Maria Callas - live -

  • Beim Stöbern stieß ich auf Folgendes:


    Maria Callas: The Complete Studio Recordings


    Ein wirklich interessanter und erstklassiger Thread über die Studio - Aufnahmen der Callas, der leider nicht weitergeführt wurde.


    Dabei kam mir der Gedanke, Ähnliches über die diversen Live - Aufnahmen mit ihr einmal zu versuchen. Ich werde also hier nach und nach alle verfügbaren Aufnahmen der Callas (soweit ich sie besitze) von 1935 bis 1965 in chronologischer Reighenfolge vorstellen und besprechen und würde mich dabei über Kommentare, Ergänzungen, Hinweise und Hilfen von allen Callas - Aficionados und allen, die es werden wollen, sehr freuen. Und von allen anderen natürlich auch!.


    Die Jahreszahl 1965 ist ganz bewusst gewählt. Auch wenn ich die Mitschnitte einiger Konzerte ihrer Abschiedstournee 1973/74 besitze, möchte ich dieses Kapitel lieber nicht aufgreifen. Es ist zu schrecklich.


    Nun denn:



    Maria Callas (eigentlich Maria Anna Sofia Cecilia Kalogeropoulou, griechisch œ±Á¯± š±»¿³µÁ¿À¿Í»¿Å; * 2. Dezember 1923 in New York; † 16. September 1977 in Paris, Frankreich) war eine griechische Sopranistin. Sie gilt, trotz einer vergleichsweise kurzen Karriere, als die bedeutendste Opernsängerin italienischen Fachs des 20. Jahrhunderts.


    Die wohl erste Aufnahme mit Maria Callas ist vom 07. 04.1935 und befindet sich auf dieser Sammlung:



    Die Callas trat unter dem Namen Nina Foresti in Major Bowes "Amateur-Stunde" im US - amerikanischen Rundfunk, einer Talentshow, mit einer arg gekürzten Version von "Un bel di Vedremo" aus der Butterfly auf. Die Gesangsstimme der damals 11jährigen erinnert logischerweise in keinster Weise an die spätere der Diva, weshalb die Zuschreibung auch immer noch umstritten ist. Ihre Sprechstimme, sehr reif für das Alter, in der kurzen Unterhaltung zu Beginn ähnelt ihr dagegen umso mehr. Insgesamt ist die kurze Szene ein Kuriosum und lässt keinerlei Rückschlüsse zu. Übrigens gewann sie nicht, sondern erhielt nur die Note D und das Prädikat: "Schwache Chancen für die Zukunft!" Nun ja.


    :hello: Gustav

  • 14 Jahre später, nach diversen Auftritten in Athen und ersten in der Arena di Verona, dann das erste Bruchstück:



    Arie und Rätselszene aus "Turandot"


    Mario del Monaco, Helena Arezmendi, Virgilio Tavini, Tulllio Serafin
    Buenos Airtes, 20.05.1949


    Callas beginnt die Arie beherrscht, aber mächtig in der Tongebung. "E quel grido" ist noch ein gesungener Schrei, ohne zusätzliche Schärfe. Turandot lässt aber schon aufhorchen. Mit "Principessa Lo-u-Ling" vor allem dem Piano auf "Ling" kommt eine erste zart-melancholische Färbung hinzu. Diese Farbe behält sie bis "pura". Hier verharrt sie auf der Note, als hätte das Wort "rein" für sie eine besondere Bedeutung, was es ja auch hat. Bei "oggi rivivi in me", auf dem Wort "rivivi" ist das berühmte Klangfarbenspiel der Callas zu beobachten. Mitten im Wort gibt sie diesem durch eine Veränderung der Farbe noch eine andere Bedeutung.


    Nach dem kurzem Einwurf des Chores wird ihre Stimme schärfer. Vor allem, wenn sie sich an Kalaf als "straniero" wendet und erst die Erinnerung an die "fresca voce" kann sie wieder besänftigen.


    Nach dem erneuten Einwurf kommt nun die Kaisertochter zum Vorschein. Die aufsteigende Linie auf "Io vendico su voi" ist perfekt mit immer mehr Schärfe in der Stimme verwoben, den Spitzenton bei der Wiederholung von "grido" singt sie auf der ersten Silbe noch sehr sanft, ohne irgendein Flackern, völlig konstant als Erinnerung an den Schei der Ahnin, um dann die zweite Silbe, nun ist Turandot wieder in der Gegenwart, mit unerbittlicher Schärfe geradezu zu exekutieren. Die wiederholten "Mai nessun m'avra" kommen mit einer herrschaftlichen Gebärde, aber auch mit einem fast schwärmerischen, der Welt verkündenden Ausdruck überzeugtester Unantastbarkeit. Hier öffnet sich die Stimme und fließt in allen Lagen. "Straniero, non tentar la fortuna" sollte in seiner Gewalt und (natürlich bewusst eingesetzten) Schärfe, eigentlich jeden Bewerber in die Flucht schlagen. Aber natürlich keinen del Monaco.


    Den Feinheit der Callas hat er hier nun v.a. lang gehaltene Spitzentöne entgegenzusetzen. Der Zusammenklang bei "La morta e una" leidet besonders darunter, da die Callas die Phrase beenden möchte, er sie aber nicht lässt.


    Es folgt die Rätselszene, die die Callas mit der gewohnten Schärfe beginnt, die sie immer anwendet, wenn sie sich an Kalaf wendet. Dies ist kältestes Eis. Bei "fantasma" erzielt sie einen schönen Effekt mit einem leichten Einsatz der Bruststimme. Del Monaco antwortet auf ihr Eis mit brachialer Gewalt, eindimensional, aber faszinierend. "Si, la Speranza..." ist ein zerknirschtes Eingeständnis der richtigen Antwort, bevor sie sich wieder aufrafft und mit großer Autorität das nächste Rätsel stellt.


    Nach der richtigen Antwort stößt Callas voller Wut ein "Percuotete quei vili" heraus, mit dem die Menge gezüchtigt werden soll. Die Phrase "Gelo che di ta foco" ist in höchster Erregung fast geschrieen, aber eben nur fast und in ihrer Gewalt wohl kaum noch zu überbieten. Aber sofort nimmt sie die Stimme zurück und sie geht über in ein abgedunkeltes, geheimnisvolles "oscura". Nach einer kurzen, sehr sarkastischen Hinwendung an Kalaf mit einem triumphierenden "perduto" bricht wieder in der letzten Phrase das Eis aus ihr heraus.


    Das kurze Gebet nach der letzten richtigen Antwort wird nun mit einer bittenden Mädchenstimme gesungen, nach all dem Furor eine erstaunliche Zurücknahme der Stimme. Die Zusicherung an Kalaf "non sarò tua" ist nur noch pure Angst und der entsprechende Ton fast nur noch ein gewolltes "Quieken".


    Dann gibt es noch ein zweiminütiges Fragment vom Ende des dritten Aktes. Auch hier ist die Callas in überragender Verfassung. In Engführung mit dem Orchester überstrahlt sie dieses immer.


    Insgesamt eine Aufnahme, die Callas ganz am Beginn ihrer großen Karriere in bester stimmlicher Verfassung bei der Bewältigung eines "Stimmkillers" zeigt. Die Stimme ist frisch, kräftig, hat keinerlei Schwierigkeiten mit den enormen Anforderungen der Partie und zeigt schion enen großen Nuancenreichtum. Vor allem zeigt sie aber, welche Möglichkeiten des Ausdrucks in der Arie liegen und dass sie vor allem gesungen und weniger geschrieen werden kann und muss.


    :hello: Gustav

  • Der erste von vielen Norma – Ausschnitten:



    Fedora Barbiere, Tullio Serafin,
    Buenos Aires, 17.06.1949


    Gala – Konzert
    Nicola Rossi-Lemeni, Tullio Serafin
    Buenos Aires, 09.07.1949


    Zwei nun wieder entdeckte Ausschnitte aus einer Norma – Aufführung und einem Gala – Konzert, aufgenommen während ihrer ersten Tournee in Südamerika.


    Der erste, die Callas betreffende, Ausschnitt ist das Duett mit Adalgisa: „Oh, rimenbranza“.


    Callas wählt die ganze Zeit einen Ton der stillen Verzweiflung, hingehauchte Erwiderungen auf Adalgisas schwärmerische Verzückung, im Rauschen der Aufnahme teilweise kaum wahrnehmbar. Dann bei „cosi trovava del mio cor“ blüht die Stimme auf, um aber auf der zweiten Silbe von „via“ schon wieder zu ersterben. Die Einwürfe „L’incanto suo fu il mio“, „Ah, tergi il pianto“ und „Avrò pietade“ werden mit völlig identischer Ergebenheit gesungen, erst die Wiederholung von „Ah, tergi“ zeigt mehr Emphase und im anschließende „Te non lega eterno nodo“ bekommt das „nodo“ einen lang gehaltenen Akzent. Den wiederholt sie bei „Ah, si“ mit einer wunderbar absteigenden, verzierten Linie auf „Ah“, um es nochmals nachdenklich, dann stimmlich sicher zu wiederholen. In diesem Moment hat sie sich entschieden. Der Rest des Duetts zeigt folgerichtig eine souveräne Norma mit aber auch immer wieder nachdenklichen Momenten. Ihre Partnerin Fedora Barbieri ist wahrlich adequat, vielleicht ein Hauch zu matronenhaft. Zudem mischt sich ihre Stimme nicht auf die unglaubliche Art, wie das mit der Simionato später passierte.


    Der zweite Ausschnitt, die Callas betreffend, ist „Casta Diva“. Callas beginnt das Rezitativ mit ebenmäßigem, sehr bestimmtem Ton, ganz Kriegerin. Faszinierend der Einsatz der Bruststimme in der Phrase „’Ora fatal…“ und das hingehauchte Piano auf „Pace“, anschwellend zu einem mächtigen Ton auf der zweiten Silbe. „E il sacro“ umschmeichelt sie mit ihrer Stimme, um im abschließenden „mieto“ ein zunächst starkes , nicht sofort ansprechendes hohes As zu singen, das in einem Descrecendo endet und das sie auf der zweiten Silbe in ein wunderbares Portamento überführt.


    Die Arie beginnt sie mit einem ausgeglichenen Ton, der ein wenig eingedunkelt erst bei „queste sacre antiche“ sich aufhellt. Bei „Ah non volgi“ sind die einzelnen Töne klar voneinander getrennt und trotzdem ist eine wunderbare Legatophrase eingebunden. Etwas, das ihr nicht immer gelang. Gerade hier wird sie fantastisch begleitet von Tullio Serafin. Die anschließenden Koloraturen sind zart und makellos. Insgesamt ist alles in einem entsprechenden Fluss, nichts wirkt, als fiele es aus dem großen Bogen der Arie heraus. Mit gleicher Ruhe und Souveränität wird auch die zweite Strophe angegangen, mit einer ausdruckvoll fallenden Skala vor „nel ciel“.


    Die Cabaletta hat wieder kriegerischen Schwung, die Koloraturen werden exakt ausformuliert. Allerdings singt sie nur eine Strophe und das C kommt zunächst unsicher, gewinnt dann an Kraft und wird entsprechend lange gehalten.


    Leider ist die technische Qualität nicht auf der Höhe ihrer Leistung. Vor allem im Gala – Konzert hört man eine Menge mehr oder weniger interessanter Nebengeräusche.


    :hello: Gustav


  • Gino Becchi, Amalia Pini
    Gino Sinimberghi, Luciano Neroni - Vittorio Gui
    Neapel, 20.12.1949


    Hier nun ihre erste überlieferte Gesamtaufnahme, ihr einziger Bühnenauftritt in Verdis Nabucco.


    Sofort mit ihrem ersten Auftreten beherrscht die Callas die Bühne und macht sofort, auch im Rahmen ihrer Kollegen, klar, wer an diesem Abend das Sagen hat. Exzellent ausgeführte Läufe, der zweite mit Brillanz attackiert führt über zwei Oktaven, sind ihr Einstieg.


    Das Herzstück, neben dem Duett mit Nabucco, in dieser Oper für Abigaille ist aber ihre Arie. Das groß angelegte Rezitativ „Ben io t’invenni“ zeigt ihre Kunst, mit Worten zu arbeiten, ihren Sinn genauestens zu erfassen und wieder zu geben. Hier bevorzugt sie die Bruststimme und erzeugt dabei einen brütenden Ton. Blitzschnell gibt sie diesen aber bei „Prole Abigaille di sciavi“ auf und umschmeichelt das Wort „Nabucco figlia“. Das ganze Rezitativ lebt von diesem schnellen Wechsel was Tonhöhe, Dynamik, und Ausdruck angeht („tutti“, „furor“). Sie beendet das Rezitativ mit einem Sprung über zwei Oktaven nach unten.


    Die Arie ist dagegen eine Insel der Ruhe. In langen Kantilenen spinnt die Callas Phrase für Phrase, wunderbar die Koloraturen dabei eingebunden und traumhaft phrasiert. Hier zeigt sie all ihr belcantistisches Können und vor allem, dass diese Partie noch tief in der Formensprache des Belcanto verwurzelt ist und dass diese Formeln angewandt werden müssen. Sie beendet die Arie mit einem ins Piano zurückgenommenen C.


    Die Cabaletta wird wieder wundervoll verziert. Hier fallen die Triller und die Trillerkette zum C auf. Sie hat insgesamt Schwung, leider wieder nur einen Vers und endet auf einem eingefügten C, das ihr gut gelingt.


    Das Herzstück der zweiten CD ist das Duett Abigaille – Nabucco. Becchi, ein höhenstarker Bariton, steigert sich an ihrer Seite und kann ihr dann fast Paroli bieten. Die Callas badet als Abigaille in ihrem Triumph und dominiert Nabucco und die gesamte Szene. Man höre nur wie sie in der Stretta fast schneidend auf seinen Vers „Deh, perdona“ reagiert. Beendet wird diese Szene mit einem glänzenden dreigestrichenen Es der Callas, dass von Becchi mit einem für einen Bariton entsprechend hohen Ton beantwortet wird. Während auf der CD ein heftig umtobter („Viva Italia“) Gefangenenchor mit Zugabe folgt, einige Worte zu ihrer Leistung.


    Wie schon oben angedeutet, brachte sie endlich wieder den Belcanto in viele Verdirollen zurück, vor allen in die des frühen Verdi. Abigaille, Lady Macbeth, aber auch noch die Troubador - Leonore weisen einfach Formeln des Belcanto auf, die vor und auch nach ihr kaum eine Sängerin singen konnte. Hier ist es erstmals wieder exemplarisch zu hören, welchen stilistischen Reichtum diese Partien bieten, der auch dargebracht werden muss. Das eingelegte dreigestrichene Es ist natürlich der „Tigerin“ geschuldet, macht aber Effekt – und außerdem, welcher dramatische Sopran kommt auch nur in die Nähe dieses Tons.


    Leider habe ich eine andere Pressung als die oben abgebildete (“The greatest Years of Maria Callas“) und diese ist schlichtweg grauenhaft. Die Hörschnipsel bei JPC versprechen allerdings für Myto und Co. eine andere Qualität, man darf sich aber insgesamt keine Wunder erwarten.



    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav :



    der Thread aus 2009 über die EMI - Edition "The complete studio recordings" von Bernd Kloeckner ist leider nicht fortgeführt worden .


    Ich stimme Dir völlig zu . Das war ein immenses Vorhaben .



    Den gibt es die Zusammenstellung von JürgenKesting mit diversen Opernausschnitte . Leider fehöt die "späte" Callas völlig und das Booklet von J. Kesting ist doch sehr einseitig und so nicht aufrechtzuhalten . Die Edition enthält rein musiklaisch sehr schöne , seltene Musikbeispiele . Die Anschaffung lohnt sich unbedingt !



    Die vielen inzwischen erhältlichen Lve-Mitschnitte lassen die Frage auskommen, ob Maria Callas mit deren Veröffenlichung einverstanden gewesen wäre .



    Ich habe eine Reihe der frühen GAs ab 1950 ( México City ) . Und auch vergleichend mit anderen Callasaufnahmen gehört .


    Die Wirkung auf uns hängt bei den meisten Hörern vor allem von der allgemein Tonqualität ab, was ich selbst für völlig falsch halte !


    Hier im Tamino-Klassikforum.at habe ich schon mehrfach etwas zu den Aufnahmen ab 1960 ( Norma ; EMI, Studio ) geschrieben und mich ausdrücklich auf die eigenen Aussagen von Maria Callas bezogen . Diese finden sich in dem dem Grundsatzwerk ihres Managers und Freundes Michel Glotz "La note bleue" . Lattès , Paris , 2002 .


    Bezüglich eines noch geplanten späten Trovatores sind die Angaben von Glotz und Seletzky widersprüchlich .


    Deine sicherlich sehr grossen Mühen halte ich schon jetzt für s e h r verdienstvoll .


    Ich bin sehr gespannt, welche Aufnahmen Du entdecken konntest .


    Beste Grüsse




    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Lieber Frank!


    Ich befürchte, ich habe mir da auch etwas aufgeladen. Heute habe ich einmal meine Live-Aufnahmen chronologisch geordnet und sah die Stapel immer weiter anwachsen. Ich denke, dass ich bis auf einige zweite und dritte Aufführungen alles habe, was irgendwie irgendwann auf CD veröffentlicht wurde. Möglicherweise habe ich aber auch etwas übersehen, dann würde ich mich im Laufe der Zeit über jeden Hinweis freuen ("Halt, da genau fehlt aber noch die xy-Aufführung, die gibt es bei nn.").


    Auf der anderen Seite, ich bin ja erst 50, habe also noch 'n bischen Zeit. :D


    :hello: Gustav


  • Kurt Baum, Giuletta Simionato, Nicola Moscona – Guido Picco
    Mexiko City, 23.05.1950


    Hier nun die erste der legendären Mexiko – Aufführungen. Von dort liegen die ersten vollständig erhaltenen Aufnahmen viele ihrer Glanzpartien vor.


    Insgesamt, muss das Klima, nicht nur das meteorologische, in Südamerika für sie sehr günstig gewesen sein. Sie präsentierte sich durchweg mit einer jungen, unverbrauchten Stimme und im Vollbesitz aller ihrer Möglichkeiten, die sie auch weidlich zeigt. Fern der kritischen Beobachtung durch die italienischen Zeitungen konnte sie hier ausprobieren und ziemlich gelöst brillieren. Und hier war es auch, wo Tito Gobbi sagte, er hätte von der jungen Callas Töne gehört, die man nur einmal im Leben zu hören bekäme.


    Das gilt für diese erste Norma so noch nicht. Ihr Auftritt zu Beginn der Oper zeigt sie in stimmlich guter Verfassung, auch wenn etwas Zögerliches nicht zu überhören ist. Das Rezitativ ist ganz Kriegerin, wie ja überhaupt Norma als Frau erst im Verlauf der nächsten Jahre stärker in den Vordergrund gerückt wurde. Es ist vorwärts drängend, dabei aber auch leicht unstet in der Tongebung. Bei „è scritto il nome“ vertut sie sich in ihrer Phrasierung und muss die folgende Phrase schnellstmöglich hinter her schieben. Nervosität?


    Die Arie hingegen gelingt ausgeglichener. Sie wird sehr zart begonnen, fast verhalten. Erst bei „il bel sembiante“ gibt sie mehr Druck, kann aber die einzelnen Töne innerhalb des Bogens nicht so gut voneinander trennen wie noch in Buenos Aires. Der Schluss wird, der gesamten Anlage entsprechend, wunderschön im Piano gesungen, beim Schlusston fehlt dann am Ende die Stütze.


    Die Cabaletta ist vor allem schwunglos begeleitet. Callas versucht Picco mitzuziehen, was ihr auch einigermaßen gelingt. Die große Geste ist es aber zunächst nicht. Hier blüht ihre Stimme aber stärker auf, die Koloraturen gelingen gut, sie steigert die Wirkung bis zu einem bombensicheren Schlusston.


    Der Beginn des Duettes mit Adalgisa weist nicht ganz die vokalen Finessen wie die Teatro-Colon-Aufnahme auf, dafür passen Simionato und Callas vom Klang her ideal zueinander. Ab „Ah si fa core“ kann man Live wirklich nicht mehr verleugnen. Da geht doch einiges drunter und drüber, aber beide kommen überraschenderweise wieder zusammen. Gerade aber solche Stellen liebe ich, zeigen sie doch, wie wenig perfekt der Mensch doch ist.


    Einiges „Rumpeln“ zwischen den Akteuren kann man noch mehr an diesem Abend bewundern. Insgesamt ist es ein Beginn. Die Feinheiten, die die Callas später präsentieren wird, sind hier noch nicht zu finden. Das liegt sicherlich auch an dem hölzernen Dirigat von Guido Picco, an dem sich auf seinen Spitzentönen ausruhenden Kurt Baum und der allgemeinen Nervosität.



    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav,


    vor knapp 20 Jahren fand die Schwester von Maria Callas - so geht die Sage - im Keller einen Umzugskarton, gefüllt mit Tonband-Mitschnitten von Auftritten der Diva.
    Die Schwester übergab dem griechischen Verlag SAKKARIS Records Ltd in Attica ihren Fund und überließ den Leuten die Auswertung. Das Ergebnis war eine Doppel-CD-Serie von Opern-Gesamtaufnahmen, die ab 1997 erschienen ist.
    Obwohl die Plattenfirma nur die Rechte für Griechenland hatte, wurden die CDs weltweit auf den Markt gebracht. Ich weiß nicht, ob da tatsächlich echte Neuigkeiten dabei waren, das meiste dürften Doubletten von Aufnahmen gewesen sein, die ohnehin schon auf dem Markt waren.


    Die Restmengen wurden vor ein paar Jahren noch bei 2**1 für 1 Euro pro Stück verramscht.


    Ein paar davon sind auch bei mir gelandet, aber da ich kein Fan der Dame bin, habe ich mich nicht näher damit befasst. Es gibt allerdings eine Webseite darüber.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Gustav :



    Giulietta Simionato war bis zu der letzten "Norma" der Calls in Paris die Sängerin , Freundin , der sie am meisten vertraute .


    Es gibt eine Doppel - Cd , auf der Mitschnitte dieser "Norma" aus Paris ( Proben ) festgehalten sind . Zu Callas grösstem Bedauern sang die junge Fiorenza Cossotto und nicht durchweg Simionato .


    Dasselbe gilt für den Pollione , für den Franco Corelli , der bevorzugte Temor der Callas , leider nicht zur Vefügung gestanden hatte .


    Cecchele war kein vollwertiger Ersatz für Corelli . Vor allem nicht in der wichtigen Partnerschaft der Protagonisten .


    Entscheidendes ist eben Psychologie !


    Beste Abendgrüsse



    Frank



    PS. In der "Norma" von 1960 ( Studio ; EMI ) sang eine überragende Christa Ludwig die Adalgisa . Sehr hörenswert !

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Kurt Baum, Giuletta Simionato, Robert Weede, Nicola Moscona – Guido Picco
    Mexiko City, 30.05.1950


    Eine Woche nach der Norma und weiteren Aufführungen steigt sie nun mit einer anderen Partie in den Ring.
    Aida wurde, solange man die Live-Aufnahmen nicht zur Verfügung hatte, nach ihrer Studioaufnahme immer sehr kritisch betrachtet. Hier ist sie aber von irgendwelchen stimmlichen Problemen noch weit entfernt, sondern zeigt, neben einer grandios – einfühlsamen Leistung, eben auch die Tigerin.


    Nachdem sich Baum durch seine Auftrittsarie gestemmt hat, beginnt Callas mit einem hasserfüllten „Ritiorna vincitor“ – Ruf. Sie fühlt sich absolut sicher, stattet das Rezitativ mit schönen Appogiaturen aus und lässt die Hochdramatische ahnen. Schneidender Hass auf Amneris kennzeichnet den Beginn bis „Ah! Sventurata!“. Ab „Che disse!“ erfolgt die Einkehr und „E l’amor mio“ wird dann vokal umschmeichelt. Der zweite Teil der Arie vor allem ab „Numi pieta“ ist eine Lehrstunde in Legatosingen, gespickt mit Portamenti und geschickt eingesetzten Fermaten.


    Berühmt ist dese Aufführung vor allem durch das Finale des zweiten Aktes. Das ist Zirkus pur, aber unglaublich erregend. Genervt von der starren tenoralen Machohaltung von Kurt Baum hatte sich die Callas in der Pause von allen Beteiligten, von Baum wohl eher nicht, die Erlaubnis geholt, am Ende der zweiten Szene ein dreigestrichenes Es einzubauen. Und das tut sie auch, mit einer beispiellosen Sicherheit und Attacke. Sekundenlang überstrahlt sie das ganze Ensemble mit diesem Ton, bis dann der Jubel losbricht. Sie war übrigens nicht die erste, die dies in Mexiko sang. Angela Peralta hatte dies bereits im 19. Jhrdt. getan, aber seit der Zeit hatte es keine Sopranistin mehr gewagt.


    Neben dem Duett mit der wunderbar ausgeglichen singenden Simionato ist es dann der fesselnde Nilakt, der die Callas wieder auf der Höhe ihrer Kunst zeigt. Aber leider hat Verdi vorher noch „O patria mia“ eingebaut. Die Arie war nie die Stärke der Callas, manche sagen, weil sie dramatisch nicht genug zu bieten hat. Und das größte Problem stellte zweifelsohne immer das C am Ende dar. In ihrer Studioaufnahme wackelt es so dermaßen, dass ein Kritiker bemängelte, die gesamte ägyptische Armee könne hindurch marschieren. Ein ungestütztes C war nicht ihre Stärke, selbst in einer Zeit, als sie die dreigestrichenen Es nur so „heraus knallen“ konnte. Hier gelingt es ihr, sehr zart im Piano, mit nur einem leichten, kaum merklichen „wobble“.


    Im Duett mit ihrem Vater ist sie wieder in ihrem Element, so sehr, dass sie zu früh beginnt und „Ciel, mio padre“ wiederholen muss. Hier kann man wieder die einzigartige Fähigkeit der Callas bewundern, jedem Wort, ja jeder Silbe, Bedeutung zu geben. Dies gilt auch für das anschließende Duett mit Radames, wobei Baum jede Gelegenheit nutzt, sich für das Es im zweiten Akt zu „rächen“. Callas beendet die erste Phase mit einem im Diminuendo verklingenden Spitzenton auf „fuggiam“, bevor Baum ab „Aida“ nur noch die Muskeln spielen lässt. Die Callas ist aber klug genug, dies nicht mitzumachen. Sie steht ihm in nichts nach, singt aber ihre Phrasen.


    Der Unterschied zwischen einer sensibel singenden Künstlerin und einem „Materialisten“ kennzeichnet auch das Schlussduett, auch wenn sich Baum durchaus bemüht. Beide vereinigen sich zu einem lang gehaltenen Schlusston, der zeigt, dass Radames, kräftig wie er ist, seine Aida wohl noch lange überleben wird.


    Eine der erregendsten Callas – Interpretationen und schon alleine wegen der Zirkusnummer im zweiten Akt lohnenswert.


    :hello: Gustav

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  • Zitat

    Original von Harald Kral
    Ein paar davon sind auch bei mir gelandet, aber da ich kein Fan der Dame bin, habe ich mich nicht näher damit befasst. Es gibt allerdings eine Webseite darüber.


    Lieber Harald!


    Die Sakkaris Ausgabe besitze ich größtenteils, weil sie damas eine Reihe von Aufnahmen bot, die entweder bei Myto und Melodram nicht mehr greifbar waren oder schlicht zu teuer. Leider ist die Tonqualität teilweise unterirdisch, da gibt es einfach bessere Ausgaben.


    :hello: Gustav



    Lieber Frank!


    Was Cossotto und Cecchele angeht, hast du sicherlich recht, wobei die Simionato ja auch noch in Paris gesungen hat. Das konnte die Callas aber auch nicht merh retten. Sicher war die starre Haltung der Cossotto alles andere als förderlich, aber die Stimme und die psychische Situation ließen eine Norma einfach nicht mehr zu. Da kann ich auch Zeffirelli nicht verstehen, der das eigentlich schon bei der Tosca hätte erkennen müssen.


    :hello: Gustav


    Schöne Raritäte gibt es übrigens immer bei Divina Records.

  • Lieber Gustav :



    wir werden sicher noch gemeinamsam über diese Pariser "Norma" diskutieren können .


    Ander s als die Bern Kloeckner mit seinem Callas - Thread leider widerfahren ist, möchte ich hie rnichts dazwischenschreiben und nichts vorwegnehmen .


    Besten Dank für Deien Hinwies zu "Divina Records " .


    Einen geruhsamen Spätabend !


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Mario Filippeschi, Robert Weede, – Umberto Mugnai
    Mexiko City, 08.06.1950



    Und weiter in Mexiko City. Die Tosca war ihre erste Rolle in Athen und ihre letzte 1965 in London. Bekanntermaßen liebte sie diese Partie nicht und trotzdem begleitete sie sie ein ganzes Sängerleben hindurch und trotzdem gilt sie als eine ihrer besten Interpretinnen.


    Nach den Aufführungen in Athen trat sie hier erstmalig wieder in dieser Oper auf. Eine Sternstunde ist es nicht. Auch hier leidet sie unter den steif singenden und dirigierenden Partnern. Insgesamt übertreibt sie ihre Rolle und ist zu sehr Diva und zu wenig Frau. Dass sie in komplexe Rollen nach und nach weiter eindrang, wird ja auch an ihrer Norma deutlich. Auch hier dauert es, bis die Kriegerin mehr in den Hintergrund tritt.


    An sich ist sie gut bei Stimme. Nun sind bei der Tosca musikalische Finessen ja auch nicht so gefragt, eher die des Ausdrucks. Noch ist die Callas mit dem groben Pinsel unterwegs. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Gesangslinie ihr zu wenig Anhaltspunkte und Hilfestellungen gab.


    Das „Vissi d’arte“ ist insgesamt brav, der sehrende, verzehrende Ausdruck, der selbst ihre letzten Aufnahmen noch kennzeichnet, fehlt hier völlig.


    Insgesamt eine Aufnahme für Allessammler (also für mich), ansonsten gibt es gerade bei dieser Oper ja genug Alternativen.


    :hello: Gustav


  • Kurt Baum, Giulette Simionato, Leonard Warren, Nicola Moscona – Guido Picco
    Mexiko City, 20.06.1950



    Dass eine anspruchsvollere Gesangslinie den dramatischen Instinkt der Callas gleich von Beginn an reizte, wird an dieser Aufnahme deutlich. Hier liegt eine wirkliche Sternstunde des Verdigesanges vor.


    Die Callas hat diese Partie erstmalig am 20.06. in Mexiko gesungen. Vor der Abfahrt hatte sie ihren Mentor Tullio Serafin gebeten, diese Partie mit ihr einzustudieren. Dieser hatte aber mit der Begründung, er wolle nicht die Arbeit für einen anderen Dirigenten übernehmen, abgelehnt. So war sie bei der Erarbeitung dieser Rolle völlig auf sich gestellt und das Ergebnis spricht für ihre künstlerische Intelligenz, ihren unnachahmlichen Instinkt, in entscheidenden Momenten, die richtige Wahl zu treffen.


    Nach einem soliden Auftritt Mosconas als Ferrando betritt Leonore die Szene. Sofort wird ihre tiefe Verzweiflung im Ton der Callas deutlich und das „lo“ von „vederlo“ gibt sie wieder einen ihrer unnachahmlichen Akzente, ebenso wie kurz danach in „non vedi pìu“, einen fast durch Tränen erstickten Ausdruck. Wohlgemerkt, nicht mit veristischen Mitteln, rein gesanglich durch die Farbe in ihrer Stimme und einem verhauchten Piano. „Acolta“ ist die Einleitung zu einer Traumerzählung, auch hier im Piano begonnen, dem ein Diminuendo folgt, alles wunderbar in einem Bogen gesungen.


    Die Arie „Tace la notte“ selber ist in tiefste Melancholie getaucht und ein Wunder an Legatosingen. Immer wieder verharrt Callas auf einzelnen Wörtern und gibt ihnen dadurch besonderes Gewicht. Dann verhaucht ihre Stimme regelmäßig, um sich bei den folgenden Sätzen wieder aufzuraffen. Richtig gefasst ist sie erst im zweiten Vers bei „Gioiaprovai che agl’angeli“, dann strömt ihre Stimme. Sie beendet die Phrase mit einer Koloratur, in der ein dreigestrichenes Es eingebunden ist. Vielleicht ein wenig viel, weil es zu der Gesamtstimmung der Arie nicht recht passen will, höchsten zu den letzten Versen. Die Cabaletta ist eine Lehrstunde in Belcanto, in wirklichem Belcanto. Hier werden all die Formelemente vorgeführt und ihre Regeln minutiös beachtet. Perfekt aufgelöste Triller, Staccati, Portamenti, Pausen. Leider gibt sie wieder ein dreigestrichenes Es, das aufgesetzt wirkt, wohl auch, weil nur ein Vers gesungen wird, und das zudem auch nicht ganz sicher ist.


    Auftritt Warren. Ihr einziger gemeinsamer Opernabend. Mit vollem, rundem Verdibariton beginnt er das Terzett, leider gleich gefolgt von Kurt Baum. Die Erde hat uns wieder! Die Callas erschafft aber sofort die richtige Stimmung: brütend, düster, gespannt, angstbeladen. Ab „Ah, dalle tenebre“ ist ihr Gesang, trotz vorbildlichen Legatos, scheinbar abgehackt und kurzatmig. In den gemeinsamen Passagen mit Manrico kann sie sich nicht entfalten, weil der hölzerne Gesang des Tenors sie zu sehr bremst. Das abschließende Des ist bei ihr mehr gewollt als gesungen.


    Danach darf man sich puren Wohlklanges mit der Simionato hingeben.


    Das Terzett zum Ende des zweiten Aktes leitet die Callas sehr kraftvoll ein, es gelingt ihr nach „Sei tu dal ciel“ eine wundervoll kraftvolle Phrase, die sie aber auch im gespanntesten Moment sofort zurücknehmen kann. Warren und Baum zusammen sind …, äh, nennen wir es fragwürdig. Zum Glück kommt die warm und rund geführte Stimme der Callas immer wieder dazu.


    In der Szene mit Azucena ist Luna aber kraftvoll und beeindruckend. Solange er nicht schnelle Passagen singen muss, überzeugt er mit seinem prachtvollen Bariton wirklich und die Simionato lässt einen wieder dahin schmelzen.


    Ohne musikalische Finessen, eher vom Verismo kommend, dann die Arie des Manrico durch Kurt Baum. Kräftige Spitzentöne, den Triller lieber auslassend (aber wer tut das nicht) und ein paar halbgare Schluchzer. Auch hier merkt man, dass die Arie für viele nur eine unliebsame Verzögerung bedeutet, bis sie dann endlich mit „Di quella pira“ brillieren können. Und die Chance nutzt Baum natürlich. Die C’s, vor allem das erste, werden gehalten, bis man fast das Weiße in seinen Augen sieht. Das macht Effekt, mehr nicht. Aber immerhin.


    Und dann kommt die Sternstunde:


    Szene der Leonora aus dem dritten Akt. Rezitativ, Arie, das so genannte Miserere und die abschließende Cabaletta, die damals allerdings meisten gestrichen wurde. Das Rezitativ ist ein gesungener Verzweiflungsschrei, wunderbar die belcantistisch verzierte Phrase „Deh, pietosa gli arrca i miei sospiri.“


    „D’amor sull’ali rosee“ ist eine Sternstunde des Verdigesanges im 20. Jhrdt. und das 21. muss sich anstrengen, dass zu erreichen. Und es ist eine Lehrstunde. Eine Lehrstunde darüber, dass die Leonora tief im Belcanto wurzelt und nicht den Verismo vorwegnimmt, wie Sängerinnen, die den Stil des Belcanto nicht beherrschen, gerne glauben machen wollten und wollen. Gleiches gilt übrigens auch für die Traviata, aber darüber demnächst mehr.

    Schon auf „rosee“ kommt der erste perfekt ausgeführte Triller, der sofort in der verwandten Phrase „Vanne, sospir dloente“ auf „dolente“ ebenso perfekt wiederholt wird. Weiter geht es mit einer abfallenden Luinie auf „Conforta“, auch da wieder die Kunst zu beobachten, die Spannung noch im selben Wort wieder zurück zu nehmen. Auf „speraza“ und „stanza“ folgen die nächsten Triller, sehnsüchtiges Verströmen. Man höre nur einmal, welche Zeit sie sich mit „memorie“ nimmt. Immer wieder unterbricht sie den Gesang durch minimale Pausen oder umschmeichelt eine Silbe. Dann die Verbindung von „improvvido“ mit einem wunderbares Portamento hinab zu „Le pene“. Und gerade „Le pene“. Zweimal singt sie es, bis sie ein dreigestrichenes Es einlegt, dass Verdi sicher sofort in seine Partitur aufgenommen hätte. Bombensicher. Und wie sie davon wieder herunterkommt. Das ist große Belcantokunst, weil die Quasi-Improvisation Teil dieses Stils ist, solange sie mit Geschmack passiert. Und das geschieht hier. Damit ist sie mit „Le pene“ aber noch nicht fertig. Sie singt einen erneuten wunderbaren Triller, um dann mit einer traumhaft gelungenen Koloratur dieses Meisterwerk zu beenden.


    Die ganze Arie wirkt wie ein langer Atem, ein großer Bogen, ein einziger unaufhaltsamer Fluss. Alles ist organisch eingebunden, perfektes Legatosingen, es gibt keine Störungen oder Brüche. Das ist groß und muss sofort noch einmal gehört werden.


    Im folgenden Miserere ist die Stimme zunächst ganz dunkel gefärbt, bis sie beim Erkennen Manricos sofort an Leuchtkraft gewinnt.


    Das nachfolgende Duett mit Luna leidet unter dem großen, aber wenig flexiblen Organ Warrens, der sich in den schnellen Passagen einfach nicht schnell genug einstellen kann.


    Diese Aufnahme ist nun wirklich ein Muss, für alle, die Belcanto hören möchten und die große musikalische Qualität des Troubadors oder wenigstens der Leonora – Partie.


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav :



    ich möchte Deine Reihe nicht unterbrechen .


    Aber kennst Du einen oder mehrere Gründe , warum Baum in dieser Zeit sooft mit Maria Callas zusaamengesungen hat ?


    Als Manrico wäre Mario del Monaco sicherlich die deutlich bessere Wahl gewesen .


    Gibt es für die Entscheidungen zugunsten von Baum bestimmte Gründe ?



    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Lieber Frank!


    Du kannst "die Reihe" gerne unterbechen, dafür ist sie auch da.


    Genaue Gründe bzgl. Baum weiß ich nicht. Möglicherweise war er preiswerter, vielleicht scheute del Monaco die lange Fahrt nach Südamerika. Es kann auch sein, dass die Terminpläne einfach nicht zusammen passte, del Monaco war ja schon etabliert. Und Baum war wohl durchaus anerkannt, er sang mit der Callas ja auch noch in London (Krönungssaison). Er hatte ja nach der Aida - Sache in Mexiko angedroht, er würde nie wieder mit ihr singen, was er (leider) nicht wahrmachte. Wenn die Callas gekonnt hätte, hätte sie sicher gerne auf ihn verzichtet, aber ihre Position erlaubte das noch nicht. Die Aida - Wiederholung im Jahr darauf in Mexiko sang dann übrigens schon del Monaco.


    :hello: Gustav

  • 2. Aufführung:



    Kurt Baum, Giuletta Simionato, Ivan Petroff – Guido Picco
    Mexiko – City, 27.06.1950


    Einige Ausschnitte aus der zweiten Aufführung des Trovatore in Mexiko sind erhalten. Die wesentliche Änderung betrifft den Luna, der nun von Ivan Petroff gesungen wird. Er ist sicherlich gegenüber Warren kein Gewinn, da ihm dessen Gefährlichkeit abgeht. Seine Stimme, die insgesamt leichter ist, spricht in den schnellen Passagen im Duett mit Leonora aber doch besser an.


    Die zweite Arie der Leonora ist leider nicht überliefert. „Tacea la notte“ wird ähnlich gesungen, wie ein paar Tage zuvor. Die wesentliche Änderung ist, dass Callas das Es am Ende der Cabaletta weglässt und den vorgeschriebenen Schlusston singt. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass ihr der Ton in der Arie nicht sonderlich gut gelingt und sie nun doch kein Risiko eingehen will.


    Eine weitere Verschlechterung betrifft leider die Tonqualität. Immer wieder scheint die Übertragung zusammenzubrechen, rafft sich dann aber noch einmal auf bis zum nächsten Fastkollaps.


    :hello: Gustav


  • Mirto Picchi, Raffaele de Falchi, Giulio Neri, Ebe Stignani – Vincenzo Belleza
    Rom – 02.10.1950


    Die nächste überlieferte Live – Übertragung stammt aus Rom, eine Aufführung der Aida, die mit den letzten zwei Minuten der Nilarie beginnt und dann den gesamten Akt beinhaltet. Die Callas ist insgesamt sehr gut bei Stimme, das gefürchtete C bombensicher und auch im weiteren Verlauf liefert sie eine überzeugende, dramatische Vorstellung ab. Das Duett mit ihrem Vater ist so erregend, dass es zeitweise zum Terzett mit dem Souffleur wird. De Falchi zeigt dabei eine imposante, große Stimme, der ihren schneidenden Erwiderungen immer gewachsen ist.


    Der Radames von Mirto Picchi ist ein eindeutiger Gewinn gegenüber Baum. Seine Stimme ist heller, schlanker, aber trotzdem sehr höhensicher, wobei er sie nicht mit voller Bruststimme wie Baum singt und damit den Stilvorstellungen Verdis eher entspricht. Zudem führt er seine Stimme erheblich feiner und geht dadurch stärker auf seine Duettpartnerin ein. Leider gibt es mit ihm und der Callas nur noch zwei weitere gemeinsame Aufnahmen, die Norma aus London und die spätere Studio – Medea. Ebenso wie der vorhergehende Auftritt mit dem Vater ist das Duett Aida - Radames spannend und hochdramatisch und man bedauert, dass nicht die gesamte Aufführung überlebt hat.


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav ,



    au den vielen EMI - Mitscnitte und Studioaufnahmen ist sicher überliefert, dass die EMI (!!!) nicht nur einmal nicht genug leere Bänder mithatte und auch in der Gesamtlänge arge Fehlleistungen produziert hat .


    Leyla gencer war so prokollegial, dass sie der Callas in solchen Fällen manchen Ton "lieh" !


    Dies könnte doch bei den Aufnahmen aus Mexico City auch so gewesen sein .


    Seltsam ist, dass dies bei keiner anderen berühmten Sängerin passierte . Soweit dies bekannt ist .


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Africo Balzelli, Boris Christoff, Rolando Panerai, Giuseppe Modesti – Vittorio Gui
    Rom – 20./21.11.1950


    Die einzig erhaltene Wagner – Aufführung mit der Callas, die neben der Kundry auch noch die Walküren – Brünnhilde und die Isolde in ihrem Programm hatte. Ein Mitschnitt eines Tristan unter Serafin mit Max Lorenz soll noch existieren, ist aber noch nicht aufgetaucht. Für die Walküre war sie 1949 in Venedig engagiert und sang dort, auf Wunsch von Serafin für die erkrankte Margherita Carosio alternierend innerhalb einer Woche auch die Elvira aus den „Puritani“.


    Callas hatte ihren Romaufenthalt mit Auftritten in „Aida“ und „Turco in Italia“ in der Regie von Zeffirelli begonnen. Von letzterem sind inzwischen Schnipsel aufgetaucht, die aber noch nicht auf CD in Deutschland erschienen sind. Danach folgten ihre einzigen Auftritte (konzertant) als Kundry in einer italienisch gesungenen Fassung. Die Oper erhält durch die Übersetzung einen ganz anderen Charakter, obwohl ich finde, dass dies kein Verlust ist. Für mich rückt sie damit und mit dem sehr italienischen Tonfall und Gesangsstil der Beteiligten viel stärker in die Nähe von d’Annunzio und der Zeit der Décadence.


    Callas hat ja immer gesagt, dass Wagner keine Schwierigkeiten für die Sänger darstellen würde. Anders als in der italienischen Oper würden die Verzierungen fehlen und außerdem würden die Sänger vom enormen Klangteppich der Musik getragen werden. Was ihre Partie hier angeht, trifft es zweifellos auch zu. Sie ist wunderbar bei Stimme und die gesanglichen Anforderungen stellen sie vor keine Probleme.


    Dies ist eher eine Oper als ein Bühnenweihfestspiel. Die Stimmung, die z.B. ein Knappertsbusch fast zeitgleich in Bayreuth herauf beschwor, liegt Gui fern. Und so ist die Szene Parsifal – Kundry auch eher reine Verführung, als ein Teil einer philosophischen Abhandlung.


    In der Szene mit Klingsor, der von Modesti sehr weich und belcantesk gesungen wird, trifft man auf eine Callas, die mit vollem, dunklen Ton antwortet, den sie dann auch zunächst beibehalten wird. .


    Nach dem Zwischenspiel mit den Blumenmädchen, u.a. mit Lina Pagliughi (zwei Lucias in einer Parsifal-Vorstellung!) kommt dann die große Szene mit Baldelli. Ihr erster Moment „Parsifal, resta“ ist schon große Verführung, verlockend, aber man ahnt auch, dass dort unter der Oberfläche etwas schlummert, was nicht angenehm ist. Parsifals Antwort wirkt wie hypnotisiert und im weiteren Verlauf kann man es verstehen. Ich kann mich diesem Gesang der Callas kaum entziehen. Sie macht ausgiebig Gebrauch vom Legato, färbt ihre Stimme wunderschön dunkel ein, vor allem in der Mittellage und lässt ihren Gesang balsamisch ausströmen.


    „Ich sah das Kind“ ist groß angelegt, unendlich ruhig beginnend, gibt es nur wenige Momente, in denen Kundry erregter ist und die Callas dramatischer wird. Baldelli kann den guten Eindruck seiner ersten Phrasen nicht mehr einhalten, man darf ihn aber auch nicht mit deutschen Sängern dieser Zeit vergleichen. Dies bleibt italienische Oper!


    Callas bleibt ihrer Verführungskunst treu bis Baldellis „Amfortas, la bionda“ (Amfortas, die Wunde). Nun, da sie erkennt, dass es Probleme geben könnte, wird ihre Stimme leicht heller, drängender und auf sein „Weiche von mir“ kommt viel mehr Schärfe und Dramatik hinzu. „Ich lachte“ ist hier kein Moment, der die Handlung still stehen lässt, sondern ist in den Fluss der Musik eingebunden. Danach kommt dann immer mehr die Hochdramatische, die Furie zum Vorschein, ohne Schärfen glänzend gesungen, der Baldelli leider nicht mehr viel entgegen zu setzen hat.


    Christoff ist übrigens ein grandioser Gurnemanz.


    Für Callas – Fans ein Muss, bietet dieser Parsifal eine interessante andere Deutung, fern ab der klassischen Tradition.


    :hello: Gustav

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  • Lieber Frank!


    Die EMI hat in dieser Zeit mit der Callas noch nichts live aufgenommen. Die in der Callas - Edition erschienenen Aufnahmen von Bühnenaufführungen (Macbeth, Anna Bolena, Traviata etc) sind Übenahmen von der Cetra bzw. von italienischen Rundfunksstationen, so weit Bänder noch vorlagen. Der Nilakt der römische Aida hat wohl nur überlebt, da es wohl eine Erinnerungssendung an den damals gerade verstorbenen Bariton gab. Vielfach wurden, deshalb die teilweise grauenhafte Tonqualität italienischer Callas - Mitschnitte, die Übertragungen am Radio von Hörern irgendwie auf Tonband mitgeschnitten. Habe ich jedenfalls einmal gelesen, ob das technisch schon möglich war, weiß ich nicht.


    Die Südamerika - Aufführungen sind jedenfalls eindeutig von den Radioanstalten mitgeschnitten worden. Die Bänder existieren noch und es tauchen auch immer iweder neue Schnipsel auf.


    Bezüglich der Gencer weiß ich nur, dass in der LP-Version des Macbeth das Finale 1. oder 2. Akt fehlte und die EMI dies aus der Aufnahme mit der Gencer hineingeschnitten haben soll. (Kesting war sich da aber nicht sicher.)


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav :


    sehr instruktiv ist der lange Aufsatz von Dr. Seletzky , London & Oxford, zu den ganzen Callas - Aufnahmen durch die EMI-Leute in vesrchiedenen Ländern .!


    Via "googeln" kannst Du den Artikel finden und auch ausdrucken .


    Beste Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Lieber Frank!


    Vielen Dank für den Tipp. Ich habe mir den Artikel markiert und werde ihn mir nach und nach zu Gemüte führen. Ist doch halt sehr technisch, da habe ich immer Schwierigkeiten.


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav ;



    es gibt in dem umfangreichen Essay von Seletzky keine Stelle , die nicht für den technischen Laien wie mich ohne Abstriche verständlich wäre .


    Es geht auch darum, wie unterschiedlich die verschiedenen Produktionsorte für die Qualität der Aufnahmen waren und sind .


    Die Etikettierung "Made in the EU" ist dagegen Etikettenschwindel .


    Das Konstrkt "EU" ist in sehr vielen Fällen für den Normalkonsumenten absolut kontraproduktiv .


    Dr, Seletzky Aufsatz ist ein wichtiges Zeitdokument , wie selbst mit Aufnahme der bedeutensten Sängerin aller zeiten technokratisch umgegangen wird .


    Die EMI wäre ohne Callas ( und allem ,eas damit verbinden ist ) sowie den "Beatles" längst von Musikmarkt verschwunden .


    Um das Phänomen Maria Callas verstehen zu können reicht die Edition von Jürgen Kesting eben n i c h t ! .


    Ist es den möglich , technisch , Deine Beiträge hier zusammenzufassen ? Sie sind eine bedeutende Ergänzung zu der EMI - Edition !





    Beste Grüsse



    Frank


    _____________________________________________________



    "Maria Callas liess mich spüren , dass ich buchstäblich in eine andere Welt eintrat , in eine Welt von unbegreiflicher Unmittelbarkeit. "


    - Carlo Maria Giulini -

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank!


    Ich muss sagen, der Artikel ist wirklich hochinteressant und leider auch sehr frustrierend. Meine allten LP's habe ich damals aus Platzgründen alle entsorgt, besitze nur noch ein oder zwei Originalpressungen vom Flohmarkt.
    Die Opern habe ich zum Glück noch in den frühen CD - Ausgaben, leider habe ich mir damlas 1997 alle neuen Recital - Aufnahmen gekauft. Da bin ich wohl hereingefallen.


    Nun muss ich sagen, dass ich vor allem die Live - Aufnahmen höre, da Callas die Intensität des Studios, die sie erschaffen konnte, auf der Konzert- aber vor allem auf der Theaterbühne doch noch um ein Vielfaches steigern konnte. Und da bin ich mit Melodram und Myto und einigen anderen immer noch sehr zufrieden.


    Zu deinem allerletzten Satz. Vielen Dank für das Kompliment, aber das glaube ich eigentlich nicht. Ich bleibe ein Laie, der das alles sehr amateurhaft und aus dem Bauch heraus sieht.


    :hello: Gustav

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  • Lieber Gustav ,



    wer sehr viel aus angeblich professioneller Feder liest , der weiss es zu schätzen , wenn jemand ideologiefrei an ein Thema herangeht .


    Um solch eine Darstellung wie Du sie durchführst angemessen mit Musikbeispieln beschreiben zu können , sind die Aufnahmen von MYTo etc. mehr als ausreichend .


    Ich denke , das man auch einmal - ich schreibe das ja immer wieder - an den Geldbeutel der jungen Leute denken soll . Wer kann sich dennn die "Schwarze Serie" der Callas Aufnahmen auf einmal als Studnet kaufen ?


    Da gehen Fachbücher absolut zu.


    Leider wird selbst unter Bekannten , Freuden immer weniger getauscht . D a s ist sehr ärgerlich !


    Es gibt ein Callas - Lucia aus Edinburgh , die kostet drei- bis viemal soviel wie alle anderen .


    Grund: es steht als Label drauf "Testament" .


    Man muss auch nicht alle Aufnahmen haben .


    Beste Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Giacomo Lauri-Volpi, Cloe Elmo, Paolo Silveri, Italo Tajo – Tullio Serafin
    Neapel, 27.01.1951


    Nun also der Trovatore mit Maestro Serafin, der ja nicht die Arbeit der Einstudierung für einen anderen Dirigenten hatte machen wollen. Und hier kann man denn den Unterschied zu Mexiko hören, zu einem Dirigenten, der Musik aus einem Orchester herausholt und einem, der eine Partitur zum Erblühen bringt. Serafin ist viel zupackender, fordernder, vorwärts drängender. Da werden Akzente gesetzt, da werden Sänger begleitet und geführt, da wird aber auch deutlich, wer das Sagen hat.


    Das wird auch bei der Zusammenarbeit mit Callas deutlich. Es ist keine grundlegende Änderung zu Mexiko, aber eine Verschiebung und Verfeinerung. Was z.B. in „Tacea la notte“ vorher noch unausgewogen wirkte, ist nun eingeebnet und entspricht mehr dem musikalischen Fluss. Die Callas muss sich nun einem schnelleren Tempo unterordnen. Dadurch kann eine mögliche Sentimentalität gar nicht erst aufkommen. Erst bei „muto“ kommt die Musik zum Stillstand und die Callas kann dieses Wort wieder unnachahmlich betonen. Die nächste Phrase bis „canto“ ist ein großes Crescendo, dass aber sehr gut in die Arie eingepasst ist und von Callas wunderbar nachvollzogen wird. Auf „canto“ nimmt sie den Ton völlig zurück und lässt ihn fast wegbrechen. Hier entgeht sie nun, dank Serafin, der mexikanischen Verführung, mit einem Es zu brillieren, was den musikalischen Fluss ja doch erheblich störte. Vor dem nächsten Crescendo am Ende des zweiten Verses gibt es noch ein Portamento im Wort „desso“ zu hören, das wirklich süchtig machen kann. Auch am Schluss entgeht sie der Versuchung, erschafft aber eine schöne Koloratur, um die Arie zu krönen. Das Ende der Cabaletta unterscheidet sich deutlich von Mexiko und Callas beendet sie dann verdigemäß.


    Diese Trovatore – Serie bescherte der Callas als Partner den Tenorveteranen Lauri-Volpi, ebenso wie Serafin ein glühender Verehrer von ihr. 32 Jahre nach seinem Debut klingt die Stimme alles andere als frisch, wie auch, er ist hörbar kurzatmiger, muss für die Höhe ordentlich stemmen (was er recht gerne tut, er wusste schließlich, wie man punkten kann) und hat nicht mehr die Weichheit und Biegsamkeit für die lyrischeren Phrasen. Trotzdem ist er noch lange kein Kurt Baum und auch im Alter hörenswert.


    Auch im Terzett des ersten Aktes nimmt Serafin sehr zügige Tempi, die aber alle drei mitgehen können. Hier zeigt sich, dass Silveri Leonard Waren aus Mexiko überlegen ist. Seine leichtere Stimme, der sicherlich die massive Bedrohung fehlt, ist agiler und spricht schneller an. Das Finale krönt Callas mit einem lang gehaltenen dreigestrichenen Es, dem Lauri-Volpi nach dem Bruchteil einer Sekunde mit einem entsprechenden Ton folgt. Beide halten ihn, bis dem Tenor buchstäblich die Luft ausgeht. Auch das ist wieder „Zirkus“, aber für solche Momente liebe ich die italienische Oper auch.


    Nach einem sehr schönen „Stride la vampa“ durch Cloe Elmo (ehr Alt als Mezzo, sehr höhensicher, wenn sie auch nicht immer elegant von den Spitzentönen herunter kommt) und der mit Recht lautstark bejubelten Luna – Arie naht dann unweigerlich das, worauf das Publikum in der Regel am meisten wartet. Durch seine Arie kämpft sich Lauri-Volpi mehr schlecht als recht hindurch. Alle oben angegebenen Mängel treten hier unbarmherzig zutage. Trotzdem ist immer noch ein Hauch längst vergangener Größe zu verspüren. Die Stretta wird dann, jedenfalls für einen Großteil des Publikums, zum laut ausgebuhten Fiasko. Vom ersten gelungenen C rettet er sich mit einem Schrei zum nächsten, erntet großen Jubel während des Chores und bekommt dann nach dem Schluss einiges zu hören. Sic transit gloria mundi! Die Welt ist eben nicht gerecht.


    Dem „D’amor sull’ ali rosee“ fehlt es nicht an der künstlerischen Reife, die die Leistung der Callas schon in Mexiko auszeichnete. Auch hier sind die Triller wieder da, fast perfekt, die Wortbehandlung vorbildlich und beeindruckend. Das eingeschobene dreigestrichene Es wird aber (IMO leider) ausgelassen, dafür ein niedrigerer Ton gewählt, dessen Auflösung vielleicht ein wenig zu steif gerät und die Tempi Serafins verhindern den schwingenden Fluss der älteren Aufführung, in denen die Triller wirklich zum Erblühen gebracht werden konnten und der für mich so sehr den Reiz dieser Aufnahme ausmacht.


    Die Cabaletta wird, wie üblich, ausgelassen und das Miserere ist sehr stimmungsvoll.


    Faszinierend dann das Duett mit Luna. Hier schlägt Serafin ein solch wahnwitziges Tempo an und steigert es auch immer noch, dass man beim Zuhören ganz hektisch wird und sich immer wieder fragt, ob das gut gehen kann. Es kann!


    Diese Aufnahme ist ein interessanter und wichtiger Teil der Callas – Diskographie, zeigt sie doch wie Callas in kurzer Zeit sich verändern, die „Vokalakrobatin“ zugunsten der Künstlerin immer stärker aufgeben konnte.


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna


    wer sehr viel aus angeblich professioneller Feder liest , der weiss es zu schätzen , wenn jemand ideologiefrei an ein Thema herangeht .


    Lieber Frank!


    Im Sinne von vorurteilsfrei bin ich sicher nicht mehr ideologiefrei.


    Zitat

    Um solch eine Darstellung wie Du sie durchführst angemessen mit Musikbeispieln beschreiben zu können , sind die Aufnahmen von MYTo etc. mehr als ausreichend .


    Das ist richtig. Zumal. wie so viele sagen, die Callas noch live erlebt haben, die Aufnahmen kaum einen Eindruck ihrer wirklichen Klasse vermitteln können.


    Zitat

    Man muss auch nicht alle Aufnahmen haben .


    Ich schon. Ich bin da aber auch nicht ganz normal. :pfeif:


    :hello: Gustav


  • Verdi: Un ballo in maschera – “Ecco l’orrido campo”
    Thomas: Mignon – “Io son Titania”
    Proch: “Arie und Variazion op. 164


    Manno Wolf – Ferrari
    RAI – Turin, 12.03.1951



    Nun also die erste italienische Konzertaufnahme. Callas teilte sich diesen Abend mit Sesto Bruscantini, es gab aber keine Duette.


    Dieses Konzert ist zweier Dinge wegen bemerkenswert. Einmal sind es die Proch – Variationen, zum anderen etwas, was gar nicht mehr gehört werden kann. Callas sang zudem noch „Leise, leise“ aus dem Freischütz, eine Arie, die sie später nie wieder in ihr Programm aufnahm und deren Interpretation daher besonders interessant wäre.


    Dieses Konzert ist etwas für Hardcore – Fans. Von der Titania – Arie sind nur etwa 40% erhalten, vom Proch fehlt die Einleitung und die Tonqualität erinnert an die legendären Mailänder Caruso – Aufnahmen von 1904. Die klingen aber trotzdem immer noch besser.


    Aber man wird belohnt!!!


    Callas beginnt die Ballo – Arie voller Furcht und Grauen vor diesem Ort. Mit „S’inoltri“ reißt sie sich zusammen, um aber dem folgenden „Ah“ sofort wieder ein kleines Beben der Angst beizugeben und bei dem folgenden „terrore“ setzt sie den vollen Klang ihrer Bruststimme ein. „Perire“ ist ein einziger Schreckensschrei, nach dem sie sich aber wieder mit kalter Stimme selber zur Vernunft ruft. Die Arie ist ein langer Klagegesang, mit sehr breiten Tempi von Wolf – Ferrari begleitet. Bei „Quell“ von „Quell’eterea sembianza moorà“ sieht man sie geradezu direkt zum Himmel singen und das „morra“ lässt sie ewig ausklingen. „Che di reasta“ ist herzzerreißend und der zweiten Silbe von „povero“ gibt sie durch ein kurzes Nachatmen den Charakter eines tiefen Seufzers. „Su, corragio“ ist unterlegt mit einem Beben in der Stimme, „Non tradirmi“ erhält durch eine kleine Koloratur einen wichtigen Akzent und „povero“ wird wieder durch das Nachatmen hervorgehoben.
    Danach kann Amelia die Spannung nicht mehr kontrollieren und es kommt zu einem kurzen hysterischen Ausbruch, der von Callas auch entsprechend genutzt wird. Die letzte Phrase, ein überaus eindringliches Gebet, wird von ihr mit einem sicheren Spitzenton gekrönt, den sie aber, durchaus im Sinne der Handlung, in der Andeutung eines Schreies enden lässt, um die gesamte Szene dann mit einem ungestützten, sicheren und sehr zarten „Miserere“ und einem im Piano verhauchenden „Signor“ zu beenden.


    Danach gibt es 2.20 Minuten Titania auf italienisch. Überliefert ist die Kadenz mit wundervollen Koloraturen, sicher und rein gesungen, immer zwischen Legato und Staccato – Passagen wechselnd. Gekrönt wird alles von einem wunderbaren dreigestrichenen Es.


    Direkt danach springt die Aufnahme in die Proch – Variationen hinein und scheinbar in einen Trichter. Der Klang ist, trotz aller Rettungsversuche, weiterhin grauenhaft, ABER…!!!


    ABER man muss es einmal gehört haben. Hier gibt eine Walküre, eine Kundry, eine Turandot eine Lehrstunde in klassischen Belcantoformeln und zeigt alles, was sie bei Elvira de Hidalgo gelernt hat und das ist ja weiß Gott nicht wenig.


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav !



    Du hast auf ein sehr wichtiges Tondokument der Callas hingewiesen .


    Deshalb ist es nachrangig , ob die Tonqualität nicht so ist wie


    erwartet oder erhofft .


    Auch dass wir überhaupt Aufnahmen von Enrico Caruso haben ist doch


    ein ungemeiner Gewinn , um Stil , Phrasierungsvermögen u. a. m.


    überhaupt hören können .


    Wie reicher wären wir, wenn wir mehr Aufnahmen von z. B. Battistini ,


    dem Lieblingsbariton von Horowitz , hätten .


    Oder bei den Pianisten Aufnahmen des vielleicht bedeutensten


    Liszt - Schülers Alexander SiLoti . Von Liszt selbst oder Thalberg


    und Frédéric Chopin ganz zu schweigen .


    Es gibt von de HIDALÖGO und Maria Callas eine CD :


    "The Pupil and her Teacher " ( Label : FONO 1010 ) !


    Und um den Bogen schon jetzt weit zu spannen :


    Maria Callas hat bekanntlich in New York unterrichtet , aber


    das wirst Du wahrscheinlich in einiger Zeit noch darstellen .


    Darauf bin ich heute schon sehr gespannt .


    Beste Grüsse



    Frank


    PS.: Ein Bitte an Dich :


    könntest Du so hilfreich sein und uns Label und Bestellnummer(n) mitteilen . Danke im voraus .

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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