Die Neuinszenierung von Macbeth an der Wiener Staatsoper hat für so einigen Unmut gesorgt. Die Regie von Vera Nemirova wurde vielen Besuchern zum Ärgernis, da man das Gefühl hatte, es ginge mehr um Provokation als um eine wirklich sinnvolle Inszenierung.
Da sieht man einen nackten König Duncan, der in die Badewanne der Lady Macbeth steigt. Nach dem Mord an Duncan müssen Macbeth und seine Lady unter die Dusche, um das Blut von Macbeth abzuwaschen. Banquo’s Mörder erscheinen mit roten Clownnasen und roten Luftballonen. Die Hexen treten als Künstlerinnen, Fotografinnen und in Bademänteln auf.
Es gibt aber auch gelungene Szenen. Die Bankettszene, in der der tote Banquo erscheint und Macbeth völlig aus der Fassung bringt, wird zu einer Demonstration der Macht des Macbeth und zugleich eine Warnung an die Untertanen, zu welchen Handlungen er fähig ist.
Die zumeist gestrichene Ballettszene wird bei Nemirova mit einer Art Theaterstück dargeboten, bei dem Macbeth die Geschichte der schottischen Könige gezeigt wird, die, kaum die Königskrone erworben, schon wieder von deren Nachfolgern gemeuchelt werden.
Doch gute Regieeinfälle werden von der Regisseurin leider immer wieder von Absurditäten abgelöst. Beim Racheduett mit ihrem Gatten kommt Lady Macbeth mit einem Kinderwagen auf die Bühne, in der sie kein Kind präsentiert, sondern ein Maschinengewehr. Bei der Premiere übrigens zur Belustigung des Publikums. Gerade bei der Premiere wäre es mit diesem Kinderwagen beinahe zu einem Unfall gekommen, als dieser sich unbeobachtet Richtung Orchestergraben bewegte, und nur durch eine rasche Kickbox-Aktion von Simon Keenlyside wurde Schlimmeres verhindert. Eine Aktion übrigens die freudig vom Publikum mit Applaus und Jubel bedacht wurde.
Doch es kommt einem bei solchen Inszenierungen natürlich auch der Gedanke, was von einem Sänger heute alles so gefordert wird.
Mit der Rolle des Macbeth erweiterte Simon Keenlyside sein Verdi-Repertoire und er zeigt, dass er mit diesem Komponisten sicher auf einem guten Weg ist. Der Macbeth war ein vorgezogenes Debüt für den Bariton, da er die Partie eigentlich erst im darauf folgenden Jahr hätte singen sollen. Nach der Absage von Thomas Hampson trat die Direktion mit der Bitte an ihn heran, die Partie schon eher in Wien zu singen.
Mit dem Rodrigo und dem Papa Germont hat Keenlyside schon bewiesen, dass Verdi’s Gesangsbögen ihm vokal sehr entgegen kommen und auch der Macbeth bzw. dessen Tessitura liegen ihm besonders gut und er kann das umsetzen, was Verdi in der Partitur vorgibt.
Keenlyside’s Zugang zu der Rolle ist natürlich ein sehr lyrischer und gerade in den lyrischen Stellen der Oper kann er seine Stärken gut ausleben. Gelegentlich kommt er an seine vokalen Grenzen, in der Bankettszene wird er manchmal vom Orchester etwas zugedeckt. Doch er ist klug und forciert nicht. Den größten Eindruck hinterlässt er stets in den beiden letzten Akten, da blüht er jedes Mal voll auf, und die Arie zum Schluß singt er in allen Vorstellungen wunderbar und wird stets zum größten Szenenapplaus des Abends.
Darstellerisch ist er natürlich wieder ausgezeichnet. Gerade wenn es um die Darstellung von schwierigen Charakterrollen geht ist er in seinem Element.
Daß Erika Sunnegardh in der Rolle der Lady Macbeth auf nur wenig Publikumsliebe stößt, liegt weniger an der Tatsache, dass sie stimmlich keine Lady eines Zuschnitts einer Christa Ludwig ist. Ihr Zugang zu der Rolle ist auch ein lyrischer, allerdings sind die stimmlichen Defizite der Sängerin deutlich hörbar. Die Mittellage klingt farblos, die Höhen schrill, die Tiefe ist praktisch nicht existent. Dazu kommt ein eher unpersönliches Timbre und die Stimme ist nicht sehr flexibel. Schon bei der Premiere wird sie gnadenlos ausgebuht, doch im Laufe der Serie kann sich die Sängerin steigern. Eine ideale Lady wird sie zwar nicht, doch gelingen ihr auch gelegentlich schöne Momente. Am Ende der Serie gibt es keine Buhs mehr für sie. Sogar freundlichen Applaus, welcher sichtbar erleichternd für sie ist.
Auch bei Stefan Kocan in der Rolle des Banquo kann man im Laufe der Serie eine Steigerung beobachten. Seinem Vortrag fehlt es zwar noch an Autorität und auch die Tiefe seiner Bassstimme ist noch wenig ausgeprägt, doch dieser Sänger ist eben noch jung und er wird sich noch weiterentwickeln.
Bei Dimitri Pittas als Macduff ist leider eine umgekehrte Entwicklung zu beobachten. Am Premierenabend noch mit dem zweitstärksten Szenenapplaus bedacht, ist er gegen Ende der Serie nur mehr an vierter Stelle der Publikumsgunst zu finden. Er besitzt ein angenehmes Timbre und hat auch keine Mühe mit den Höhen. Doch während er bei der Premiere noch sehr engagiert wirkt, singt er in Folgevorstellungen manchmal etwas eintönig und somit auch langweilig. Die Personenregie hat vollständig auf ihn vergessen. Dieser Macduff stand immer nur langweilig auf der Bühne herum. Eigene Ideen hat der Sänger offensichtlich leider nicht.
In den kleinen Rollen kann Gergely Nemeti als Malcolm gut gefallen, Donna Ellen singt eine gute Dame. Alfred Sramek ist nach längerer Zeit auch stimmlich wieder in guter Verfassung in der Rolle des Arztes.
Ganz ausgezeichnet präsentiert sich der Chor der Wiener Staatsoper, und der Dirigent, Guillermo Garcia-Calvo - für den erkrankten Daniele Gatti eingsprungen - dirigiert diese Serie von Macbeth-Vorstellungen wunderbar.
Nach dem Tumult bei der Premiere schienen sich die Wogen im Laufe der Serie zu glätten. Es gab zwar gelegentlich noch einige Unmutsbekundungen des Publikums, wie zum Beispiel bei der „Ballettszene“ oder der Nummer mit dem Kinderwagen, doch letztendlich reiht sich diese Inszenierung in eine Reihe einiger so anderer fragwürdiger Inszenierungen, die man ihm Haus am Ring so sehen kann.
Und wie eine Besucherin aus Deutschland neben mir so treffend sagte. ‚Wieso regen sich diese Wiener denn so auf? Das ist doch recht harmlos, die sollen mal nach Deutschland kommen, da würden sie so manche Vorstellungen vorzeitig verlassen.’
Gregor