Jean Martinon - wer ist das denn?
Das werden sich sicher so Einige jetzt fragen, wenn sie diesen Namen hier lesen.
Nun, er hat nie den Bekanntheitsgrad von Pierre Boulez erreicht und ist auf internationaler Ebene wahrscheinlich sogar gescheitert, und doch halte ich Ihn für einen bedeutenderen Dirigenten als Pierre Boulez. Doch dazu später mehr.
Jean Martinon wurde am 10. Januar 1910 in Lyon geboren und starb am 1. März 1976 in Paris.
Er gilt als der international bedeutendste französische Dirigent der Generation zwischen Pierre Monteux und Pierre Boulez.
Er begann seine Studien in Lyon und wechselte dann an das Conservatoire de Paris, wo er unter Albert Roussel Komposition, unter Charles Munch und Roger Désormière Dirigieren, unter Vincent d'Indy Harmonielehre und unter Jules Boucherit Violine studierte.
Im Zweiten Weltkrieg diente er in der französischen Armee und geriet 1940 in Kriegsgefangenschaft, wo er zu Komponieren begann.
Nach dem Krieg begann dann seine internationale Dirigentenlaufbahn:
1946-1948: Assoziierter Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra
1951-1961: Präsident und Chefdirigent des Orchestre Lamoureux Paris
1957-1959: Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra
ab 1959: Generalmusikdirektor in Düsseldorf
1963-1968: Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra
1968-1973: Chefdirigent des Orchestre National de France
1974-1976: Chefdirigent des Residentie Orchester Den Haag
Weitere Orchester, mit denen er enge Verbindungen pflegte, sind die Folgenden:
- Bordeaux Philharmonic Orchestra
- Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire
- Radio Éireann Symphony Orchestra
Jean Martinons Repertoire konzentrierte sich hauptsächlich auf französische und russische Komponisten der Ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere Ravel, Debussy, Roussel, Prokofiev und Shostakovich.
Besonders hervorzuheben ist, daß er noch kurz vor seinem Tod das San Francisco Symphony Orchestra mit Mahlers Zehnter Sinfonie in der komplettierten Fassung von Deryck Cooke dirigierte.
Aus meiner Bewunderung für Jean Martinon möchte ich keinen Hehl machen. Er ist einfach ein französischer Gentleman alter Schule, durch und durch seriös, ohne Allüren, geradlinig.
Seine Zeit als Chefdirigent in Chicago stand unter keinem guten Stern. Er war der direkte Nachfolger des legendären Fritz Reiner und mußte deshalb dort einen unglaublich schweren Stand haben. Die Musiker kamen offensichtlich mit seiner Schlagtechnik nicht zurecht und akzeptierten Ihn nicht als Autorität. Dementsprechend kurz fiel seine dortige Amtszeit aus.
Wesentlich erfolgreicher agierte er in seinem Heimatland. Sein Schallplattenvertrag mit EMI führte zu den klassischen Aufnahmen der Ravel- und Debussy-Orchesterwerke, die ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren haben:
Als Schüler von Albert Roussel verdanken wir Ihm die m.E. beste Aufnahme von "Bacchus et Ariane":
Was Ihn m.E. von Pierre Boulez abhebt, ist seine größere Wärme und Emotionalität. Dies ist ein Element in französischer Musik, das nicht vernachlässigt werden darf. Und das hat Martinon erkannt und umgesetzt. Dafür bin ich Ihm dankbar.
Jetzt seid Ihr mal wieder am Zug.
Wer kennt Jean Martinon, wer hat Ihn sogar mal live erlebt...?
Agon