MACBETH - Wiener Staatsoper, Dezember 2009

  • Die Neuinszenierung von Macbeth an der Wiener Staatsoper hat für so einigen Unmut gesorgt. Die Regie von Vera Nemirova wurde vielen Besuchern zum Ärgernis, da man das Gefühl hatte, es ginge mehr um Provokation als um eine wirklich sinnvolle Inszenierung.


    Da sieht man einen nackten König Duncan, der in die Badewanne der Lady Macbeth steigt. Nach dem Mord an Duncan müssen Macbeth und seine Lady unter die Dusche, um das Blut von Macbeth abzuwaschen. Banquo’s Mörder erscheinen mit roten Clownnasen und roten Luftballonen. Die Hexen treten als Künstlerinnen, Fotografinnen und in Bademänteln auf.
    Es gibt aber auch gelungene Szenen. Die Bankettszene, in der der tote Banquo erscheint und Macbeth völlig aus der Fassung bringt, wird zu einer Demonstration der Macht des Macbeth und zugleich eine Warnung an die Untertanen, zu welchen Handlungen er fähig ist.


    Die zumeist gestrichene Ballettszene wird bei Nemirova mit einer Art Theaterstück dargeboten, bei dem Macbeth die Geschichte der schottischen Könige gezeigt wird, die, kaum die Königskrone erworben, schon wieder von deren Nachfolgern gemeuchelt werden.


    Doch gute Regieeinfälle werden von der Regisseurin leider immer wieder von Absurditäten abgelöst. Beim Racheduett mit ihrem Gatten kommt Lady Macbeth mit einem Kinderwagen auf die Bühne, in der sie kein Kind präsentiert, sondern ein Maschinengewehr. Bei der Premiere übrigens zur Belustigung des Publikums. Gerade bei der Premiere wäre es mit diesem Kinderwagen beinahe zu einem Unfall gekommen, als dieser sich unbeobachtet Richtung Orchestergraben bewegte, und nur durch eine rasche Kickbox-Aktion von Simon Keenlyside wurde Schlimmeres verhindert. Eine Aktion übrigens die freudig vom Publikum mit Applaus und Jubel bedacht wurde.
    Doch es kommt einem bei solchen Inszenierungen natürlich auch der Gedanke, was von einem Sänger heute alles so gefordert wird.


    Mit der Rolle des Macbeth erweiterte Simon Keenlyside sein Verdi-Repertoire und er zeigt, dass er mit diesem Komponisten sicher auf einem guten Weg ist. Der Macbeth war ein vorgezogenes Debüt für den Bariton, da er die Partie eigentlich erst im darauf folgenden Jahr hätte singen sollen. Nach der Absage von Thomas Hampson trat die Direktion mit der Bitte an ihn heran, die Partie schon eher in Wien zu singen.
    Mit dem Rodrigo und dem Papa Germont hat Keenlyside schon bewiesen, dass Verdi’s Gesangsbögen ihm vokal sehr entgegen kommen und auch der Macbeth bzw. dessen Tessitura liegen ihm besonders gut und er kann das umsetzen, was Verdi in der Partitur vorgibt.
    Keenlyside’s Zugang zu der Rolle ist natürlich ein sehr lyrischer und gerade in den lyrischen Stellen der Oper kann er seine Stärken gut ausleben. Gelegentlich kommt er an seine vokalen Grenzen, in der Bankettszene wird er manchmal vom Orchester etwas zugedeckt. Doch er ist klug und forciert nicht. Den größten Eindruck hinterlässt er stets in den beiden letzten Akten, da blüht er jedes Mal voll auf, und die Arie zum Schluß singt er in allen Vorstellungen wunderbar und wird stets zum größten Szenenapplaus des Abends.
    Darstellerisch ist er natürlich wieder ausgezeichnet. Gerade wenn es um die Darstellung von schwierigen Charakterrollen geht ist er in seinem Element.


    Daß Erika Sunnegardh in der Rolle der Lady Macbeth auf nur wenig Publikumsliebe stößt, liegt weniger an der Tatsache, dass sie stimmlich keine Lady eines Zuschnitts einer Christa Ludwig ist. Ihr Zugang zu der Rolle ist auch ein lyrischer, allerdings sind die stimmlichen Defizite der Sängerin deutlich hörbar. Die Mittellage klingt farblos, die Höhen schrill, die Tiefe ist praktisch nicht existent. Dazu kommt ein eher unpersönliches Timbre und die Stimme ist nicht sehr flexibel. Schon bei der Premiere wird sie gnadenlos ausgebuht, doch im Laufe der Serie kann sich die Sängerin steigern. Eine ideale Lady wird sie zwar nicht, doch gelingen ihr auch gelegentlich schöne Momente. Am Ende der Serie gibt es keine Buhs mehr für sie. Sogar freundlichen Applaus, welcher sichtbar erleichternd für sie ist.


    Auch bei Stefan Kocan in der Rolle des Banquo kann man im Laufe der Serie eine Steigerung beobachten. Seinem Vortrag fehlt es zwar noch an Autorität und auch die Tiefe seiner Bassstimme ist noch wenig ausgeprägt, doch dieser Sänger ist eben noch jung und er wird sich noch weiterentwickeln.


    Bei Dimitri Pittas als Macduff ist leider eine umgekehrte Entwicklung zu beobachten. Am Premierenabend noch mit dem zweitstärksten Szenenapplaus bedacht, ist er gegen Ende der Serie nur mehr an vierter Stelle der Publikumsgunst zu finden. Er besitzt ein angenehmes Timbre und hat auch keine Mühe mit den Höhen. Doch während er bei der Premiere noch sehr engagiert wirkt, singt er in Folgevorstellungen manchmal etwas eintönig und somit auch langweilig. Die Personenregie hat vollständig auf ihn vergessen. Dieser Macduff stand immer nur langweilig auf der Bühne herum. Eigene Ideen hat der Sänger offensichtlich leider nicht.


    In den kleinen Rollen kann Gergely Nemeti als Malcolm gut gefallen, Donna Ellen singt eine gute Dame. Alfred Sramek ist nach längerer Zeit auch stimmlich wieder in guter Verfassung in der Rolle des Arztes.


    Ganz ausgezeichnet präsentiert sich der Chor der Wiener Staatsoper, und der Dirigent, Guillermo Garcia-Calvo - für den erkrankten Daniele Gatti eingsprungen - dirigiert diese Serie von Macbeth-Vorstellungen wunderbar.


    Nach dem Tumult bei der Premiere schienen sich die Wogen im Laufe der Serie zu glätten. Es gab zwar gelegentlich noch einige Unmutsbekundungen des Publikums, wie zum Beispiel bei der „Ballettszene“ oder der Nummer mit dem Kinderwagen, doch letztendlich reiht sich diese Inszenierung in eine Reihe einiger so anderer fragwürdiger Inszenierungen, die man ihm Haus am Ring so sehen kann.
    Und wie eine Besucherin aus Deutschland neben mir so treffend sagte. ‚Wieso regen sich diese Wiener denn so auf? Das ist doch recht harmlos, die sollen mal nach Deutschland kommen, da würden sie so manche Vorstellungen vorzeitig verlassen.’


    Gregor

  • Zitat

    Original von Gregor
    Wieso regen sich diese Wiener denn so auf? Das ist doch recht harmlos, die sollen mal nach Deutschland kommen, da würden sie so manche Vorstellungen vorzeitig verlassen.’


    Weil die Wiener (zum Glück) noch mehr auf Tradition geben und Neuem gegenüber schon immer skeptisch waren. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Weil die Wiener (zum Glück) noch mehr auf Tradition geben und Neuem gegenüber schon immer skeptisch waren. ;)


    Das mit der Tradition ist schon ganz in Ordnung, nur sollte man trotzdem für Neues offen sein. Nur konservativ möchte man doch auch nicht sein.


    Ist das denn mit dem Regietheater in Deutschland wirklich so schlimm? Sollte vielleicht mal anfangen, auch in Deutschland in die Oper zu gehen. Wie ist das denn so in München zum Beispiel?


    Gregor

  • Zitat

    Sollte vielleicht mal anfangen, auch in Deutschland in die Oper zu gehen. Wie ist das denn so in München zum Beispiel?


    München ist in Bayern.
    Deutschland ist nördlich des Weißwurstäquators!


    LG


    :baeh01: :baeh01:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • @ Harald Kral:


    Hey, dass ist ja wieder ein genialer Spruch:


    „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein.“


    Ich bin ja schon ein "Hammel", gilt das auch?? :D :D


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • In der Januar-Ausgabe der Zeitschrift Das Opernglas findet sich zu meiner Überraschung eine Kritik über die Wiener Macbeth-Inszenierung, die positiver und begeisterter nicht sein könnte.
    Frau Nemirova’s Regie wird hoch gelobt und die Zeitschrift steht damit nicht alleine da. Auch andere Rezensionen aus deutschen Landen reagierten ähnlich positiv.
    Wie zum Beispiel diese:


    http://www.neues-deutschland.d…l/161471.bad-im-wald.html



    Damit stehen diese Rezensionen in krassem Gegensatz zu den meisten Kritiken der Österreichischen Presse.


    Hier stellt sich für mich die Frage, ob man generell in Deutschland mehr Verständnis für modernes Regietheater findet bzw. ob man offener dafür ist, als man es eben zum Beispiel in Wien ist.
    Es scheint als wären Regisseure wie Nemirova sehr viel angesehener in Deutschland als in Österreich.


    Zugleich findet man im Opernglas aber auch eine Schelte für das Wiener Publikum. Und das sicher nicht ungerechtfertigt. In der Tat wurde man bei der Premiere mit einem randalierenden und ungezogenen Publikum, wie es im Opernglas heißt, konfrontiert, und man musste sich ehrlich gesagt doch auch schämen.
    Keine Frage, natürlich hat das Publikum das Recht sein Missfallen bezüglich einer Inszenierung zu zeigen. Aber dazu hat man ja die Möglichkeit am Ende einer Vorstellung, wenn das Regieteam vor den Vorhang tritt. Aber was da während der Vorstellung los war, war schon eine Schande. Mitten in den musikalischen Vortrag und während der Gesangseinlagen wurden da Buhrufe in Richtung Bühne abgefeuert nur weil man mit diversen Regieeinfällen nicht zufrieden war. Daß das für Dirgent, Orchester und vor allem für die Sänger eine enorme Anspannung bedeutete, versteht sich von selbst, und diese Anspannung war den Künstlern auf der Bühne auch deutlich anzumerken.


    Da man in Deutschland dem modernen Regietheater offensichtlich doch aufgeschlossener gegenüber steht, wird es solche Buhorkane dort wahrscheinlich auch seltener geben. Oder sind nur die deutschen Rezensenten so modern, nicht aber der deutsche Opernbesucher? Oder haben sich letztere einfach nur schon daran gewöhnt und damit arrangiert?


    Gregor

  • Nun hat auch Ferruccio Furlanetto in zwei Interviews Hiebe gegen die Nemirova-Inszenierung ausgeteilt. Sowohl im Kurier als auch in den OÖ Nachrichten bezieht er dazu und zum modernen Regietheater allgemein Stellung.


    Aus dem Kurier:


    "Jedes Theater sollte Regietheater sein, allerdings in positiver Form. Ich hätte in Paris einen ,Macbeth' machen sollen, aber ich bin ausgestiegen, weil ich so manchen Schwachsinn nicht mitmachen wollte. Das hätte ich übrigens auch meinen Kollegen in Wien geraten. Dieser neue Wiener ,Macbeth' ist eine Gemeinheit gegenüber den Sängern und gegenüber dem Publikum. Und gegenüber Giuseppe Verdi."


    Als konservativ sieht sich Furlanetto, der mit Größen wie Herbert von Karajan gearbeitet hat, nicht. "Ich habe Produktionen mit Regisseuren wie Patrice Chéreau, Peter Stein oder in Wien mit Hermann Nitsch erlebt. Sie alle sind sogenannte ,moderne' Regisseure. Aber sie sind gut, sie wissen, worauf es bei einer Oper ankommt, sie können Noten lesen. Das ist bei vielen gehypten Zerstörern nicht der Fall."


    Glaubt Furlanetto aber, dass dieses Regietheater die Oper zugrunde richtet? "Nein. Im Gegenteil. Die Oper wird es immer geben. Das Regietheater aber, also das schlechte Theater, wird nicht überleben. Die Oper ist der natürliche Tod des Regietheaters, denn die Musik ist immer stärker."


    In den OÖ Nachrichten sagte er:


    OÖN: Sie gelten als sehr konsequenter Sänger, der mit dem Regietheater nichts am Hut hat. In diesem Sinne sagten Sie Ioan Holender ab, als er Sie für die Konwitschny-Inszenierung der französischen „Don Carlos“-Fassung engagieren wollte…


    Furlanetto: Konwitschnys Vorstellungen von diesem Werk hatte ich bereits mitgekriegt, als die Produktion in Hamburg lief. In Sachen König Philipp gibt es für mich keine Kompromisse. Ich singe den „Don Carlo“ von Verdi, nicht den von Konwitschny. Sänger sollten derlei zur Herzensangelegenheit machen, schon allein aus Selbstschutz. Leider ist es heute so, dass man die wenigen Opern-Regieprofis vernachlässigt und lieber Leute holt, die vom Sprechtheater oder vom Film kommen, die keine Noten lesen können, von Partitur keine Ahnung haben, für die Akustik ein Fremdwort ist. Wobei ich sagen möchte: Ich bin nicht verzopft. Ein Patrice Chéreau oder ein Willy Decker etwa sind keine Traditionalisten, aber sie haben Talent. Mein Gott, tut mir mein Kollege Simon Keenlyside leid, was der bei der „Macbeth“-Staatsopern-Inszenierung dieser Vera Nemirova erleiden musste …



    Da ich keinen Furlanetto thread gefunden habe und der Sänger aus Aktualität den Nemirova-Macbeth heranzieht, findet man die Aussagen hier.


    Gregor

  • Nachdem Erika Sunnegardh wegen Erkrankung die Partie der Lady Macbeth in der zweiten Aufführungsserie nicht singen kann wurde für sie Tatjana Serjan als Ersatz angekündigt. Jetzt ist auch diese Sängerin erkrankt und der Direktor hat daraufhin gleich die ganze Macbeth-Serie abgesetzt und sie durch La Traviata ersetzt.


    Da stellt sich für mich die Frage ob es denn wirklich nicht möglich ist eine Lady Macbeth zu finden. Wo sind denn die Damen die diese Partie im Repertoire haben? Guleghina, Papian, Serafin und wie sie alle heißen.


    Die Inszenierung von Vera Nemirova kommt natürlich auch beim Publikum nicht an und war ja auch für die Sänger problematisch.


    Wie zu hören ist, wird diese Inszenierung nicht durch den neuen Operndirektor übernommen. Das heißt man hat für lediglich elf Vorstellungen eine Inszenierung herausgebracht bzw. waren es jetzt nach der vorzeitigen Absetzung nur sechs Vorstellungen. Das in den Zeiten der Finanzkrise wo eh jeder kein Geld zu haben scheint. Wie kann das sein? :no:


    Dafür kommt man halt noch einmal in den Genuß der schönen La Traviata Inszenierung, die ja eigentlich schon abgesetzt wurde weil sie vom neuen Operndirektor nicht übernommen wird. Die Hauptrollensänger, die für den Macbeth angekündigt waren, übernehmen nun die Hauptrollen in der Traviata.


    Gregor



  • Naja, bei uns in München ist es schon fast so üblich, dass Inszenierungen nur für eine sehr begrenzte Vorsrellungsanzahl entstanden sind. Vor allem die Festspielpremieren waren nur sehr kurz zu sehen, jeweils immer nur 5-6 Abende (Moses, Doktor, Faust, Alice, ) oder auch nur 1-2 Spielzeiten lang ( Forza, Affen-Rigoletto, Romeo...).
    Diese Kurzlebigkeit wie auch beim Macbeth in Wien ist meiner Meinung nach ein Zeichen dafür, wie sehr am Publikumsgeschmack in del letzten Jahren "vorbeiinszeniert" wurde.
    Am Wiener Beispiel zeigt sich jetzt einmal mehr, dass Publikumsproteste durchaus erfolgreich sein können... :D


    :hello:

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