Alfred Brendel - Der Schwanengesang des großen Alten

  • Alfred Brendel - Die Abschiedkonzerte (Decca, Universal Music)


    Alfred Brendel hat Abschied genommen von der Bühne, von seinem Publikum, von uns, von allen, die seit Jahren oder Jahrzehnten mit seinen Klavierklängen im Konzertsaal oder zuhause vor den Lautsprechern ihre Ohren und Herzen gefüllt haben. Schade! Schade, dass er seine Karriere beendet hat. Gut so! Gut, dass er es jetzt getan hat, zu einem Zeitpunkt, an dem die künstlerische Reife die allmählich schwindenden physischen Kompetenzen überkompensiert. Perfektionierte, auf Effekt gedrillte Virtuosität gab es bei Brendel nie zu bestaunen, das einzige „zirzensische Element“ war bis vor einigen Jahren allenfalls seine zu Grimassen neigende Mimik beim Spielen. Was aber staunen machte, dem Hörer zeitweise den Atem nam, davon haben wir CD-affinen Konsumenten nun eine gute Portion zum Schluss, eine Art musikalische Henkersmahlzeit - herrlich, lecker, erlesen, und doch mit dem Wissen, dass es das letzte sein wird, was wir von ihm zu hören bekommen...
    Beim Schreiben dieser Zeilen erklingt die B-Dur Sonate Schuberts (die große, späte natürlich, nicht die neunte), auch ein Abschied, und immer wieder muss ich innehalten, die Finger von der Tastatur nehmen, mitsingen, den Kopf wiegen, dirigieren, schwelgen in der Erinnerung an sein letzten Konzert in Stuttgart, das ich sehr genoss und bei dem viele der Anwesenden wohl in die Kategorie der Abonnenmentsleichen gehörten, die erst sehr spät gemerkt hatten, was sie eigentlich an jenem Abend erleben.
    Ich jedenfalls bin froh und dankbar, dort gewesen zu sein und freue mich jetzt am letzten Album, das wir Fans von Decca dargereicht bekommen.


    Mozart gibt es gleich zweimal, die Sonate F-Dur, KV 533, und das Klavierkonzert Nr. 9 in Es-Dur, auch als „Jeunehomme“ bekannt. Da wird er von seinem in den Mozart-Konzerten als kongenial erwiesenen Partner Charles Mackerras geführt, an der Seite der Wiener Philharmoniker. Dieses Konzert am 18. Dezember 2008 im Goldenen Saal des Musikervereins war ein Rahmen, wie er angemessener und würdevoller für Brendels Lebewohl nicht hätte sein können.


    Glücklicherweise hatte Brendel kurz vor seinem Klavierabend in Hannover doch noch der Aufnahme durch den NDR zugestimmt! Wenn man die zweite CD dieses Albums hört, möchte man gar nicht daran denken, darauf um ein Haar verzichtet haben zu müssen.
    Ich denke, das sollte das als Empfehlung für den Kauf dieser Doppel-CD reichen.


    Nachspiel:
    Das einzige, was ich vermisse ist, zugegebenermaßen ein etwas schrulliger Aspekt meinerseits, die Nennung der Klavierstimmer. Wie bei fremdsprachigen Büchern der Übersetzer, darf dieser wichtige Mensch neben den anderen an einer Aufnahme Beteiligten nicht vergessen werden.
    Bei diesem Album bin ich mit meiner Forderung allerdings auch gespalten: zum einen hören wir einen gut gestimmten und intonierten Flügel beim Klavierabend in Hannover. Zum anderen wird die Kehrseite der Bedeutung des Stimmers durch die brach liegenden klanglichen Potentiale beim Instrument im Wiener Musikverein allzu deutlich...


    Beste Grüße
    Accuphan




    PS: im aktuellen "Gramophone" (Januarausgabe) ist eine große Rezension

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Lieber Accuphan :



    Danke für Deinen wichtigen Hinweis zum Klavierstimmer .


    Tatsächlich kam ihnen ja immer eine s e h r grosse bedeutung bei .


    Aus den beiden Büchern vor allem von F. MOHR entnehmen , was er in einem lnagen Leben für sich ( dies wohl in erster linie ) als auch für Steinway & Sons sowie einigen berühmten Pinaisten im Laufe der Jahre erlebt hat .


    Und umgekehrt wohl auch grosse Pianisten mit F. Mohr .


    Claudio ARRAUs Vertrauen muss fast grenzenlos gewesen sein .Und seine Distanz ist allerdings auch aufmerksam zu notieren !



    Und auch die eigenen wertvollen , vertrauten Instrumente haben weite Reisen bei einigen Pianisten erlebt ( nicht selten eben mit Klavierstimmern wie Mohr ) .



    Bekannte Beispiele sind in vielen Konzerten Horowitz , Arrau , Weissenberg oder K. Zimmerman .


    Zu Zeiten , i denen bedetende Pianisten in eigenen Salonwagen durch Subkontinete gereist sind wie allseits umjubelte Grössen wie etwa PADEREWSKY wurd des vertraute Instrument mitgenommen - selbstverständlich .


    Klavierstimmer leisten im günstigen Fall Enormes . Die Arbeit muss den Klangvorstellungen des Künstlers angepasst werden . Denn wenn ein eigenes hochkarätiges Instrument ert einmal durch ein Transportunternehmen vernichtet worden ist , dann nehmen doch die meiste Künstler den oder die im konzertsaall verfügbaren Intsrumente .


    Daher find e ich es sehr angemessen , wenn die Klavierstimmer auf den Covers oder in den booklets erwähnt werden .


    Dasselbe sollte auch für die Nummer des Instrumentes gelten !


    Viele Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo liebe Brendel-Getreuen,


    ich hatte das Glück, ihn im Abschiedsjahr noch dreimal erleben zu dürfen, im Mai in Köln und im Sommer in Flensburg beim Schleswig-Holstein-Musikfestival, wo er im weißen Festival-Jacket auftrat. Beide Male kam ich in den Genuss der B-dur-Sonate.
    In Flensburg passierte dann etwas, was wieder eine typische "Brendel-Reaktion" hervorrief:
    der Saal in Flensburg hatte eine steinalte Bestuhlung, und die Stuhl-Beschläge machten sich schon vereinzelt selbstständig. Als dann wieder einmal, einige Minuten nach Beginn der B-dur-Sonate,an einer Pianissimo-Stelle, so ein Metallteil ausgerechnet bei uns in der ersten Reihe, zu Boden fiel, passierte es: der Meister unterbrach sein Spiel, schickten einen verärgerten Blick ins Publikum (das völlig unschuldig war), und - begann von vorne, als ob nichts gewesen wäre. Und Gottseidank, passierte auch nichts mehr.
    Dennoch gab es "zur Strafe" nur zwei Zugaben gegenüber dem gleichen Programm in Köln, wo er drei Zugaben spielte.
    In Berlin, an Allerheiligen, trug sich auch noch Erwähnenswertes zu: Brendel hatte das c-moll-Konzert von Mozart gespielt, und während der Zugaben saß Sir Simon Rattle auf einem freien Orchesterstuhl.
    Nach den Zugaben kam Brendel wieder und wieder auf die Bühne, schließlich ging das Orchester ab und Brendel kam ein letztes Mal, sich den Weg durch die Orchestermitglieder bahnend, auf die Bühne, um sich von seinen Berlinern zu verabschieden.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

    Einmal editiert, zuletzt von William B.A. ()

  • Liebe Forianer,


    ich habe Brendels Abschiedskonzert in München erlebt und war eher enttäuscht. Der Beethoven klang müde, Schuberts B-Dur Sonate recht eintönig im Mezzoforte ohne die Abstufungen ins PPP bei der Durchführung. Einzig die Zugaben fand ich wirklich bezaubernd. Aber insgeamt kein großer Abend, eher Routine. Um so erstaunter bin ich jetzt von der Farewell-CD, Beethoven op. 27,1 auch hier eher langsam, aber was für ein zartes Melos hier in den Dissonanzen durchscheint - das ist doch einzigartig. Brendel legt das Stück ganz nach der klassichen Maxime der Affektkontrolle an - nichts ist überzogen, nichts harsch, aber seltsamerweise wirkt dadurch die Musik in der Phantasie gleichsam weiter. Von Schuberts B-Dur Sonate habe ich jetzt erst den ersten Satz gehört. Viel besser als die letzte Londoner-Live-Einspielung, in der der Flügel doch sehr weit entfernt war und die ich auch eher pauschal in Erinnerung habe. Ein gelungener Abschied, wenn nicht in München, so zumindest auf CD!


    Viele Grüße,
    Christian