ARNE, Thomas: ARTAXERXES

  • Thomas Arne [1710-1778]


    ARTAXERXES


    Oper in drei Akten


    englisch gesungen


    entstanden 1762
    Rekonstruktion von Peter Holman


    Libretto von Pietro Metastasio aus dem Jahre 1729 in bearbeiteter Form


    Uraufgeführt am 2. Februar 1762 in London, Covent Garden


    Dauer etwa 140 Minuten



    Personen:


    Artaxerxes – König von Persien
    Artabanes – Hauptmann der Leibwache
    Arbaces – Freund des Artaxerxes
    Rimenes - Armee-General, Vertrauter des Artabanes
    Mandane – Schwester des Artaxerxes, verliebt in Arbaces
    Semira – Schwester des Arbaces, verliebt in Artaxerxes
    und weitere



    INHALTSANGABE



    OUVERTÜRE


    ERSTER AKT


    Erste Szene:


    Mondlicht beleuchtet die königlichen Gärten von Susa. Mandane, die Schwester des Artaxerxes, und Arbaces, der Sohn des Führers der Palastwache, sind ein Liebespaar, aber wenn der Jüngling seine Prinzessin sehen will, muss er jedes Mal heimlich über die Einfriedung der Gartenanlagen steigen. Arbaces ist nicht von geringem Stand, doch um sich mit einer königlichen Prinzessin ehelich zu verbinden, ist sein Adel zu gering. Deshalb hat König Xerxes, ihm den Zutritt zum Palast verboten, denn seine Tochter soll sich für einen Gatten seiner Wahl frei halten.


    Die Liebenden können sich nicht trennen, flüstern sich zärtliche Worte zu und erläutern dem Opernpublikum ihre Situation. Aurora soll den unwillkommenen Tag noch ein bisschen zurückhalten, denn Qualen zerreißen das Herz Mandanes jedes Mal, nachdem der Liebste es ausgiebig gestreichelt hat, um dann im Morgengrauen unbemerkt über die Gartenmauer zu entweichen. Sie bittet den Freund, noch ein paar kurze Minuten zu verweilen, weil sie es genießt, von ihm umschmeichelt zu werden. Doch Arbaces klagt, dass ihr königlicher Vater die Missachtung seines Gebotes mit außerordentlicher Strenge ahnden würde. Das Flehen eines Liebenden habe wenig Gewicht, wenn schon die Tochter keine Gnade finden kann. Sein königlicher Stolz lehnt es ab, sein Kind mit einem Untertanen gleichzusetzen. Ihr Herz würde vergessen zu schlagen, beteuert Mandane, wenn sie seinen Verlust hinnehmen müsste. Wie gut, dass wenigstens der Bruder auf ihrer Seite steht. Artaxerxes hält viel von ihm und brüstet sich seiner Freundschaft, denn die beiden sind zusammen aufgewachsen und auf seine Vermittlung beim Vater kann Arbaces zählen. Der Geliebte soll alle Bedenken überwinden und an ihrer Liebe niemals zweifeln. Alle guten Engel mögen ihn beschützen!



    Zweite Szene:


    Artabanes befehligt die Leibwache des Königs, sieht sich aber selbst bereits als König von Persien. Zu diesem Zweck hat er beschlossen, die königliche Familie auszurotten. Rücksichtslos und intrigant geht er vor. Mit Xerxes macht er den Anfang und ermordet ihn in seinem Schlafgemach. Seinen eigenen Sohn passt er vor dem Verlassen des Gartens ab und tauscht mit dem Verblüfften die Mordwaffe gegen sein Schwert. Der Autorität des Vaters hat der Überrumpelte an Gegenwehr nichts entgegenzusetzen. Das Mordinstrument trieft noch vom Blut des Xerxes und Arbaces soll damit schleunigst verschwinden und es verstecken. „O mein geliebter Sohn“ agiert der Mörder, „Deinetwegen bin ich schuldig geworden!“ Der Ansporn seiner Rache sei seine unwürdige Behandlung durch den grausamen König gewesen. Arbaces wäre es im Moment lieber, nie geboren zu sein, als mit einer solch schändlichen Aufgabe betraut zu werden, dass Mordwerkzeug beiseite zu räumen. Doch der Vater rät, jetzt einen großen Plan nicht an feigen Skrupeln scheitern zu lassen. Könnte es nicht sein, dass der Sohn eines Tages König von Persien sein wird? Danach steht Arbaces in diesem im Moment nicht der Sinn und er verflucht den elenden Tag.


    „Admid a thausand racking Woes,
    I pant, I tremble, and I feel,
    cold Blood from ev'ry Vein distill,
    and clog my lab'ring Heart -


    Unter tausend quälenden Leiden,
    keuche ich, zittere ich und ich fühle
    kaltes Blut aus jeder Vene rinnen
    und mein qualvolles Herz beklemmen.“


    Schluss jetzt, der Querulant soll mit der Mordwaffe verschwinden!



    Dritte Szene:


    Artabanes spricht sich Mut zu. Sein Herz soll stark sein, denn bei der Suche nach dem Schuldigen kann der erste Schritt nicht mehr rückgängig gemacht werden. Des Königs Blut, bis zum letzten Tropfen gehasst, musste vergossen werden. Nun wird er alle Kunst der Verstellung zusammennehmen müssen, denn Artaxerxes und Rimenes haben ihren Auftritt.


    Der Kronprinz benötigt seinen Rat bei der Aufklärung einer schlimmen Mordtat. Den Vater hat ein schreckliches Schicksal erlitten - er blutet aus vielen Wunden, denn er wurde ermordet. Artaxerxes glaubt, dass ein unersättlicher Durst nach Herrschaft seinen grausamen Bruder Darius zur Tat angetrieben habe. Damit der Opernbesucher sich nicht unnötig ängstigt: in Persien heißen Prinzen oftmals Darius und der Ermordete ist nicht Darius I.,der in den Jahren von 522 bis 486 regierte.


    Artabanes ist schon froh, dass er es nicht ist, der in die Schusslinie gerät. Schnell erklärt er, dass er Ähnliches schon immer geahnt habe. Wer sonst konnte in der Stille der Nacht sich dem königlichen Bett unbemerkt nähern? Artaxerxes möge ihm die willkommenen Aufgabe überlassen, den Verräter unverzüglich zu greifen. Wie gut, dass in ihm ein Herz wohnt, das Mitleid mit dem toten König hat. Immerhin sei Darius aber der Sohn des Königs! doch Artabanes meint, wer seinen Vater umbringt, darf sich nicht länger seinen Sohn nennen.


    Es gehört zur Gepflogenheit von Thomas Arne den gesungenen Versen noch eine schmucke Arie folgen zu lassen, die inhaltlich kaum noch Information bringt, aber schöne Verzierungen aufweist: Artabanes hetzt Artaxerxes folgendermaßen auf:


    „Siehe, an Lethes verlassenem Ufer
    steht die einsame Seele deines Vaters!
    In seinem Antlitz, welch tiefe Trauer!
    Siehst du, wie er seine traurigen Augen verdreht?
    Hör! Rache, Rache ruft er
    und zeigt auf seine noch blutende Wunde:
    Gehorche dem Ruf, räche seinen Tod;
    und gib der Seele Ruhe, die dir seinen Atem gegeben hat.“



    Vierte Szene:


    Semira, die Schwester des Arbaces, ist in Artaxerxes verliebt und klagt, dass er ihr dauernd entflieht. Gut, dann soll der grausame Prinz fortgehen, wenn unangebrachte Liebe in hindere, sich ihr zu widmen.Die Verehrteste soll nicht schmollen, am liebsten würde er immer in ihrer Nähe bleiben, denn die bezaubernde Süße ihrer Stimme halte ihn gefangen, doch im Moment habe er keine Zeit, weil es gilt, Sohnespflichten zu erfüllen. Die den Auftritt abschließende Arie erklärt präzise seine Reaktion:


    „Fair Semira, lovely maid,
    Cease in pity to ubraid
    My opress'd but constant Heart:
    Full sufficient are the Woes,
    Which my cruel Stars impose;
    Heav'n alas! Has done its part. -


    Schöne Semira, liebliche Maid!
    Erbarme dich und höre auf
    mein schweres, doch treues Herz zu quälen.
    Der Sorgen habe ich schon genug,
    die von den grausamen Sternen mir auferlegt werden.
    Der Himmel hat jetzt seine Rolle endlich gespielt.“



    Fünfte Szene:


    Semira wendet sich an Rimenes, der ihr erklären soll, weshalb der Prinz verwirrt sei. Sie befürchte, dass ein schreckliches Unheil die Ursache sein könnte. Nun, Xerxes ist ermordet worden. Mit einem Finger zeigt der Verdacht auf Darius. Artaxerxes sieht nun einen schrecklichen Konflikt zwischen seiner Bruderliebe zu Darius und der Sohnespflicht, seinen Vater zu rächen. Eine schlimme Tat folgte wilder Ambition. Nur der Himmel weiß, ob das Leben von Artaxerxes in diesem Palast noch sicher ist. Das Schicksal beschäftigt sich gern mit wütendem Gemetzel. Doch die Liebenden werden am Ufer sitzen und das Wrack des Schicksals intensiv beobachten. Rimenes soll nicht glauben, dass Liebe Einzug halten kann, wenn das traurige Herz von Unglück umgeben ist! Er soll jetzt gehen und sie ihren sorgenvollen Gedanken überlassen.


    Wer hätte geahnt, dass Rimenes in Semira verliebt ist. Doch er nimmt sie nicht sehr ernst. Das Gewebe ihrer Verachtung sei nicht so dicht, als dass er nicht jeden kleinen Faden erkennen kann. Zur Liebe geboren, wird er ihr unerschrocken folgen, denn Hoffnung beflügelt sein Herz. Was der undankbaren Maid fehlt, ist holde Phantasie, doch diese wird sich schon noch einstellen. Seine Schlussarie schweift ab und äußert sich in Wunschdenken: Der Soldat träume vom Kampf und siegt ohne Wunden. Der Seemann in seinem Schlaf fährt sicher durch die Tiefen. So wird auch er mit Hilfe der Phantasie seine liebe Maid genießen.



    Sechste Szene:


    Semira fleht, dass die Götter des persischen Reiches ihren Artaxerxes beschützen mögen. Er mag froh sein, doch Semira ist verzweifelt. Xerxes ist tot und ein neuer Prinz besteigt nun den Thron. Von ihr wird er geliebt, doch es übersteigt ihre Hoffnung, dass seine Hand, die er der Untertanin versprochen hat, als Herrscher nicht mehr begehrenswert findet. Wie hart ist das Schicksal, wenn Tugend und Ehre es erfordern, Schmerzen zu erdulden.



    Siebte und achte Szene:


    Wohin soll die hilflose Maid entfliehen? Mandane klagt, dass sie in einem einzigen schicksalsschweren Augenblick einen Vater und einen Bruder verloren hat. Den Artaxerxes fragt sie, ob er seine Hände mit dem Blut des Bruders verschmutzt habe. Gern hätte er die Tat verhindert, denn im ganzen Palast habe er nach Darius und Artabanes suchen lassen – doch vergeblich. Artabanes kommt und erstattet Bericht, dass die Arbeit getan sei. Der Tod des Vaters sei gerächt, Darius wurde erschlagen und er, Artaxerxes, sei jetzt König. Mandane beklagt das schwere Unglück und Artaxerxes ruft nach den Göttern. Warum die Seufzer, er habe die Hinrichtung doch selbst befohlen? In der Tat, alle Schuld nehme er auf sich. Von welcher Schuld spricht der König? Alles ist seinen geregelten Gang gegangen. Mit den Todesschauern des Darius wurde ein blutiger Vatermord bestraft.



    Neunte Szene:


    Artaxerxes möchte wissen, worüber sich die schöne Semira so unbändig freut. Er soll erfahren, dass Darius des Mordes nicht schuldig ist. Den Attentäter hat man gefangen. Die wachsamen Soldaten überholten ihn bei dem Versuch, die Gartenmauer zu überspringen. Seine tiefe Verwirrung, sein blasses Gesicht, weisen auf seine Schuld hin. Des Schwertes Spitze war blutrot gefärbt.


    Von doppeltem Schreck ist Artaxerxes geschlagen. Muss er jetzt einen Thron besteigen, der vom Blut des Bruders beschmiert ist? Nie wieder wird er den Frieden kennen lernen. Man soll den Schuldigen schnell vor ihn bringen, damit sein ungebändigter Zorn die Rache ausführt, welche die Tat verdient. In der Stunde des Schmerzes sollen Artabanes und Mandane ihn nicht verlassen. Wo ist sein lieber Freund Arbaces? Zutritt zum Hof verbot ihm König Xerxes wegen seiner anmaßenden Liebe zur schönen Mandane, weiß Artabanes zu berichten. Das Verbot ist aufgehoben, man soll sich beeilen und ihn in seine Arme bringen, befiehlt Artaxerxes.



    Zehnte Szene:


    Wer hier im Kreis des Königs würde an eine Schuld Arbaces glauben? Rimenes führt ihn als Gefangenen vor. Alle sind entsetzt. Mandane sähe den Freund lieber in den Krallen des Todes, als in Fesseln wie einen Verräter. Arbaces erklärt nachdrücklich, dass er an der Tat, die ihm vorgeworfen wird, unschuldig sei. Kann er seine Unschuld beweisen, denn dann wäre seine Liebe für ihn doppelt so groß als wie bisher, argumentiert der König. Beweisen kann er es nicht, man muss sich einfach mit seiner Erklärung zufrieden geben. Seine Verwirrung entspräche den Geschehnissen. Rimenes holt das blutbesudelte Schwert hervor. Wagt er noch immer, die Tat zu leugnen? Nach wie vor beteuert Arbaces seine Unschuld, wagt aber nicht, seinen Vater zu belasten. Dieser maßregelt den unverschämten Jüngling wie einen halsstarrigen Täter. Sein Anblick sei ihm eine Qual und die Tat seine Schande! Schließt etwa sein Vater sich seiner Zerstörung an? Das Gesetzt soll den Mörder bestrafen. Sein Vater sei er nicht mehr, nachdem er den König ermordet habe.



    Elfte Szene und zwölfte Szene:


    Arbaces hebt seinen Blick gen Himmel und fragt die gefühllosen Götter, welche Schandtat er vollbracht habe, dass erbarmungslose Rache ihn beschattet. Hat Semira, die liebe Schwester, kein Mitleid mit ihm? Er soll sich von der Schandtat, die ihm vorgeworfen wird, lossprechen und in die reine Unschuld zurückkehren, dann wird der unglückselige Bruder wissen, dass keine Schwester ihn so lieben könnte, wie sie. Arbaces muss zugeben, dass der Anschein stark gegen ihn spreche, doch die Wahrheit über seine Unschuld stehe auf seiner Seite. Artaxerxes rät ihm, den Himmel anzuflehen, dass dieser ihm helfe, doch im Moment zwingt ihn das Gesetz, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Kann sein lieber Freund Rimenes nichts für ihn tun? Ein Verräter kann niemals sein Freund sein!



    Dreizehnte Szene:


    Nun fleht Arbaces die schöne Mandane an, ob nicht wenigstens sie ihn anhören will. Sie soll sich auf ihre Liebe zu ihm besinnen. In Hass hat sich diese verwandelt! Sein Bitten sei vergeblich. Hält sie ihn auch für schuldig? Von seiner Schuld sei sie überzeugt! Bevor Arbaces in Fesseln abgeführt wird, bringt er seinen ganzen Schmerz in der folgenden Arie unter:


    „O too lovely, too unkind,
    if my Lips no credit find.
    Pierce my Briest, my Heart shall prove
    strong in virtue, firm in Love.
    Guiltress, wretched, left forlorn,
    and worse than murder'd by thy Scorn. -


    O wie schrecklich, o wie elend,
    wenn meine Lippen keinen Glauben finden!
    Durchstecht meine Brust, mein Herz wird sich als
    tugendhaft erweisen, in größter Liebe.
    Ohne Schuld - elend, verlassen, verzweifelt -
    ist es schlimm, von deinem Abscheu ermordet zu werden.“



    Vierzehnte Szene:


    Mandane fällt es offenbar schwer, ihre große Liebe zu verleugnen, denn sie fleht den teuren und geliebten Schatten des toten Vaters an, ihren Zorn zu beflügeln. Liebevolles Vertrauen soll nicht die Oberhand gewinnen und den Zweck gerechter Vergeltung abwenden. Nach wie vor fühlt sie des Tyrannen Liebe in sich. Ihre Gefühle suchen nach Arbaces und der Schmerz zerreißt ihr die Brust. Die Götter sollen ihr helfen, sein Andenken zu verzerren. Im Zwiespalt der Gefühle versucht sie, ihr Dilemma zu analysieren:


    „Fliegt, warme Gedanken fliegt,
    auf dass weder Träne noch Seufzer
    meine Liebe verrate;
    Dem großen Ruf der Natur
    die alles beherrscht,
    muss die Tochter gehorchen.
    Aber meine Seele weigert sich,
    den Ruf nach Rache zu hören.
    Wage es nicht, liebendes Herz,
    seine Rolle zu übernehmen,
    sondern vertreibe seine Gestalt!




    Zweiter Akt


    Fünfzehnte Szene:


    Artaxerxes befiehlt, dass die Wachen zum Turm eilen sollen, um Arbaces unverzüglich herzubringen. Der Vater gibt sich besorgt, dass der König vielleicht denken könne, der Vorschlag sei von ihm gekommen, den Verdächtigen einzusperren. Nein, es sei auch nicht gerecht, so zu verfahren, denn der Freund behaupte nach wie vor, schuldlos zu sein. Der König neige dazu, sich dieser Auffassung anzuschließen. Nun biete er dem Vater die Chance, den Fall juristisch zu untersuchen und in seinem Sinne die Sicherheit und Ehre seines Sohnes wieder herzustellen. In der gemeinsam verbrachten Kindheit kannte jeder die Hoffnungen und Ängste des anderen. Unsere Freundschaft in den reiferen Jahren habe unsere Herzen miteinander verschlungen, bekennt Artaxerxes. O, entlaste ihn von diesem Verbrechen, beweise deine Liebe und deine Pflicht! Artabanes soll ihm die die Schuldlosigkeit zurückgeben, die einstmals ihre gegenseitige Zuneigung beflügelt habe.



    Sechzehnte Szene:


    Der übertriebene Respekt, den Arbaces dem Vater entgegenbringt, mag in der damaligen orientalischen Gesellschaftsform sowie im persönlichen Charisma Artabanes begründet liegen. Der Opernbesucher quittiert mit Missbilligung, dass der Unterdrückte den Vater mit der Bezeichnung „Herr“ anredet. Artaxerxes ist von der Bildfläche verschwunden; die Turmwächter liefern Arbaces ab und verschwinden im Nebenraum.


    Artabanes gibt vor, immer darauf aus gewesen zu sein, ihn zu retten und so habe er mit List von Artaxerxes die Freiheit erhalten, ihn zu befragen. Diese glückliche Gelegenheit soll er wahrnehmen und durch den geheimen Ausgang, den er ihm zeigen wird, zu verschwinden. Die Wächter soll er überlisten und einfach fliehen. Aber seine unvermutete Flucht würde seine Schuld beweisen, widerspricht der Überraschte. Alles Unsinn! Dem Zorn des Königs wird er ihn entreißen und möglicherweise wird die Stimme des Volkes ihn auf den Thron rufen. „Was sagst Du, Herr?“ Seit langem sei ihm bekannt, welchen Hass er gegen das königliche Blut hege. Sein Anblick wird die meuternden Truppen anfeuern, denn die Anführer haben sich seinen Interessen verschworen, glaubt Artabanes. Er will aber nicht zum Rebellen werden, allein der Gedanke sei ihm schrecklich. Sei das etwa der Rat eines Vaters? Die Wächter sollen schnell kommen, ihm die Ketten wiedergeben und ins Gefängnis zurückbringen. Artabanes brennt vor Ärger, weil der nutzlose Bengel sich widersetzt. Der Herr Vater möge an seinen Schmerz denken und ihm ein freundliches Adieu gewähren. Mit einer solchen unvermuteten Abfuhr hat der an Gehorsam Gewöhnte nicht gerechnet und beißt die Kiefer wutentbrannt aufeinander. Arbaces sieht den Ärger und die Verachtung im Gesichtsausdruck des Älteren und versinkt in Schmerz und Wehleidigkeit:


    „Jeden Trost verneinst du mir
    und ermordest meinen Ruhm!
    Keine Trauer kann das Herz in Mitleid verwandeln,
    das nicht teilnimmt an meinem Kummer.
    Die zarten Bitten der Natur sind vergebens
    So seid willkommen meine Ketten.
    O Strenge, so ungerecht
    O Rat, so unselig!
    Ehrgeiz schlecht angebracht;
    Meine Tugend verschandelt.
    Die Schmerzen, die ich erleide,
    nur der Tod kann sie heilen!“


    Die Turmwächter erscheinen und nehmen ihn wieder mit.



    Siebzehnte und achtzehnte Szene:


    Warum ist der liebe Freund so nachdenklich und wirkt so untätig, will Rimenes wissen. Ach der eigensinnige Sohn steht seinem Ehrgeiz im Weg und lehnt die Freiheit und die Krone ab. Dann muss man ihn mit Gewalt aus dem Turm befreien. Artabanes meint, die Zeit wäre besser genutzt, wenn Artaxerxes durch beider Hand zuvor umkäme, damit der widerborstige Strolch nicht noch auf die Idee kommt, ihn zu verraten. Rimenes fühlt sich dem falschen Freund verpflichtet, weil dieser ihn aus der Bedeutungslosigkeit zu Ehren erhoben hat und sagt uneingeschränkte Unterstützung zu. Seine Hand und sein Herz gehorchen seinem Willen. Artabanes habe seine Leidenschaft für seine Tochter Semira gesehen. Er soll sich seine Verwirrung ersparen, denn er möchte ihm nun seine Achtung bezeugen. Semira soll ihm gehören! Rimenes bedankt sich artig für die Gunst und erklärt, dass seine Freude keinen Ausdruck finde. Ach, da kommt sie gerade. Wie gut es sich trifft, sie von dem Willen des Vaters in Kenntnis zu setzen. „In diesem tapferen Hauptmann siehst zu nun Deinen Herrn und Gatten!“ Ein schreckliches Wort. Der Vater soll sich überlegen, dass jetzt nicht die Zeit für Eheversprechen sei. Der unselige Bruder und der arme Vater wurden aus dem Leben befördert. Ist Semira etwa genau so aufsässig wie ihr Bruder? „Sei still, nichts mehr! Dies ist mein Befehl! Antworte nicht! Gehorche!“



    Neunzehnte Szene:


    Semira versucht dem Rimenes die Hochzeit auszureden. Sieht er nicht, wie sie bebt? Wenn er durch Zwang ihre Hand nimmt, soll er wissen, dass ihr Herz die brutale Gewalt verachtet. Ihr Herz kann sie für jemanden anderes aufheben, denn er interessiere sich nur für ihre Schönheit. Sie bekommt von ihm das Beste und hält für sich das Schlechteste zurück. Eine intelligente Antwort! Rimenes erläutert, Seufzen und Klagen sei nicht seine Art. Zufrieden möchte er seine Beute genießen. Er verachte es, über die Ablehnung einer Frau nachzudenken oder seine Seelenruhe gegen ein Spielzeug einzutauschen. In der Liebe wie im Krieg lacht er über die Wunde und freut sich, wenn sein stolzer Feind genötigt ist, nachzugeben. Die Freude, welche bleibt, ist diejenige, sein Opfer in Ketten vorzuführen.



    Zwanzigste und einundzwanzigste Szene:


    Viele Glieder verknüpfen sich an einem Tag zu einer Unglückskette. Die Schwester des Artaxerxes und die Geliebte des Arbaces treffen aufeinander. Beide ziehen nicht am gleichen Strang, denn Mandane hat ihr Herz pflichtbewusst verhärtet. Semira verkündet, dass sie an einer Ratssitzung teilnehmen wird, um zu überlegen, wie man dem Bruder helfen kann. Während sie ihn retten will, setzt Mandane dagegen, will die andere seinen Tod, denn für die Tochter des großen Xerxes schickt es sich, seinen Untergang zu wünschen. Die gefühllose Frau treibt ihn noch in den Tod, klagt Semira, aber sie soll ihr Herz rüsten, damit sie ihre Strategie auch durchhält. Wird es ihr gelingen, ihre frühere Leidenschaft zu vergessen? Die zarte Hoffnung, die warmen Treueschwüre, die liebevollen Seufzer und die süßen Gedanken – soll das alles zum Teufel sein? Was ist mit der anmutigen Gestalt, die ihre Liebe entzündet hat. Die barbarische Semira soll jetzt bitte nicht versuchen, ihre Gefühle gegen ihre Pflicht in Aufruhr zu versetzen.


    Mandane strengt sich an, mit ihren Gefühlen ins Reine zu kommen. Es gelingt ihr nicht und sie bekennt schuldbeladen die Schwäche ihres Herzens. Der Verzicht auf das Züngeln der zarten Flammen, welche die Liebe entzündet – einst ihr Stolz – gestaltet sich nun zur Schande. Ihr Wankelmut neigt dazu das Herz für die Seite des Verräter einzunehmen. Sie fühlt es, aber der Hass darf nicht aufhören, zu existieren, damit dem toten Vater, dem göttergleichen Xerxes, die gebotene Ehrerbietung bewiesen wird. Arme Mandane!


    Auch Semira ist völlig verwirrt. Um sich herum sieht sie überall Feinde und alle treffen sie an empfindlicher Stelle. Ihr empfindsames Herz sieht sie ständig angegriffen und was sie bewegt, kleidet sie in Symbolik.


    Wenn des Flusses steigende Wogen
    ihr übliches Bett verlassen,
    kann der verängstigte Bauer vor der Flut
    seine Hütte nicht mehr retten.
    Wenn er ein offenes Loch stopft,
    zu dem die Wasser eilig fließen -
    an hundert anderen Stellen
    rauscht die unbändige Flut herein.


    Was willst du andeuten Semira?



    Zweiundzwanzigste Szene:


    Im Audienzsaal spricht Artaxerxes über seine tiefe Betrübnis, dass das unfreiwillige Ableben des Vaters seinen besten Freund in arge Bedrängnis bringt. Außer der Beteuerung seiner Unschuld unternimmt Arbaces tatsächlich nichts, den auf ihm ruhenden Verdacht zu entkräften. Deshalb hat Artaxerxes den sorgfältig durchdachten Einfall, den Vater, dessen Tugenden – wie er sagt – ihm gefallen, mit der Führung des Prozesses beauftragt. In Unkenntnis der wahren Tatbestände hofft er insgeheim, dass die Stimme des Blutes diesen leiten wird, die Verhandlungsführung so zu steuern, dass Arbaces freigesprochen wird. Der Ernannte soll kraft seiner richterlichen Vollmachten entscheiden, ob der Verdächtigte zu verurteilen oder freizusprechen ist. Mandane, die mit ihren Gefühlen in eine Sackgasse geraten ist, kritisiert, dass des Königs Freundlichkeit größer sei, als seine Pflicht. Artaxerxes hält rhetorisch dagegen, dass der Vater doppelten Grund zur Härte habe, weil es gelte, notfalls auch die eigene Schande zu bestrafen.


    Artabanes fühlt sich befangen, doch der König hält die an ihn übertragene Aufgabe als angemessen und verweist auf seine hohe Tugend. Falls jedoch jemand glaubt, dass er voreingenommen sei, soll er seinen Verdacht äußern. Das allgemeine Schweigen bewertet Rimenes als Zustimmung. Mandane darf neben dem Vater auf dem Thron sitzen. Ihr Herz schlägt wild, doch das Mädchen redet sich ein, dass Vernunft ihre Zuneigung jetzt zügeln soll.



    Dreiundzwanzigste Szene:


    In Ketten wird Arbaces vorgeführt. Seine Emotionen machen ihm zu schaffen und er fragt ob er in ganz Persien so sehr gehasst würde, weil alle sich einig seien, seinem Unglück ungerührt zuzuschauen. So lange er nicht verurteilt sei, besteht der König darauf, dass er ihn weiterhin als seinen Freund betrachtet. Deshalb habe er auch im vorliegenden Falls das Amt des Richters dem würdigen Artabanes übertragen. Arbaces erstarrt vor Schreck, dass sein Vater sein Richter sein soll. Dieser macht tatsächlich kurzen Prozess und hält sein Plädoyer - Staatsanwalt und Richter in einer Person:


    „Arbaces unter den Versammelten erscheinst du
    als der Mörder des Königs Xerxes.
    Die Umstände sind diese,
    dass du eine dreiste Liebe gehegt
    für die ehrenwerte Prinzessin Mandane.
    Dafür hat dich Xerxes vom Hof gewiesen.
    Du hast Rache gesucht und in seinem Tod gefunden.“


    Arbaces erklärt, dass das blutige Schwert sowie der Ort und Zeitpunkt seiner Flucht den Verdacht seiner Schuld zulassen und trotzdem sei sein Herz frei von Schuld. Artaxerxes fordert ihn auf, Beweise seiner Unschuld vorzutragen und statt Beteuerungen zumindest stichhaltige Erklärungen abzugeben, damit der Zorn der gekränkten Prinzessin zur Ruhe kommt. Langsam verliert Mandane die Sympathie des Publikums, die sie als leidenschaftliche Geliebte in vollem Umfang besaß. Für ihre Kaltherzigkeit bringt im Parkett niemand mehr Verständnis auf. Was der Angeklagte beteuere sei ihr gleichgültig. Sie halte ihn für schuldig. Keine Gerechtigkeit sieht sie in der Maßnahme, dem Vater des Verurteilen aufzuerlegen, die Schande, die einen ermordeten König begleitet, zu vergelten. „Grausame Mandane“, lässt Arbaces sich vernehmen, „verurteilt mich also auch deine Stimme?“ Mandane flüstert ihrem Herzen zu, dass es stark bleiben soll.


    Artabanes erklärt, dass die ablehnende Haltung der Prinzessin seine träge Tugend ansporne. Seinen Sohn, kündet er, verurteilt er zum Tode – Arbaces soll sterben. Ganz Persien soll wissen, dass Königstreue und Gerechtigkeit aus seinem Stift fließen. Artaxerxes ersucht, mit seiner Urteilsfindung nicht so flink zu sein. Man könne die Verhandlung auch vertagen. Doch Artabanes bleibt unerbittlich. Nun sei es geschrieben und er habe seine Pflicht erfüllt. Er überreicht dem König das Urteil. „Ein unnatürliches Urteil“, kommentiert der König! „Ein unmenschlicher Vater“, entrüstet sich Semira! Die Tränen Mandanes fließen nun endlich. Das gibt Arbaces Auftrieb. „Weint Mandane aus Mitleid wegen seines grausamen Schicksals?“ fragt er sie. Doch das Mädchen ist zur Entkrampfung ihrer Gefühle noch nicht bereit und antwortet, dass Tränen nicht nur aus Trauer, sondern auch aus Freude fließen können. Ein paar unpassende Worte hat der unmenschliche Vater für seinen Sohn noch auf Lager: Seine strenge Richterrolle habe die Gefühle eines Vaters nicht erlaubt. Er solle sein Schicksal geduldig erleiden, denn das schlimmste aller Übel sei die Furcht. Arbace will aufbegehren, doch seine strenge Erziehung lässt Widerstand gegen die väterliche Entscheidung nicht zu. Unterwürfig bittet er den Vater um Vergebung und bedauert den Kummer, den er ihm bereitet hat. Mit seinem Blut vergieße er auch das eigene!Trotzdem beklage er sich nicht, sondern küsse die ehrwürdige Hand, die sein Todesurteil geschrieben hat.



    Vierundzwanzigste Szene:


    Artabanes hat nun die Auseinandersetzung mit Mandane vor sich. Er hoffe, dass ihr Zorn sich jetzt legen wird, denn er habe, um sie zufrieden zu stellen, seinen einzigen Sohn geopfert, damit ihrer Vergeltungssucht Genüge geschehe. Ihrem Zornesausbruch ist er nicht gewachsen. Der Wilde soll ihr aus den Augen gehen und sein grausiges Haupt in den Tiefen der Erde verbergen. Ist ihr seine Tugend etwa nicht gelegen gekommen. Schließlich habe ihr Zorn seinen Gerechtigkeitssinn doch beflügelt. Er wird belehrt, dass es die Pflicht einer Tochter sei, den Vater zu rächen, aber als Vater hätte er seinen Sohn retten müssen. Mit einer wirkungsvollen Arie lindert sie ihren Zorn und verschafft sich einen bombastischen Abgang:


    „Monster away!
    from chearful Day;
    To the barren Desart fly:
    Paths explore,
    where Lions roar,
    and devouring Tigers lie.
    Tho'for Food,
    they wade in Blood,
    All to save their Young agree:
    Ev'ry Creature,
    fierce by Nature,
    Harmles is compar'd to thee.


    Ungetüm fort!
    Vor hellem Tage
    fliehe in die trockene Wüste.
    Suche Wege, wo Löwen brüllen
    und gierige Tiger sind.
    Auf der Suche nach Nahrung
    waten sie in Blut,
    um ihre Kinder zu retten.
    Alle Kreaturen,
    von Natur aus wild,
    sind zahm im Vergleich zu dir.



    Fünfundzwanzigste Szene


    Dem Artaxerxes bleibt eine Auseinandersetzung mit Semira nicht erspart. „Schau liebe Semira“ versucht der König der Geliebten den Tod ihres Bruders zu erklären, „der Himmel habe sich dem Ruin des Arbaces verschworen!“ Der unmenschliche Tyrann hat zuerst den Freund vernichtet, um ihn anschließend zu beklagen, argumentiert Semira. Das stimmt nicht! Dem Willen ihres Vaters habe er sein Leben überlassen. Weshalb beschimpft sie ihn als Tyrann? Ganz Persien kenne seine Freundschaft zu Arbaces und seine treue Liebe zu ihr! Semira erregt sich, weil sie glaubte, in ihm einen zärtlichen Geliebten und großherzigen Freund zu besitzen, doch sie habe ihn falsch eingeschätzt und in der Liebe sei er betrügerisch.



    Sechsundzwanzigste und siebenundzwanzigste Szene:


    Artabanes ist mit seinem Triumph nicht glücklich und beklagt sich bei Artaxerxes, dass er der Unglückseligste der ganzen Menschheit sei. Gewiss sei sein Kummer groß, doch sein eigener sei dagegen unerträglich, kontert der König und lässt ihn stehen.


    Endlich hat die Seele des Artabanes Raum, ihrer Trauer zu frönen. Welche quälenden Gedanken umgeben seine schuldige Brust. Stechender Schmerz äußert sich in der schändlichen Tat, die er der Jugend seines Sohnes angetan hat. Aber das wird sich ändern. Aus den Krallen des Todes wird er ihn befreien und alles was er erdulden musste, mit einem Königsthron bezahlen. Selbst wenn die schwarze Nacht das Licht der Sonne zeitweise verdeckt, kann man davon ausgehen, dass am folgenden Tage der alte Zustand sich erneuert. Artabanes träumt in seiner Einfalt von den Annehmlichkeiten des Regierens, die er erlangt, wenn er seinem Sohn letztendlich den Weg zum Thron frei gemacht hat. Strahlend wird seine Bahn verlaufen.



    Dritter Akt:


    Achtundzwanzigste und neunundzwanzigste Szene:


    Im Kerker sitzt Arbaces und ist extrem depressiv gestimmt. Warum kommt der Tod so spät, um den Kummer eines Verzweifelten zu beenden. Hoher Besuch erscheint unerwartet. Gütiger Himmel. Was sieht der Gefangene? Geruht es den königlichen Artaxerxes den unseligen Arbaces zu besuchen, um dessen grausigen Kummer zur Kenntnis zu nehmen? Nein, Mitleid und Freundschaft haben ihn hergebracht, um ihn zu retten. Artaxerxes will ihm den geheimen Gang zeigen, der zu Leben und Freiheit führt. Des Artaxerxes soll er zu einem späteren Zeitpunkt gedenken, leben und glücklich sein. Das ist sehr freundlich, aber die Welt glaubt, dass er schuldig sei und deshalb möge der König ihn sterben lassen. Seine Klugheit verlangt es. Artaxerxes vertritt die Auffassung, dass solche edlen Gefühle niemals einem schuldbeladenen Geist entspringen könne. Er fordert den Freund nochmals auf, den Fluchtweg zu nutzen, um sich zu retten – seinem Wunsch gibt er in seiner Eigenschaft als Herrscher die Form des Befehls! Arbaces gibt nach. Aus Dankbarkeit für die entgegengebrachte große Freundschaft verlässt er diesen Ort des Schreckens und der Verzweiflung. Doch verbannt wird er rastlos den Pfad des Elends gehen. Der Verzweifelte vergleicht sich bei seinem Abgang stilvoll mit den Attributen des Wassers in seinen differenzierten Erscheinungsformen.


    Der sprudelnden Quelle entflieht es,
    um durch fruchtbare Täler zu fließen.
    Den Fluss lässt es anschwellen
    bis er sich ins Meer ergießt.


    Auf der Suche nach der verlorenen Ruhe,
    verdammt und verloren,
    wird das Wasser weiter murmeln
    bis es eine Heimat findet.


    Artaxerxes philosophiert, dass der Schleier des Leidens das innere Licht nicht ganz verdecken kann, wenn eine edle Seele seine Strahlen verschickt und das Herz sich im Antlitz widerspiegelt. Trotz Schuldanklage bewahrt der Verdächtigte die Fassade seiner ihm bewussten Unschuld.



    Dreißigste und einunddreißigste Szene:


    Artabanes kommt mit einer Truppe von Verschwörern, um seinen Sohn im Gefängnis aufzusuchen. Er findet ihn nicht vor und völlig verunsichert fragt er Rimenes, ob er nicht weiß, wo Arbaces sei. O unbarmherzige Götter, er wird doch nicht etwa umgekommen sein? Rimenes beruhigt den Aufgeregten, so gut er kann. Vielleicht könnte Mandane ihm zur Flucht verholfen oder Artaxerxes in einem plötzlichen Entschluss ihn bereits ins Jenseits befördert haben. Artabanes jammert, dass er keine große Tat mehr vollbringen könne, wenn der Sohn verloren ist.

    Er solle jetzt kaltes Blut bewahren und eine Entscheidung treffen. Genau in diesem Augenblick schicke Artaxerxes sich an, den Krönungseid zu leisten. Er wird aus dem heiligen Kelch trinken, dessen Wein auf seinen Befehl vergiftet worden sei. Artabanes hört nicht auf, mit jammern. Arbaces war sein Leben und seine Seele! Damit er König sei, wurde er zum Verräter und nun hasse er sich selbst. Verzweiflung treffe ihn wie ein Schlag und erfriere die reifen Früchte seiner Verbrechen. Rimenes sieht die Situation weitaus emotionslos: Den Sohn erwartet der Thron aus seiner Hand, falls er lebt - andernfalls verbleibt nur gnadenlose Rache. Dieser Gedanke beflügele nun auch seinen schwachen Geist, setzt Artabanes die Argumentation fort Er legt sein Schicksal in die Hand des Freundes. Rimenes bekräftigt zuversichtlich, dass er ihn zum Sieg führen werde. Die Gefahr, in welcher der Sohn möglicherweise schwebt, soll seinen rächenden Zorn anregen. Die Aussicht auf das erzielte Königreich soll das Feuer des Eifers schüren. Dem verletzten Geist sei Rache ein Balsam und mit Kraft und Stärke soll er er die freudige Ruhe der noch freudigeren Wut opfern.


    Die widrigen Götter haben den einzigen Weg gefunden, um seinen riesigen Eifer zu bezwingen. Verwirrender Zweifel, ob sein Sohn noch lebt, erweckt in ihm Furcht. Dass entsetzliche Bild der Verzweiflung steigt auf, nimmt seinen Arm die Kraft und zügelt seine kühne Seele. Die Verzweiflung bestärkt seinen Entschluss im Zweifel des Misslingens all seiner Pläne, den König in jedem Fall uns Totenreich vorauszuschicken.


    O mein viel geliebter Sohn, wenn der Tod
    den Atem deines Lebens genommen hat
    werde ich dein unseliges Los teilen.
    Doch ehe der Dolch von meinem Blut trinkt.,
    soll ein gemordeter König an Lethes Flut
    die Geschichte erzählen.


    Caron soll seine Mühen einstellen
    und auf seinem Ruder ausruhen
    bis zu seiner Ankunft.
    Die ewigen Gefilde zu erreichen
    sei seine Absicht, um sich
    nie wieder von seinem Sohn zu trennen.



    Zweiunddreißigste und dreiunddreißigste Szene


    Mandane und Semira streiten sich wie üblich. Die Erstgenannte greift den Gedanken auf, dass der König den Arbaces vielleicht freigesetzt habe, doch Semira glaubt eher, dass er ihn umgebracht hat. Damit wäre ihrer Sucht nach Vergeltung letztendlich gedient. O armer Jüngling, ein solches Geschehnis wäre kaum zu ertragen. Semira ersucht die Tochter des Xerxes, das Heucheln zu lassen, denn in Realität besitze sie ein Herz, welches alles Mitgefühl verloren habe. Alle Augen Persiens erwarten voll Traurigkeit Arbaces tragisches Los, doch ihre Augen sieht sie trocken. Mandane entgegnet, dass die Sorgen ihre Sprache hemme. Je größer das Leid, desto geringer sei die Trauer, die durch Tränen Ausdruck findet. Semira weiß sich vor Bosheit nicht zu lassen. Mandane soll hingehen und sich am Anblick der gemetzelten Überreste des geliebten Bruders heimlich erfreuen und seine blutenden Wunden zählen. Die Angegriffene bittet, dass der Zorn im Busen Semiras des Mitleids zartes Flehen nicht zerschlagen soll, denn das sterbende Herz, von der Pflicht bezwungen, wird von Liebe gequält. Von allen unedlen Gedanken möge ihre Richterin ihr Inneres entlasten, denn mit nie endender Bitterkeit häufe sie neue Sorgen auf ihre Verzweiflung. Niemand kann ihr bedrücktes Gemüt ausloten, denn verloren habe sie zur gleichen Zeit den Vater, den Bruder und den geliebten Freund.


    Was hat Semira getan? Vergebens hat sie geglaubt, geteiltes Leid sei halbes Leid. Dieser grausame Angriff gegen Mandane gerichtet, hat ihre Brust durchstochen, die eigene aber nicht erleichtert. Es ist nicht wahr, dass in unserem Kummer das Weinen des Anderen unseren Sorgen Trost bringt und jegliches Unglück verringert. Nein, wer vom Schicksal hart geschlagen, soll besser allein seufzen, als eine doppelte Last tragen, nämlich die Sorgen des anderen und die eigenen.



    Vierunddreißigste Szene:


    Arbaces denkt nicht daran, sich unverzüglich aus dem Staub zu machen. Wie gern würde er vor dem ewig währendem Exil sein Herz mit einem letzten Adieu seiner Liebe frönen. Vielleicht hier entlang – doch wohin soll er jetzt gehen? Seine suchenden Augen können Mandane nirgendwo finden. O himmlische Macht, dort steht sie! Sein Mut verlässt ihn – doch er wird sprechen – Mandane, Hallo!


    Du meine Güte, Arbaces und frei? Eine Freundeshand hat seine grausamen Fesseln entsiegelt. Mandane rät, schnell zu fliehen. Doch wie soll er sich von solcher Schönheit trennen? „Perfider Verräter! Was willst du von mir?“ Mandane versucht, ihn rhetorisch fertig zu machen. „Bin ich meiner Mandane nicht mehr lieb?“„ Du wurdest Gegenstand meines Hasses!“ Die barbarische Maid kennt kein Mitleid. Nur der Tod wird ihre Verachtung beenden. Nun flieht er seinem Schicksal entgegen. Lebe wohl auf ewig!


    Arbace soll sie anhören! Welche Pein hält sie nun schon wieder für ihn bereit? Er soll fliehen und sich retten! Der Ort hier sei für ihn viel zu gefährlich. „Was meint die Prinzessin? Wie soll er die erneute Anteilnahme bewerten?“ Ihr Erröten sei Erklärung genug! Er soll ihr Herz nicht zersplittern und verschwinden, um zu leben. Wann hat die göttliche Strenge endlich ein Ende?



    Fünfunddreißigste und sechsunddreißigste Szene:


    Artaxerxes gibt eine Regierungserklärung ab. Als König und Vater wird er dem Volk seine ganze Hingabe widmen. Das Recht seiner Geburt bevollmächtige ihn, Gesetze zu erlassen und die Einhaltung der guten Sitten zu beobachten. In eifriger Sorge will er schwören, den ewigen Bund schließen und die alten Riten einhalten. Artabanes bietet ihm nun den Kelch an, damit er einen kräftigen Schluck daraus nehme. Zuvor wendet sich der König an die strahlenden Götter, durch die der Frühling erblüht. Der wärmende Strahl der Sonne belebt und erwärmt alle. Der König fordert die Götter auf, nach unten zu schauen. Falls seine verräterischen Lippen eine Lüge verlauten lassen, so sollen sie den gesunden Trunk sofort in ein tödliches Gift verwandeln!


    Doch in dem Moment, als der König gerade trinken will, kommt Semira in die Thronhalle gestürmt. Er soll schnell entfliehen, denn Tausende von rebellischen Truppen, geführt von Rimenes, haben den Palast umzingelt. Sein Tod sei geplant und die Leibwächter wurden bestochen. Welche Aufregung! Doch Artabanes beschwichtigt, allein durch seine Anwesenheit, verspricht er, wird er den Tumult niederringen. Der König muss keine Furcht haben.



    Siebenunddreißigste Szene


    Mandane kommt und bringt neue Botschaft. Sie Rebellen sind geflohen. Der Bruder muss sich nicht mehr ängstigen. Genau in dem Augenblick, als Arbaces in die ewige Verbannung aufbrechen wolle, drangen die Rebellen in den Palast ein. Die Brust des Helden widersetzte sich dem Ansturm und er schwor für seinen großen Herrn zu sterben. Dem Rimenes spaltete er den Schädel. Ohne Führung wussten seine Gefolgsleute nicht mehr zu agieren und ließen die Waffen fallen. Der König ordnet an, dass man seinen Retter sofort in seine Arme bringen soll. Mandanes Herz lebt auf. Unterdrückter Tapferkeit entspringt neue Ehre. Keiner glaubt mehr, dass Arbaces den Xerxes ermordet haben soll.
    Achtunddreißigste Szene:


    Nachdem der König den geliebten Arbaces in seine dankbaren Arme genommen hat, macht dieser es sich zu seinen Füßen bequem. Mandane erinnert ihn daran, dass es nun endlich an der Zeit sei, den gegen ihn gehegten Verdacht zu entkräften und eine Erklärung abzugeben, welche Bewandtnis es mit dem bluttriefenden Schwert gehabt habe. Das Volk möchte eine Antwort und er soll den Grund nennen. Doch Arbaces bleibt störrisch und erwidert, dass Taten und nicht Worte die Treue seines Herzens zur Genüge zum Ausdruck gebracht haben. Er sei unschuldig und weitere Erklärungen entfallen. Artaxerxes gibt sich versöhnt und anstelle einer verbalen Erklärung soll ein Schluck aus dem heiligen Kelch für seine Unschuld stehen und ein heiliges Versprechen sein.


    Erneut gerät Artabanes in Bedrängnis, denn – o grausame Götter - wenn sein Sohn trinkt, stirbt er. Offenbar gehört der Spruch von den verräterischen Lippen, die im Falle einer Lüge den gesunden Trunk in Gift verwandeln sollen, zur Zeremonie, denn Arbaces wiederholt, was der König bereits deklamiert hat. Doch jetzt ist Artabanes mit seiner Beherrschung am Ende. Der Sohn soll nicht trinken, denn es sei Gift in dem Becher. Artaxerxes wird aufmerksam und will, dass Artabanes den Namen der Furie nennt, die ihn zu solch gemeiner Tat verleitet habe. Schluss mit der Maske. Der Zerknirschte legt ein umfassendes Geständnis ab. Der Trunk sei für den König bestimmt gewesen, doch seine väterliche Liebe habe ihn nun verraten. Er selbst habe den Xerxes ermordet, um den Thron für seinen Sohn zu gewinnen. Es sei geplant gewesen, auch ihn zu vernichten. Der Elende muss sterben, doch der unverbesserliche Arbaces übt Druck aus, dass er das Leben auch ablehne, wenn seinem lieben Vater ein Härchen gekrümmt würde. Artaxerxes bringt ihn auf andere Gedanken: Mandane wird seine fleckenlose Tugend belohnen und seine Schwester Semira darf neben dem König auf dem Thron sitzen. Aber der Verräter muss sein Leben lassen. Leider, leider, denn wie dieser sich das gedacht hat: so geht es nicht. Arbaces bietet an, dass er mit seinem Blut die kleine Unregelmäßigkeit des Vaters sühnen will. Semira gibt zu bedenken, dass auch die Ehre seiner schuldlosen Kinder zu leiden hätte, wenn der Vater als Verbrecher hingerichtet würde.


    Wie es in der Barockoper üblich ist mahnt nun der Opernchor die Clemenza des Herrschers an und huldigt ihm mit einer Lobeshymne und dankt für Eigenschaften, die er im Prinzip eigentlich gar nicht hat, ihm aber gut anstehen würden.


    Virtue in his Soul recides
    In his Truth the World confides.
    To the Patron of our Lows
    Pierce the Air with loud Applause


    Pity from the Throne descending
    How the Monarch it endears
    When with Justice, Mercy blending
    In the King a God appears.


    Tyrants claim with iron Scepter,
    Duty which our Fears impart;
    But our gentle kind Protector
    Monarchs regns over every Heart.



    Tugend wohnt in seiner Seele.
    Die Welt vertraut auf seine Wahrheit.
    Dem Beschützer unserer Gesetze
    erschalle lauter Beifall.


    Mitleid vom Thron herab,
    wie es den Herrscher beliebt macht,
    wenn mit Gerechtigkeit sich Gnade verbindet
    erscheint im König ein Gott.


    Tyrannen fordern mit eisernem Zepter
    Pflichten, die aus Furcht wir tun.
    Doch unser friedlicher Beschützer
    beherrscht als König jedes Herz.


    © Januar 2010 TAMINO - Engelbert