Zink oder Cornetto, eine Instrumentenkunde

  • Hallo,


    Ich möchte die Reihe mit aus der Mode gekommenen Instrumenten nun mit dem Zink fortsetzen.


    Der Zink, auch Cornetto genannt, erlebte seine Blütezeit etwa zwischen 1500 und 1650. Ursprünglich wahrscheinlich aus einem Tierhorn entstanden, waren die Instrumente aber bald aus Holz gemacht. Dazu wurde ein geeigneter, leicht gebogener Ast, häufig Birne, halbiert und ausgehöhlt. Die beiden Hälten wurden nun zusammengeleimt, dem Ganze ein achteckiger Umriß verpaßt und schließlich mit einem Leder umspannt, damit das Instrument den Innendruck beim Spielen aushält und es keine undichten Stellen gibt.


    Gespielt wird der Zink mit einem Kesselmundstück, ähnlich dem einer Trompete. Er hat sieben Löcher, sechs auf der Vorderseite und ein Daumenloch auf der Hinterseite. Das funktioniert dann vergleichbar den Blockflöten. Durch die Löcher konnte man auf dem Zink Tonleitern komplett spielen und war nicht nur auf die Naturtonreihe angewiesen wie bei den Blechbläsern.



    Vom Klang sagt man, er sei wie kein anderes Instrument der menschlichen Stimme nah. Folglich wurden sie häufig als Unterstützung von Sängern und Chören eingesetzt, hier zusammen mit Posauen für die tieferen Stimmen. Diese Art des Einsatzes geht bis hin zum berühmten Thomaskantor Bach, der die Kombination Zink und Posaunen bei über 10 seiner Kantaten als Chorunterstützung verlangt.


    Aber der Zink kann weitaus mehr. Er ist ein hochvirtuoses Instrument. Mit ihm sind schwindelerregende Verzierungen möglich und wurden auch fleißig gebraucht. Kein Wunder, dass im Frühbarock der Zink auch reichliche Verwendung als Soloinstrument findet.


    Prominente Beispiele für die Verwendung von Zinken finden sich z.B. in Monteverdis Orfeo in der berühmten Anfangs-Toccata oder auch in der Venezianischen Mehrchörigkeit eines Gabrieli. Recht späte Verwendungen kennt man von Telemann in mehreren Kantaten und in Glucks italienischen Orpheus. Bei den Stadtpfeifern hielt sich der Zink noch um etliches länger als in der Kunstmusik, teilweise bis ins 19. Jahrundert hinein. Nur so war es möglich, dass Bach, Telemann und Gluck überhaupt noch von den sonst längst aus der Mode gekommenen Instrumenten als exotische Klangfarbe Gebrauch machen konnten.



    Auch eine Baß-Version gab es, die den Namen Serpent trägt. Dieses Instrument ist, der Name sagt es bereits, schlangenähnlich gebogen.Dieser war wesentlich länger im Gebrauch als der Zink. Wagner schreibt z.B. im Rienzi einen solchen vor.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Soweit die Theorie, nun sollen einige Empfehlungen von entsprechenden Aufnahmen folgen.


    Diesen Beitrag möchte ich dem Concerto Palatino widmen. Namensgebend ist das "Il concerto palatino della Signoria di Bologna", ein Bläserensemble, welches 1779 bestand. Unter diesem Namen wurde es zwar schon um 1250 gegründet, jedoch wurden 1537 die bis dahin verwendeten Trompeten, Schalmeien und ähnliche Instrumente durch 4 Zinken und 4 Posaunen ersetzt. In dieser Kombination, Zinken und Posauen, tritt auch das heutige Concerto Palatino auf.


    Es gibt zahlreiche Aufnahmen, in denen das Ensemble mitgewirkt hat bzw. in denen sie die Hauptakteure sind. Und nur wenige Ensembles gleicher bzw. ähnlicher Art (jawohl, die gibt es) können qualitativ mit dem Concerto Palatino mithalten.



    Darauf finden sich Instrumentalstücke von unbekannten Komponisten wie Ascanio Trombetti, Ruggiero Trofeo oder Cesario Gussago aber auch bekanntere Namen tauchen da auf: Giovanni Gabrieli, Francesco Cavalli und Giovanni Pierluigi da Palestrina.
    Il Concerto Palatino di Bologna (Norditalienische Musik für Zinken und Posaunen 1580-1650), erschienen auf Accent


    Dann natürlich auch die Einspielung von Giovanni Gabrielis Sonate e Canzoni 'per concertar con l'organo', ein Sammelband instrumentaler Stücke von 1615, erschienen bei harmonia mundi.


    Seit ein paar Jahren gibt es eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Cantus Cölln unter Konrad Junghänel. Dieser Kombinaton verdanken wir wahre Schätze, z.B.:


    Claudio Monteverdi: Selva Morale e spirituale
    Heinrich Schütz: Psalmen Davids
    Johann Rosenmüller: Vespro della Beata Vergine
    allesamt erschienen bei harmonia mundi


    Thomas

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    - H. Heine -

  • Zu den Pionieren bei der Wiederentdeckung dieses Instrumentes und der Literatur dafür gehört auch das Ensemble His Majestys Sagbutts and Cornetts. Es wurde 1982 gegründet. Der Name bezieht sich auf eine Gruppe von Bläsern, die im 17. Jahrundert zur Königlichen Kapelle bzw. King's Musicke, wie es damals hieß, gehörten.


    Sowohl eigene Aufnahmen als auch die Zusammenarbeit mit John Eliot Gardiner bei dessen Aufnahmen von Monteverdis Orfeo und der Marienvesper haben diesem Ensemble eine Spitzenposition gesichert.



    Andrea Gabrieli: Missa Pater Peccavi
    Giovanni Gabrieli: The 16 Canzonas and Sonatas from Sacrae Symphoniae
    beide bei hyperion erschienen




    Claudio Monteverdi: L´Orfeo & Vespro della Beata Vergine, beide Archiv



    Thomas

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  • Pioniere auf dem Gebiet der Bläsermusik auf historischen Instrumenten sind auch Les Sacqueboutiers de Toulouse. Dieses Ensemble entstand schon in den frühen 70er Jahren. Gleich mehrfach waren sie an einer Aufnahme von Monteverdis Marienvesper beteiligt, unter Corboz, unter Herreweghe, unter Christie und auch Gabriel Garrido holte sich dieses Ensemble. Seit ein paar Jahren beim Label Ambroisie stehen verstärkt auch eigene Produktionen zu Buche, offenbar wurde aber seitdem der Zusatz de Toulouse weggelassen. Sogar bei einer Mozart-CD taucht ihr Name auf (c-Moll Messe KV 427 mit Christie).


    meine Empfehlungen:



    Monteverdi Vespro della Beata Vergine (1610)
    Collegium Vocale Gent, La Chapelle Royale, Les Sacqueboutiers de Toulouse,
    Philippe Herreweghe, erschienen bei harmonia mundi




    Musique a la Cour de Kromeriz; Werke von Schmelzer, Fux, Vejvanovsky, Weckmann
    Les Sacqueboutiers, erschienen bei Ambroisie




    Josquin Desprez, Missa Hercules Dux Ferrariae und Motetten
    A Sei Voci, Les Saqueboutiers de Toulouse, Ensemble Labyrinthes, Fabre-Garrus
    erschienen bei Astree



    Thomas

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  • Das Ensemble La Fenice ist zwar kein reines Bläserensemble, hat aber fast immer welche dabei. Was auch kein Wunder ist, ist doch der Chef Jean Tubery selbst ein ausgezeichneter Zinkenist. Er zählt zur jüngeren Generation in der HIP-Szene, hat unter anderem bei Bruce Dickey (Concerto Palatino) studiert. Der Name des Ensembles leitet sich von einem Stück gleichen Titels von Giovanni Martino Cesare ab, hat aber auch die symbolische Bedeutung des Phönix, der aus seiner Asche neu geboren wird.


    Die Einspielungen von La Fenice umfassen schwerpunktmäßig Musik aus dem 17. Jahrhundert. Eine feste instrumentale Besetzung gibt es nicht, sie wird immer an das jeweilige Werk angepasst. Ich kenne leider nur ein paar der Aufnahmen von La Fenice, das aber reicht, um weitere ohne zu testen kaufen zu können.




    Praetorius, Auszüge aus der Terpsichore, erschienen bei Label Ricercar
    Diese CD habe ich schon mehrfach hier angepriesen, u.a. auch in meinen unverzichtbaren Aufnahmen.




    Giovanni Battista Bassani (1657-1716), La Morte Delusa, erschienen bei opus111
    Das Werk stammt aus einer Zeit, als der Zink schon am Aussterben war. Um so erstaunlicher ist es, dass es einen sehr virtuosen anspruchsvollen Part für den Zinkenisten beinhaltet.




    Das Requiem für Maria di Medici, komponiert von Gilles Henri Hayne, erschienen bei Ricercar.
    Eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit verbindet La Fenice und den Choeur de Chambre de Namur. Dieser Kombination sind etliche schöne Aufnahme entsprungen.



    Und schließlich noch ein Hinweis auf eine Serie, die auch beim Label Ricercar erschienen sind. Unter dem Titel "Das Erbe von Monteverdi" wurden sieben Aufnahmen herausgebracht. Ich bin dummerweise erst durch Recherchen zu diesem Beitrag darauf gestoßen, denn ein Großteil ist nicht mehr lieferbar. ;( Das muß ich aber unbedingt haben. Wer also einen Tipp für mich hat, wo es die noch komplett gibt, raus mit der Sprache!



    :hello:
    Thomas

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    und auch mein blaues Ohr!
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    - H. Heine -

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  • Guten Tag


    möchte hier auf eine ausgezeichnte CD mit Musik für Zinken hinweisen:




    Wiliam Dongois und Yoshimichi Hamada, zwei Top-Zinkenisten, spielen in dieser Einspielung im Ensemble La Concert Brise virtuose italienische Musik für Zink des frühen 17. Jhd. von Curradini, Rognomi, Rossi, Scarani, Rore, Bovicelli, Riccio, G.Gabrieli, Palestrina und Castello.
    Bemerkenswert auch das ausführliche Booktel in dem die Komponisten, Instrumente und Interpretation erläutert wird.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Guten Tag


    möchte hier auf eine ausgezeichnte CD mit Musik für Zinken hinweisen:




    Wer diese CD will, sollte sich sputen, da das Label carpe diem vor kurzem finanziellen Schiffbruch erlitten hat, trotz hochinterssanten Repertoires und exzellenter Aufnahmetechnik.

  • Guten Abend


    auch in der geistlichen Vokalmusik im Deutschland des ausgehenden 17. Jahrhundert -z.B. bei Buxtehude- war der Zink noch gebräuchlich.
    Selbst J.S. Bach verwendete in seinen Bachkantaten vielfach den Zink. Allerdings war er zu seiner Zeit bereits vom verbreiteten Soloinstrument zum Bläserdiskant in seinen Choralsätzen abgesunken, er wurde wohl von den Leipziger Stadtpfeifern geblasen. Bach verwendet aber selten die eindeutige und offizielle Bezeichnung "Cornetto" in seinen Kantaten, häufiger das mehrdeutige "Corno", es dürfte aber wohl da ein Zink gemeint sein. Bach schreibt im vierstimmigen Bläsersätzen manchmal vier Posaunen und manchmal drei Posaunen und ein Zink als traditionelle Oberstimme vor.
    Diese Praxis wird wohl auch bei Komponisten der Zeit in der Kirchenmusik üblich gewesen sein ! ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Musik für "Buxtehude & Co" mit Zink beinhaltet diese



    CD mit dem Caelilia Concert.
    In dieser Einspielung hört man Werke von J.P. Krieger, M. Weckmann, D. Becker, D. Buxtehude und J. Theile; und zwar meist in der Besetzung Cornetto, Posaune, Dulcian, Cembalo/Orgel und Violine. Im ausgehenden 17. Jhd. wurde auch in Deutschland der Zink noch alternativ für eine Violinstimme geblasen.
    Dafür bietet diese CD einige gelungene Beispiele. Ein Quentschen lebhafter könnte diese Aufnahme allerdings schon sein, es handelt sich hier ja um Unterhaltungs- und nicht um Kirchenmusik.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von miguel54


    Wer diese CD will, sollte sich sputen, da das Label carpe diem vor kurzem finanziellen Schiffbruch erlitten hat, trotz hochinterssanten Repertoires und exzellenter Aufnahmetechnik.


    Bei DEN Preisen wundert mich der Schiffbruch auch nicht.... :pfeif:


    LG joschi

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  • Es hat sogar unterschiedliche Arten von Zinken gegeben:


    cornetto diritto = gerader Zink in C
    cornetto muto = "stiller" Zink
    cornetto curvo = krummer Zink in A
    cornettino curvo = kleiner Zink ( Quartzink ) in D



    Der gebräuchlichste und populärste Zink war der A - Zink, meistens mit Elfenbein-Kesselmundstück und sechseckigem Holzkorpus mit dünnem Ziegenleder umwickelt.

    2 Mal editiert, zuletzt von buccinator ()