Na Sdarovje – russische Barockmusik

  • Vielleicht die interessanteste Fundgrube seit dem Fall des eisernen Vorhangs.
    Lange Zeit galt die Musik aus Russland aus der Zeit der Zaren Peters des Großen bis zu Katharina der Großen als eher unbekannt, ein weißer Fleck in der Musikgeschichte.


    Erst in den letzten beiden Jahrzehnten haben sich die Archive geöffnet und Stück für Stück wurde dieses „unbekannte Land“ entdeckt – von einer wirklichen Sichtung kann aber noch keine Rede sein, zu vieles ist noch immer in den russischen Archiven.


    (Meine Hoffnung ist ja vor allem, dass sie dort eine Abschrift der „Daphne“ von Heinrich Schütz entdecken, die angeblich auch in Russland aufgeführt wurde.)



    Doch verlief die russische Musikgeschichte völlig anders als im übrigen Europa.
    Die russisch Orthodoxe Kirche verbot das Komponieren weltlicher Musik, Komponisten standen also allein im Dienst der Kirche.
    Erst Zahr Peter der Große bemühte sich italienische und französische Musiker an seinen Hof zu holen. Doch schien ihm dies nur begrenzt gelungen zu sein, als er seine Regierung antrat war Russland noch im tiefsten Mittelalter.


    Peter der Große



    Seine Europareise die er im Jahre 1697 antrat um die großen Städte und die Höfe zu sehen veränderte seine Weltsicht vollkommen.
    Er legte die traditionelle russische Kleidung ab, und verbot das tragen der altrussischen Kleidung auch dem Adel und Volk.
    Die Bärte mussten ebenfalls ab, wer dem nicht nachkam musste eine hohe Steuer zahlen.


    Bei dieser Reise warb er nicht nur Architekten, Schiffbauer, Landvermesser und Intellektuelle an seinen Hof, sondern auch Musiker.


    Trotz seines großen Reichtums war sein Auftreten an den europäischen Höfen mit einer Mischung aus entsetzen und Erstaunen erlebt worden.
    Denkwürdigstes Ereignis war die Vorstellung des russischen Zaren vor dem französischen König Ludwig XV, der König war gerade 5 Jahre alt.
    Der Zar nahm das Kind auf den Arm – zum allergrößten Schrecken der Höflinge.
    Doch als der kleine König mit dem gewaltigen Schnurbart des Zaren zu spielen begann wandelte sich das Entsetzen in Rührung.



    Zar Peter war schon in seiner Jugend in Opposition zum Klerus gegangen, als dann der alte Patriarch starb, ließ er die Stelle unbesetzt.
    Dass er nun weltliche Musiker an den Hof nach Moskau und später nach St. Petersburg einlud, war ein kultureller Skandal.


    In dieser Zeit war es vor allem der Komponist Vasily Titov (c.1650-1715) der den Ton in der russischen Musik angab, und er war noch ganz der Tradition verpflichtet, komponierte als typisch altrussische Orthodoxe Kirchenmusik, die noch bis Heute in der Liturgie verankert ist.


    Bemerkenswert ist , dass auch der allwissende MGG sich über die russische Musik dieser Zeit lieber drückt und mit genauen Angaben eher sparsam ist.




    Elisabeth Petrovna Romanova


    Es waren dann vor allem die beiden Zarinnen Elisabeth Petrovna Romanova und Katharina II. die Große, deren Herrschaft dann durch bekanntere Namen in Sachen Musik geschmückt wurde.



    Katharina II.


    die beiden Kaiserinnen verpflichteten gleich eine ganze Schar ausländischer Komponisten an ihren Hof:
    Manfredini, Galuppi, Traetta, Paisiello, Cimarosa, Starzer...


    Der wohl erste russische Komponist, der eine eigenständige Musiksprache fand, war Maxim Berezovsky (1745-1777)
    Alle anderen Komponisten russischer Herkunft (Berezovsky ebenso) komponierten ausnahmslos eben jene orthodoxe Kirchenmusik.
    Seine Violinsonaten kann man wohl als die erste eigenständige russische Instrumentalmusik ansehen.


    Berezovsky stammte aus ärmlichen Verhältnissen, war aber dennoch als Sänger der Hofkapelle aufgenommen worden.
    Er studierte bei Baldasare Galuppi, der zu dieser Zeit in St. Petersburg weilte.


    In Italien studierte er wie Mozart und so viele andere Komponisten auch bei Padre Martini, dort konnte er auch mit seiner Oper „Demofoonte“ einen beachtlichen Erfolg verbuchen.
    Zurück in Russland litt er unter den höfischen Intrigen und verfiel immer mehr dem Alkohol.
    1777 setzte er seinem leben dann schließlich selbst ein Ende.


    Eine andere wichtige Gestalt war Dimitri Bortnyansky (1751-1825)
    Auch er komponierte eine gewichte Zahl von orthodoxer Kirchemusik, die noch Heute in der Liturgie gesungen wird.


    Bortnyanskys Leben glich dem von Berezovsky, auch er wurde schon früh in die Hofkapelle als Sänger aufgenommen, auch er studierte bei Galuppi.
    Auch er ging nach Italien um dort den letzten Schliff zu erhalten.
    Er schrieb mehrere erfolgreiche Opern „Alcide“ „Creonte“ „Quinto Fabio“ „le Faucon“ die er in den Theatern von Modena und Venedig aufführen konnte.
    In Russland wurde er Leiter des Chores indem er als Kind mitgesungen hatte.


    Ebenfalls noch zu erwähnen ist der Komponist Jewstignei Ipatowitsch Fomin (1761 – 1800)
    Er gilt als der wichtigste Komponist von Opern und dramatischen Ballette im Russland des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
    Auch er ging ins Ausland um bei den großen meister Padre Martini zu studieren, auch Johann Christian Bach und Christoph Willibald Gluck sollen seine Lehrer gewesen sein.




    Die Faszination geht vor allem durch die Kombination der traditionellen russischen Musiksprache mit der modernen europäischen Musik dieser Zeit aus.
    Man kann sich nur wünschen, dass dort in den nächsten Jahren noch viel mehr ausgegraben wird.