Requiescat in pace - Verblichene Klassiklabel und was wir mit ihnen verloren haben

  • Liebe Forianer


    Immer wieder wird - vor allem in Spezialbereichen der klassischen Musik - aber nicht ausschließlich - der Abgang von einst namhaften Klassiklabeln beklagt. Aber selbst noch bestehende haben sich "ins Krankenzimmer" zurückgezogen und vegetieren dort mehr oder weniger vor sich hin.


    Halten wir Rückschau was wir mit ihnen verloren haben.
    Freuen wir uns aber andrerseits auch was uns von ihnen verblieb.
    Wenn ein Label einen Künstler forcierte, der hiedurch berühmt wurde, und dieser Künstler konne sich zu einem anderen Label retten, dann kann man das nicht als "Totalschaden" werten, sondern man hat ein Stück Vergangenheit gerettet . Und letztlich ist es ja die Aufgabe der Tonträger Gegenwärtiges für die Zukunft zu konservieren, bzw Vergangenes für uns hörbar zu machen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Westminster:
    hauptsächlich Scherchen in den 1950er bis 1960er Jahren, teils auch Badura-Skoda u.a. Der Katalog ist anscheinend irgendwie bei der DG gelandet, die einiges zur LP-Zeit auf "Heliodor" herausgebracht hat. Leider ist vieles gar nicht erhältlich, oder nur in fragwürdigen Überspielungen auf Labeln wie "Andromeda" u.ä.
    Die Produktionen waren oft nicht klinisch perfekt, da wohl mit wenig Geld in großer Eile eingespielt. Aber Scherchen war einer der größten Dirigenten des Jahrhunderts, wenn auch oft eigenwillig und es lohnt sich jedenfalls die Einspielungen von Beethoven, Mahler, Bach und auch Haydn zu suchen.
    Leider sind die Passionen schon ewig nicht mehr erhältlich, Beethovens Ouverturen gar nicht, die Sinfonien nur teils in ordentlicher Überspielung. Bachs und Händels Concerti nur gebraucht für sehr teures Geld.
    Was es an Kammermusikaufnahmen (meist mit traditionellen Wiener Ensembles) überhaupt alles gab, überblicke ich allerdings nicht.


    Vox
    gibt es zwar noch irgendwie und einiges davon ist auch anderswo gelandet, aber übersichtlich ist die Situation nicht gerade. Brendels frühe Aufnahmen kriegt man wohl bei Brilliant, die Kammermusikaufnahmen des Labels, u.a. mit dem Fine Arts Quartett sind aber wohl nie auf CD erschienen. Frühe Aufnahmen Klemperers, Horensteins u.a. geistern teilweise noch durch die Anbieterkataloge


    Vanguard
    Auch hier weiß ich nicht genau, ob tot oder untot. Die Brüder Maynard und Seymour Solomon gründeten das Label und bedienten (neben Folk) viele Nischenrepertoire: z.B. Alfred Dellers Aufnahmen von alter englischer Musik, aber auch übliches Repertoire. In den 90er gab es dann auch neue Aufnahmen, etliches mit HIP-Ensembles.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • NOVA


    Ein DDR-Label, das sich auf zeitgenössische Musik der DDR spezialisiert hatte. Teilweise Wiederveröffentlichungen älterer ETERNA-Platten, besonders aus der Reihe "Unsere Neue Musik". Meine Lieblingsplatte davon "Landschaften" von Friedrich Schenker.


    ETERNA


    Ebenfalls DDR-Label. Ein Riesengemischtwarenladen, der das gesamte E-Musik-Repertoire abgedeckt hatte, inkl. aller lizensierten Übernahmen der Westlabel EMI und DGG (DECCA kam meines Wissens nach nicht vor) sowie der Ostblocklabel Melodija und Supraphon. Fabelhaft hier: die Serie "Unsere Neue Musik" Jede einzelne LP in einem Klappalbum mit gründlichem und sorfältig gemachtem Beiheft. Diese Bestände schlummern nun wie diejenigen von Nova bei BMG.


    Concert Hall


    Ein Plattenclub-Label aus den 1950er/1960er Jahren mit Sitz in Frankfurt. Wie bei ETERNA ein bunter Mix von Eigenproduktionen und Zukäufen. Erwähnenswert hier: die GA der Klaviertrios von Ludwig van Beethoven mit dem Trio Santoliquido, viele Aufnahmen mit Carl Schuricht und die Streichquartette Beethovens mit dem Fine-Arts Quartett (Aufnahmen ursprünglich für das amerikanische Label Concert Disk).


    VOX hat Johannes bereits genannt


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Mir fällt da der Namme "Collins Classics "ein -


    Es war die Heimat der Pianistin Seta Tanyel -
    Ihre Spezialität waren Aufnahmen von (heute) eher unbekannten Komponisten (z.b. Moszkowsi, Scharwenka)
    Einige ihrer Aufnahmen finden sich bei Hyperion in der Helios-Serie wieder, für die sie seither auch eine Neuaufnahmen in der Serie "Das romantische Klavierkonzert" eingespielt hat.



    Ferner nahmen "The sixteen" dort auf. Sie Haben inzwischen ein eigenes Label gegründet "CORO"


    http://www.the-sixteen.org.uk/…atalogue/disc_collins.htm




    Leider bleiben bei solchen Schließungen immer wieder Künstler auf der Strecke - und das Schlimmste daran: Man vergisst sogar ihre Namen...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nö. So schnell vergisst man die eigentlich nicht :pfeif:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Requiescat in pace


    Da bekommt das R.I.P.pen eine ganz besondere Bedeutung...


    :D

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Kaum zu glauben, aber wahr: Das Label PHILIPS ist auch nicht mehr vorhanden.
    Wenngleich nun manches auf Decca wiederveröffentlicht wird, so bleibt trotz allem ein schaler Nachgeschmack. Die Klangphilosophie von Decca uns Philips kann man als einander ziemlich diametral gegenüberstehend bezeichnen. Während Deccas Toningenieure einen ziemlich fülligen, um nicht zu sagen dicklichen Klang favorisierten, setzte Philips auf ein schlankes, durchsichtiges Klangbild dem es mitunter an Wärme fehlte.......


    Spontan fällt mir kein "Hausdirigent" ein, extra wie Karajan bei DGG oder Solti bei Decca, aber am Sektor Klavier gibt es doch ein paar große Namen.


    Beri den Pianisten fallen mir hier Ingrid Haebler und Alfred Brendel ein, ebenso Claudio Arrau. Victoria Mullowa war ebenfalls Philips-Künstlerin, nicht zu vergessen I Musici.


    Inzwischen ist mir auch ein bekannter Dirigent und sein Orchester eingefallen die für Phlips aufgenommen haben. Neville Marriner und The Academy of St. Martin in The Fields....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...
    Während Deccas Toningenieure einen ziemlich fülligen, um nicht zu sagen dicklichen Klang favorisierten, ......


    Nein, wirklich nicht! Da war nichts "dicklich" (höchstens die Wiedergabeanlagen!):




    Zitat

    Spontan fällt mir kein "Hausdirigent" ein, extra wie Karajan bei DGG oder Solti bei Decca,


    Colin Davis und Neville Marriner.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Spontan fällt mir kein "Hausdirigent" ein, extra wie Karajan bei DGG oder Sollti bei Decca, aber am Sektor Klavier gibt es doch ein paar große Namen.


    Mit Philips verbinde ich besonders den Namen Bernard Haitink.


    Gruß enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

  • @ Alfred:
    Vielleicht kann ich dir etwas auf die Sprünge helfen, lieber Alfred. In den70 /80er-Jahren hat doch Sir Neviller Marriner den Hauptpart bei der Geamtaufnahme der Werke Wolfgang Amadeus Mozarts bei der PHILIPS innegehabt. Denken wir doch nur an die großartige Gesamtaufnahme der Klavierkonzerte mit Alfred Brendel oder der Symphonien oder der Opern. Wenn man dann noch seine brillianten Händelaufnahmen hinzurechnet, kann man ihn schon als federführenden PHILIPS-Dirigenten bezeichnen.
    Aber schade, dass die PHILIPS als Major-Label nicht mehr da ist. :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Inzwischen ist mir noch ein weiterer "Philips-Hausgott" eingefallen: Pierre Boulez mit seinem Bayreuther Jahrhundert-Ring unter der Regie von Patrice Cherau.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Glücklicherweise gibt es doch einiges, was PHILIPS aufgenommen hat



    Also immerhin den kompletten Mozart Sinfonien-Zyklus und jenen mit den Mozart-Klavierkonzerten mit Brendel als Solisten.
    Diese beiden Aufnahmeserien haben zumindest "Aufschub" bekommen......(auch wenn jetzt unsinnigerweise "DECCA" draufsteht.)


    Einige Aufnahmen aus diesen Zyklen sind auch einzeln erhältlich.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aber schade, dass die PHILIPS als Major-Label nicht mehr da ist.


    Meines Wissens ist das Philips-Label durchaus noch existent - allerdings mehr oder weniger nur noch auf dem Papier.


    Das heißt insbesondere, unter dieser Marke werden keinen neuen Aufnahmen mehr auf den Markt gebracht. Ältere Einspielungen werden aber auch heute (unter dem Decca-/Universal-Dach) duchaus noch unter dem Label Philips vermarktet. Ein Blick in den Decca-Katalog (hier die z. B. Veröffentlichungen unter Beteiligung Bernard Haitinks) fördert da noch einiges an noch erhältlichen Philips-Originalen zutage. :)



    Und zwei Pianisten fielen mir auch noch ein: Zoltán Kocsis und Cyprien Katsaris.
    Ob die aber nun zu den großen oder doch eher zu den Eintagsfliegenwunderkindermarketingsensationen zählen, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen.



    P.S. Und obwohl label-technisch wohl eher ein Wandervogel, sind auch von Kurt Masur viele Einspielungen auf Philips veröffentlich worden (u. a. zwei komplette Beethoven Sinfonie-Zyklen).

  • Und zwei Pianisten fielen mir auch noch ein: Zoltán Kocsis und Cyprien Katsaris.


    Nun, Cyprien Katsaris war lange Zeit praktisch Teldec/Telefunken-Exklusivkünstler. In den 90-ern wechselte er zu Sony, einzelne Aufnahmen machte er auch für EMI und andere Labels - aber Philips kommt meines Wissens darunter nicht vor.


    Auch Kurt Masur war überwiegend Teldec-Künstler. Allerdings ist er wirklich auf vielen Labels vertreten - auch bei Philips, ich weiß allerdings nur von einem Beethoven-Zyklus.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Kocsis hat sich seit vielen Jahren weitgehend aufs Dirigieren verlegt; ich weiß nicht warum. M.E. war er von den Generationsgenossen Schiff, Ranki, Kocsis der Interessanteste und die Bartok-, Debussy- und Rachmaninoff-Aufnahmen bei Philips (sowie auch einiges bei Hungaroton und Denon) genießen einen sehr guten Ruf. Ich finde es schon schade, dass das Label "eingesaugt" wurde und heute ein Box wie die Arrau-Aufnahme der Beethoven-Klaviersonaten mit dem historisch unsinnigen Decca-Logo erscheint... Lieferbar ist allerdings nach wie vor ziemlich viel, egal wie gelabelt. Nur auszugsweise wurden leider maßgebliche Aufnahmen mit Frans Brüggen als Dirigent (Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert) wiederveröffentlicht.
    Vgl. auch thread zu Philips

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Inzwischen ist mir noch ein weiterer "Philips-Hausgott" eingefallen: Pierre Boulez mit seinem Bayreuther Jahrhundert-Ring unter der Regie von Patrice Cherau.


    ... und mir fällt ein weiterer ein: Bernard Haitink mit dem Concertgebouw Orkest!


    Schöne Grüße
    Holger


  • Nun, Cyprien Katsaris war lange Zeit praktisch Teldec/Telefunken-Exklusivkünstler. In den 90-ern wechselte er zu Sony, einzelne Aufnahmen machte er auch für EMI und andere Labels - aber Philips kommt meines Wissens darunter nicht vor.


    Auch Kurt Masur war überwiegend Teldec-Künstler. Allerdings ist er wirklich auf vielen Labels vertreten - auch bei Philips, ich weiß allerdings nur von einem Beethoven-Zyklus.


    :hello:


    Ja stimmt: bzgl. Katsaris hat mich meine Erinnerung wohl getäuscht...


    Dafür kann ich ais dem Klavierbereich noch Mitsoku Uchida in den Ring werfen. Die dürfte ja nun wirklich viel über Philips veröffentlicht haben...




    Die beiden Masur-Zyklen dürften diese hier sein: