William Christie - Ein Franzose made in USA

  • Eigentlich hatte ich William Christie immer für einen Egländer gehalten, und mich gewundert, weshalb es soviel französisches Repertoire eingespielt hatte.


    Und wieder bewährt sich der Spruch: Wer lesen kann ist klar im Vorteil.
    Christie ist geborener Amerikaner (*1944) und wurde 1995 französischer Staatsbürger, lebte aber schon seit 1971 in Paris.


    Das Ensemble Les Arts Florissants, wirde 1979 von ihm gegründet und zählt heute zu den bedeutendsten Formationen der sogenannten Hip-Szene. Über Christie als Cembalist gibt es bei Tamino bereits einen Thread:


    William Christie als Cembalist


    Aber hier soll es um den Dirigenten gehen, vorzugsweise um den Operndirigenten...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Für mich ist William Christie das Zentralgestirn der frz. Barockoper.


    Es ist allein ! seinem Einsatz zuzuschreiben, dass die frz. Barockoper wiederbelebt wurde. Zusammen mit Rene Jacobs leitete er überhaupt den Barockopernboom in den 1980er Jahren ein, der bis Heute anhält.


    Zwar gab es immer mal wieder Aufführungsversuche frz. Opern, Roger Desormiere, Jean Claude Malgoire (der sich ganz besonders für Lullys Alceste einsetzte) Jean Francois Paillard....


    Doch erst im Jahre 1976 kam der Durchbruch, Christie führte zum ersten Male in unserer Zeit die Oper "Atys" (1676) von Lully auf.
    Die großartige Francine Lancelot machte die Choreographie, die Szene stammt von Villegier.


    Ein Jahrhundertereignis der Barockoper !



    Karten waren nur noch auf dem Schwarzmarkt zu bekommen, zu horrenden Preisen.
    dann 10 Jahre später gab es eine Wiederaufnahme des Stückes, und aus dieser Zeit stammte auch die CD Aufnahme, die jetzt bei HMF in einer neuen Auflage erschienen ist:




    Lully: Atys
    Les Arts Florissants / Christie


    diese Aufnahme gehört nicht nur in jede gut sortierte Sammlung aus oben besagten Gründen, sie ist auch gleichzeitig eine der schönste, wenn auch finstersten Opern Lullys.


    Leider ist die Oper noch immer nicht auf DVD zu haben, nur das im TV ausgestrahlte Video kursiert im Netz.



    Zwei Komponisten stehen Christie jedoch näher:


    Marc Antoine Charpentier und Jean Philippe Rameau


    fast 80 % aller Aufnahmen dieser beiden Komponisten stammen von Christie - und das ist ein Glück, denn kaum jemand beherrscht die Eigenarten der frz. Musik derart meisterhaft wie Christie.



    er nahm sich vor allem auch der Bühnenmusik Charpentiers an und spielte die "Médée" gleich zweimal ein.
    Die neuer Fassung ist im Detail zwar besser, aber selbstverständlich hat auch die ältere Einspielung ihren Charme.


    Die neuere Einspielung ist auch wohl der Höhepunkt in der Karriere der Lorraine Hunt gewesen, die leider so früh verstarb:




    Charpentier: Médée
    Les Arts Florissants / Christie




    eine besondere Liebe verbindet Christie jedoch mit Rameau, seine Aufnahmen mit dieser Musik sind auch nach wie vor unerreicht.
    Besonders fasziniert war er von Rameaus Erstlingswerk, dass er seit den 60er Jahren zuerst immer in Auszügen aufführte und schließlich dann doch komplett auf CD bannte:



    Rameau: Hippolyte et Aricie
    Les Arts Florissants / Christie



    wenn man also noch keine Aufnahmen von William Christie sein eigen nennt - dann sollte es unbedingt eine dieser 3 sein, danach wird man ohnehin zusehen auch alles andere zu bekommen :D


    ein besondere Tip ist eben auch die recht frische DVD mit Rameaus "Les Indes Galantes" - da übertrifft er sich selbst (CD Einspielung) und vor allem ist die Inszenierung ein gigantisches Fest:




    Allerdings muss ich sagen, dass mich Christie z.B. bei G.F: Händel nicht so überzeugen konnte.
    Dies ist aber auch der einzige Punkt, ansonsten sind seine Aufnahmen ausnahmslos phänomenal - bei welch anderem Dirigenten bekomt man das schon geboten ?


    Lully, Purcell, Charpentier, Rameau, Mozart ... alles Aufnahmen auf den Spitzenplätzen der ersten Liga !

  • Zum 30-jährigen Jubiläum gibt es in diesen Tagen bei Virgin einen CD-Sampler zum Kennenlernen:




    William Christie & Les Arts Florissants - 30th Anniversary


    Detailinformationen:
    Vokal- & Instrumentalmusik von Charpentier, Campra, Händel,
    Haydn, Purcell, Rossi


    Künstler: Anne-Sofie von Otter, Dietrich Henschel, Sandrine Piau,
    Les Arts Florissants,
    Leitung: William Christie
    Label: Virgin , ADD/DDD
    Erscheinungstermin: 9.10.2009


    Bei jpc gibt es Hörproben!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • William Christies vorzügliche Aufnahmen von Barockopern dürften einigermaßen in Vergessenheit geraten sein ?? - Woran das liegt weiß ich nicht, vielleicht weil Erato Aufnahmen von ihrem einstigen Labeleigner ausserhalb Frankreichs zu wenig beworben wurden? Eigentlich müssten die Christie Aufnahmen vom derzeitigen "Barockopern-Boom" partizipieren, denn sie sind für Barockopern Liebhaber und Kenner geradezu ein Muss.
    Sie stammen meist aus der Digital-Ära, sind also auch technisch ansprechend. Darüber hinaus wurden viele Preise teilweise dramatisch gesenkt. Die von Ex-Mitglied "Lullist" empfohlenen Aufnahmen waren lange Zeit als "derzeit nicht lieferbar" deklariert, aber das betraf nur die alte Bestellnummer. Die Links wurden nun aktualisiert und verweisen auf die derzeit gültigen Ausgaben.
    Einerseits habe ich vor diesen Thread zu beleben, andrerseits möchte ich nicht nur alle verfügbaren Cover hier verlinken. Daher werde ich hier nur CDs empfehlen, die ich selbst besitze. Dazu gehört unter anderem die von vielen Kritikern als "Referenz" gehandelte Aufnahme von Purcells "King Arthur" , einer "Semi Opera", welche auch in der Vergangenheit im Tamino Forum mehrfach lobend bis begeistert erwähnt wurde.
    Es gibt verschiedene Fassungen, was die Realisierung stets schwierig, aber auch interessant macht. Ausführlicher beschrieben findet man dies im Tamino-Opernführer


    PURCELL, Henry: KING ARTHUR


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • In der Tat: William Christies Aufnahmen sind Marksteine in Sachen Barockoper, egal ob es sich jetzt um Purcell, Lully, Charpentier oder Rameau handelt. Hier stelle ich eine weitere Aufnahme unter der Stabführung von William Christie vor. Einst hat sie an die 40 Euro gekostet, derzeit um knapp unter 12 Euro zu haben. Wie so oft findet sich die ausführliche Inhaltsangabe im Tamino Opernführer:

    RAMEAU, Jean-Philippe: ZOROASTRE


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !