigentlich geht:
    Gesucht werden Pianisten, die ihr unwillkürlich mit dem Begriff "Beethoven-Klaviersonaten" in Verbindung bringt, nicht etwa ein Pianist, der einmal eine glänzende Beethoven-Sonate eingespielt hat.
    Beethoven und die gesuchten Pianisten sollen also als Einheit gesehen werden, Beethoven Spezialisten gewissermaßen.
    Schlön wäre gegbenenfalls, eine Stellungnahmen wie ihr zu dem von Euch nominierten Pianisten persönlich steht, bzw eine oder mehrere Aufnahmen (max drei) welche für diesen Künstler typisch sind....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ganz und gar nicht unwillkürlich. Diese Aufnahme ist mein Beethoven-Zentrum. Innerhalb eines Monats eingespielt (1967) ist es wohl die einheitlichste Darstellung des Beethoven-Kosmos.


    Dann kommt eine Zeit lang nichts, und dann kommen Arthur Schnabel, Wilhelm Backhaus, Solomon und Paul Badura-Skoda. Dann kommt lange nichts, und dann Größen wie Emil Gilels, Claudio Arrau, Alfred Brendel, Swjatoslaw Richter, Maurizio Pollini, Wilhelm Kempff, ...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die Frage wird generationsabhängig unterschiedlich beantwortet werden. Gulda z.B. war in meiner Wahrnehmung immer eher der Außenseiter, nicht Mainstream oder, sagen wir, Lehrmeinung.


    Ad hoc habe ich zwei Pianisten zu benennen, die in meiner Wahrnehmung, seit ich Musik höre, unvermeidlich von mir als Beethoven-Pianisten angesehen wurden: Wilhelm Kempff und Wilhelm Backhaus. Kempff war wohl der präsentere der beiden (er war ja auch jüngere). Kempff werde ich ewiglich mit dem Es-dur Konzert in Verbindung bringen, in der Aufnahme mit Paul van Kempen. Eine GA der Klaviersonaten mit Kempff besitze ich (noch) nicht (wäre wohl an der ersten aus den 1950ern interessiert), konnte jedoch einige Einzeleinspielungen mit denen von Backhaus vergleichen. Und da überzeugte der Meister aus Leipzig in meinen Ohren stets mehr als Kempff.


    Bei den unwillkürlich eingeforderten Unumstößlichen landet bei mir auf Platz 1 also



    (Das wird allzeit Referenz sein!!!)


    und auf Platz 2



    Und da ich sehe, daß es hier nicht nur um die Klaviersonaten geht, lege ich noch diese Kempff-Box nach:



    Gefällt mir deutlich besser als die spätere stereo-Aufnahme mit Ferdinand Leitner.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Gulda viermal – Backhaus ewig



    Da ich aus einer ganz anderen Welt komme, wo Schallplatten von ganz anderen Firmen und Interpreten erschwinglich waren (und sind…) und wo man sich vor allem auf das (sonst sehr niveauvolle) Radiosendungen und auf die wenigen feinen Musikbiblitotheken verlassen konnte (und kann…), sind meine diesbezüglichen Kenntnisse auch wesentlich schmäler als Eure. Deshalb freue ich mich, dass „mein” Beethoven genau mit denen übereinstimmt, die in diesem Konversationsfaden Gulda und Backhaus genannt haben.


    Backhaus kenne ich seit vielen Jahren, für mich ist er der Beethoven-Interpret par excellence.


    In Bezug auf Gulda habe ich eine Frage an Euch – vielleicht kann mich jemand aufhellen. In den siebziger Jahren hat die tschechoslowakische Schalplattenfirma OPUS die Lizenz von AMADEO gekauft und eine Serie der Sonaten, gespielt von Gulda, herausgebracht, die konnte ich mir damals ergattern. Diese Serie ist die vierte an der Reihe (1967), sie soll einen ganz anderen Beethoven und einen ganz anderen Gulda zeigen als die zweite komplette Aufführung für DECCA (etwa zehn oder noch mehr Jahre früher). Die DECCA-Aufnahme konnte ich noch nie hören. Es wäre so schön zu wissen, wie man den Unterschied – wenn überhaupt – formulieren könnte!! Vielleicht kann das jemand von Euch tun.


    In den vergangenen Jahren habe ich als Geschenk noch eine Aufnahme bekommen, aus den USA, die Aufnahme stammt von der Firma GM Recordings, Russell Sherman heißt der Pianist. „Seine” Beethoven-Sonaten sind für mich fast ganz ungenießbar, irgendwie hart und spröde, manchmal auch rhythmisch ganz überraschend anders. Vielleicht bin ich allzu verwöhnt? Oder wird man, wenn man immer die gleichen Aufnahmen hört, so sehr davon beeinflusst?


    Grüße aus Ungarn. P.

  • Lieber Thomas ,



    spontan hätte ich auch sofort Wilhelm Backhaus ( der übrigens in Köln - Melaten beerdigt ist ) , Wilhelm Kempff genannt . Jedenfalls soweit es die Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven betrifft .


    Claudi Arrau konnte ich noch zweimal mit einem reinen Beethoven-Abend erleben . Seine Edition der Sonaten bei Peters bleibt ein leilensteion der Beethovenexegese . Ginge es hier um ei e Rangfolge , so würde ich Arrau sicherlich vor Kempff setzen .


    Dann Solomon ( Cutler ) . Seine Interpretationen ab Opus 90 sind für mich ein Meilenstein in der Beethoven-Interpretation. Seine "Hammerklaviersonate" gehört wohl unbestritten zu den bedeutesten Interpretationen einer Klaviersonate Beethovens überhaupt . Seine Deutung der Lebewohl-Sonate , Opus 81 a , ist auch im direkten Vergleich kaum erreicht .


    Mit diesr "Les-Adiuex-Sonate" habe ich Emil Gilels im Konzert gehört ( reines Beethoven-Programm ) . Es gibt auch einen Mitschnitt bei "Revelation" und eine Studioaufnahme bei der DGG/Universal . Gilels' Opp. 90 bis 110 - Interpretationen gehören zu den besten Aufnahmen , die ich überhaupt kenne . Gilels' Konzertmitschnitte , soweit noch verfügbar , sind ungleich spannender als die Studioaufnahmen . Dies gilt insbesondere für seine "Appassionata" aus Florenz ; eine der packensten Interpretationen , die ich überhaupt kenne .


    Natürlich Sviatoslav Richters lebenslanges Ringen um "seinen" Beethoven . es ist müssig in diesem Forum Einzelheiten darzutsellen . Ich darf auf den Thread Beethoven : Klaviersonaten Opp. 109 , 110 , 111 verweisen , in dem eine Reihe vorzüglicher Interpreten vorgestellt worden sind etwa auch die so kontrovers diskutierte Maria Yudina ; G. Ginzburg dagegen fehlt leider noch ) .


    Dann der grosse französische Beethoven - Interpret Yves Nat ! Seine GA wie mehrere seiner Einzelwiedergaben gehören zu den kostbaren Tondokumenten .


    Alfrd Cortot , leider fast nur als Schumann - und Chopin - "Speziaklist" bekannt - hatte in seinen Meisterkursen in Paris immer eine sehr lyrische , in sich gekehrte Beethovendeutung dargestellt . Leider geben die Urheberrechtebesitzer offensichtlich nur wenig Material von Cortots Beethoven frei .


    Auf zwei Namen möchte , muss ich hinweisen :


    Vladmir HOROWITZ .


    Der grosse Horowitz hat immer gesagt , dass er "natürlich" alle 32 Klvaiersonaten von Beethoven spiele . Bekannt sind drei der "Namenssonaten" ( CBS / Sony ) . Horowitz hat die anderen Klaviersonaten wohl nie aufgenommen oder vor einem öffentlichen Zuhörerkreis gespielt .
    Seine "herrische" ( M. Kornemann , pers. Mitt. , 1998 ) Interpretation des Es-Dur -Klavierkonzertes ( mit Fritz Reiner als Dirigent ) bleibt Massstäbe setzend !


    Es bleibt spekulativ , natürlich , aber es wäre angesichts des Experimentierens von Horowitz mit Schuberts B - Dur - Klaviersonate D 960 ( das in Kalifornien begonnene "Hinweinhören" in die Reaktion des Publikums darf als kläglich gescheitert bezeichnet werden ) sicherlich sehr aufschlussreich zu hören , wie der "Tastengigant" Horowitz den etwa die Klaviersonaten Opus 31 oder die späten Kompositionen ab Opus 101 gespielt hat / hätte .



    Sicheres weiss der Kenner über Arturo Benedetti MICHELANGELI .


    Von ABM wissen wir , dass er alle 32 Klaviersonaten tatsächlich stets auswendig konnte ! ( meine Dank gilt hier Dr. Holger Kaletha , Bielefeld , unserem TF-Mitglied , für seine höchst instruktiven Hinweise ! ) . Michelangelis Deutung von Opus 111 halte ich für einen der Höhepunkte der Deutungen dieser letzten Klaviersonate Beethovens .



    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Interessanterweise wurde bisher Alfred Brendel noch nicht genannt, abwohl er gerade in denletzten Jahren als DER Beethoven Interpret gehandelt wurde. Vielleicht ist er einige aber auch "zu schlank", zu "intellektuell", zu "spitzfindig", zu "detailverliebt ?


    .


    .


    Brendel hat ja nicht nur die Klaviersonaten eingespielt, sondern auch die Klavierkonzerte. Das erste mal mit Haitink, dann mit Levine und last but not least die feurigste Aufnahme mit Rattle und den Wiener Philharmonikern.


    Ich finde jedenfalls, er sollte in keiner Beethoven- Tonträgersammlung fehlen.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Thomas :



    einen aus meiner Sicht bedeutenden Interprten der Klaviersonate Beethovens hatte ich bei Dir eigentlich erwartet :



    ALDO CICCOLINI .


    .


    Dessen Einspielung ist meiners Wissens mit grosser Begeisterung nach der Wiederveröffentlichung begrüsst worde n.


    Ich kann dem nur zustimmen .


    Manchen mag Ciccolinis Spiel als "nicht heroisierend" , "wenig titanisch"
    vorkommen .


    Kultiviertes , grosses Klavierspiel ist es allemal .


    Meine weitere persönliche Ergänzung ist aus der gemeinsamen Diskussionszeit mit "ZELENKA" ( siehe hier im Tamino-Klassikforum.at ) über Franz Schuberts Klaviersonate B - Dur D 960 der auch als künstlerischer Co - Direktor ( mit M. Uchida ) des Marlboro - Festivals
    renommierte



    RICHARD GOODE .



    Seine 32 Klaviersonaten Beethovens wie die 5 Klavierkonzerte Beethovens gehören zu den hochinteressanten Deutungen der Klavierwerke Beethovens .


    S e h r empfehlenswert !


    Beste Grüsse ,




    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Lieber Frank,


    bei Alfreds Fragestellung war ich davon ausgegangen, daß ad hoc Pianisten genannt werden sollten, die man automatisch mit Ludwig van Beethoven in Verbindung bringt. Das ist bei Aldo Ciccolini nicht der Fall. Was indes nichts an der Tatsache ändert, daß dessen Beethoven-Einspielungen diejenigen sind, zu denen ich am häufigsten greife.


    Daß Ciccolini durch Dich nun hier in diesen Thread gelangt freut mich sehr.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Lieber Thomas :



    nun hast Du mich doch etwas ( mindestens ) verwirrt !


    In meinen intensiven Diskusssionen mit "Zelenka" auch gerade über Beethoven - Interpretationen ( März 2006 bis Juli 2008 ) fiel uns mit anderem persönlichen Werkzugang bei einigen Sonaten wie auch von sonstigen vorleigenden Aufnahmen schon in der ersten (!) Besprechungssrunde der Name von ALDO CICCOLINI ein .


    Dies ist für mich deswegen interessant gewesen , weil "Zelenka" primär einen Zugang zu vielen Beethovensonaten durch die Interpretationen von Wilhelm Kempff ( Aufnahmen bei der DGG ) hatte .


    Meine Sicht auf Beethoven war eher aus einer Zusammenstellung von verschiedenen Deutungen einzelner Sonaten geprägt gewesen . Diese Sicht halte ich für mich nach wie vor für zumindest subjektiv richtiger . "Zelenkas" Sicht dürfte didaktisch wohl besser gewesen sein .


    Die Fragen der Aufnahme - Technimk hatten wir beide hier im Forum ja sschon an anderer Stelle ausführlicher besprochen .


    Um auf einen Grundgedanken von Dir zu kommen :


    Welche(n) Pianisten bringt man sofort und fast zwangsläufig mit einem Komponisten in Verbindung ?


    Schnabel sofort nicht nur mit Beethoven , sondern auch mit Franz Schubert , obwohl er nur wenige der Schubert - Klaviersonaten aufgenommen hat .


    Bei Franz Schubert gilt dasselbe für Eduard Erdmann und Alfred Brendel im übrigen .


    Bei Alfred BRENDEL stellt sich unverändert für mich dioe Frage , welche der mehreren Aufnahmen wir heranziehen sollten .



    Dann CICCOLINI und W A MOZART .
    Ich gehe davon aus , das Du Ciccolinis Mozart - Aufnahmen hast ( sind nur teilweise und für enorme Euro - Beträge zu bekommen ) .


    Würde "man" Ciccolini "sofort" mit Mozarts Klaviersonaten in Verbindung bringen ? Kaum ; ausser man kennt diese Aufnahmen . Dann allerdings dürfte "man" sicherlich sofort bei Vergleichen zu der Mozartdeutung durch Ciccolini greifen ( müssen ) .



    Ciccolinis SCHUMANN wie BRAHMS ( beiden bei EMI 9 ist vorzüglich ; sein Liszt erhielt in "Gramophone" höchstes Lob ( immerhin auch in einem direkten Vergleich der "Années...." mit der einspielung durch Lazar Berman ) .




    Mit besten Grüssen ( auch für das Reinstellen der Cover in meinen Text ! ) .



    Frank


    PS.: Völlig unsinnig ist für mich , gerade Ciccolini auf seine Satie - Einspielungen reduzieren zu wollen .

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    ich hatte bereits oben geschrieben, daß diese Frage wohl generationsabhängig unterschiedlich beantwortet werden würde. In meiner Kindheit und Jugend war für mich auf dem Plattenmarkt in Dortmund nichts anderes zu bekommen als Backhaus und Kempff.


    Ciccolini habe ich mit Anfang 20 kennengelernt (auch schon wieder ein Vierteljahrhundert her), als Liszt- und später als Satie-Interpreten.


    Vielleicht auch ein chronologischer Hinweis: Ciccolini hat einige wenige Mozart-Sonaten in den frühen 1960er Jahren eingespielt (nicht für EMI), für EMI um 1970 ein paar kleine Stücke von Mozart. Von Beethoven zunächst....nichts. Die Beethoven-Aufnahmen entstanden ab 1995, die GA der Mozart-Sonaten (ich haben sie leider NICHT vollständig ;( ;( ;( ) ebenfalls.


    Dank der kleinen Label sind diese Aufnahmen des hier in Deutschland ohnehin kaum bekannten Pianisten nicht sonderlich promotet worden. Somit bleiben sie, was sie sind: exzellente Aufnahmen, die ganz, ganz oben mitspielen.


    Da aber auch in diesem Business tatsächliche Qualität und öffentliche Wirkung nicht voneinander zu trennen sind, bleibt der von mir sehr verehrte Ciccolini ein Geheimtipp.


    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna


    sein Liszt erhielt in "Gramophone" höchstes Lob ( immerhin auch in einem direkten Vergleich der "Années...." mit der einspielung durch Lazar Berman ) .


    Frank


    Jaja, das war mein Erweckungserlebnis: ich wollte seinerzeit die "Années" mit Bermann kaufen und eine Verkäuferin gab mir den Tipp, mich doch versuchsweise mit dem Ciccolini-Pendant in die Hörkabine zu setzen.....



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Mich würde mal interessieren, was ihr an Backhaus und Kempff so attraktiv findet. Ich habe jeweils ein halbes dutzend Sonaten oder so gehört und kann wenig bis nichts dran finden. :rolleyes:


    Kempff ist noch ganz gut bei den eher lyrischen Werken, aber überhaupt nicht konkurrenzfähig bei den technisch anspruchsvollen und überdies im Ausdruck sehr eingeschränkt, nicht sehr titanisch. Backhaus gefällt mir geringfügig besser, etwas kraftvoller, aber von der Tendenz allzu nüchtern, um nicht zu sagen: knochentrocken. (Gulda, dem man ähnliches vorwerfen könnte, macht das durch Rasanz mehr als wett.) Finde das insofern interessant, da diese beiden als "Klassiker" der Beethoveninterpretation gelten, vom "romantischen Beethovenbild" aber für mich sehr wenig vermitteln.


    Trotz aufnahmetechnischer Mängel und spieltechnischer Probleme ist die erste GA noch immer maßgeblich: Artur Schnabels aus den 30er Jahren. Das will nicht sagen, daß die Einspielungen im Einzelnen unübertroffen wären, aber die Kombination aus kompromißlosem Ausdruck und hoher Musikalität wurde nur selten erreicht. (Vgl. thread zur Mondscheinsonate, wo Schnabel aus einem halben Dutzend im Vergleich erstaunlich klar als Sieger hervorging). Außer den besagten Mängeln, die mich zugebenermaßen zum "Genußhören" oft zu anderen greifen lassen, ist mein Einwand, daß der Humor hier teils ein wenig zu kurz kommt. Schnabel spielt bspw. den Mittelsatz von op.31,1, der m.E. deutlich parodistische Züge enthält, bierernst.



    Dagegen sind für mich Kempff und Backhaus schlicht langweilig, Arrau gewichtig, aber bleischwer in den leichteren, humorvollen Stücken.
    Richter ist, besonders in den früheren Aufnahmen ebenfalls sehr ausdrucksstark. Später finden sich einige Marotten (langsame Tempi).


    Gilels' DG-Box besitze ich, etliches davon gefällt mir gut, aber sehr häufig zu ernsthaft und zu langsam. Viele der frühen Sonaten fand ich mit Gilels langweilig, bis ich dann Gulda hörte. Waldstein und Appassionata viel zu kontrolliert, nicht entfesselt, man hat bei allem Spannungsreichtum zu selten den Eindruck vom Ritt am Rande des Abgrunds. Die späten sind mir immer noch oft zu breit, aber eine gewisse Monumentalität führt hier zu überzeugenden Ergebnissen, bes. op.109 u. 110. Gilels wenige frühere Aufnahmen oder live-Mitschnitte gefallen mir meist deutlich besser.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die Fragestellung "Welchen Pianisten bringt man fast zwangsläufig mit einem Komponisten in Verbindung"? löst bei mir unterschiedliche Reaktionen aus. Ist die Spezialisierung und damit Einengung auf das Schaffen eines oder weniger Komponisten ideal oder gebührt die künstlerische Krone dem Universalisten, wie ihn z. B. Martha Agerich und Gehard Oppitz heute verkörpern? Obwohl - entsprechend dem bekannten Ausspruch Spezialisten leisten mehr - die ständige Beschäftigung mit wenigen Werken sicherlich Tiefgang und Perfektion bringt, neige ich dazu den Künstler, der in vielen pianistischen Gebieten unterschiedlicher Epochen brilliert, höher einzuschätzen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Thomas :


    neben den Moazartsonaten hat Aldo Ciccolini auch Mozart - Fantasien für ein quantitativ (!) kleines Lebel eingespielt .


    Leider habe ich auch nicht alle CDs bekommen können . Aber es sind eindeutig kostbare Aufnahmen unter denen , die ich habe .


    Es ergibt sic auch hier wie etwa bei Rafael OROZCO und anderen die Überlegung , ob der deutsche Markt für im übrigen nicht wenige Künstler wirklich interessant gewesen ist ( und noch ist ) .


    Ein m. E. interessanter indikator sind die Auftritte in einer Weltmusikstadt wie London .


    Orozco und andere Pianisten aus der "Spanischen Schule " haben ihre ganze Karriere auf ihr Heimatland , , Frankreich und eben London und etwa noch leeds konzentriert . Ich habe schon früher nie einen Grund finden können , warum dies so war / ist .


    Bei CICCOLINI ist dies angesichts einer sehr langen und erfolgreichen Karriere schon überraschend .


    Ich kenne von einem weltberühmten Pianisten , der hier namentlich nicht genannt sei , von einem seiner Interviewpartner die Aussage "In Deutschland werde ich nicht eingeladen" ( das war 1998 ) .


    Welchen Einfluss haben die Konzertagenturen ?


    Du hast recht , dass es die Kempff- oder Backhausinterpretationen wohl immer auf LP oder CD gegben hat ( bei MCs weiss ich es nicht ) . So habe ich ja auch auch neben Backhaus vor allem Artur Schnabel zuerst erlebt . Dann Wilhelm Kempff , der mir persönlich nicht sosehr zusagte wie Backhaus ( als Beethoven-Interpret ) .


    Schon wieder eine Frage : Ist Ciccolinis Beethovensicht aus ihm selbst , als ohne einer bestimmten Schukle anzugehören , erwachsen ? Hat er vielleicht früher Beethoven spielen können , aber nicht aufnahmen können oder wollen ?


    Nebenbei : W e r spricht denn wirklich über Alicia de Larrochas Mozart ( noch ) ?


    Ich bleibe bei meiner Meinung , dass Aldo Ciccolini weit mehr ist als ein vorzüglicher interpret der Klavierwereke von Liszt , Schumann oder Brahms .


    Diese lateinische Klarheit in seiner Deutung , die Intensität seines Spieles ist völlig organisch . Nie dozentenhaft .


    Harold C. Schonberg hat dies schon früh in Zusammenhang mit Michelageli betont . Jonathan Summers ( 2007 ) hat Cicclinis Beethovensonaten als eine seinr drei wichtigsten Aufnahmen hervorgehoben .


    Auch Ciccolinis Beethoven ist eine absolute Empfehlung !



    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Lieber Frank,


    diese Frage habe ich mir auch schon des öfteren gestellt, nämlich ob nicht einig Künstler um Deutschland einen Bogen gemacht haben. Von Samson Francois z.B ist mir nicht bekannt, daß der je in Deutschland aufgetreten ist (China und Sowjetunion sehr wohl). Interessant zumal deswegen, da er in Frankfurt a.M. geboren wurde.


    Ich werde das ungute Gefühl nicht los, daß man in Deutschland erstmal die Platten kauft und dann auch das Konzert besucht (vielleicht, wenn's ein veritabler Star ist) wohingegen in Italien oder Frankreich das Konzert besucht wird und dann beiläufig auch die Platte dazu gekauft wird.


    Aber das mag auch allein meine schräge Wahrnehmung sein.


    Sorry für das OT.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Lieber Thomas ,



    wie Du sehe ich es auch .


    Wären Konzertbesuche der Masstsab für Platten- oder CD - Käufe , dann sähe vieles ganz anders aus !


    Künstlerisches Potential vor PR - Maschinerie de qunatitativ grossen Konzerne .


    Mit besten Grüssen



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Nebenbei : W e r spricht denn wirklich über Alicia de Larrochas Mozart ( noch ) ?


    Meine Wenigkeit! Ihre Gesamtaufnahme gehört einfach in jede Plattensammlung!



    Zitat

    Original von Frank Georg BechynaIch bleiibe bei meiner Meinung , dass Aldo Ciccolini weit mehr ist als ein vorzüglicher interpret der Klavierwereke von Liszt , Schumann oder Brahms .


    Von Ciccolini weiß ich nicht so recht, was ich von ihm halten soll - den Beethoven kenne ich gar nicht. Seine Box mit Liszts "Annees..." habe ich vor Monaten trotz Dumping-Angebot stehen lassen, weil sie mir überhaupt nicht gefiel!


    Herzl. Gruß
    Holger

  • Lieber Holger :



    hier scheint ein Missverständnis vorzuliegen .


    Persönlich habe ich Alicia de Larrocha in sehr vielen Aufnahmen s e h r geschätzt .


    Die Crux dieser aussgewöhnlichen Dame und Pianistin ist es wohl , dass sie ihre wesentlichen Konzerte wohl in New York in den letzten jahrzehntengegeben hat .


    Ich lasse mich auch hier sehr grene korrigieren . Mir ist sponatn nicht erinnerlich , dass diese Grande Dame des Klavierspieles in Deutschland etwa ab 1970 konzertiert hat .



    LISZT / CICCOLINI .


    Bei Joachom Kaiser finden z. B. immer wieder , dass er - wie auch m,eistens sonst - s e i n ganz persönliches Klangbild mit sich herumträgt . Ciccolini kann bei ihm im gegensatz zu anderen grossen Interprten nicht bestehen .


    Kaiser hat zum zeitpunkt der Niederschrift seines Buches n o c h das eher spektakuläre Klavierspiel mit der "pranke2 sehr geliebt . Später wurde er differenzierter .


    Die besten Abschnitte in dem Buch stammen aber eindeutig von seinem viel zu früh verstorbenen Co - Autor . Das Buch wurde substnatiell von Herrn Kaiser nie auf einen neueren Stand gebracht .


    Beste Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Lieber Frank,


    auch ich bin ein großer Bewunderer von Alicia de Larrocha - bei Dir bin ich auch davon ausgegangen! :pfeif: Ende der 80iger Anfang der 90iger habe ich sie einmal in der Düsseldorfer Tonhalle mit dem Schumann-Konzert erlebt - einen >spanischen< Abend leider nicht!


    Mit Ciccolini muß ich mich wohl etwas näher beschäftigen, sehe ich!


    Beste Grüße
    Holger

  • Ich komme noch einmal auf Alfred Brendel zurück und zitiere hierzu Alfred Schmidt:


    Zitat

    Original von Alfred Schmidt
    Ich finde jedenfalls, er sollte in keiner Beethoven- Tonträgersammlung fehlen.


    Hier gebe ich gerne beiden Alfreds recht: Alfred Brendel in seinem Beethoven-Spiel und Alfred Schmidt in seiner Aussage hierzu.
    Brendels Beethoven-Interpretationen sind für mich immer masstäblich, sofern ich sie denn kenne.
    Ich mag an seinem Klavierspiel so ziemlich alles: Sein Anschlag, seine Empfindsamkeit, sein Sinn für Gesanglichkeit, seine Emotionalität, sein geistiges Durchdringen und Durchringen, und nicht zuletzt sein Sinn für das....wie soll ich es nennen....das Dichterische/Poetische (?) ...!


    Es hat für mich bis jetzt immer Emphase und Aussage gehabt, was ich von ihm gehört habe.
    Wenn ich ihn mit anderen verglich, empfand ich seine Versionen meistens als die interpretatorisch gewichtigeren, und zwar nicht im Sinne von "schwer" und "gewichtig" sondern von " wichtig", d.h. bedeutungsvoll und überzeugend mit Referenzanspruch.


    Korstick z.B. mag auf gewisse Freiheiten bei der Notentreue kritisch hinweisen, aber dessen eigene Einspielungen sind für mich gerade im Vergleich zu Brendel ein Beweis, dass Brendel mit seinen Auslegungen, mehr dem Geiste des Werkes, als den "Buchstaben" treu zu sein, insgesamt doch wesentlich dichter an der Wahrheit liegt, die natürlich immer im Auge des Betrachters liegt.
    Es gibt ja den biblischen Satz " der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig" der m.E. durchaus auch in diesem modifizierten Kontext zur Anwendung kommen kann.


    Sicherlich hat es auch damit zu tun, dass Brendel - wie ich finde mit sehr guten Gründen- auf dem modernen Flügel spielte, während Beethoven seine Eintragungen im Hinblick auf das Hammerklavier machte.
    Hier kommt es m.E. auf die Gesamtwirkung an, die dann am besten ist, wenn man den Notentext im Lichte und in Relation zu den Ausdrucksmitteln und -Fähigkeiten des gerade verwendeten Instruments interpretiert.


    Brendels Auffassungen kann ich mich hier aus verschiedensten Gründen viel leichter anschliessen, als etwa Korsticks, den ich vielfach bei aller Virtuosität nicht immer so ertragen kann, dass das Innere mitschwingt.
    Das noch detailierter auszuführen, ginge hier zu weit.


    Als alternativen Gegenpol zu Brendel sehe ich vor allem noch Gulda, der zwar sehr analytisch, klassisch durchsichtig und klar, aber manchmal auch ganz schön knallig gespielt hat.


    Der Vergleich zu Uchida wäre für mich auch noch sehr interessant; aber mir liegen bisher noch keine vergleichbaren Parallel-Einspielungen vor, weil ich mir vorgenommen habe, den Erwerb der Gesamtbox von Beethovens Klaviersonaten in Brendels zweiter Phillips-Einspielung als nächstes CD-Ziel ins Auge zu fassen, obwohl ich dann einige Sonaten doppelt hätte.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)