Jeffrey Tate (1943 - 2017)

  • Hier soll ein Dirigent gewürdigt werden, der es von Jugend an nicht leicht hatte und der trotzdem ein ganz Großer wurde:


    Tate, Jeffrey, * 28.4.1943 Salisbury; britischer Dirigent. Er studiert zunächst Medizin und praktiziert als Arzt im Saint-Thomas-Hospital in London, bevor er sich ganz der Musik widmet. Musik studierte er am Opera Center in London, war 1970 Korrepetitor bei Solti in Covent Garden, Assistent von H. v. Karajan in Salzburg, von J. Levine an der MET, von P. Boulez in Bayreuth und Paris sowie von J. Pritchard am Opernhaus Köln. Er trat als Gastdirigent an großen Opernhäusern und bei den Salzburger Festspielen auf. 1986-91 war er Erster Dirigent an der Covent Garden Opera in London. Nach einer langen und beispielhaften internationalen Karriere gilt er heute als einer der herausragenden Meister seines Fachs. Ab der Konzertsaison 2009/2010 wird er Chefdirigent der Hamburger Symphoniker.


    Meine erste Opern-Gesamtaufnahme mit Tate als Dirigenten war "Hänsel & Gretel", z.Zt. nur als Querschnitt im Handel:



    Er gilt ja auch als ein großer Wagner-Dirigent? Seine Aufführung des "Rings" mit dem Orchestre National de France wird als erste "Ring"-Aufführung der Geschichte von Australien übernommen, der Australian Opera von Adelaide.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Der neue Job von Jeffrey Tate in Hamburg wurde wohl vom Fernsehen zu Anlass genommen, dem Dirigenten ein Portrait zu widmen:


    Arte, Sonntag, 20. September 2009 um 06.00 Uhr/ NDR um 8.00 Uhr


    Aus eigener Kraft - Maestro Jeffrey Tate
    Regie: Benjamin Wolff, Peter Schlögl
    Autor: Peter Schlögl
    (Deutschland, 2008, 52mn) NDR


    Zitat

    Zu seiner Berufung fand er erst spät: Den Großteil seiner Kindheit verbrachte der Dirigent Jeffrey Tate wegen einer Körperbehinderung in Krankenhäusern und im Rollstuhl. Nach einer langen und beispielhaften internationalen Karriere gilt er heute als einer der herausragenden Meister seines Fachs. Ab der Konzertsaison 2009/2010 wird er Chefdirigent der Hamburger Symphoniker. Eine Dokumentation mit spektakulären Bildern und einfühlsamen Beobachtungen über ein rastloses Leben für die Musik.


    Er ist einer der großen Wagner-Dirigenten unserer Zeit, arbeitet mit den bedeutendsten Orchestern der Welt und hat seit Jahrzehnten einen glänzenden Ruf im Konzertbereich. Für seine Musik führt Jeffrey Tate aber auch ein Leben aus dem Koffer: ständig unterwegs, ein "Zigeuner der symphonischen Musik".
    Wo sein wirkliches Zuhause ist, kann er gar nicht sagen, bekennt er freimütig. Der Film begleitet den Dirigenten an einige aktuelle Stationen seiner Reisen: nach Neapel und Ravello, wo er vor einer grandiosen Open-Air-Kulisse mit dem Orchester des Teatro di San Carlo Musik von Richard Strauß und Richard Wagner aufführt und nach London in Erinnerungen an seine Kindheit und den Beginn seiner ungewöhnlichen Karriere.
    In Hamburg. Hier trifft er erstmals auf das Orchester, dessen neuer Chefdirigent er ab der Konzertsaison 2009/2010 sein wird: die Hamburger Symphoniker. "Die Zeiten, als Dirigenten noch Diktatoren waren, sind vorbei", sagt Jeffrey Tate. "Ich dirigiere, indem ich das Orchester davon überzeuge, dass ich liebe, was ich tue". Wie ihm das gelingt, zeigen die Filmemacher Benjamin Wolf und Peter Schlögl in diesem sehr persönlichen Porträt eines charismatischen Musikers.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Auf dieser schönen Doppel-CD befindet sich u. a. auch die selten gespielte "Columbus"-Ouvertüre von Richard Wagner, 1988 fabelhaft eingespielt vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Jeffrey Tate.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das freut mich führ ihn besonders, hatte ich gedacht er wäre in der Versenkung verschwunden.
    Ich erinnere mich an einige Aufnahmen von Haydn Sinfonien



    (es gibt mehrere, die hier abgebildete dient nur als Beispiel)


    und an eine IMO sehr klangschöne große C-Dur Sinfonie Nr 9 von Franz Schubert (natürlch von EMI gestrichen)


    Manche Dirigenten vermögen es ohne große Effekthascherei ein Orchester zum erblühen zu bringen. Jeffrey Tate vermag es....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Von den "Londoner Sinfonien" habe ich alle außer 102/104 (u.a., weil ich 93-98 mal in einem spottbilligen spanischen Duo gefunden hatte). Ich habe ein paar davon letzten Sommer, als sie im Projekt dran waren, gehört. Es sind schöne, transparente und frische Kammerorchesteraufnahmen. Einige Menuette waren mir zu langsam (sind sie aber immer außer bei ein paar HIPisten) und die gewichtigeren Stücke sind teils etwas leicht geraten. Besonders positiv habe ich eher die nicht so bekannten Stücke wie 93 und 96 in Erinnerung.
    Allerdings ist die Konkurrenz hier freilich so dicht, daß ich nicht weiß, ob man Tate unbedingt benötigt.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Leider kein Einzelfall, wenn CDs von Tate gestrichen sind. Wenn ich meine Regale betrachte, da gibt es viele Aufnahmen, die ich mal gekauft habe, die heute aber aus den Plattenläden verschwunden sind. Hier ein Beispiel, diesmal nicht EMI, sondern Philips (also Universal):


    Eine meiner liebsten "Hoffmänner" (Araiza):

    Aufnahme:1987/88/89, Dresden
    Dirigent: Jeffrey Tate
    Staatskapelle Dresden
    Rundfunkchor Leipzig
    Chorleitung: Jörg-Peter Weigle
    Kommentar: Kaye-Fassung mit Dialogen
    ( Philips CD: 422 374 2 )


    Andrès: Georges Gautier
    Antonia: Jessye Norman
    Cochenille: Georges Gautier
    Coppélius: Samuel Ramey
    Crespel: Boris Martinovitch
    Dapertutto: Samuel Ramey
    Frantz: Georges Gautier
    Giulietta: Cheryl Studer
    Hermann: Jürgen Hartfiel
    Hoffmann: Francisco Araiza
    La Mère d'Antonia: Felicity Palmer
    La Muse: Anne Sofie von Otter
    Lindorf: Samuel Ramey
    Luther: Rolf Tomaszewski
    Miracle: Samuel Ramey
    Nathanaël: Peter Menzel
    Nicklausse: Anne Sofie von Otter
    Olympia: Eva Lind
    Pitichinaccio: Georges Gautier
    Schlemihl: Jean-Luc Chaignaud
    Spalanzani: Riccardo Cassinelli


    In jedem Fall eine sehr hörenswerte Aufnahme!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Allerdings ist die Konkurrenz hier freilich so dicht, daß ich nicht weiß, ob man Tate unbedingt benötigt.


    Ohne Jeffrey Tate zu nahe treten zu wollen denke ich, daß das sein Hauptproblem ist.


    Die EMI hat ihn in den 80ern zahlreiche Werke aufnehmen lassen (ich erinnere mich z.B. noch an eine Missa Solemnis oder Beethovens Violinkonzert mit Frank Peter Zimmermann oder eine 9. Sinfonie von Anton Bruckner), aber nach ein "paar Jahren Hype" ist er vom Plattenmarkt und somit aus dem Focus der größeren Öffentlichkeit entschwunden.


    Somit teilt er das Schicksal etwa eines Charles Dutoit, Herbert Blomstedt oder Eliahu Inbal.


    Jeffrey Tate hat unlängst ein sehr stark beachtetes "Antrittskonzert" bei den Hamburger Symphonikern gegeben. U.a. erklang Bruckners 2. Sinfonie.


    Den "nicht-Hamburgern" sei angemerkt, daß die Hamburger Symphoniker keinen solch renommierten Ruf haben wie die Kollegen des NDR-Sinfonieorchesters oder des Philharmonischen Staatsorchesters. Sie sind kein "A-Orchester" (also der höchsten Besoldungsstufe), wenngleich das weder negativ gegenüber der Qualität des Orchesters noch dem Engagement Tates gemeint ist.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Eine meiner Lieblings-Aufnahmen von Jeffrey Tate ist Mendelssohns "Sommernachtstraum", den die EMI 1990 in Rotterdam mit dem dortigen Orchester aufgenommen hat - mit Lynne Dawson, Sopran und Susanne Mentzer, Mezzo.
    Ein A-Orchester ist das Rotterdamer wahrscheinlich auch nicht, aber die Aufnahme gefällt mir trotzdem außerordentlich gut.
    Natürlich hat die EMI die CD (mit ausführlichem, mehrsprachigen Booklet und allen Texten) längst wieder gestrichen.


    Vom Plattenmarkt verschwunden - wie Norbert schrieb - ist er trotzdem nicht, da die holländische Billig-Marke "Brilliant Classics" die Aufnahmen erworben und neu veröffentlicht hat:



    So bleiben die Aufnahmen wenigstens greifbar - wenn auch ohne das schöne Booklet mit den Texten - dafür zum niedrigen Preis!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat von Norbert

    Ohne Jeffrey Tate zu nahe treten zu wollen denke ich, daß das sein Hauptproblem ist.


    Die EMI hat ihn in den 80ern zahlreiche Werke aufnehmen lassen (ich erinnere mich z.B. noch an eine Missa Solemnis oder Beethovens Violinkonzert mit Frank Peter Zimmermann oder eine 9. Sinfonie von Anton Bruckner), aber nach ein "paar Jahren Hype" ist er vom Plattenmarkt und somit aus dem Focus der größeren Öffentlichkeit entschwunden.


    Was ich recht schade finde. Ich könnte zwar keine "Hammeraufnahme" mit ihm benennen, aber z. B. seine Beethoven VII ist recht typisch: Unspektakulär. Schon fast unauffällig. Aber irgendwie so "richtig", akribisch musiziert, dass ich mir diese Aufnahme immer wieder gerne anhöre. Ähnlich wie sein Mozart.
    Selbst seine Bruckner XI ist gar nicht übel. Da hat er allerdings das Problem erschlagender Konkurenz in meiner Sammlung. ;-)
    Von Beethoven hätte ich wirklich gerne mehr unter seinem Dirigat. Aber leider gibt es wohl nur die Siebte.


    Mit den Hamburgern habe ich die online verfügbare Probe der Unvollendeten Schuberts gehört und war sehr angetan. (Ich wusste gar nicht, dass Tate beinahe perfekt Deutsch spricht.) Hoffentlich erscheint davon was auf einem Tonträger?!

  • Ich habe mir heute die Sendung im Fernsehen angeschaut:


    Aus eigener Kraft - Maestro Jeffrey Tate
    Regie: Benjamin Wolff, Peter Schlögl
    Autor: Peter Schlögl
    (Deutschland, 2008, 52mn) NDR


    Und ich war doch ziemlich erschüttert, als ich den Dirigenten mit seiner schweren Behinderung sah. Da wurde mir klar, warum der Autor den Titel "Aus eigener Kraft" gewählt hat. Bewundernswert, was dieser Künstler, der den größten Teil seiner Jugend in Krankenhäusern und im Rollstuhl zugebracht hat, an Energieleistung aufbringt! Hut ab!!


    Zitat

    (Ich wusste gar nicht, dass Tate beinahe perfekt Deutsch spricht.)


    Das kommt daher, dass sein Lebensgefährte Deutscher ist. Außerdem hat er viel mit dem Bayerischen Rundfunkorchester in München gearbeitet.


    Was die Verpflichtung in Hamburg betrifft, so kann mann ihm nur die Daumen drücken. Wenn das NDR-Orchester in die neue Elbphilharmonie umzieht, werden Jeffrey Tate's Hamburger Symphoniker "Orchestra in Residence" in der Laeiszhalle - damit sind ja wohl die Voraussetzungen für ein Spitzenorchester gegeben!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Norbert
    Den "nicht-Hamburgern" sei angemerkt, daß die Hamburger Symphoniker keinen solch renommierten Ruf haben wie die Kollegen des NDR-Sinfonieorchesters oder des Philharmonischen Staatsorchesters. Sie sind kein "A-Orchester" (also der höchsten Besoldungsstufe), wenngleich das weder negativ gegenüber der Qualität des Orchesters noch dem Engagement Tates gemeint ist.


    Die Verpflichtung von Jeffrey Tate macht sich für die Orchestermitglieder bezahlt. Wie die Presse der Hansestadt meldet, sind die Hamburger Symphoniker auf dem Weg zum Firstclass-Orchester. Mit ihrem neuen Tarifvertrag beschreiten sie in Sachen Lohnbestandteile neue Wege.


    Das von Chefdirigent Jeffrey Tate geleitete Ensemble hat seit Anfang d. Mts. einen neuen Haustarifvertrag, der erstmalig Sondervergütungen für "freiwillige Leistungen" vorsieht, die über die normalen dienstlichen Pflichten hinausgehen. Der Tarif sieht ausserdem flexible Arbeitszeiten vor.


    Wie weiter oben schon gemeldet, sollen die Hamburger Symphoniker zum Residenzorchester der Laeiszhalle werden. Sie sind neben dem NDR Sinfonieorchester, der Philharmoniker Hamburg, dem Ensemble Resonanz, der Hamburger Camerata und dem Landesjugendorchester einer der offiziellen Klangkörper der Stadt.


    Das Konzertprogramm findet ihr hier.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Harald Kral


    Der Tarif sieht ausserdem flexible Arbeitszeiten vor.


    Das haben die Musiker offenbar schon verinnerlicht:
    "Das Konzert der Hamburger Symphoniker [am 8.12.] konnte nicht rechtzeitig anfangen, weil ein Orchestermitglied leicht verspätet auf die Bühne der Laeiszhalle hetzte: Ausgerechnet der Stimmführer der Bratschen" [Hamburger Abendblatt]


    Das kann ja dann in Zukunft was werden... :D

  • Es ist richtig, die Hamburger Symphoniker galten stets als das 3. Orchester in Hamburg. Aber vielleicht haben sie sich deshalb schon immer ein bißchen mehr einfallen lassen müssen als die Konkurrenz vom NDR und dem Philharm. Staatsorchester (das Orch. der Hamburg Staatsoper) Nun bin ich bisher zwar kein so großer Jefrey Tate Fan...aber der Kulturlandschaft Hamburg tut mehr Wettbewerb in jedem Falle gut. Von den vielen RING-Zyklen die ich seit 1969 gesehen habe, hatte Tate in Köln (vor 3 Jahren) nicht nur die breitesten Tempi, sondern sein Dirigat hatte für mich insgesamt zu wenig Binnenspannung, es gab zu wenig Kontraste in den einzelnen Teilen. Ich fands zum Teil langweilig dirigiert. Da ich ich 1962 dieses Hamburger Orchester zum ersten Mal gehört habe, möchte ich doch ein bißchen von einigen Konzerten erzählen, die ich noch in Erinnerung habe...und die aus meiner Sicht auch schon damals ein Qualitätssiegel waren. Der Pianist war Anfang 30, spielte 1964(?) unter Gabor Ötvös Beethovens 5. Klavierkonzert in Es-Dur. Ich glaube, es war das 1. Mal, dass ich es live hörte und es war eine Offenbarung, obwohl ich von der Platte schon Interpretationen von Richter-Haaser, Jakob Gimpel, Kempf, Backhaus und R. Serkin kannte. Die kühlen Hamburger jubelten, das Abendblatt schrieb von einem neuen Stern am Pianistenhimmel. Günther Jauch würde fragen: war es a) Oscar Peterson b) Liberace c) Alfred Brendel d) Richard Cleyderman oder e) Artur Rubinstein. ??? Da gab es eine sehr barock-architektonische 5. Bruckner mit Kurt Eichhorn, Carlo Zecchi dirigierte Respighi und Martucci, Julian van Karolyi spielte Liszt 2. Klavierkonzert, Stefan Askenase Chopins 1.Konzert. Mario Rossi erinnere ich mit der Ouvert zur Diebischen Elster, einer schlanken, wunderbar atmenden 3. Schubert Symphonie, Edith Peinemann spielte das Beethoven Konzert und Riccardo Ricci Paganini und Busoni. Ich werde mal meine Programme von damals aufstöbern, dann kommt sicherlich einiges wieder ins Gedächtnis zurück. Ich weß noch, daß ich die Hary Janos-Suite von Kodaly damals sehr modern fand (für meine jugendlichen Ohren)
    Hummel Hummel................."Titan"
    P.S. Auch die 1. Mahler hörte ich mit den Symphonikern das allererste Mal. Der Untertitel dieses Werkes stand Pate für meinen Namen für dieses Klassik Forum.

  • [timg]http://www.ilsole24ore.com/art…frey%20Tate.jpg;l;200;250[/timg]

    In drei Tagen wird Jeffrey Tate seinen 70. Geburtstag feiern können. Auch wenn er relativ gesehen immer nur in der "zweiten Reihe" stand, ist er einer meiner geschätzten Dirigenten. Als ich ihn vor einigen Monaten live an der Wiener Staatsoper beim "Rosenkavalier" sah, war er m. E. das Highlight des Abends. Sichtlich gezeichnet von Alter und Krankheit, bewegte er sich, auf einen Stock gestützt, zum Podium, wo er einige Mühe hatte, dieses zu erklimmen. Und kaum begann die Oper, war er wie verwandelt. Sehr impulsiv und stellenweise auch sehr energisch das Dirigat. Am Ende erhielt er besonders viel Applaus. Ich würde ihm wünschen, dass er in den erlauchten Kreis der englischen Dirigenten mit Ritterschlag aufrückt. Der Siebzigste wäre doch ein guter Anlass dafür. Commander of the Most Excellent Order of the British Empire ist er bereits; die nächste Stufe, der Knight Commander, beinhaltet den "Sir"-Titel.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe Jeffey Tate in meiner Jugend gehört - ohne von seiner Behinderung etwas zu wissen.
    Und es war mir klar: Das ist ein Dirigent, der in meiner Sammlung nicht fehlen darf.
    Irgendwann ist er mir dann aus den Augen geraten - so habe ich derzeit nur 5 Aufnahmen mit ihm.
    Sein Problem war (aus meiner Sicht), daß er quasi kein "Stammlabel" hatte, er nahm für etliche auf - und wurde daher von keiner Firma wirklich PR-wirksam beworben. Dennoch würde ich ihn in die erste - und KEINESFALLS in die zweite Reihe stellen. Man beachte einerseits seine Vielseitigkeit, andrerseits die Künstler und Orchester mit denen er zusammenarbeitete.
    Auch die Anzahl an Aufnahmen kann sich sehen lassen (einiges ist leider derzeit gestrichen) - genau so wie die Qualität....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Neben der oben erwähnte GA "Hänsel und Gretel" und einigen Haydn-Aufnahmen habe ich seit Jahren diese referenzwürdige Gesamtaufnahme der Mozart-Klavierkonzerte mit Mitsuko Uchida:

    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sagitt meint:


    Nicht unerwähnt bleiben sollte seine Wiedergabe des Beethoven-Konzerts mit Frank Peter Zimmermann. Dieser geigte höchst intensiv, ganz klar in der Spitzenklasse und wurde von TATE angemessen begleitet. Das ist kein revolutionärer Beethoven, aber einer ohne falschen Pomp.
    Gleiches kann man schreiben zu seiner Wiedergabe der Missa Solemnis, mir neben Gardiner die liebste. Er ist nicht so kantig wie Gardiner, aber meidet auch hier jeden Pomp, sein Chor ist excellent und die Solisten auch, man höre Frau Meier im et incarnatus est (eine Gänsehautstelle!).

  • Er feiert heute seinen 70. Geburtstag:



    Jeffrey Tate (* 28. April 1943 in Salisbury, England), englischer Dirigent.
    Chefdirigent der Hamburger Symphoniker. Daneben dirigiert er heute an den führenden Opernhäusern und Festivals der Welt ein breites Repertoire mit Schwerpunkten auf den Werken von Strauss, Mozart, Wagner und französischen Opern.


    Happy Birthday! :jubel::jubel::jubel:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Das mit der "zweiten Reihe" entspricht keineswegs meiner eigenen Meinung. Nur ist der Name Tate wohl tatsächlich eher einer, der nicht sofort fällt, wenn es um heutige Dirigenten geht (womit er natürlich in illustrer Gesellschaft mit anderen ist, die eigentlich auch in die "erste Reihe" gehörten).


    Seine Vielseitigkeit ist tatsächlich interessant, da sein Mozart und Haydn genauso überzeugend klingen wie sein Wagner, Strauss oder Sibelius. Wie ich soeben feststellen konnte, hat er auch Beethoven, Schubert und Bruckner eingespielt.


    =>


    Ein Problem bei Tate mag sein, dass es kaum Gesamtaufnahmen von ihm gibt. Beethovens Siebte, Schuberts Große, Bruckners Neunte — mehr Aufnahmen der jeweiligen Komponisten sucht man vergeblich (vielleicht gibt's aber Mitschnitte).


    Die größten zusammenhängenden symphonischen Veröffentlichungen scheinen die Mozart-Symphonien und die Londoner Symphonien von Haydn zu sein:


    =>



    Einiges ist nur mehr gebraucht erhältlich.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Tate, Jeffrey, * 28.4.1943 Salisbury; britischer Dirigent. Er studiert zunächst Medizin und praktiziert als Arzt im Saint-Thomas-Hospital in London, bevor er sich ganz der Musik widmet. Musik studierte er am Opera Center in London, war 1970 Korrepetitor bei Solti in Covent Garden, Assistent von H. v. Karajan in Salzburg, [...]


    Unter anderen sorgte Tate m.W. für die Cembalo-Begleitung in Karajans etwas verunglücktem Don Giovanni:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Unter anderen sorgte Tate m.W. für die Cembalo-Begleitung in Karajans etwas verunglücktem Don Giovanni:


    Was soll daran verunglückt sein? Ich würde auch gleich das Salzburger Video nehmen, live mit Bild ist doch ein echtes Plus, aber auch ohne müsste das einer der besseren Don Giovannis der letzten Jahrzehnte sein.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • ich empfand diese Inszenierung als eine der schönsten überhaupt. Was immer man an Einwänden bringen mag - und es gibt mit sicherheit welche - ich fand z. B den schluß nicht unbedingt ideal - aber von "verunglückt" - egal welchen Grades - ist dieser Don Giovanni weit entfernt. Wo bekommt man heute noch sowas zu sehen? Gemessen am meisten was heutzutage geboten wird ist diese Aufnahme geradezu anbetungswürdig...



    Freundliche Grüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was soll daran verunglückt sein? Ich würde auch gleich das Salzburger Video nehmen, live mit Bild ist doch ein echtes Plus, aber auch ohne müsste das einer der besseren Don Giovannis der letzten Jahrzehnte sein.


    Eigentlich neige ich sogar dazu, zu behaupten, es sei ein guter Don Giovanni ... allerdings kam er ein bis zwei Jahrzehnte zu spät. - Aber von Anfang an: Ich habe mir diese Einspielung damals kurz nach Erscheinen (für einen echten Batzen Geldes) gekauft. Das war zu einer Zeit, wo eine solche Produktion nicht nur auf CD, sondern gleichzeitig auch noch auf LP und sogar MC erschien. Weiter kann ich mich an einen für den Klassik-Bereich massiven "Werbefeldzug" erinnern: Plakate, Aufsteller etc.; ein Aufwand, der heute kaum noch betrieben wird. Meinem Gefühl nach eine der letzten (Studio-)Produktionen der DGG, für die nochmal richtig Kohle in die Hand genommen wurde. Und natürlich kann sich das Ergebnis sehen lassen! - Die Besetzung dürfte einer der besten gewesen sein, die damals zu bekommen war. Die musikalische Leistung eigentlich durchweg gut bis sehr gut! Einem Vergleich z.B. mit Giulinis Don Giovanni kann Karajan durchaus standhalten.


    Wo ist also das Problem?


    Das Problem ist, dass Mozart eben nicht Verdi ist. Diese Einspielung ist m.E. in ihrer musikalischen Sattheit und Größe ein Anachronismus, der sich mit der aufkommenden historischen bzw. historisch informierten Aufführungspraxis messen lassen musste; vielleicht ungerecht, aber wohl unvermeidlich. Und so war der Erfolg (im Verhältnis zum Aufwand) damals eher bescheiden; erst jetzt fast 30 Jahre später scheint mir die Haltung gegenüber diesem letzten übergroßen Don Giovanni wieder offener zu werden.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Es hat den neuen Herren des EMI Backkatalogs gefallen die Gesamtaufnahme aller Mozart-Sinfonien unter Jeffrey Tate wieder dem Klassikhörer verfügbar zu machen (Ehrlich gesagt - die EMI-Marktstrategen haben diese Aufnahme scheinbar so gut versteckt, daß ich nicht mal wusste, daß sie existiert) Das noch dazu zu einem Preis, der die Budgetlabels das Blut in den Adern gefrieren lassen wird - selbst bei diesen subtropischen Temperaturen (Wien bis zu 38° diese Woche) Für 12 CDs bezahlt man nur 32.99 Euro, weniger als 3 Euro pro Stück.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Unter anderen sorgte Tate m.W. für die Cembalo-Begleitung in Karajans etwas verunglücktem Don Giovanni


    Und wieder das berühmte Haar in der weichgekochten Karajan-Suppe. - Wer sagt denn, daß sich diese Interpretation mit der Jahrzehnte später aufgekommenen historischen Aufführungspraxis messen lassen sollte? Was hätten wohl Furtwängler, Klemperer, Knappertsbusch, auch Böhm (!) von einer Harnoncourt-Version gehalten? Da wären wohl einige Götz-Zitate gefallen!


    Als sich nach einer Jupiter-Sinfonie im Wiener Musikverein Marcel Prawy zu Wort meldete, sagte er sinngemäß: Stellen Sie sich vor, Mozart wäre wiederauferstanden und hätte diese Aufführung gehört. Ich bin davon überzeugt, er hätte vor Begeisterung beinahe einen Herzanfall bekommen.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • (Ehrlich gesagt - die EMI-Marktstrategen haben diese Aufnahme scheinbar so gut versteckt, daß ich nicht mal wusste, daß sie existiert)

    Lieber Alfred,


    womit sich wieder eindrucksvoll beweisen lässt, daß lesen bildet ;) .


    Findige Taminoraner(innen) sind schon seit dem 16. Juni informiert... :yes:

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Und wieder das berühmte Haar in der weichgekochten Karajan-Suppe. - Wer sagt denn, daß sich diese Interpretation mit der Jahrzehnte später aufgekommenen historischen Aufführungspraxis messen lassen sollte? Was hätten wohl Furtwängler, Klemperer, Knappertsbusch, auch Böhm (!) von einer Harnoncourt-Version gehalten? Da wären wohl einige Götz-Zitate gefallen!

    Dir ist aber schon aufgefallen, dass ich die Aufnahme in meinem erklärenden Beitrag mehr verteidige, als kritisiere?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich kenne von Tate nur diese Aufnahme - und die ist großartig.
    Monteverdis Ulisse in der Bearbeitung von Hans-Werner Henze (in meinen Augen Henzes bestes Werk).

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Dir ist aber schon aufgefallen, dass ich die Aufnahme in meinem erklärenden Beitrag mehr verteidige, als kritisiere?


    Automatischer Beißreflex


    Mozart hatte den "Giovanni" als Dramma giocoso (eigentlich ein Widerspruch in sich) bezeichnet. Nun gibt es Dirigenten, die das Drama auf Kosten des "giocoso" hintanstellen. Karajan war einer der wenigen, die nicht in diese Falle gerieten.


    Daß Du Deine Kritik teilweise zurücknahmst, ist aller Ehren wert - danke. Mir aber ging es eigentlich darum, aufzuzeigen, daß Karajan, warum auch immer, für einige wirkt wie ein rotes Tuch und allein die Erwähnung seines Namens bei diesen Personen einen irrealen automatischen Beißreflex auslöst.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose