Treibt der Champagner...- Die schlimmsten Übersetzungs-Verbrechen

  • Das kennt wohl jeder: Da übersetzt ein verhinderter Goethe ein Libretto für eine deutschsprachige Bühnenfassung; und aus einem sehr direkten Original wird ein peinlicher, schwülstiger Text.


    Insbesondere dem doch sehr unmittelbaren Don Giovanni macht das zu schaffen:


    La ci darem la mano...
    wörtlich: Dort wirst du mir die Hand geben...


    wird zu


    Reich mir die Hand, mein Leben...



    Deh vieni alla finestra...


    wird zu


    Feinsliebchen, komm ans Fenster...


    Madamina! Il catalogo e il questo
    delle belle che amo il padron mio.
    Un catalogo egli e che ho fatto io...
    Meine Dame! Dies ist das Verzeichnis
    der Schönen, die mein Herr liebte.
    Ein Verzeichnis, das ich selbst erstellte...


    wird zu



    Schöne Donna! Dieses kleine Register
    gibt von einigen Herzensgeschichten meines Herrn einen kleinen Prospektus.




    Biederer geht's nicht mehr? O doch:


    Fin ch'han dal vino
    calda la testa
    una gran festa
    fa preparar!
    Damit ihnen vom Wein
    der Kopf heiß wird,
    lass ein großes Fest
    vorbereiten!


    ist längst Legende:


    Treibt der Champagner
    das Blut erst im Kreise,
    dann gibt's ein Leben
    herrlich und hehr!


    Und das geht munter so weiter... :kotz:

  • Lieber Basti,


    Das italienische Original stimmt für Dich als Kenner. Wenn Du aber ein Programm für das breite Publikum publizieren musst, das werbewirksam sein soll, mußt Du die deutschen Titel nennen. Du kannst höchstens die italienischen in Klammer setzen. So schnöde ist die Welt.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Basti,
    das Problem beim Übersetzen an sich ist, daß die Worte in der anderen Sprache auch üblich sein sollen, wovon Übersetzer ein Lied zu singen wissen.
    Beim Libretto kommt noch ein mehrfaches an Problemen hinzu: die Anzahl der Silben muß die selbe sein, die Silben müssen mit der Melodie harmonieren und vieles andere mehr. Und
    das übersetze Libretto ist nicht zum lesen da sondern zum Singen.
    LG Michael

  • Es gibt schon bessere Übersetzungen, oder jedenfalls andere, etwa hier:


    "http://www.opera-guide.ch/libretto.php?id=251&uilang=de&lang=de"


    Für den Don Giovanni kann man z.B. eine recht gute in der Konwitschny-Inszenierung an der KO Berlin hören. Mit einigen Gags wie "selbst in Deutschland zweihunderteinundreißig" und, wenn ich recht erinnere, "Volontärinnen und Sekretärinnen" (statt Baronessen usw.) in der Registerarie. Auch die Dialoge/Rezitative geben die teils derben Anspielungen einigermaßen angemessen wieder. Aber die ist meines Wissen nur für den internen Gebrauch und nicht publiziert.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Basti,
    vielleicht sollte man die Originale auch korrekt wiedergeben, und nicht:


    Madamina! Il catalogo e il questo
    delle belle che amo il padron mio.
    Un catalogo egli e che ho fatto io...


    sondern:


    Madamina! Il catalogo è il questo
    delle belle che amò il padron mio.
    Un catalogo egli è che ho fatto io...usw usw usw



    und ferner:
    La ci darem la mano...
    wörtlich: (wenn schon) Dort wirst du mir die Hand geben...


    darem heißt: werden wir und nicht wirst du (die Hand uns reichen)


    LG Michael

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    ...
    Für den Don Giovanni kann man z.B. eine recht gute in der Konwitschny-Inszenierung an der KO Berlin hören. Mit einigen Gags wie "selbst in Deutschland zweihunderteinundreißig" und, wenn ich recht erinnere, "Volontärinnen und Sekretärinnen" (statt Baronessen usw.) in der Registerarie. Auch die Dialoge/Rezitative geben die teils derben Anspielungen einigermaßen angemessen wieder. Aber die ist meines Wissen nur für den internen Gebrauch und nicht publiziert.
    ...


    Peter Konwitschny scheint einer der wenigen Konsequenten zu sein, die sich über die Texte zu seinen Inszenierungen mehr als nur Gedanken macht. In seiner Grazer Verkauften Braut gab es auch eine extra für diese Inszenierung geschaffene Textfassung, in der es recht steirisch zuging.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Also ich finde die oftmals etwas schwülstigen dt. Übersetzungen gar nicht schlimm. Ist mir allemal lieber, als um jeden Preis 100%ig am Original zu bleiben, was dann z. T. unsingbar werden würde.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Mir ist folgende Übersetzung der Champagner-Arie geläufig:


    Auf denn, zum Feste!
    Froh soll es werden
    bis meine Gäste
    glühen vom Wein.


    Siehst du ein Mädchen
    nahen dem Garten,
    laß sie nicht warten,
    führ sie herein...usw.


    Die Libretto-Übersetzer müssen wohl den Kompromiss zwischen Sinnwahrung und Singbarkeit suchen und das ist meist sehr schwierig.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried