Das David-Ward-Mysterium

  • Es gibt da ja diese Sänger, die hört man und denkt: "Mensch! Warum hab ich bloß von dem vorher nie was gehört?" So ging es mir mit der (eben rezensierten) Aufnahme der "Meistersinger" von 1961 aus Bayreuth. Laut Radioansage singt den Nachtwächter da ein gewisser David Ward. Er tut das mit wunderbarer Phrasierung und Dynamik und in makellosem Deutsch.


    Komisch aber: Auf der Internetseite der Bayreuther Festspiele ist als Besetzung für den Nachtwächter Donald Bell angegeben, und auch in der Datenbank der Mitwirkenden fehlt Mr Ward!


    Sein Name war mir vorher bisher bloß einmal begegnet: in London bei hmv, als ich die Leinsdorf-Studio-Walküre in Händen hielt. Da singt er den Hunding. "Ach, wieder so ein amerikanischer Bass, der nicht weiß, wo im Deutschen vorn und hinten ist", dachte ich bei mir.


    Umso größer war die Überraschung, als ich diesen herrlichen Nachtwächter hörte. Google verrät uns leider nur wenig über David Ward:


    Zitat

    Zitat von akuma.de
    David Ward wurde am 03.07.1922 in Dumbarton (Schottland) geboren. Unter anderem interpretierte David Ward Werke von Ludwig van Beethoven, George Frederick Handel und Wolfgang Amadeus Mozart. Dabei hat David Ward mit namhaften Klassik-Künstlern, wie London Symphony Orchestra, Pierre Monteux oder Regina Resnik zusammengearbeitet. Er starb am 16.7. 1983 in Dunedin (Neuseeland).


    Das ist nun wirklich kläglich wenig. Bringen wir Licht ins Dunkel- wer weiß mehr?


    :hello:

  • Hallo,


    ich weiß auch nicht mehr, aber ich habe den Kutsch-Riemens. Der weiß Bescheid:


    Zitat

    Ward, David, Baß-Bariton, * 3.7.1922 Dumbarton (Schottland), † 16.7.1983 Dunedin (Neuseeland); er war zunächst Volksschullehrer in Sheffield. Dann ließ er seine Stimme am Royal College of Music in London durch Clive Carey ausbilden. Weitere Ausbildung durch Hans Hotter in München. 1952 trat er dem Chor der Sadler's Wells Opera bei, und schon 1953 wurde er als erster Bassist in das Ensemble übernommen (Debüt als Old Bard in »The Immortal Hour« von Boughton). Seine erste große Partie war hier der Graf Walter in Verdis »Luisa Miller«. Er trat dort bis 1959 u.a. als Mephisto im »Faust« von Gounod, als Daland im »Fliegenden Holländer« wie als Landgraf im »Tannhäuser« auf und wirkte 1953 in der Uraufführung der Oper »Nelson« von Lennox Berkeley mit. 1954 übernahm er beim Aldeburgh Festival das Baß- Solo in der Johannespassion von J.S. Bach, wie er denn allgemein als großer Bach- und Händel-Sänger galt. 1958 sang er in Glyndebourne in »The Rake's Progress« von Strawinsky, 1960 ebenfalls dort den Lord Walton in »I Puritani« von Bellini, beim Festival von Edinburgh in »Luisa Miller« von Verdi. 1958 trat er in seiner ersten Wagner-Partie, dem Fliegenden Holländer, vor das Londoner Opernpublikum und entwickelte sich bald zum Wagner-Spezialisten.
    1960 gastierte er an den Opern von Frankfurt a.M. und Hamburg als Hunding in der »Walküre«. Er wirkte auch bei den Festspielen von Bayreuth mit, und zwar 1960 als Titurel im »Parsifal«, 1961 als Fasolt im »Rheingold«, als Nachtwächter in den »Meistersingern« und als einer der Ritter im »Parsifal«. Seit 1960 trat er an der Covent Garden Oper London auf (Antrittsrolle: Pogner in den »Meistersingern«). Hier sang er vor allem Wagner- und Verdi-Partien, aber auch 1961 den Morosus in der englischen Premiere der »Schweigsamen Frau« von R. Strauss, den Golo in »Pelléas et Mélisande« und den Iwan Khovansky in »Khovantchina« von Mussorgsky, 1963 folgte er einem Ruf an die Metropolitan Oper New York. (Antrittsrolle: Sarastro in der »Zauberflöte«). Er gastierte am Teatro Colón Buenos Aires, an der Staatsoper Wien, an der Mailänder Scala, am Teatro San Carlos Lissabon (1967), an den Opern von Chicago, Mexico City, New Orleans und San Francisco. Am Teatro Colón Buenos Aires war er als Wotan im Nibelungenring zu hören.
    Allein in einem Jahr, 1957, wirkte er in fünf verschiedenen vollständigen Aufführungen des Nibelungenrings mit. Man schätzte auf der Bühne die Fülle seines Stimmmaterials wie die aistokratische Würde seines Vortrags, vor allem in der Partie des Wotan.


    Schallplatten der Firma Decca (Baß-Solo im »Messias«, Hunding in der »Walküre«). Auf MRF Mitschnitt der vollständigen Oper »Benvenuto Cellini« von Berlioz aus der Covent Garden Oper von 1966, auf EJS in »La jolie fille de Perth« von Bizet. Auf CBS singt er den Arkel in »Pelléas et Mélisande«.


    Quelle: Sängerlex. Bd. 5, S. 3656 ff. (c) Verlag K.G. Saur


    Ommers Gesamtverzeichnis aller Opern-Gesamtaufnahmen nennt 40 Gesamtaufnahmen, bei denen er zu hören ist, neben den Wagner-Rollen auch als Komtur, Sarastro, Rocco, Banco usw.....


    Ich hoffe, das hilft Dir weiter!


    LG Harald


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zwar war wohl ganz offensichtlich das Bassfach David Wards Domäne, er hat aber auch als Heldenbariton reüssiert. So war er z.B. beim Nizza-Festival am 10. Juli 1968 in Wagners "Walküre" Wotan neben Régine Crespin (Sieglinde), Eberhard Katz (Siegmund), Gertrude Grob-Prandl (Brünnhilde), Erika Wien (Fricka) und Eduard Wollitz (Hunding)....


    (Quelle: Klaus Schreiber: Eberhard Katz: Vom Krombacher Chorsänger zum gefeierten Heldentenor - Stationen eines Künstlerlebens, Verlag die Wielandschmiede, 2003, S. 45)

  • Gegeben hat es ihn definitiv. Ich höre ihn gerade im Moment als Walküren-Wotan im Finale (San Francisco 1969 live, Ltg. Leopold Ludwig). Ziemlich beeindruckend, auch wenn die maue Tonqualität einiges verdeckt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Komisch aber: Auf der Internetseite der Bayreuther Festspiele ist als Besetzung für den Nachtwächter Donald Bell angegeben, und auch in der Datenbank der Mitwirkenden fehlt Mr Ward!


    Hier gibt es ganz offensichtlich eine Diskrepanz zwischen der nicht immer verlässlichen Internetseite der Bayreuther Festspiele und "Wagnermania". Letztere nennt David Ward als Nachtwächter 1961 und Donald Bell für 1960. Die Partien, die Ward in Bayreuth sang, waren typische Aufsteigerpartien, in denen ein Sänger für größere Aufgaben ausprobiert wurde. Warum es für Ward bei diesen Partien blieb, entzieht sich meiner Kenntnis. Außer 1960 in Bayreuth hörte ich ihn 1965 in Hamburg als imponierenden Wanderer (neben Kuchta, Beirer).


    Grüße aus Finnland, Peter

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  • Im seit kurzem greifbaren Live-"Ring" unter Sir Georg Solti von 1965 aus London tritt David Ward als Wotan in Erscheinung, in einer früheren "Siegfried"-Aufnahme von 1962 unter demselben Dirigenten auch als Wanderer. Mein Dank an dieser Stelle nochmal an einen fast schon übereifrigen Tamino, der mir diese Aufnahmen (und andere) zur Verfügung stellte.


    Hier die vollständigen Besetzungen mit Ward:



    Richard Wagner: Das Rheingold

    Wotan: David Ward
    Donner: Victor Godfrey
    Froh: John Dobson
    Loge: Gerhard Stolze
    Alberich: Gustav Neidlinger
    Mime: John Lanigan
    Fasolt: Forbes Robinson
    Fafner: Michael Langdon
    Fricka: Josephine Veasey
    Freia: Elizabeth Vaughan
    Erda: Maureen Guy
    Woglinde: Elizabeth Robson
    Wellgunde: Joan Carlyle
    Flosshilde: Maureen Guy


    Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden
    Conductor: Sir Georg Solti
    London, 16 September 1965



    Richard Wagner: Die Walküre

    Siegmund: Ernst Kozub
    Hunding: Michael Langdon
    Wotan: David Ward
    Sieglinde: Gwyneth Jones
    Brünnhilde: Amy Shuard
    Fricka: Josephine Veasey
    Walküren:
    Gerhilde: Ann Edwards
    Ortlinde: Margaret Kingsley
    Waltraute: Ann Howard
    Schwertleite: Yvonne Minton
    Helmwige: Rae Woodland
    Siegrune: Noreen Berry
    Grimgerde: Maureen Guy
    Rossweisse: Elizabeth Bainbridge


    Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden
    Conductor: Sir Georg Solti
    London, 23 September 1965



    Richard Wagner: Siegfried

    Siegfried: Wolfgang Windgassen
    Mime: Gerhard Stolze
    Der Wanderer: David Ward
    Alberich: Otakar Kraus
    Fafner: Joseph Rouleau
    Erda: Ruth Siewert
    Brunnhilde: Birgit Nilsson
    Stimme des Waldvogel: Barbara Holt


    Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden
    Conductor: Sir Georg Solti
    London, 7 September 1962


    Weitere Informationen zu diesen Aufnahmen hier.


    Das sind natürlich insgesamt Traumbesetzungen, wie wir sie uns heute in unseren kühnsten Träumen nicht mehr vorstellen können. David Ward, heute am ehesten durch die Darstellung des Hunding in der Leinsdorf-"Walküre" bekannt, erweist sich als kongeniale Besetzung des Wotan/Wanderer.


    Hier seine Interpretation von Wotans Abschied:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões