Claudio Abbado - "übersehener" Großer?

  • Ich war am Freitag bei 2001. Neues Programm einkaufen :pfeif:.
    Als ich dann so an der Kasse stand und nochmal alles durchsah, fiel mir auf, dass fast überall Abbado dirigierte. Nun kaufe ich grundsätzlich zunächst mal Werke. Denke ich zB, mir "fehlt" eine Beethoven-Sinfonie, dann schaue ich, wo oder ob und zu welchem Preis es die gibt. Bei Liedern gehe ich nach dem Sänger (jetzt zB von Otter und Quasthoff beim Wunderhorn). Eher selten denke ich mir, dass ich den oder jenen Dirigenten unbedingt brauche. Außer ich habe ihn zB schon mal live erlebt und fand es ganz toll.


    Zuhause war ich von den Aufnahmen sehr bis extrem angetan. Ich habe mich dann mal durch meine Regale gekämpft und festgestellt, dass ich keine Abbado-Aufnahme habe, die mir nicht gefällt.


    Im Forum sind die meisten Aussagen zu Abbdao positiv. Dennoch vermisse ich eine klare Aussage zu Abbado, nach dem Motto :jubel: :jubel: :jubel:.


    Warum ist das so? Hat er hinter Karajan kein ausreichend eigenes Profil beim BPO hinterlassen? War/Ist er zu nett, zu bescheiden, zu wenig polarisierend, um als einer der größten Dirigenten wahrgenommen zu werden? Sind seine Aufnahmen einfach so unbestechlich gut, dass man gar nichts weiter dazu sagen, sondern sie nur als großartig hinnehmen kann?
    Oder lag es an seiner Krankheit, wegen der er lange von der Bildfläche verschwunden war?


    Ich bitte um zahlreiche Bekenntnisse zu oder gegen Claudio Abbdao.


    DIRUTA

  • Als eine seiner beste Aufnahmen gilt die Aufnahme von "Simone Boccanegra", die er in den 1980er Jahren (? oder doch schon in den 1970er-Jahren) eingespielt hat. Solisten/innen waren Piero Cappuchilli, Nicolai Ghiaurov, Mirella Freni etc.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Ich kann hier nur eine sehr persönliche Aussage abgeben.


    Als ich anfang zwanzig war, er ein gutausaehender Enddtreißiger und er nahm unendlich vieles für die Platte auf. insbesondere italienische Oper.
    Die "gereinigte" Fassung des "Barbier von Sevilla" (mit Theresa Berganza in der Titelrolle) galt damals als Sensation, es folgte "LaCenerentola" etc..


    Irgendwann entwickelte sich die Situation jedoch so, daß Abbado "alles dirigierte". Bald kam er in den Ruf eines "Chamäleons", eines Anpassungskünstlers ohne Ecken und Kanten - im Gegensatz zu Karajan etwa, der als "eigenwilliger Maestro" galt.
    Die Gründung von "Wien modern", Auftritte in Autofabriken vor deren Belegschaft, die Gründung eines Jugendorchesters ,und ähnliche Aktivitäten brachten ihm nicht nur Freunde ein, sondern er bekam ein gewisses Image der "Beliebigkeit", des "Nicht-Elitären"
    Im Gegensatz zu Karajan, der als "schwierig" galt, war Abbdo ein umgänglicher Mensch, und schnell war er als "farblos" abgestempelt,
    Dennoch gab es jede Menge Aufnahmen, und dank PR der Deutschen Grammophon verkauften sie sich. Allles gab es unter Abbado: Italienische Opern, Sinfonien von Mozart und Beethoven, Mendelssohn und Gustav Mahler. Er nahm auch Strawinsky auf und Vivaldis Jahreszeiten (was im im Gegensetz im Falle Karajan von niemandem angekreidet wurde...)
    Kurz und gut - er hatte kein eigenes Profil, keine "Lobby" von Bedeutung, war aber durchaus angesehen - und ich wäre nie einer Aufnahme von ihm ausgewichen - gesucht indes habe ich sie auch nicht. Abbado mag das Pech gehabt haben in die Übergangszeit zwischen Anbetern von "Charismatischen Diktatoren" und Befürwortern von "demokratischen Orchesterleitern" hineingewachsen zu sen. (wobei einige "demokratische Orchesterleiter" gar nicht so demokratisch sind wie sie tun - sie wechseln eiskalt Musiker aus, die ihren Hang zur Moderne nicht mittragen wollen)
    Abbados Aufnahmen waren immer tadellos, und es gab nichts zu beanstanden - ein "Eigenprofil" wie etwa Karajan, Böhm,. Szell oder Celibidache, in neuerer Zeit auch Norrington es hatten - konnte zumindest ich nicht erkennen.


    Auch wenn es hier nicht so klingt, ist mein Gesamturteil eher ein positives. Daß hier wenig über Abbado geschrieben wuirde mag einen ähnlichen Grund haben wie bei Leonard Bernstein: Er polarisiert nicht.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Meinem geschätzten "Vorschreiber" kann ich nur zustimmen...wer nicht polarisiert wird nicht wahrgenommen! Das ist leider so und weiß Gott nicht nur in der Musik. Iich schätze Claudio Abbado ob seiner Ernsthaftigkeit und musikalischen Vielfältigkeit sehr, es fehlt ihm aber das ganz große Charisma und auch das innere Wollen ein "Pultdiktator" mit der entsprechenden Gefolgschaft und Presse zu sein...ihm geht es nämlich um die Musik und nicht um sich selbst...jedenfalls kommt er bei mir so an.


    Möge er noch lange aktiv sein können...wenn er will ist er ja durchaus durchsetzungsfähig, auch "außermusikalisch", wie seine "Bäume für Mailand"-Aktion gezeigt hat!


    LG
    Fides :hello:

    La vita è bella!

    Einmal editiert, zuletzt von Fides ()

  • Zitat

    Original von Fides
    ihm geht es nämlich um die Musik und nicht um sich selbst...jedenfalls kommt er bei mir so an. :hello:


    Nicht nur bei dir kommt er so an; man kann es beobachten, sobald man ihn live dirigieren sieht - spätestens aber wenn man die Dokumentation "Die Stille hören" mit Bruno Ganz gesehen hat:


    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Dabei finde ich, dass Bernstein durchaus noch polarisiert bzw. Bernstein als großer Künstler und als Genie (da auch noch erfolgreicher Komponist) wahrgenommen wird.
    Bei Abbado wird alles als tadellos hingenommen und fertig.
    Er hat ja wirklich viel eingespielt, aber alles mit Niveau. Die Aufnahmen mit Referenzcharakter werden aber mehr nach dem Motto"ach, der Abbado hat da dirigiert?!" hingenommen und nicht mit "Karajan :jubel: :jubel: 8o". Selbst zweitklassige Dirigenten wie Masur oder Norrington (sorry) werden, wenn sie mal das bekannte Korn gefunden haben, für diese Werke bestaunt und bewundert. Aber Abbado ist so etwas wie der Mann am Klavier, der einen in der Hotelbar wunderbar beschallt und dann geht man und erinnert sich an den wundervollen Abend, nur den Namen des Klavierspielers hat man vergessen.

  • Ich gebe zu, außer Opern fast nichts mehr von Abbado zu besitzen. Er ist äußerst zuverlässig, kann mich an keine wirklich misslungene Aufnahme erinnern. Bei Opern finde ich einige Aufnahmen immer noch Referenz, man denke an den 'Simone', den ersten frz. 'Carlos', die bereits genannten Rossiniinterpretationen, seinen Mussorsky, auch seine 8. von Mahler finde ich nach wie vor als mindestens eine der gewichtigsten, die aufgenommen wurden. Auch seinen Macbeth sollte man nicht übersehen.


    Sein Beethoven, sein Mendelssohn ist korrekt, er berührt mich nicht, reißt oder zumindest nimmt mich nicht mit. Ich ziehe ihn einigen oftgenannten eindeutig vor, allen voran Solti, Muti, Böhm etc. Das ist aber letztlich sehr persönlich. Zum Beispiel entdecke ich erst jetzt nach Jahrzehnten, einiges von Karajan im symphonischen Bereich für mich.

    BECK ohne MESSER
    "Jeder Mensch ist eine Melodie. Lieben heißt: sie innehaben." (Franz Werfel)

  • Abbado war und ist ein toller Dirigent. Er polarisiert wohl wirklich wenig oder gar nicht, irgendwie kann man ihn kaum nicht mögen.


    Vielleicht war es sein Pech, Karajans direkter Nachfolger zu werden – egal, wer es geworden wäre: jeder hätte es schwer gehabt. Heute sehnt man sich vielleicht nach dem Abbado-Jahrzehnt in Berlin (1989–2001) zurück. Zumindest mir geht es so, daß ich 1989 keinen Qualitätseinbruch verorte. Zu 2001 schweige ich mal lieber. ;)
    Er war gerade mal zwölf Jahre Chef in Berlin – verglichen mit seinen beiden Vorgängern eine kurze Zeit. Ein Trost bleibt, daß er auch heute noch dirigiert – und dies auch hoffentlich noch lange tun wird.


    Er ist einer der Dirigenten, die ich gerne noch live erleben würde. Möge ihm gute Gesundheit noch eine lange Zeit auf dem Pult ermöglichen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,
    ich stimme den Vorschreibern zu, die da notieren, dass Abbado eigentlich keine "Lusche" veröffentlicht hat und dennoch nicht richtig den Rang erhält, der ihm zustehen könnte.
    Vielleicht steht er für eine zeitliche Übergangsphase, die marketingmäßig äußerst schwierig war und er wird wohl erst in 10-20 Jahren ausgebuddelt werden, so wie wir es heute mit Horenstein (meines Erachtens vielfach zu Unrecht) erleben.
    Ich weiß nicht, wie sich sein 200x-er Beethoven verkauft hat, schlecht war der wirklich nicht! Und sein aktueller Mahler gefällt mir zwar auch nur so lala, der frühere war direkter, aber im Vergleich mit Eschenbachs Dirigaten, um mal nen ungefähren Altersgenossen zu erwähnen, ist das schon gut.
    Und Gielens aktuelle Mahlerinterpretationen werden immer didaktisch volkshochschulhafter und damit langweiliger. (Wenn sie es nicht schon immer waren, ich habe gestern die 5. gehört und mich gefragt, warum ich die denn nun gekauft habe)


    Es war aber auch so: Im Schatten der großen Drei (Bernstein, Karajan, Solti), die ihre jeweiligen Labels dominierten, wurde Abbado ziemlich alt, bevor er "ran" durfte. Obwohl er es bereits Ende der 60iger in London versucht hatte, aber von Lotte Klemperer weggebissen wurde, als die EMi ihn bei New Philharmonia Orchestra installieren wollte.
    (Mr. Abbado wants a title and my father..) Das lies die Tochter nicht zu, obwohl Abbado großer Klemp Fan war. Aber neben dem greisen Mann, der nun schon einen ständigen Zweitdirigenten brauchte, weil er selbst zu schwach war, die vielen Probenarbeiten zu übernehmen (Goodall), jemanden offiziell zu installieren, das lies Lotte nun nicht zu.
    Und Abbado mußte verzichten, weil EMI dann ausrechnete, dass damals OLD Klemp ca. 10% der gesamten EMI - Klassikumsätze verantwortete und Lotte unverholen mit der DGG drohte. Der Alte hat das wohl kaum mitgekriegt, weil er sich für sowas nicht interessiert hat.


    Aber dennoch: Wenn EMI oder DGG mit Abbdado so eine Ausgabe realisieren würden, wie sie es mit HvK gemacht haben (jede Menge CDs für kleines Geld), ich würde bedenkenlos zuschlagen.
    Beethoven, Brahms, Mendelssohn, dann Mahler, die vielen Opern, auch der Blick für das kleinere, unbekanntere.


    Gruß S.

  • Vielleicht fängt das mit dem "Ausverkauf" jetzt an, bei 2001 jedenfalls reihenweise Zeug von Abbado.
    Sein Mahler aus den 80/90ern (?) ist insgesamt vielleicht der beste Zyklus.


    Ich freue mich jedenfalls, dass auch andere meiner Meinung sind und das nicht nur meine Wahrnehmung ist.


    Hatte dann Abbado einfach nur Pech (siehe Klemperer, s. Karajan)?

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  • Der Aussage, daß Abbado keine "Lusche" veröffentlicht hätte, kann ich so nicht zustimmen. Es gibt sogar einige "Luschen" in seiner Diskographie. Dazu zähle ich folgende Einspielungen:


    - Beethoven: Sinfonien Nr. 1 - 9 , Wiener Philharmoniker , DG


    - Bruckner: Sinfonien Nr. 5 & 9 , Wiener Philharmoniker , DG


    - Mahler: Sinfonie Nr. 6 , Chicago Symphony Orchestra , DG


    - Mahler: Sinfonien Nr. 9 & 10 "Adagio" , Wiener Philharmoniker , DG


    - Schumann: Klavierkonzert , Pollini , Berliner Philharmoniker , DG



    :hello:Agon

  • Zitat


    Original von Agon
    Der Aussage, daß Abbado keine "Lusche" veröffentlicht hätte, kann ich so nicht zustimmen. Es gibt sogar einige "Luschen" in seiner Diskographie. Dazu zähle ich folgende Einspielungen:


    - Beethoven: Sinfonien Nr. 1 - 9 , Wiener Philharmoniker , DG


    DIESER Aussage wiederum kann ICH nicht zustimmen.


    Meiner Ansicht nach ist Abbados erste Beethoven-GA eine der gelungensten, da sie bei keiner Symphonie wirklich große Schwächen hat (was ich von Karajan, der bei manchen Symphonien selbstverständlich Abbado übertrifft, nicht behaupten kann).
    Neben einer ganz großen Pastorale ist Abbado mit der Siebten eine Referenzeinspielung gelungen, die ihresgleichen sucht und auch op. 125 ist von beachtlich und vor allem durch alle Sätze hindurch hoher Qualität.
    Aber ebenso die frühen Symphonien sind gut interpretiert, 4 & 5 sogar sehr gut.


    Ich ziehe diese Einspielungen den glatten, emotional zurückhaltenden Späteren mit den Berliner Philharmonikern bei weitem vor.


    Auf jeden Fall aus meiner Sicht eine Empfehlung wert, zumal es mittlerweile einzelne Symphonien in Neuauflage (z.B. in der 'DG Masters'-Serie gibt).


    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    - Mahler: Sinfonie Nr. 6 , Chicago Symphony Orchestra , DG - Mahler: Sinfonien Nr. 9 & 10 "Adagio" , Wiener Philharmoniker , DG


    Gustav Mahler war der Sohn von Johann Anstreicher!


    Nun denn, ich vergleiche die 6. mit Abbado und dem CSO Takt für Takt mit Gielen (was ich heute abend zum Leidwesen meiner Frau getan habe) oder dem hypernervösen Solti. Gielen Live 2007 in Kiel war dagegen schon beachtlich, wenn auch zu detailpusselig!
    Ich vergleich auch gar nicht mit der völlig vergurkten (früher fand ich sie gut, zugegeben!) und starren Version von Horenstein.
    Da weiß ich schon, was ich an Abbado habe.


    Es kann aber auch sein, dass ich, da ich die Sinfonie nicht so super finde daher Aufnahmen goutiere, die andere für entbehrlich halten.


    Gruß S.

  • Ich glaube, ich bin hier im richtigen Thread, wenn ich dem Maestro von Herzen alles Gute zum 80. Geburtstag wünsche und vor allem Gesundheit und die Kraft, der Musikwelt noch lange so beglückende Erlebnisse zu schenken, wie dies in der Vergangenheit überreich der Fall war.


    Ich hoffe, dass nicht allzu viele Musikfreunde Ihren Geburtstag übersehen, Maestro Abbado. Noch einmal meinen herzlichsten Glückwunsch.


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Um auf den Threadtitel einzugehen: ich halte Abado nicht für einen "übersehenen Großen". Er ist ein Großer, und er hat mir viele unvergeßliche Fernsehmomente geschenkt, vor Allem mit dem Luzerne-Festspielorchester. Auch die arte- Übertragung anläßlich seines runden Geburtstages war gut, aber nicht angemessen! Vielleicht habe ich auch etwas übersehen, aber die Würdigung eines 80. Geburtstages des ehem. Chefs der Berliner Philharmoniker hätte doch eine größere Breite verdient, auch oder gerade bei der ARD oder 3sat.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Da gebe ich dir durchaus Recht, lieber La Roche. In 3SAT läuft heute Abend ein Film über Gunter Sachs und in ARTE immerhin einer über Pina Bausch. Aber wenigstens auf Classica ist Verlass:
    20:15 Uhr: Messen von Mozart und Schubert (2012),
    21:50 Uhr: Mahler: Das Lied von der Erde, Adagio der 10. Sinfonie (2011),
    23:30 Uhr: Bach: Brandenburgisches Konzert Nr. 2 (2007),
    23.50 Uhr: Verdi: Requiem (2001)


    Da werde ich einen langen, erfüllenden Abend vor mir haben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • 20:15 Uhr: Messen von Mozart und Schubert (2012),
    21:50 Uhr: Mahler: Das Lied von der Erde, Adagio der 10. Sinfonie (2011),
    23:30 Uhr: Bach: Brandenburgisches Konzert Nr. 2 (2007),
    23.50 Uhr: Verdi: Requiem (2001)

    Mein lieber Freund,


    das tut mir richtig weh. Aber Classica habe ich nicht, vielleicht bin ich einfach zu geizig.


    Gerade das Verdi-Reqiem ist konzertante Oper vom Feinsten (aber ich kann es im Februar in unserem Konzertsaal erleben). Und für das Fragment der 10. Mahler-Sinfonie leg Dir bitte trockene Taschentücher bereit.


    Herzlichts La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Abbado gehört zu den ganz Grossen. Es ist richtig, dass er viele, sehr verschiedene Sachen gemacht hat und man dementsprechend eine differenzierte Sicht auf die Interpretationen entwickeln wird.


    Für mich unübertroffen sind einige Brahms-Aufnahmen, wie die Symphonien und das Brahms Requiem, letzteres als DVD und beides mit dem BPO. Es ist ein sehr romantisches, breites und singendes Brahmsbild, das er da entwickelt. Wer diese Aufnahmen kennt, wird niemals ernsthaft behaupten können, dass durch seine Übernahme der warme, deutsche Traditionsklang des Orchesters verlorengegangen wäre. Der Klang ist ebenso luxuriös wie in Karajans Zeiten, doch der Ausdruck ist menschlicher, wie ich finde.

    Wahnsinnig gut finde ich auch immer wieder seinen Mahler aus Luzern und einige Konzerte, die er mit Alfred Brendel gemacht hat.
    Wenn mich einer fragt, ob es ich einen Dirigenten kenne, bei dessen Live-Konzerten minutenlange ergriffene Stille nach dem letzten Ton keine Seltenheit sind, fällt mir hauptsächlich der Name Claudio Abbado ein. Wer bei Youtube danach sucht, wird meine Worte bestätigt finden.
    Bei ihm kann sich oft (bei entsprechender Literatur) etwas unerklärlich Magisches entwicklen, eine Herzensberührung, die in der Luft liegt. Das sind Dinge, die sich nicht so leicht erklären und niemals erzwingen oder "machen" lassen; dennoch gibt es sie, gerade bei ihm. Eine schönere Publikumsreaktion kann es m.E. nicht geben.


    Er wird es wohl nicht lesen, dennoch: Glückwunsch auch von mir, Maestro!


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Meine Wohnung wird renoviert und ich bewohne gerade das Haus eines Freundes, der Classica hat. Da habe ich jetzt ganz viel Abbado gesehen. Grandios! Wer schafft es übrigens sonst, so renommierte Solisten wie Sabine Meyer, Albrecht Mayer und das Hagen-Quartett (es sind wohl noch mehr, ich konnte nicht so schnell lesen) in sein Orchester zu integrieren?
    Sein Meisterstück für mich ist das Dirigat des Totenhauses vor Jahren in Salzburg. Diese Aufnahme habe ich im Opernführer im Vergleich zur Boulez-Aufnahme dort vorgestellt (Opernführer, Janacek "Aus einem Totenhaus").
    Was Glockenton über die Stille vor dem Applaus sagt, habe ich auch gesehen. Das ist etwas ganz Seltenes und zeigt die Größe dieses Dirigenten, der im Übrigen von den Großen (wie Gunther Wand) einer der Uneitlen ist!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich hätte nicht gedacht, dass das Adjektiv in obigem Threadtitel so Wirklichkeit geworden wäre. Außer La Roche, Glockenton und dr. pingel scheint kaum ein Tamino an Claudio Abbado gedacht zu haben, dabei hat er doch an diesem Tag seinen Fans ein Geschenk gemacht, zuletzt:


    Ich habe das Stück jetzt schon so oft gesehen, da ich es selbst auf DVD habe, aber es jedes Mal wieder ein Genuss. Ich finde, es kann gleichrangig mit der legendären Aufführung Karajans 1967 aus der Scala gesehen werden, und um den Dingen weiter auf den Grund zu gehen, habe ich mir jetzt die DVD mit der Aufführung Abbados 1982 von den Edinburgher Festspielen bestellt, die ja auch hoch gelobt ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • scheint kaum ein Tamino an Claudio Abbado gedacht zu haben

    Ist nicht ganz richtig, lieber William, vielleicht hast Du es übersehen - s. im Thread "Leben und sterben lassen - die tägliche Gedenkminute", Btr. 3586.
    Dort wurde gestern seiner gedacht, sein runder Geburtstag gewürdigt und er somit geehrt. Wurde auch von vielen Mitgliedern angeklickt.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Abbado gehört zu den ganz Grossen. Es ist richtig, dass er viele, sehr verschiedene Sachen gemacht hat und man dementsprechend eine differenzierte Sicht auf die Interpretationen entwickeln wird.


    So denke ich auch, lieber Glockenton - einer der wenigen wirklich Großen! Einen nicht geringen Teil des Orchesterrepertoires hat er mir erschlossen - das gehört zu meiner "Lebensgeschichte". Und er hat im Repertoire der Berliner und Wiener Philharmoniker die Moderne etabliert. Bei Karajan fristete die noch ein Mauerblümchendasein.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Chrissy: Ist nicht ganz richtig, lieber William. vielleicht hast du es übersehen - s. im Thread "Leben und sterben lassen - die tägliche Gedenkminute, Brt. Nr. 3586. Dort wurde gestern seiner gedacht, sein runder Geburtstag gewürdigt und somit geehrt. Wurde auch von vielen Mitgliedern angeklickt.


    Du hast Recht, lieber Chrissy, das habe ich wirklich übersehen, zumal beim Threadtitel nicht zu sehen war, dass hier Abbado geehrt wurde. Ich denke, wenn ich den Titel lese, eher an Tote, und wir wollen Gott danken, dass ihm das bisher erspart geblieben ist.
    Ich muss auch sagen, dass ich nicht gezählt habe, wie viele den o.a. Threadtitel angeklickt haben, weil ich selbstverständlich davon ausging, dass auch Einige sich meinen Glückwünschen angeschlossen hätten, was ja auch geschehen ist. Nur dann wird der Thread wieder neu aufgeführt. Wenn man ihn nur liest, bleibt er an der zuletzt bearbeiteten Stelle. Du hast ihn schon so früh bearbeitet, dass er bei m ir im wsahrsten Sinne des Wortes "Nicht mehr auf dem Schirm" war, weil ich ziemlich spät in der Nacht erst eingeschlafen war und sehr spät aufgestanden bin. Ich möchte dir dafür danken, dass du ebenfalls (schon eher als ich) an Claudio Abbado gedacht hast.
    Hast du übrigens mitbekommen, dass ich vor Kurzem einen Thread über Klaus König gestartet habe? Ich dachte, das würde dich interessieren, weil du ihn doch bestimmt schon mal auf der Bühne erlebt hast.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nun - zumindest bei den ersten Tamino -Dirigentenvotings war er immer ganz vorne mit dabei.
    Persönlich schätzte ich ihn am ehesten als Dirigent von Opern von Rossini und Verdi.


    Zitat

    Und er hat im Repertoire der Berliner und Wiener Philharmoniker die Moderne etabliert.

    Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht - sowohl beim Publikum - als auch bei den Orchestermusikern. Die Wiener Philharmoniker hatten immer schon eine tendenzielle Abneigung gegen die Moderne - auch wenn das heute aus marketingtechnischen und kommerziellen Gründen gern geleugnet wird.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Neben anderen CDs mit Abbado habe ich eine CD aus 1978:
    Prokofjev, Alexander Nevsky, op. 78 mit dem London-SO und
    dto. Lieutenant Kije, op. 60 mit dem Chicago-SO


    Er war sich auch nicht "zu schade" für eine Videokassette aus 1993 u. a. mit Peter und der Wolf mit dem "The Chamber Orchestra of Europe"


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich denke, wenn ich den Titel lese, eher an Tote, und wir wollen Gott danken, dass ihm das bisher erspart geblieben ist.

    Das stimmt schon, lieber William. Aber zum Glück heißt es in diesem Thread ja auch "leben lassen" und es ist natürlich besonders schön, wenn man eine Person ehrt, die noch am Leben ist.



    Hast du übrigens mitbekommen, dass ich vor Kurzem einen Thread über Klaus König gestartet habe? Ich dachte, das würde dich interessieren, weil du ihn doch bestimmt schon mal auf der Bühne erlebt hast.

    Natürlich habe ich Deinen Beitrag gelesen, wie eigentlich alle Deine Beiträge. Und gefreut habe ich mich auch darüber, zumal der Geburts- und frühere Wohnort von Klaus König nur ca. 50 Km von mir entfernt ist. Live auf der Bühne habe ich ihn leider nicht erlebt, aber er ist mir natürlich ein Begriff und ich kenne Aufnahmen mit ihm.


    Dir ganz herzliche Grüße ins mir bekannte COE
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Aus Anlaß des Todes von Claudio Abbado habe ich einige Aufnahmen von ihm wiedergehört. Diese Aufnahme von 1998, die den "Grammy" erhielt, ist wirklich exzellent! Präziser, durchsichtiger, einfühlsamer, expressiver kann das Orchester nicht sein. Die Leistung von v. Otter und Quasthoff ist vorzüglich. Im Abbado-Filmportait "Die Stille hören" sagte ein Musiker, dass Abbado im Unterschied zu anderen Dirigenten, die im "Leisen" keine Luft mehr haben, noch subtil differenzieren kann. Das kann man hier erleben in "Wo die schönen Trompeten blasen". Das ist nicht ungefährlich, weil es leicht in Kitsch abgleitet. Bei Abbado bekommt das im absolut Leisen Aura und Intimität. Wirklich berührend - ebenso das "Urlicht".



    Exemplarisch sind auch diese Prokofieff-Einspielungen Abbados. Gehört habe ich die "Leutnant Kije-Suite - Satire auf eine Karteileiche der russischen Bürokratie. Da ist alles drin - Spott, Empfindsamkeit, Virtuosität. Abbado zieht alle Register.



    Einmalig das Liszt-Konzert mit Martha Argerich - beide verbindet ja eine lebenslange Freundschaft. Die Argerich ist genialisch und Abbado ein kongenialer Begleiter.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Abbados Aufnahmen waren immer tadellos, und es gab nichts zu beanstanden - ein "Eigenprofil" wie etwa Karajan, Böhm,. Szell oder Celibidache, in neuerer Zeit auch Norrington es hatten - konnte zumindest ich nicht erkennen.


    Ich finde, das kann man so nicht stehen lassen. Zumindest empfinde ich, dass Abbado immer daran gelegen war, auch in gewaltigen Werken wie Bruckners Fünfter die Nebenstimmen hörbar zu machen (man beachte die Flöten in der Coda in der Aufnahme aus Luzern), gewissermaßen auch die Großsymphonik kammermusikalisch darzubieten. Dies könnte man durchaus "Eigenprofil" nennen. Das ist ihm, wie ich finde, sehr gut gelungen (auch wenn ich oft doch andere Aufnahmen vorziehe).


    Bereits genannt wurde die exzeptionelle Siebte von Beethoven mit den Wiener Philharmonikern, vielleicht das Highlight dieses 80er-Jahre-Zyklus. Viele weitere Aufnahmen ragen hervor, etliche wurden auch schon aufgezählt.


    Ein übersehener Großer? Ich glaube nicht. Das Medienecho zu seinem Tod war gewaltig. Er ist unvergessen und wird es bleiben.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Joseph II: Zumindest empfinde ich, dass Abbado immer daran gelegen war, ....gewissermaßen auch die Großsymphonik kammermusikalisch darzubieten. Dies könnte man durchaus "Eigenprofil" nennen.

    Das kann ich durchaus bestätigen, lieber Joseph. Gerade heute Abend, als ich seine Vierte Beethoven aus Rom mit den Berlinern (Februar 2001) auf DVD durchhörte und -sah, kam auch dieser Aspekt der kammermusikalischen Transparenz (nicht nur in der Besetzung von 48 Musikern) deutlich zum Tragen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Gerade heute Abend, als ich seine Vierte Beethoven aus Rom mit den Berlinern (Februar 2001) auf DVD durchhörte und -sah, kam auch dieser Aspekt der kammermusikalischen Transparenz (nicht nur in der Besetzung von 48 Musikern) deutlich zum Tragen.


    Das wird im Film-Portrait deutlich, lieber Willi, woher das kommt. Abbado versteht Musizieren als Zusammenspiel und Aufeinander-Hören. Andere Dirigenten sagen: "Spielen Sie Piano!" Abbado dagegen sagt zum Hornisten: "Spielen Sie mal die und die Stelle und die anderen hören bitte zu, was er macht." Er nimmt auf, was die Musiker spontan kreieren und schafft es - so ein Beteiligter - trotzdem, daß daraus ein Ganzes wird. Heraus kommt dann genau diese kammermusikalische Präsenz und unmittelbare Lebendigkeit. Dabei ist er immer hoch präsise. In welcher Box sind eigentlich die Wiener-Beethoven-Aufnahmen drin?


    Schöne Grüße
    Holger

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