Spitzenorchester – Was ist dran?

  • Ein interessantes Zitat aus dem "Don Carlos"-Thread regte mich zu diesem Thread an, nämlich dieses:


    Zitat

    Ich merke dem Covent-Garden-Chor und -Orchester in dieser Aufnahme nicht an, dass es auf dem Papier nicht in die allererste Liga gehören mag.


    Was ist eigentlich ein Spitzenorchester, also eines der allerersten Liga?


    Im Forum werden in dem Zusammenhang immer einige genannt, etwa die Berliner Philharmoniker, die Wiener Philharmoniker, die Sächsische Staatskapelle Dresden, das Chicago Symphony Orchestra, das London Symphony Orchestra, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und ein paar mehr.


    Daneben gibt es noch Orchester, die selten der absoluten Spitzengruppe zugeordnet werden, aber für sich zumindest spitzenartige Einzelaufnahmen hervorbrachten: das bereits genannte Covent Garden Orchestra, das Bayerische Staatsorchester, die Münchner Philharmoniker, die Staatskapelle Berlin, das Orchester der Deutschen Oper Berlin, das Gewandhausorchester Leipzig, die Wiener Symphoniker und unzählige mehr.


    Ich frage mich insofern: Wo ist die Trennlinie? Was macht ein sehr gutes Orchester zu einem Spitzenorchester? Gibt es nicht auch zeitlich beschränkte Spitzenorchester (ich denke an das Münchener Bach-Orchester Karl Richters, das heute wohl kaum mehr jemand zur allerersten Liga rechnen würde, damals aber durchaus)? Ist die Einteilung nicht z. T. einfach willkürlich? Haben nicht auch die fast schon sakrosankten Berliner Philharmoniker schon Aufnahmen gemacht, die schwerlich zur Spitzenklasse gehören?


    Auf eine lebhafte Diskussion!


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich glaube, dass ein Spitzenorchester aufgrund seiner exzellenten
    Musiker ein relativ gleichbleibend hohes Niveau garantiert, also sehr häufig weit überdurchschnittliche Aufführungen bringt. Die Weltklassesolisten gastieren ebenfalls schwerpunktmäßig bei diesen Klangkörpern und dem oder den Dirigenten gelingt es einen eigenen
    Stil zu formen. Aus diesen und anderen Faktoren bildet sich dann der Ruf und das Image eines Spitzenorchesters. Aus allen diesen Gründen wird ein solches Orchester für Medien und Produzenten immer interessanter. Es entwickelt sich quasi eine sich selbst tragende Spirale nach oben. Am Rande sei noch vermerkt, dass die Spitzenorchester aufgrund ihrer Stellung auch noch die höchsten Finanzmittel akquirieren können.


    Bei aller Anerkennung dieser Leistungen beeindrucken mich herausragende Interpretationen von Provinzorchestern mit ihren begrenzten Möglichkeiten fast noch mehr. Ich bin restlos weg, wenn ich von meinem Heilbronner Sinfonie Orchester z. B. eine "Scheherazade" mit einem vom Konzertmeister traumhaft gespielten Violinsolo erleben darf, die von den Stühlen reißt und Vergleiche mit Spitzenenensembles nicht zu scheuen braucht. Bei diesem Urteil schwingt natürlich Liebe und Lokalpatriotismus mit.
    Was soll's. Wenn nach solch einer Aufführung das Publikum frenetisch stehende Ovationen bringt, dann ist ein solches Musikerlebnis, das, was es sein soll. ein ergreifender Rausch, der Begeisterung schafft und im Innern des Hörers nachklingt. Spitzenorchester hin oder her, genau diese Wirkung muss Musik erzielen, egal von wem sie geboten wird.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ein Spitzenorchester steht und fällt mit dem Mann der vor dem Pult steht.


    In der zweiteiligen Dokumentation "Die Kunst des Dirigierens" sagte ein Künstler sinngemäß: Der Dirigent Fritz Reiner war in der Lage aus jedem Orchester eine sptzenmäßige Leistung herauszuholen.


    Zu dieser These passt: Der Dirigent Herbert Kegel leitete viele Jahre das Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig. Ehe er einen hervorragenden Orchestersolisten bekam, haben sich andere Orchester gütlich getan: Staatskapelle Dresden und Berlin, Gewandhausorchester... Denn das Orchester war kein A-Orchester (DDR-Orchester-Einteilungskategorie). Trotzdem hat er es geschafft, ein ausgezeichnetes Orchester aufzustellen. Viele seiner Aufnahmen sprechen dafür.


    Wenn Rattle am Pult der Berliner Philharmoniker steht, ist das Orchester kein Spitzenorchester, gastiert Abbado jedoch in Berlin mit jenem gleichen Orchester, dann ist es ein Spitzenorchester.


    Das mag alles paradox klingen, ist aber letztlich so...



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Ein Spitzenorchester steht und fällt mit dem Mann der vor dem Pult steht.


    ...
    Wenn Rattle am Pult der Berliner Philharmoniker steht, ist das Orchester kein Spitzenorchester, gastiert Abbado jedoch in Berlin mit jenem gleichen Orchester, dann ist es ein Spitzenorchester.


    Das mag alles paradox klingen, ist aber letztlich so...



    ...ich stimme zu, allerdings als Abbado neu nach Berlin kam, da waren die Berliner unter seiner Dirigentschaft auch kein Spitzenorchester, Rattle hingegen hat seinerzeit aus dem City Orchester of Birmingham ein Spitzenorchester gemacht.

    marta

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  • ES wird vermutlich EINIGE Definitionen für "Spitzenorchester geben.


    Besispielsweise könnte ein Dirigent Spitzenorchester folgendermaßen definieren:


    "Ein Orchester, das nicht allzuviel Proben braucht und sich schnell auf meine Wünsche einlässt"


    Also ein gut funktionierendes - möglichst unkompliziertes Orchester, das sich anpasst wie ein Chamäleon....


    Ich selbst würde Spitzenorchester anders definieren - ohne in dieser Frage jedoch zu beharren "Recht zu haben"....


    "Ein Spitzenorchester hat selbst genaue Vorstellungen von einem Werk - und - noch wichtiger - einen unverwechselbaren Orchesterklang, bzw einen "musikalischen" Orchesterklang.."


    Kann den ein Orchester auch einen "unmusikalischen" Orchesterklang haben ? Natürlich.
    Diese könnte entstehen wenn andauernd Orchestermitglieder ausgetauscht würden, und deren Instrumente zudem eher unteren Kategorien angehörten. Es fehlt jene Homogenität, die einfach entsteht, wenn ein Ensemble in nahezu unveränderter Besetzung jahrelang miteinander spielt....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das Orchester schöpft ja auch aus verschiedenen Ressourcen.
    Da ist einerseits natürlich die finanzielle Ausstattung. Hier haben es besonders die großen deutschen und die großen amerikanischen Orchester ganz gut. In Deutschland wegen der sicheren Finanzierung durch den öffentlichen Dienst, in USA wegen der meist gut ausgestatteten Stiftungsvermögen bzw der reichen Mäzene. Wobei, siehe Krise, das kann sich auch schnell ändern.
    Über die finanzielle Ausstattung gelingt es meist auch, besagte Hochkaräter ans Dirigentenpult zu holen.


    Die andere Seite ist der Nachwuchs. Die groeßn Orchester können sich Akademien für Nachwuchsmusiker leisten, sie erhalten viele Bewerbungen talentierter junger Musiker und können so Besetzungsverluste besser ausgleichen.


    Ein weiterer Punkt ist auch das Publikum. Wenn es sehr beschränkt auf ein Repertoire ist (was durchaus vorkommt), dann entwickelt sich das Orchester nicht weiter. Die Mischung verschiedener Stile spielt eine wesentliche Rolle bei der Orchesterqualität.


    Schließlich ist auch der Einsatz des Orchesters wichtig. Ein Orchester, das nur Opern spielt, ist von vornherein in seiner Entwicklung beschränkt. Umgekehrt ist ein reines SInfonieorchester ohne das Opernfach "unvollständig".


    Wenn man die Gramophone-Rangliste als Ausgangspunkt für die Überlegungen nimmt, dann stehen vorn schon die Orchester mit einem sehr breiten Spektrum an Musik, mit sehr guten Dirigenten und an finanzstarken Standorten. Es ist also wie immer...

  • Ich deute allerdings den Sinn des Threads so, daß unterschwellig hinterfragt werden soll. ob denn der Unterschied zwischen einem Spitzenorchester und einem guten Orchester überhaupt (auf CD ??)
    gehört werden kann - und was denn die Parameter wären, an denen man das (klanglich) festmachen könnte.



    Zitat

    Ein Spitzenorchester steht und fällt mit dem Mann der vor dem Pult steht.


    Das darf zumindest im Falle der Wiener Philharmoniker bezweifelt werden.ö
    Es heisst, sie wären in der Lage ohne jeglichen Dirigenten zu spielen, und so sie wollten, so zu spielen als dirigierte noch der selige Karl Böhm..


    Wenn sie einen Dirigenten sehr mögen, dann spielen sie in seinem Sinne,


    wenn sie einen für unfähig halten, dann spielen sie wie sie wollen - auf höchster Ebene natürlich


    Aber wenn sie einen Dirigenten nicht schätzen, und der ist aufsässig - DANN spielen sie GENAU wie er dirigiert - bis zum bitteren Ende...


    Das ist natürlich nur ein geflügeltes Wort - aber ein Körnchen Wahrheit wird wohl dahinterstecken...


    BTW, wenn der KSM schreibt, er habe die schönsten Konzerte mit dem RSO Wien erlebt, dann liegt das daran, daß dieses Orchester von der Programmauswahl seinem Musikgeschmack am ehesten entspricht...


    Das Orchester hat ja jahrelang weitgehendes Repertoire gespielt, die Namen seiner unseligen Chefdirigenten tun mir noch heute in den Ohren weh. Und das Orchester hatte euphemistisch gesagt nicht den allerbesten Ruf. Erst de Billy - auch er spielt modernes Repertoire mir seinem Orchester, meinte, ein gutes Orchester müße sich auch an den Prüfsteinen der Klassischen Musik messen und vergleichen lassen - des Orchester muß unter seiner Stabführung als ertklassig bezeichnet werden - insofern stimmt also die oben angezweifelte These
    wiederum..


    mfg aus Wien


    Alfred


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...
    Das Orchester hat ja jahrelang weitgehendes Repertoire gespielt, ...


    Das kann so nicht stimmen. Es steht in den Statuten des Orchesters sinngemäß drinnen, dass es sich im Besonderen um die Pflege von neuerem, zeitgenössischem und unbekanntem Repertoire zu kümmern habe. Es ist das einzige Symphonie-Orchester Österreichs mit diesem Anspruch und letztlich ist das auch der Grund dafür, dass sich der ORF diesen Luxus immer noch leistet (was nicht verhindern kann, dass mindestens einmal pro Jahrzehnt eine Diskussion über die Auflösung des Orchesters aufflammt; wo der ORF finanziell immer schlechter dasteht, ist die Begründung für den Unterhalt eines sehr teuren Orchesters immer schwerer zu führen).


    Umgekehrt ist es jetzt so, dass das RSO in den letzten beiden Jahren regelmäßig im Theater an der Wien gastiert, und dort so etwas wie Opern-Repertoire spielt...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Sorry, man sollte Korrektur lesen wenn man schreibt.


    Es sollte natürlich heissen:


    Das Orchester hat ja jahrelang weitgehend ZEITGENÖSSISCHES Repertoire gespielt, ...


    LG aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zählst Du auch das "Staatsopernorchester" als "Philharmoniker"?
    Die klettern gerne ein paar Ebenen hinunter und machen auch ziemlich mäßige Aufführungen ...


    Zitat

    BTW, wenn der KSM schreibt, er habe die schönsten Konzerte mit dem RSO Wien erlebt, dann liegt das daran, daß dieses Orchester von der Programmauswahl seinem Musikgeschmack am ehesten entspricht...


    Das Orchester hat ja jahrelang weitgehendes Repertoire gespielt, die Namen seiner unseligen Chefdirigenten tun mir noch heute in den Ohren weh. Und das Orchester hatte euphemistisch gesagt nicht den allerbesten Ruf. Erst de Billy - auch er spielt modernes Repertoire mir seinem Orchester, meinte, ein gutes Orchester müße sich auch an den Prüfsteinen der Klassischen Musik messen und vergleichen lassen - des Orchester muß unter seiner Stabführung als ertklassig bezeichnet werden - insofern stimmt also die oben angezweifelte These
    wiederum..


    Das mit dem Ruf ist sicher nicht richtig - es gab durchaus Befürchtungen, dass unter Billy das Niveau abnehmen könnte, was aber zum Glück nicht passierte.


    Von wegen Programmauswahl - stimmt schon, abgesehen von der Oper, wo die Philharmoniker nicht immer gut spielen, habe ich wesentlich mehr Konzerte mit dem Radiosinfonieorchester gehört. Das gespielte Repertoire war allerdings dasselbe (vor allem 20. Jahrhundert).
    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    ...
    Zählst Du auch das "Staatsopernorchester" als "Philharmoniker"?
    Die klettern gerne ein paar Ebenen hinunter und machen auch ziemlich mäßige Aufführungen ...


    Überhaupt dann, wenn sie in Japan sind und im Graben der WSO die Substituten die deutliche Mehrheit besitzen.


    Das Staatsopernorchester sollte man nicht einfach mit den Philharmonikern gleichsetzen. Nur bei besonderen Vorstellungen trifft dies zu. Bei weniger wichtigen Repertoirevorstellungen wird teilweise stark substituiert, wodurch natürlich das bekannte Niveau dann oft nicht gehalten werden kann. Aber "mäßig" habe ich das Staatsopernorchester rein spieltechnisch noch nie erlebt. Es gibt aber schon Fälle, wo die Chemie mit einem gastierenden Dirigenten nicht gerade inspirierend wirkt...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Ich empfehle Dir einen "Repertoire-Sacre"
    :wacky:
    :hello:


    Aha!


    Ich werde daher vermutlich die Empfehlung auf sich beruhen lassen... :D


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Zitat

    Zählst Du auch das "Staatsopernorchester" als "Philharmoniker"?
    Die klettern gerne ein paar Ebenen hinunter und machen auch ziemlich mäßige Aufführungen ...


    Ich habe den Eindruck, daß dies eher als Verpflichtung, denn als interessante Aufgabe gesehen wird. "Philharmoniker auf Probe" - werden gerne mit dieser Aufgabe betraut - und dann - bei Nichtgefallen- nach Ablauf der Probezeit -wieder nach Hause geschickt.
    Nur böse Zungen behaupten, dies wäre eine ideale Konstellation die Frauenquote zu kontrollieren, die bei den Wiener Philharmonikern seit 1997 permanent gleichgeblieben sei....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Moin,


    kann man eine objektive Bewertung durchführen, ob ein Spitzenorchester A besser als ein Spitzenorchester B ist? Ich finde nein, denn die Beurteilung des Sounds, des Klangs, der Farbe basieren doch auf rein subjektiven Empfindungen. Sollte eine klare Beurteilung zwischen 2 Orchestern im technischen Bereich objektiv möglich sein, dann dürfte eins der beiden verglichenen orchestern eigentlich kein Spitzenorchester sein.

    Diese Diskussion, sowie die Diskussion um die Qualität eines Orchesters in Abhängigkeit vom Dirigenten motivierten mich zu folgendem Gedankenexperiment:


    Man nehme Spitzenorchester A mit Chefdirigent A und lasse es auf neutralem Boden im Topkonzertsaal C gegen Spitzenorchester B mit Chefdirigent B antreten. Beide spielen das selbe Programm, jeweils ein Werk aus 18, 19 und 20 Jahrhundert. Dann sollte doch ein gewisser Vergleich möglich sein, oder?


    Man kann das Experiment dann noch weitertreiben, indem in einem zweiten Konzertprogramm, vergleichbar wie bei den Weltmeisterschaften im Springreiten, der Dirigent ausgetauscht wird. Beim Springreiten ist es übrigends das Pferd.


    Leider wird es bei diesem Gedankenexperiment bleiben.


    Nun ja einen Auszug aus diesem Experiment konnte ich in dieser Woche doch durchführen:
    Orchester A mit Chefdirigent A und Orchester B mit Chefdirigent B im Konzertsaal C an zwei Abenden hintereinander, leider mit doch sehr unterschiedlichem Programm.


    Abend 1:
    Orchester A mit Chefdirigent A began mit einem etwas unausgewogenen Britten "The young persons guide". Nach diesem Stück konnte ich mir bereits zwei Meinungen bilden: Das Orchester hatte einen wunderbaren, homogenen Klang, trotzdem war dieses Stück zum Einspielen und warm werden. Dann gab es eine Erstaufführung, 4 Tage nach der Welturaufführung, dieses Stück würde ich deswegen nicht in eine Bewertung einfliessen lassen.
    Aber nach der Pause gab es dann Berlioz "Symphonie phantastique". Hier zeigte sich der wunderbare Klang, die wunderschönen Farben des Orchesters. Allerdings hätte ich mich als Ballbesucher im 2 Satz doch etwas gelangweilt. Die Pastorale wurde durch ein wunderbares Englischhorn "gerettet". Der Marsch zum Richtplatz war dann eher ein netter Spaziergang. Die Blechbläser empfand ich als etwas tranig, das ich zu diesem Zeitpunkt aber bereits voll und ganz dem Dirigenten ankreidete. Im Hexensabath ging dann erst die Post mit dem unglaublichen Klarinettensolo ab.
    => Zusammenfassend meckere ich hier auf höchstem Niveau, aber ich empfand das Konzert als total abgebrüht gespielt, mir fehlte doch etwas die Spannung.
    Das Konzert war ausverkauft es gab viel Beifall und keine Zugabe.


    Abend 2:
    Orchester B mit Chefdirigent B began mit Sibelius 1. Sinf. Im zweiten Satz hatte ich den Eindruck über ein paar Ungereimtheiten, aber spätesten im 4 .Satz gab es dann die am Abend vorher vermisste Spannung. Ich gehe sogar weiter und sage im 4 Satz war "Atmen nicht vergessen!" angesagt. Ich war jetzt schon total begeistert. War mir aber zur Pause bereits sicher, dass ich ein Bewertung, welches Orchester besser ist, oder mir besser gefällt, wohl nicht durchführen werden könne. Der Klang, der Sound, die Farben waren einfach zu unterschiedlich.
    Nach der Pause war das Orchester dann "nur" Liedbegleiter. Es wurden mit Sängerin A Duparc Orchesterlieder geboten. Hier begleitete das Orchester perfekt. Der Star war die wünderschön anzuschauende und anzuhörenden Sängerin. Trotzdem ergänzten sich die Klänge, die Spannungsbögen, die Farben perfekt. Und weil es allen so gut gefallen hat, gab es gleich noch eine Zugabe.
    Abschliessend wurde dann die 2.Suite aus Ravels "Daphnis und Chloe" gegeben. Was hier geboten wurde, war unglaublich. Wie die Spannung aufgebaut wurde, wie die Farben entwickelt wurden. Es war ein einziger Rausch! Hier konnte einen auch der Nachbar nicht anstupfen "Atmen nicht vergessen", denn er selber atmete schon lange nicht mehr.
    Das Publikum tobte, und weil es allen incl. Orchester und Dirigent so gut gefallen hat, gab es noch zwei Zugaben. Das Konzert war nicht ausverkauft.


    Für mich war klar, dass Dirigent B Dirigent A eine vernichtende Niederlage beigebracht hat. Aber zum Glück sass Dirigent A ja im Publikum und hat sich hoffentlich von dieser Vorstellung eine dicke Scheibe abgeschnitten und nicht nur die ganze Zeit seine wunderhübsche Frau Sängerin A bewundert.


    Ach ja, das ganze fand im KKL Luzern statt, wo sich im Moment die Spitzenorchester die Klinke in die Hand geben.


    Natürlich könnt Ihr Euch jetzt denken, dass das Spitzenorchester A, in dem mir die Holzbläser doch besser gefallen haben als in B, die Berliner Philharmoniker unter Rattle waren.


    Am zweiten Abend sang dann Magdalena Kozena mit dem Concertgebouw unter Mariss Jansons.


    Jetzt würde mich doch die Hälfte des zweiten Teils meines obigen Gedankenexperiments sehr interessieren: Jansons mit den Berliner Philharmonikern! Die andere Hälfte des Experiments muss nicht sein.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • In wiefern? Welche bzw .wessen Beiträge werden vermißt?


    Norbert als Moderator

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Man kann das Experiment dann noch weitertreiben, indem in einem zweiten Konzertprogramm, vergleichbar wie bei den Weltmeisterschaften im Springreiten, der Dirigent ausgetauscht wird. Beim Springreiten ist es übrigends das Pferd.


    Das Pferd, das springen muß, bleibt gleich. Nur der Reiter wird ausgetauscht. :D


    So verstehe ich auch den Tausch der Dirigenten. Das Orchester, das springen muß, bleibt dasselbe.


    LG


    :pfeif: :pfeif:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Zitat

    Original von Harald Kral
    ...
    So verstehe ich auch den Tausch der Dirigenten. Das Orchester, das springen muß, bleibt dasselbe.
    ...


    Nicht ganz. Ein Orchester ist eben nicht ein Pferd das springt, sondern es besteht aus (ca.) 90 Individuen. Und man muss jemanden finden, der alle 90 dazu bringt, überhaupt zu springen, dann zugleich zu springen, möglichst hoch zu springen und möglichst oft zu springen. Da laufen komplizierte gruppendynamische Vorgänge ab, bevor eine Leistung gebracht wird, die dann begeistert oder langweilt.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!