Ein Spitzenorchester steht und fällt mit dem Mann der vor dem Pult steht.

  • Gleich vorweg: den Threadtitel hab ich mir aus einem anderen Thread von Liebestraum geliehen (geklaut)


    Was kann ich denn dafür, daß all die schönen Titel anderen Leuten einfallen - und nicht mir ? :P


    Indes - ich habe das Potenzial erkannt....


    Es gibt Stimmen, die behaupten, der Dirigent an sich wäre weit überschätzt, jedes gute Orchester könne sich heutzutage selbst organisieren.
    Im Gegensatz dazu steht die oben angeführte Behauptung.


    Es gab immerhin Orchester, die ihren Ruf durch über 100 Jahre gehalten haben - gleichgültig wer da vorn am Pult stand.
    Andere wiederunm waren in der Tat von ihrem Chefdirigenten abhängig. Wenn der ging - oder starb - dann war der Nimbus dahin - und in der Regel auch der Ruhm....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich denke auch, daß es in der Tat zwei Kategorien zu unterscheiden gibt:


    1. Orchester, auf die das zutrifft.


    Hier würde ich u. a. die Münchner Philharmoniker nennen. Was waren sie vor Celibidache und Kempe, was werden sie nach Thielemann sein?


    Anderes Beispiel, noch gravierender: Das Münchener Bach-Orchester. Wird sich der eine oder andere wundern: Gibt es das überhaupt noch? Die Antwort ist: ja. Es ist nicht mit Karl Richter gestorben – aber meinen könnte man es. Dies mag sicher auch damit zusammenhängen, daß dieses Orchester untrennbar mit seinem Gründer Karl Richter verbunden war. Sein früher Tod, der ihm noch dazu die Möglichkeit nahm, einen adäquaten Nachfolger aufzubauen, bedeutete den Anfang von der Bedeutungslosigkeit.


    2. Orchester, auf die das nicht zutrifft:


    Hier wurden zurecht im anderen Thread die Wiener Philharmoniker an erster Stelle genannt. Hier haben wir ohnehin die Sondersituation, daß es seit Jahrzehnten keinen Chefdirigenten gibt, was dem Orchester vielleicht auch gar keine andere Wahl ließ, als auch ohne den und den Maestro "Spitzenklasse" zu spielen.


    3. Fälle, wo ich mir nicht sicher bin:


    Ich dachte an das Bayreuther Festspiel-Orchester. Vor zwanzig, dreißig Jahren hätte ich vielleicht gesagt: Egal, wer das dirigiert, es ist immer Spitzenklasse. Aber heute doch eher Ernüchterung (ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen :pfeif:).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sagitt meint:


    Ich will meine Erfahrungen mit der Kammerpfilharmonie Bremen hinzufügen.


    das Orchester ist vom Technischen her sehr gut. Dirigenten wie Norrington oder auch Järvi holen unglaublich viel aus dem Orchester heraus.


    Bei anderen sind sehr gut, teilweise nur gut, aber eben nicht hervorragend.


    Ein gutes Beispiel, wie sehr die Persönlichkeit des Dirgenten doch die Qualität der Wiedergabe beeinflusst.

  • Der Mann der vor dem Pult steht, muss kein Chefdirigent sein!


    Der Dirigent Fritz Reiner war im seinem letzten Lebensjahrzehnt Chef des Chicago Symphony Orchestra. Er machte dieses Orchester zu einem Weltklasse-Orchester. Nach seinem Tod hatte das Orchester nicht mehr dieses Format - trotz Solti u.a.


    Daneben dirigierte Reiner u.a. an der MET und bei den Wiener Philharmonikern ohne daselbst Chef zu sein, mit sensationellen Ergebnissen.


    Ähnliches gilt für Carlos Kleiber, der sich in den letzten Jahren an kein Orchester oder Opernhaus als Chef hat binden lassen. Aber egal wo er auftrat, ob in München, Wien, Bayreuth, Concertgebouw usw., immer entstanden hier exemplarische (fast unwiederholbare) Aufführungen.


    Ein Spitzenorchester (wie die Wiener Philharmoniker) braucht eigentlich keinen Chefdirigenten, solange genug erstklassige Gastdirigenten regelmäßig mit dem Orchester auftreten.


    Dies kann man auch bei den Berliner Philharmonikern beobachten. Die Philharmoniker bleiben ein Spitzenorchester trotz Rattle, da andere Spitzen-Dirigenten mit dem Orchester das Weltklasse-Niveau halten.


    Das Orchester der Bayreuther Festspiele setzt sich aus Orchestermitgliedern vieler Spitzenorchestern zusammen. Dieses Orchester konnte das Spitzen-Niveau nicht mehr halten, weil seit Jahren kein erstklassiger Dirigent mehr dieses zusammengwürfelte Orchester zusammenführen konnte. Auch in diesem Zusammenhang sieht man, wie schwach die Kapellmeister-Leistung Thielemanns in Wirklichkeit ist.


    Der fliegende Holländer (letzter erstklassiger Dirigent: Dennis Russell Davies, 1980)
    Tannhäuser (letzter erstklassiger Dirigent: Donald C. Runnicles, 1995)
    Lohengrin (letzter erstklassiger Dirigent: Antonio Pappano, 2001)
    Tristan und Isolde (letzter erstklassiger Dirigent: Daniel Barenboim, 1997)
    Die Meistersinger von Nürnberg (letzter erstklassiger Dirigent: Daniel Barenboim, 1999)
    Der Ring des Nibelungen (letzter erstklassiger Dirigent: Giuseppe Sinopoli, 2000)
    Parsifal (letzter erstklassiger Dirigent: Pierre Boulez, 2005)



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Der Dirigent Fritz Reiner war im seinem letzten Lebensjahrzehnt Chef des Chicago Symphony Orchestra. Er machte dieses Orchester zu einem Weltklasse-Orchester. Nach seinem Tod hatte das Orchester nicht mehr dieses Format - trotz Solti u.a.


    Hallo Liebestraum,


    ich gebe Dir Recht, das das Chicago SO unter Fritz Reiner schon ein Spitzen-Klangkörper war. Das Repertoire mit dem man das überprüfen kann ist aber auch nicht gerade riesengroß. Warum sollte das Orchester qualitativ nach Reiner in seinem Format eingebüst haben ? Ich finde das nicht !


    Erst bei Solti hat das Orchester gezeigt zu welchen Leistungen es fähig war und eine der fabelhaftesten Mahler - Sinfonien - GA herausgebracht. Aber dabei bleib es nicht, es folgten Referenzaufnahmen der Bartok-Orchesterwerke (die unter Reiner selbstredend auch mit dem CSO vorliegen(aber nicht alle)); dann drei mal alle Beethoven-Sinfonien (erste GA die alle Wiederholungszeichen beachtet); dann die spannende GA der Bruckner - Sinfonien (so sehr da auch Geschmacksfragen existieren - ich finde sie gehört zu den Besten); weiterhin die mustergültigen Brahms-Sinfonien; ganz groß die eingespielten Richard Strauss-Orchesterwerke und Liszt-Werke ... die Solti-Reihe könnte man weiter fortsetzen.


    Auch in Einzelaufnahmen mit den unterschiedlichsten Dirigenten bis heute hin zeigt sich das Orchester zu welchen Spitzenleistungen es nach wie vor fähig ist. Z.Bsp. Lutoslawsky: Konzert für Orchester und Sinfonie Nr.3, ja - sogar mit Barenboim ist vorbildlich. Das Orchester zeigt sich stets in Bestform.


    :] Das Chicago SO gehört zu minen Lieblingsorchestern. Wir als Hörer haben das Glück dies alles auf einem der klangbesten Label DECCA in teils audiophiler Form geboten zu bekommen - Super.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Hier würde ich u. a. die Münchner Philharmoniker nennen. Was waren sie vor Celibidache und Kempe, was werden sie nach Thielemann sein?


    Auf die Frage nach der Zeit davor kann ich antworten. Rudolf Kempe hatte durchaus Vorgänger von Graden: Oswald Kabasta, Hans Rosbaud und von 1949-1966 Fritz Rieger. Wilhelm Furtwängler hat übrigens bei den Münchnern sein Dirigentendebüt gegeben.


    Vor allem Rieger hat das Orchester in der Nachkriegszeit geprägt. Dieser Vollblutmusiker durch und durch hat leider nur wenige Platteneinspielungen gemacht, dafür aber eine große Fülle von Rundfunkaufnahmen, die im Archiv des BR schlummern.


    Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ohne Rieger wären die Münchner Philharmoniker nach dem plötzlichen Tod Kabastas und dem Intermezzo Rosbauds in der Nachkriegszeit abgewickelt worden. Unter den Münchner Orchestern hat man die Philharmoniker wohl als Schmuddelkinder angesehen. Unter Rieger hat das Orchester einen kräftigen Leistungssprung gemacht.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich finde auch, daß das Chicago SO – ebenso auch eines meiner liebsten Orchester – unter Soltis langer Stabführung (1969–91) ein Spitzenorchester blieb. Zurecht wurde in dem Zusammenhang auf die Mahler-Symphonien verwiesen, aber auch die beiden Beethoven-Zyklen (die sich offenbar in den USA viel höherer Wertschätzung erfreuen als in Europa) gehören zu den besten. Genauso würde ich seine zweiten "Meistersinger" von 1995 (wo er schon nicht mehr Chefdirigent des CSO war) orchestral zu den überzeugendsten Aufnahmen rechnen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich meinte mit meinen Äußerungen nicht, dass das Orchester unter Solti kein Spitzenorchester mehr gewesen ist. Allerdings war es unter Reiner eindeutig besser. Nicht umsonst sprach man ja vom Reiner-Sound.


    Sicher, vieles ist Geschmacksache. Aber gerade hinsichtlich der Einspielungen der Werke von Richard Strauss hat Reiner eindeutig die Nase vorn, im Vergleich zu Solti.


    Die letzten "Meistersinger" unter Solti würde ich keinem empfehlen. Orchestral klingt es hier sehr breit und unausgegoren.


    Selbstredend zählt für mich das Chicago Symphony Orchestra zu meinen liebsten Orchestern, schon deshalb, weil ja Reiner mein absoluter Lieblingsdirigent ist.


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Man sollte jedoch vorschichtig sein, ein Orchester auf seine Aufnahmen zu reduzieren. Sicherlich sind sie ein beredtes Zeugnis der Qualität, aber es gab und gibt "Vielaufnehmer" und dann große Dirigenten, die sich darum nicht so sehr gekümmert haben oder kümmern. Gerade Celibidache hat sich ja quasi mit Händen und Füßen gegen Aufnahmen gewehrt.
    Wir rutschen außerdem sonst schnell wieder in die beliebte HvK-Diskussion hinein.


    Gefährlich ist die Beurteilung anhand der Aufnahmen auch deshalb, weil von ca. 1955-90 einige wenige Dirigenten mit ihren Orchestern die Markthoheit besaßen und es deshalb sehr schwierig ist, die Konkurrenz adäquat zu bewerten. Hinzu kommt, dass gerade "Ost"-Orchester auf dem Plattenmarkt eher unterrepräsentiert waren, deren Qualität man erst jetzt regelmäßig erleben kann.


    Dennoch glaube ich, dass ein charismatischer Dirigent aus einem Orchester nochmal etwas herausholen kann.


    Dazu folgende Anekdoten:
    Zu Silvester 2006(?) war ich bei den MPHIL. Haenchen dirigierte die 9. von Beethoven. Das Publikum war gräßlich und im letzten Stz hatte man das gefühl, es wird jetzt schnell zu Ende gespielt, damit alle nach Hause können. Letztes Jahr dirigierte Thielemann und es war ein Erlebnis und nachdem er eine Husterin während des leisen Celli-Themas ganz böse angesehen hatte, waren die Hörer bis zum Ende mucksmäuschenstill. Es war, als habe man eine andere Sinfonie gehört.
    Ein ähnliches Erlebnis hatte ich in der Oper, als sich bei La traviate die weitgehend beschäftigungslosen Bläser ständig unterhielten und auf ihren Handys hantierten. Das hätten sie unter Nagano oder Mehta nicht gemacht.


    Es findet also eins zum anderen. Denn auch ein Jansons kommt bei einem durchschnittlichen orchester irgendwann an seine Grenzen. Das ist so wie mit 1. Liga und Landesliga. Da spielen die in der Jugend alle zusammen und im Erwachsenenbereich wird dann der eine mehr gefördert als der andere und erreicht ein anderes Niveau. Oder er kann dann doch nicht mithalten und wird ganz oben nicht genommen. Die bsten Orchester können sich eben auch die besten Musiker aussuchen und mit denen ist es auch etwas leichter für den Dirigenten, einen besonderen Klang zu entwickeln.

  • In Frankfurt gibt es ja das berühmt-berüchtigte Museumsorchester. Das ist eigentlich das Opernorchester, nur wenn es Konzerte im Rahmen der Museumskonzerte spielt, nennt es sich so aus Tradition. Als Opernorchester ist es mittlerweile wieder exzellent, als Museumsorchester macht es seinem Namen in aller Regel alle Ehre, leider. Sattsam bekannte Repertoirestücke werden in unerträglicher Belanglosigkeit hoch- und runtergespielt. Das Publikum ist in der Regel jenseits der 60 und wirkt auch sonst ziemlich scheintot. Aber ich habe Hoffnung, daß es bald ausstirbt und damit auch die überflüssigen Museumskonzerte endlich verschwinden.



    Gruß,
    Agon

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  • Die Qualität und das musikalische Niveau der Musiker prägen in erster Linie die Güte und Klasse eines Orchesters. Hohen Anteil daran haben auch die Konzertmeister. Durch die Fülle des Angebots an gut ausgebildeten Orchestermusikern sind heute sogar Orchester in der untersten Tarifklasse D ausgezeichnet besetzt.
    Neben der Qualität des Klangkörpers ist dann jedoch der Dirigent entscheidend. Er erzieht die Musiker, formt das Orchester, schafft im günstigen Fall ein spezielles Klangbild und gestaltet die Aufführung. Das Orchester ist gewissermaßen sein Instrument, dass er mehr oder weniger vollendet zum Klingen bringen muss.
    Orchester und Dirigent müssen also als Einheit perfekt zusammenwirken, wenn
    überdurchschnittliche musikalische Ergebnisse erreicht werden sollen.
    Übrigens gilt das für jeden Klangkörper und nicht nur für Spitzenorchester.
    Häufig erlebte ich von sogenannten Spitzenorchestern glatte, routinierte, uninspirierte Aufführungen während ich in der musikalischen Diaspora engagierte, mit Herzblut erfüllte und dadurch mitreißende Darbietungen von leider sogenannten "Provinzorchestern" und vor allem auch Jugendorchestern genießen durfte.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ein Sptzenorchester ist für mich ein Klangkörper, der für sich spricht, auch ohne dass ein Dirigent davor steht. Zum Beispiel die Wiener Philharmoniker, mit deren Leistung ich eigentlich immer zufrieden bin. Auch das Met-Orchester finde ich eigentlich immer gut, ebenso wie das Orchester der Bayreuther Festspiele. Im regionalem Bereich bin ich ein großer Fan von den Essener Philharmonikern, die mir schon manche Sternstunde im Aalto-Theater verschafft haben.
    Wenn ich das Beispiel Tosca aus New York von gestern Abend nehme, dann kann man sagen, dass Fabio Luisi, ein Dirigent, den ich nicht schlecht finde, nicht das Optimum aus dem Orchester herausgeholt hat bzw nicht immer alle Möglichkeiten dafür ausgenutzt hat. James levine hingegen kennt dieses Orchester in und auswendig und das hört man auch.
    Auch hört man wenn Soltesz in Essen am Pult steht oder ein Assistent. Trotzdem ist die Qualität des Orchesters gleich, aber selbst in einer guten Qualität gibt es Unterschiede.

  • Zitat

    Wenn ich das Beispiel Tosca aus New York von gestern Abend nehme, dann kann man sagen, dass Fabio Luisi, ein Dirigent, den ich nicht schlecht finde, nicht das Optimum aus dem Orchester herausgeholt hat bzw nicht immer alle Möglichkeiten dafür ausgenutzt hat. James levine hingegen kennt dieses Orchester in und auswendig und das hört man auch.


    Hier erhebt sich die Frage, was man eigentlich will, und wie man wertet.


    Was wäre wenn ich behauptete, daß der Unterschied zwischen Luisi und Levine wäre nicht einer, der durch die Kenntnis des Orchesters gegeben wäre, sonder vielmehr einer der unterschiedlichen Temperamente an sich ??


    Soll sagen, daß, was der eine als aufregenden Kontrast empfindet, der andere als hoffnungslose Übertreibung bezeichnet.
    Und hier sind wir schon wieder beim Thema Angelangt: Der Dirigent als Interpret bespielt das Instrument "Orchester"


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Der Dirigent als Interpret bespielt das Instrument "Orchester"



    Aber erst, nachdem er es zu seinem Instrument gemacht hat.


    Ich behaupte mal, ein schlechter Dirigent vor einem Spitzenorchester wird kaum Schaden anrichten.
    Und ein Spitzendirigent vor einem miesen Orchester wird überhaupt nichts ausrichten...



    :hello:
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Ich habe mir heute den Thread bis hierher durchgelesen und möchte fortsetzen.
    Allerdings nicht - wie bisher - sondern ein wenig gegenwartsorientiert, meinetwegen mit blick in die nahe Zukunft und in die nahe Vergangenheit.
    Welche Dirigenten der Gegenwart hätten heute das Potentioal ein Orchester zu formen und ihm seinen ganz persönlichen Charakter zu verleihen ?
    Mir fallen in diesem Zusammenhang immerhin drei Namen ein:
    Thielemann
    Norrington
    de Billy


    Aber es wird vermutlich weitere Dirigenten geben, die dieses Kaliber haben - wenngleich nicht allzuviele...(?)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Welche Dirigenten der Gegenwart hätten heute das Potentioal ein Orchester zu formen und ihm seinen ganz persönlichen Charakter zu verleihen ?
    Mir fallen in diesem Zusammenhang immerhin drei Namen ein …


    Und es gibt noch mehr Namen, von denen ich wage drei zu nennen:


    • Ivan Fischer – ich bin gespannt, was er als zukünftiger Chef mit dem DSO Berlin machen wird …
    die Aufnahmen mit dem Budapest Festival Orchestra haben einen sehr guten Ruf …


    • Thomas Dausgaard – dessen Interpretationen in der Regel eine besondere Frische aufweisen …


    • Robin Ticciati – zwar noch sehr jung; einige schöne Aufnahmen bei den Bambergern lassen hoffen …


    Es gibt noch mehr Namen … :pfeif:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Oh, mir fallen da einige Namen ein, auch wenn der eine oder andere hier nicht unbedingt wohlgelitten ist:


    1. Paavo Järvi, der die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zu einem der führenden deutschen Orchester der mittleren Besetzungsstärke gemacht hat (Beethoven-Zyklus),


    2. Steven Sloane, der die Bochumer Symphoniker als eines der ersten Symphonie-Orchester in Nordrhein-Westfalen etabliert aht (Mahler-Zyklus) mit immerhin der starken Kölner Konkurrenz (WDR-Sinfonie-Orchester, Gürzenich-Orchester),


    3. Daniel Barenboim, der die Staatskapelle Berlin zu einem führenden deutschen Bruckner-Orchester geformt hat.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vielleicht passt das jetzt nicht so ganz genau in diesen Thread,
    aber ich möchte doch auf die Nordwestdeutsche Philharmonie Herford und ihre unglaubliche Blütezeit unter Andris Nelsons verweisen!


    Andris Nelsons übernahm das Orchester 2003! Er war gerade 27 Jahre alt, aber er hatte bereits drei Jahre lang die Lettsche Nationaloper in Riga geleitet!
    In kürzester Zeit gelang es ihm, das Klangbild des Orchesters zu verändern und den Musikern Leidenschaft und Leistungswillen zu vermitteln.
    Die Nordwestdeutsche Philharmonie war immer ein solides und verlässliches Orchester aber unter ihm wurde es zu einem Klangkörper, der Musik nicht einfach aufführte sondern mit Leben erfüllte!
    Plötzlich klang das Orchester transparent und es entfaltete einen ungewohnten Farbenreichtum,
    konnte noch im zurückgenommensten Piano Fülle und Wohllaut verströmen und in den großen Steigerungen Kraft und Glanz entfalten.
    Vor allem hörte man plötzlich, dass die Musiker eine Vision hatten von dem was sie vermitteln wollten
    und es gelang ihnen, die musikalischen Verläufe nicht einfach nur nachzuvollziehen sondern auszuleuchten und zu durchglühen!


    Das waren tolle Erlebnisse in Herford, Minden, Detmold, Bad Salzuflen und anderen Orten in Ostwestfalen. Drei Spielzeiten lang!
    Ich habe nie zuvor erlebt, dass ein Dirigent in so kurzer Zeit die Qualität eines Orchesters ähnlich eindrucksvoll steigert und den Musikern eine ganz neue Vorstellung von ihrer Kunst und ihrer Mission vermittelt!


    DANKE ANDRIS NELSONS!











    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Vielleicht passt das jetzt nicht so ganz genau in diesen Thread,
    aber ich möchte doch auf die Nordwestdeutsche Philharmonie Herford und ihre unglaubliche Blütezeit unter Andris Nelsons verweisen!


    Andris Nelsons übernahm das Orchester 2003! Er war gerade 27 Jahre alt, aber er hatte bereits drei Jahre lang die Lettsche Nationaloper in Riga geleitet!
    In kürzester Zeit gelang es ihm, das Klangbild des Orchesters zu verändern und den Musikern Leidenschaft und Leistungswillen zu vermitteln.
    Die Nordwestdeutsche Philharmonie war immer ein solides und verlässliches Orchester aber unter ihm wurde es zu einem Klangkörper, der Musik nicht einfach aufführte sondern mit Leben erfüllte!

    @ Caruso41: Genau den wollte ich eigentlich auch nennen … :angel:


    aber man sollte auch denen die Namen lassen, die »Gehaltvolleres« dazu beitragen können … Prima! Passt genau in diesen Thread!! :!:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

    Einmal editiert, zuletzt von Maurice ()

  • Ich behaupte mal, ein schlechter Dirigent vor einem Spitzenorchester wird kaum Schaden anrichten.
    Und ein Spitzendirigent vor einem miesen Orchester wird überhaupt nichts ausrichten...


    Das ist eine Frage des Anspruchs. Wenn man nur mit absoluten Superlativen zufrieden ist, dann wird das Spitzenorchester mit dem schlechten Dirigenten vermutlich auch eine "schlechte" Leistung abliefern, auch denn die Musiker fehlerfrei spielen. Im umgekehrten Fall mag ein Spitzendirigent ein schlechtes Ensemble motivieren können, eine gute Leistung zu erbringen, die absolut betrachtet aber die zuvor genannte "schlechte" Leistung nicht erreicht. Und oft ist es auch eine Geschmacksfrage, ob einem Dirigent A mit Orchester B oder Dirigent C mit Orchester D lieber ist.

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  • Die Nordwestdeutsche Philharmonie war immer ein solides und verlässliches Orchester aber unter ihm wurde es zu einem Klangkörper, der Musik nicht einfach aufführte sondern mit Leben erfüllte!


    Dazu braucht es aber ein Orchester, das handwerklich in der Lage und gewillt ist, die Anweisungen des Dirigenten umzusetzen. Auch der beste Dirigent macht aus einem stümperhaften Instrumentalisten kein Genie.

  • Und es gibt noch mehr Namen, von denen ich wage drei zu nennen:


    • Ivan Fischer – ich bin gespannt, was er als zukünftiger Chef mit dem DSO Berlin machen wird …
    die Aufnahmen mit dem Budapest Festival Orchestra haben einen sehr guten Ruf …



    Lieber Maurice, der designierte neue Chefdirigent des DSO heißt Tugan Sokhiev. Ich werde ihn in wenigen Tagen beim Jubiläumskonzert des DSO das erste Mal erleben und kann mich dann vielleicht dazu äußern, ob er in diesen Thread hineingehört. Ivan Fischer wird Chef des Konzerthausorchesters Berlin. Über ihn äußerte sich der jüngst verstorbene Ehrendirigent des Orchesters Kurt Sanderling , dass er sich "keinen besseren wünschen" könne. Zu ihm bin ich ebenfallls gespannt, leider fehlte es dem bisherigen Chef Lothar Zagrosek, sicher ein fleißiger Arbeiter, am nötigen Charisma, um das Orchester weiter zu entwickeln.


    Viele Grüße aus Berlin


    :hello:


    timmiju

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Dazu braucht es aber ein Orchester, das handwerklich in der Lage und gewillt ist, die Anweisungen des Dirigenten umzusetzen. Auch der beste Dirigent macht aus einem stümperhaften Instrumentalisten kein Genie.


    Diese hypothetischen Aussagen sind praxisfremd. Die Ausbildung der Instrumentalisten ist heutzutage hervorragend und die Orchester können bei jeder Besetzung aus einem großen Pool erstklassiger Anwärter wählen, so dass es überhaupt keine "stümperhaften Instrumentalisten" mehr gibt. Es ist also letztlich in erster Linie eine Frage der Motivation, des Miteinander-Könnens und der zur Verfügung stehenden Zeit.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Dazu braucht es aber ein Orchester, das handwerklich in der Lage und gewillt ist, die Anweisungen des Dirigenten umzusetzen. Auch der beste Dirigent macht aus einem stümperhaften Instrumentalisten kein Genie.


    Keine Frage! Aber wie plötzlich Leben und Phantasie in das Musizieren dieses Orchesters kam, wenn Andris Nelsons am Pult stand, war einfach atemberaubend!


    Wer das nicht erlebt hat, kann sich das kaum vorstellen. Übrigens hat die gesamte deutsche Musikkritiker-Gilde schlicht und einfach von dem Wirken Nelsons in Ostwestfahlen nichts, aber auch rein gar nichts mitbekommen. Als er dann Chef in Birmingham wurde, sind sie dort hin geflogen und haben über seine Probebarbeit und seine Aufführungen berichtet. Herford oderr Bad Oenhausen, Minden oder Bad Salzuflen waren wohl nicht auf dem Schirm!


    Blamabel!



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!


  • Diese hypothetischen Aussagen sind praxisfremd. Die Ausbildung der Instrumentalisten ist heutzutage hervorragend und die Orchester können bei jeder Besetzung aus einem großen Pool erstklassiger Anwärter wählen, so dass es überhaupt keine "stümperhaften Instrumentalisten" mehr gibt. Es ist also letztlich in erster Linie eine Frage der Motivation, des Miteinander-Könnens und der zur Verfügung stehenden Zeit.


    :hello:


    Nein, so ist das ganz und gar nicht. Ein Musiker, wenn er das 35. Lebensjahr überschritten hat, ist quasi Zeit seines weiteren Lebens an das Orchester gebunden, bei dem er arbeitet. Natürlich sind die jungen Leute, die ein Probespiel gewinnen, in der Regel gut ausgebildet, aber sie bekommen eben nur eine Stelle, wenn diese frei ist. Dann gibt es z.T. über 100 Bewerbungen, was je nach Instrument deutlich variiert, am meisten bei den Flöten, am wenigsten bei den Bratschen. Deshalb gibt es weiterhin viele mittelmäßige Orchester, die mit ihren Musikern, die da schon zwanzig Jahre und länger sitzen und alles schon zigmal gespielt haben, eben leben müssen. Da kann auch ein Top-Dirigent nicht viel ausrichten. Ich weiß, wovon ich schreibe, da ich viele Jahre bei einem dieser Orchester tätig war, allerdings nicht als aktiver Musiker.


    Mit freundlichsten Grüßen


    :hello:


    timmiju

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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  • Nein, so ist das ganz und gar nicht. ...


    Du schreibst da an meiner Argumentation vorbei. Auch vor zwanzig Jahren waren Neuzugänge technisch ausreichend gut. "Stümper" gab es auch da nicht mehr, der Hase liegt woanders im Pfeffer. cavas Argument stimmt da einfach nicht (zumindest nicht für unsere Breitengrade). Das, was du ansprichst, fällt unter meinen Punkt Motivation. Wenn ein Musiker nur mehr seine Zeit absitzen will, muss man überlegen, wie man ihn aus seiner Lethargie herausholt. Da spielt auch der Anspruch des gesamten Orchesters eine Rolle. Will es einfach nur existieren, dann haben Verbesserungsbestrebungen einen schweren Stand, will aber die Überzahl gute Leistungen erbringen, steigt der Druck auf die paar tauben Nüsse ohnehin ziemlich an...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Der große Klemp war 1953 ein sehr kleines Würstchen: Sein Pass war eingezogen worden, denn er hatte als amerikanischer Staatbürger hinter dem "eisernen Vorhang" gewirkt, als Chef der Budapester Oper.
    (Geschichte nacherzählt nach Peter Heyworth: Otto Klemperer His Life and Times Vol 2 Seite 244 ff)
    Nun saß er in Amerika, ohne Pass und ohne Engagement, zumal er, der sich bei seiner Einreise Ende 1951 bei einem Unfall auf dem Flughafen die Hüfte gebrochen hatte, viele mögliche absagen musste.
    Also war er fast vergessen, bzw. die die ihn kannten, wußten nur zu genau von seinen Eskapaden in den 40igern.
    Daher waren Konzerte was ganz seltenes und dienten einzig einem Zweck, der Geldbeschaffung. Erschwert wurde das alles durch eine tiefe Depression, die den bipolaren Klemp voll erwischt hatte.
    Geholfen hat ihm in dieser schweren Zeit der damals noch sehr junge Ronald Wilford. (Einfach mal googeln!!)
    Er ermöglichte eine Anfrage des "Portland Symphony Orchestras" aus Oregon, ob er wohl ein Konzert übernehmen könnte, was eine Reise von ca. 3000 Meilen notwendig machen würde. Nach langem Zögern sagte Klemp zu.
    Er setzte Beethovens 7. aufs Programm, obwohl das Orchester diese Sinfonie noch nie gespielt hatte und nach der ersten Probe wollte er absagen: "Mit einem solchen Orchester kann ich kein Konzert geben!"
    Während der 2. Probe kam man zusammen und in der 3. hatte er sie "at his feet." Das Konzert muss ein riesiger Erfolg gewesen sein.
    Noch 30 Jahre später erinnerte man sich in Portland an dieses Konzert als eines der besten aller Zeiten in der Stadt.
    Nur Klemp soll wie immer zu Depressionszeiten ungnädig gewesen sein. Ein Oboist, der sich bei ihm für eine Patzer entschuldigte, wurde mit den Worten abgespeist. "Sie sollten sich nicht entschuldigen, sie sollten aufhören, zu spielen."
    Soviel dazu.
    Gruß S.

  • Ein Spitzenorchester steht und fällt mit dem Mann der vor dem Pult steht.




    Das sehe ich auch so. Die letzten 2 von mir gekauften DVD von Carlos Cleiber, seine Probenarbeiten in Stuttgart mit Orchestermitgliedern, die vorsichtig formuliert nicht mehr ganz jung waren, das hat doch was. Auf einer DVD mit Probenarbeiten von Böhm oder Solti war das nicht anders. Von Karajan, Wand und Bernstein will ich erst gar nicht reden. Wir sehen und/oder hören das fertige Produkt. Wenn Orchestermusiker erzählen, hört sich vieles ganz anders an. Letztens so bei den Wienern und Thielemann, die haben sich gefunden und passen einfach zusammen. Man mag's glauben oder nicht. Nur, es gibt auch Aufnahmen von Dirigenten mit verschiedenen Orchestern und ich kann mich nicht entsinnen, gehört oder gelesen zu haben, dass es zwischen diesen Aufnahmen keine Unterschiede gebe. Der Dirigent ist wohl in der Lager, dass Orchester zu einer Spitzenleistung zu motivieren, aber den Klangcharakter des Orchesters so zu verändern, dass kein Unterschied mehr hörbar wird (Furtwängler mit den Berlinern oder Wienern z.B.) wird es wohl nicht geben. Und das ist auch gut so.



    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Das angeschnittene Thema ist so vielschichtig, dass es unwürdig ist, dieses in ein paar Zeilen abzuhandeln. Man stelle sich vor, die Frage lautete: Ein Klassikforum steht und fällt mit seinem Administrator. Unerhört.


    Die Musiker, die heute von den Hochschulen kommen, sind unglaublich technisch versiert. Schwierigkeiten, die vor einer Generation nur von den Weltbesten ihres Fachs ohne Einbußen bewältigt wurden, schafft heute jeder, der ein halbwegs akzeptables Konzertexamen hinlegt.


    Zunächst mal: die 90 oder höchstens 120 Minuten im Konzert sind nur ein geringer Teil der Leistung des Chefdirigenten.


    Fangen wir mit den grundsätzlichen Themen an. Einstellung neuer Musiker. Der 1. Solooboist geht in den wohlverdienten Ruhestand. Über 100 Bewerbungen liegen vor. Was nun? Ein junger genialischer Musiker? Ein erfahrener Orchestermusiker, der bisher in einem "schlechteren" Klangkörper wirkte und nun aufsteigen will? Hat der Chefdirigent überhaupt ein Mitspracherecht (von Orchester zu Orchester verschieden)? Was "passt" ins vorhandene Oboenregister? Oder ist der Chef mit dem Klang des Oboenregisters unzufrieden und sucht ohnehin eine diesbzgl. Neugestaltung? Braucht man den technisch besten? Oder den klangschönsten? Und und und.


    Repertoirewahl, Programmgestaltung. Was setzt man aufs Programm? Welche Stücke fördern das Orchester? Womit kann am besten an den Schwachstellen des Orchesters gefeilt werden? Mit welchen Stücken kann sich das Orchester gut darstellen, was liegt ihm? Was ist in der (immer zu knappen) Probezeit überhaupt zu schaffen? Ach ja - da war doch noch ein Publikum mit seinen Wünschen ...


    Imagepflege des Orchesters. Womit kann das Orchester sich profilieren? Unterstützung lokaler Chöre? Oder lieber nicht? Arbeit an Gymnasien und Musikschulen? Oder ist die Zeit anderweitig besser investiert? Crossover-Experimente? Oder besser nicht? (BPO und Scorpions ... )


    Motivation der Orchestermusiker. Der eine liebt Brahms, der andere findet ihn todlangweilig. Oder Haydn. Oder Prokofiev. Wie kriegt man alle dazu, alles zu geben? Der Solocellist hat Eheprobleme, die zweite Flötistin hat ein krebskrankes Kind, der Bratschist links am dritten Pult wurde in der Generalprobe mit hartem Alkohol in der Orchestergarderobe erwischt. Das Orchesterbüro verlangt eine höhere Einstufung, hat mit Streik gedroht. In den lokalen Tageszeitungen waren zwei unangenehme Leserbriefe - zuviel Modernes, zuviel HIP-Einfluss, keine Pflege der Orchestertradition. Der Orchestervorstand will eine Stellungnahme verfassen. Eigentlich war der Kurs abgesprochen, das Commitment des Orchestervorstandes war klar - jetzt knicken sie ein.


    Und jetzt stehst Du vor dem Pult und sollst den Einsatz zum Kopfsatz von Brahms' 2. Sinfonie geben ...


    Ein Spitzenorchester steht und fällt mit dem Mann, der vorm Pult steht. Und womit steht und fällt dieser Mann?

  • Zitat

    Man stelle sich vor, die Frage lautete: Ein Klassikforum steht und fällt mit seinem Administrator. Unerhört.


    Ja - man stelle sich vor......
    Mir hat übrigens die erste - unkorrigierte Version des Beitrags besser gefallen. Vermutlich weil ich mir die dort angeschnittene Frage auch schon gestellt habe . Aber an sich ist es so, daß ein Klassikforum mit seinem Administrator (oder genauer gesagt "Betreiber") steht und fällt.



    Zitat

    Ein Spitzenorchester steht und fällt mit dem Mann, der vorm Pult steht. Und womit steht und fällt dieser Mann?


    Hier ist die Antwort relativ einfach.
    Vorerst möchte ich den gravierenden Unterschied zwischen einem Forenbetreiber und einem Dirigenten definieren, bzw den Unterschied seiner Möglichkeiten Und ich bleibe trotzdem hart am Thema.


    Der Forenbetreiber stellt eine Serviceleistung zur Verfügung - und die Mitglieder geniessen sie.


    man kann die Sache auch umgekehrt darstellen:


    Die Mitglieder eines Forums schreiben geistvolle Beiträge und unterstützen damit den Betreiber das Niveau des Forums hochzuhalten.


    In beiden Fällen ist die Sache gratis - und es fehlt eine der wichtigsten Antriebsfedern alles Tuns: Das Geld.


    Im Falle des Dirigenten und des Orchesters ist die Sache ungleich einfacher.
    Die Orchestermusiker werden dafür bezahlt, daß die die Wünsche des Chefdirigenten möglichst präzise erfüllen, tun sie das nicht, dann stehen dem Chefdirigenten (so er prominent ist und einen guten Vertrag hat ) zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung. Eine davon ist, die Musiker des Orchesters, die sich nicht seinem Musikverständnis verbunden fühlen - Stück für Stück auszuwechseln. Wenn ich mich recht erinnere, hat D. Zinman dies in Zürich realisiert, oder zumindest die Möglichkeit in einem Interview erörtert.
    Der Man am Pult steht und fällt nicht mit seinem Orchester - vor allem dann nicht, wenn er es nach seinen Wünschen umgestaltet. Das mag unsympathisch sein - gewiss. Aber waren nicht eigentlich alle "großen Dirigenten" im Prinzip unsympathisch? Weil sie sich nämlich nicht um die Probleme einzelner Musiker gekümmert haben, sondern diese im Fall des Falles ausgewechselt haben.
    Im Fall des Programmes oder der Gesamtlinie ist es lediglich wichtig, daß der Chefdirigent eine klare Linie vorgibt - und nicht von ihr abweicht - egal was Medien und Einflüsterer sagen. Hier möchte ich gerne Celibidache, Norrington und Thielemann als Beispiel nennen, auch Harnoncourt wäre hier zu nennen.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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