Siegfried Wagner - Komponist im Aufwind

  • Siegfried Wagner, geb. 6. Juni 1869 - gest. 4. August 1930


    Von einem verkannten Komponisten kann man heutzutage nicht mehr sprechen. Die Veröffentlichung fast all seiner Opern in mustergültigen Interpretationen haben ihn aus der Warteschleife erlöst. Siegfried Helferich Wagner - in der schönen Schweiz geboren - hatte es selbst vorausgesehen, dass ihm eines Tages die Ehre zuteil würde, die ihm als Komponist gebühre.


    Seine Zeitgenossen hatten den Blick ausschließlich auf den Vater gerichtet, der sich im Blickfeld der Öffentlichkeit sonnte und alle Aufmerksamkeit für sich in Anspruch nahm. Doch Siegfried war zäh und willensstark. Er legte sich eine Strategie zurecht, die vorsah, den Übervater auf keinen Fall zu kopieren. Das ererbte Talent reichte vollkommen aus, eigene Pfade zu betreten. Den ursprünglich vorgesehenen Beruf eines Architekten legte er zur Seite, um schicksalhaft seiner Berufung zu folgen.


    Doch sein gesellschaftliches Umfeld akzeptierte seine Bemühungen nicht, spottete seiner was ihn kränkte, aber auch beflügelte. Seinen Zynismus und seine Erwartungen ließ er in seine Opernfiguren einfließen und meißelte auf diese Weise seine Charaktere, die er meistens in ein historisches Umfeld stellte. Erfindungsgabe in der der Gestaltung von Situationen und Schauplätzen waren seine Stärke. Hochdramatisch setzt er seine Dichtkunst in einen plausiblen, wenn auch manchmal etwas skurillen Rahmen. Das Vermaß ist eher robust als poetisch. Lakonisch formuliert der Verfasser seiner eigenen Libretti seine Aussagen so knapp, wie zuträglich.


    Zur Musik muss man sagen, dass sie sich der Dichtkunst des doppelt Begabten unterordnet. Handwerklich geschickt und reizvoll arrangiert, hat der Funke des Prometheus nicht mit der Wucht eingeschlagen wie bei dem mit ihm befreundeten Richard Strauss. Der eine schätze die Werke des anderen nicht; man verstand sich aber auf der sozialen Plattform. Siegfried Wagner bleibt sich selbst in seiner kompositorischen Arbeit, ohne vor- oder zurückzublicken, immer treu und lehnt sich an niemanden an. Intellektueller Anspruch schlägt sich selten als Beliebtheit nieder. Der Kreis seiner Bewunderer ist international daher klein, aber vorhanden.


    Das Schicksal, erst posthum gewürdigt zu werden teilt der Schüler Engelbert Humperdincks mit Alexander Zemlinsky, dessen Opern auch erst in jüngster Zeit achtbaren Zuspruch erhielten.


    :hello:


    Hingewiesen wird auf einen früheren Thread u.a. mit einem Beitrag von Joseph II. sowie der neuen Beschreibung des Spätwerks „Rainulf und Adelaisa“ im Opernführer.


    © Januar 2010 für TAMINO - Engelbert


  • Sehr poetisch formuliert...
    So viel Schicksal...
    Versteh mich nicht falsch, aber da gibt es bei Gott dutzende Komponisten die ähnliche, oft sogar schlimmere "Schicksale" erlebten und deutlich mehr kämpfen mussten als Richard Wagner... :pfeif:


    Dass sich die Musik der Dichtkunst unterordnet würde ich so nicht sagen.
    Zumindest empfinde ich es so, dass gerade Wagner nicht alles auf Arien und anderen Sologesängen gesetzt hat, sondern sehr viel Orchesterklänge in seinen Opern hatte.
    Da glaube ich nicht, dass das Libretto wichtiger war als die Musik...
    Denn wenn es so wäre, hätte ich ein ernstes Problem mit Wagner ;) (Was ich aber nicht habe, weils nicht so ist...)


    Weiters glaube ich nicht, dass Wagner erst posthum gewürdigt wurde...
    Er war doch schon zeit seines Lebens ein geachteter Komponist, oder? ?(


    Abschließend glaube ich nicht, dass Wagner im Aufwind ist, sondern eigentlich stetig angemessen gewürdigt wird.
    Vielleicht verdeckt er die Sicht auf andere (Opern-) Komponisten seiner Zeit, aber ich glaube, dass Wagner richtig gewürdigt wird. Und das schon lange.


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)


  • Sorry, ich sprach von Richard Wagner...


    Oje, da hab ich mich gaaanz schön vertan...


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Gewiß ist Siegfried Wagner die letzten Jahre im Aufwind. Es gibt bis auf eine Ausnahme, glaube ich, nun endlich sämtliche Opern in z. T. wirklich hervorragenden Aufnahmen, dazu die ganzen Orchesterwerke. Insofern hätte theoretisch ein jeder die Möglichkeit, sich mit Wagner jun. zu beschäftigen, aber scheinbar hält sich der Drang danach dann doch in Grenzen. ;)


    Ich kenne zwei seiner bedeutendsten Opern, "Sternengebot" und "Sonnenflammen", sowie sämtliche Orchesterwerke. Ich finde fast, daß die Opern beachtenswerter sind. Handwerklich einwandfrei gemacht, fehlt leider dann doch der letzte Funke wie beim Übervater, der sie zu Meisterwerken erhebt. Das soll nicht abschätzig formuliert sein. Aber es wäre m. E. dann doch verfehlt, zu hoffen, eine Opern-Großtat à la "Tristan", "Parsifal" oder "Meistersinger" zu erwarten.


    Dennoch: Ich kann nur jedem empfehlen, sich mal wenigstens eine seiner Opern anzutun.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Über Siegfried Wagner und seine Opern haben wir schon einen Thread:


    Siegfried Wagner - Im Schatten des Vaters (?)


    Jetzt gibt es auch noch den Lieder-Komponisten Siegfried Wagner kennenzulernen, zumindest auf einer CD-Neuerscheinung des Entdecker-Labels MARCO POLO:



    SIEGFRIED WAGNER (1869-1930)
    Wahnfried-Idyll

    The Complete Songs
    Der Kobold, Op. 3, Act I: Vogellied
    Weihnacht
    Eine Hildisch-Hymne
    Schäfer und Schäferin
    Ein Hochzeitslied
    u.a.
    Rebecca Broberg, Soprano
    Hans-Martin Gräbner, Piano


    Marco Polo 8.225349; 1 CD DDD


    Die Plattenfirma schreibt dazu:


    Zitat

    Richard Wagners Sohn Siegfried ist besonders wegen seiner Opernkompositionen, von denen einige auch bei MARCO POLO / NAXOS erschienen sind, in die Musikgeschichte eingegangen. Seine Lieder rückten erst durch die Sopranistin Hanne Lore Kuhse, die im August 1966 im markgräflichen Opernhaus Bayreuth einen Liederabend präsentierte, ins Bewusstsein der Klassikliebhaber. Seither erfreuen sich Siegfried Wagners Lieder einer immer größer werdenden Popularität. Die vorliegende CD enthält ein buntes Bouquet dieser humorvollen und melancholischen, eindringlichen und fantastischen Werke, die die gesamte Karriere Wagners repräsentieren – von dem 1890 entstandenen Abend auf dem Meere bis hin zu den Liedern, die in den späten 1920er Jahren entstanden.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Handwerklich einwandfrei gemacht, fehlt leider dann doch der letzte Funke wie beim Übervater, der sie zu Meisterwerken erhebt.


    ...oder zu Publikumslieblingen. In Köln wurden von 1934 ab alle Werke von SW gegeben. Jedoch wurde leider keines zu einem richtigen Knüller. Ich habe zu allen Aufführungen noch Fotos: Vor allem Sternengebot wurde sehr aufwändig in Szene gesetzt. Doch auch hier war der Erfolg leider mäßig.

  • Ich denke, dass die Opern von Siegfried Wagner einen sehr hohen Anspruch an den Zuhörer stellen, die ein bisschen Vorbereitung erfordern. Man kann sich nicht einfach hinsetzen, Konsumhaltung einnehmen und alles andere kommt wie bei Mozart und Rossini geflogen. Das erklärt auch eine gewisse Zurückhaltung des Konsumenten.


    Ganz gewiss ist die Qualität bei. S. W. nicht minder, sondern folgt anderen ästhetischen Kriterien. Ebenfalls Gesamtkunstwerk, beansprucht der Text viel Aufmerksamkeit und ein bisschen geschichtliches Hintergrundwissen kann auch nicht schaden.


    Einige Musikwissenschafler ziehen eine Linie zur 'Großen Oper' von Giacomo Meyerbeer, was ich für Unsinn halte. Für einen solchen Vergleich komponiert Meyerbeer doch ein bischen zu rabaukenhaft (Margarethe d'Anjou) und aufwändige Inszenierung kann man auch starten, ohne sich auf ein zeitlich zurückliegendes Idol zu berufen.


    :yes:


    Vielleicht kann ich die Forianer damit locken, wenn ich verrate, dass in der CPO-Einspielung die Ehefrau von Jonas Kaufmann die tragende Partie der Sigilgaita singt und der Sohn vonr Hermann Prey den staufischen Gesandten.Die Partie des Rainulf ist an Volumen größer als die des Tristan.


    Die Akteure der Weltgeschichte wie Tankred von Lecce - er hat nichts gemeinsam mit dem Träger gleichen Namens von Rossini und auch mit Clorinda nichts im Sinn - und Kaiser Heirich VI. werden nur erwähnt, treten aber nicht als Gesangssolisten auf.


    An der Einspielung aus Ludwigshafen unter Werner Andreas Albert ist nichts auszusetzen. Trotzdem wünschte ich mir eine neue DVD. in Stabesetzung.
    Als Adelasia: René Fleming, als Schurke Rainulf: Jonas Kaufmann, als Osmund: Markus Werba, als Gisilgaita: Anna Caterina Antonacci, als Albiria: Anja Silja.
    Inszenierung am Teatro Massimo, Catania; Dirigent ein populärer Italiener


    :D


    @ Joseph II


    Selbst besitze sich bis jetzt 6 Einspielungen, habe aber alle bisher erschienenen S.Wagner-Opern eingeplant. Beschreiben werde ich in absehbarer Zeit: Sonnenflammen, Sternengebot und den Schmied von Marienburg.


    @ Hammel


    Ich hatte mir das schon gedacht, dass Du nicht den Siegfried meintest. Macht nichts, vertun kann sich jeder mal.


    @ Harald Kral


    Auf den alten Thread hatte Alfred mich hingewiesen und ich hatte ihn auch zur Kenntnis genommen. Der Chef hielt aber einen neuen Ansatz für besser.


    @ Knusperhexe
    Kannst Du Dich an die Besetzung von 'Rainulf und Adelasia' in Köln noch erinnern?


    Viele Grüße und vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit für meinen Thread


    :angel:


    Engelbert

  • "Rainulf" wurde meines Wissens doch erst posthum vor zehn Jahren das erste Mal aufgeführt. Das hörte ich damals im Radio bei einem Klosteraufenthalt in Beuron. Ansonsten habe ich zu den meisten Siegrfried Wagner-Aufführungen in Köln noch Besetzungszettel. Da wir früher ein festes Ensemble hatten, waren die Hauptpartien besetzt mit:


    Elsa Oehme-Förster
    Mathias Steland
    Philip Rasp
    Käthe Russart
    Adelheid Wollgarten
    Felix Knäpper


    Ich kann aber noch mal genauer schauen, auch wegen der Aufführungsdaten. Der damalige Intendant war befreundet mit SW und wollte seine Werke in Köln fest etablieren, was aber leider nicht klappte. Lediglich "Der Bärenhäuter" kam gut an. Meine Großmutter war damals in der Premiere von "Schwarzschwanenreich" und empfand es als ganz furchtbar, wie leer das Opernhaus war. Ihr hat der Komponist furchtbar leidgetan.


  • Ok, aba das war schon ziemlich daneben...
    Da hab ich mich prompt gewundert und empört geantwortet, als ich las, dass Wagner erst posthum gewürdigt wurde... :faint:


    Und dann wars der Sigi... :D


    Na egal,


    Jetzt mal was Konstruktives:


    Da mir schon einige Opern von Richard Wagner nicht zusagen, habe ich nicht gedacht, dass ich was Großes an Siegfried Wagner finde...


    Aber man höre...


    und...


    "Sonnenflammen" war die erste Oper von Siegfried Wagner, die ich hörte, und ich finde sie durchaus gelungen.
    Ich meine zu "Parsifal" des Vaters kommt sie (IMO) nicht ran, aber was solls...
    Ich finde sie ganz gut, vielleicht könnt ihr ja einige Einspielungen seiner Opern nennen, dann würde ich mehr S. Wagner entdecken. :yes: :yes:


    PS: Zur Musik muss ich sagen, dass man jetzt nicht wirklich in die Musik "reingezogen" wird, sondern sich eher selbst den Weg zu ihr bahnen muss, aber trotzdem, durchaus gelungen...
    Sehr positive Überraschung..


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Im Rahmen meiner Mitarbeit am Tamino Opernführer stieß ich - mehr zufällig als gezielt - auf die Opern von Siegfried Wagner.
    Im Wiener Tonträgerhandel waren vor einigen Wochen einige Gesamtaufnahmen von Siegfried Wagner-Opern des Labels Marco Polo im Abverkauf zu Dumpingpreisen angeboten - und mir war klar, daß es in einigen Fällen die letzte Gelegenheit sein könnte diese Opern in diesem Leben zu hören, bzw zu besitzen. Vermutlich werden einge bei "Naxos" wiederaufgelegt, der Rest wird für lange Zeit nicht mehr erhältlich sein (?)


    Selbst kein großer Anhänger Richard Wagners - von einigen Ausnahmen abgesehen - und mit Tendenz im Alter mehr Gefallen daran zu finden als in der Jugend - habe ich mir eigentlich nichts Besonderes erwartet, notabene , da im allgemeinen behauptet wird, die Opern von Siegfried Wagner seien "schwächer" als jene seines genialen Vaters.


    Welch Überraschung durfte ich da erleben.
    Ich würde sagen, daß hier ein anderer Geschmack bedient wird - obwohl eine Gewisse Nähe zu den "leichteren" Opern seines Vaters nicht zu leugnen ist - was Siegfried vermutlich gar nicht verleugnen wollte.
    Selbst die Sprache der Texte atmet den Hauch von Vater Richard - und ist zugleich völlig anders.
    Wie schon weiter oben beschrieben ist Siegfried Wagners Musik nicht das was man "ohrwurmartig" nennt - aber wenn man das Postulat seines Vaters vom "Gesamtkunstwerk" im Hinterkopf hat , dann muß man bestätigen, daß dies auf Siegfrieds Opern - soweit ich sie bis jetzt kenne - voll zutrifft.


    Als ich begann den Inhalt einer seiner Opern - es handelte sich um "Der Bärenhäuter" - für den Opernführer zu erzählen, war ich verblüfft von der Originalität gewisser Details die der Librettist Wagner Junior der alten Sage angedeihen liess (Diese Oper ist ein Wunschkandidat für die Serie "Opern unter der Lupe" von mir - aber ich fürchte, das wird manges allgemeinem Interesse scheitern..)


    Es ist schon verwunderlich, wie solch ein bühnenwirksames Stück - es war einst Siegfried Wagners bekannteste Oper - vom Spielplan verschwinden konnte ( Inhaltsangabe demnächst im Tamino Opernführer ) - aber das ist ja kein Einzelfall.
    Siegfried Wagner war sich übrigens dessen voll bewusst, daß er "bemitleidet" wurde, weil es sein Schicksal sei, stets im Schatten seines Vaters zu stehen, er hat sich dazu schriftlich geäussert, und gemeint, dies wäre für ihn kein Problem, der Erfolg, den er mit seinen Werken habe, sei durchaus angemessen, er habe hier keine Probleme....
    In der Tat war er ja auch durch die Leitung der Bayreuther Festspiele durchaus ausgelastet und hatte Einfluss. Nach seinem Tod 1930 wurde es still um ihn, vielleicht auch, weil seine Opern doch ein wenig rückwärtsgewandt waren, sowohl von Inhalt als auch von Tonsprache her. Seit einigen Jahren jedoch, wächst das Interesse an seinen Opern erneut - und das Label "Marco Polo" hat einige seiner Opern als Mitschnitte von Aufführungen ins Programm übernommen. Auch cpo blieb nicht untätig und brachte ergänzend einge weitere Opern auf CD heraus....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Liebe Taminos,


    rund sieben Jahre ist es her, dass hier etwas zu Siegfried Wagner geschrieben wurde. Dies möchte ich ändern, denn seit geraumer Zeit fasziniert mich der Mensch und Komponist Siegfried Wagner immer mehr. Durch eine Hausarbeit über Richard Strauss Wirken und Ansehen in Bayreuth bin ich überhaupt erst auf Siegfried Wagner gestoßen. Die große Biografie von Peter P. Pachl ist sicher die umfangreichste und z.Z. beste Biografie auf dem Markt, obgleich sie mir doch auch beschönigend vorkam (davon abgesehen, dass er teils mit Horoskopen argumentiert...). Dennoch vermittelt sie ein großes Bild des Mannes, der es als Sohn Richard Wagners sicher schwerer hatte als manch anderer seiner Zeitgenossen.


    Als im August im Rahmen der Spielplanvorstellung zum Auftakt Siegfried Wagners Sonnenflammen Ouvertüre erklang, die vom Publikum auch sehr warm aufgenommen wurde, war auch mein musikalisches Interesse an ihm entdeckt und ich besorgte mir einige Opernaufnahmen sowie die komplette Aufnahme der Orchesterwerke von CPO. Mitlerweile bin ich auch Mitglied in der Siegfried-Wagner-Gesellschaft.

    Das, was man zu hören bekommt ist zu großen Teilen wirklich sehr interessant. Die Musik reicht von naiv-derber Volkstümlichkeit über schwelgende Romantik bis hin zu impressionistischen Ansätzen, teils (so in Sonnenflammen), scheinen auch Schreker und Mahler nicht ohne Einfluss gewesen sein. Dies alles ist m.E. eine reizvolle Kombination. Oft wird kritisiert, dass seine Musik zu wenig greifbare Themen hätte, ihr die richtige Konsistenz fehle. Die Kritik kann ich nachdem ich doch einige Werke jetzt gehört habe, nur wenig nachvollziehen. Wenn man sich das breite, herrliche zweite Thema der Sonnenflammenouvertüre, das Zwischenspiel Kupalo-Fest aus dem Heidenkönig oder die wirklich großartige Bruder Lustig Ouvertüre anhört, kann man schnell feststellen, dass Wagner nicht nur ein äußerst virtuoser Maler der Orchesterfarben war, sondern auch großes Talent in der Melodiefindung und in der Satzgestaltung hatte. Und trotz des Übervaters kann man Siegfried einen eigenen Stil nicht absprechen.

    Von der bisher gehörten Opern scheint mir Sonnenflammen von 1912 die stärkste zu sein. Hier ist die Fin de Siècle-Atmosphäre sehr deutlich spürbar, hier und da flimmert das Orchester wie bei Schreker und Wagner schreibt eine wirklich inspirierte Musik. Neben der Ouvertüre, die jedoch recht unfokussiert potpourriehaft die wichtigsten Themen des Stückes präsentiert, ist besonders der Sonnengesang der Iris hervorzuheben. Mir gefiel die Oper insgesamt gut, müsste sie aber nochmal hören für ein differenziertes Urteil. Ich glaube fast, dass sich die Schönheiten der Wagnerschen Musik nicht umbedingt beim ersten Hören komplett erschließen lassen.

    Vielleicht haben ja auch andere Taminos Erfahren mit Siegfried Wagner gemacht? Ich freue mich jedenfalls auf das Jubiläumsjahr 2019. In Bayreuth und Berlin wird es jeweils einen kompletten Siegfried Wagner Abend geben, in Bayreuth zusätzlich sein Oper "An allem ist Hütchen Schuld" - ich warte nur noch darauf, dass man Tickets ordern kann. Wann bekommt man sowas schon nochmal zu hören.


    Dann noch eine Frage für die Experten: Sowohl in der großen Winifred Wagner Biografie von B. Hamann, der Siegfried Wagner Biografie von Pachl als auch in der (m.E. beschämend unseriösen) Winifred-Wagner Biografie von Schertz-Parey wird das Verhältnis von Winifred Wagner zu den Werken Siegfrieds thematisiert. Im letztgenannten wird das Aufführungsverbot der Wagner-Werke durch Winifred kurz durch den Spruch "besser keine Aufführungen als schlechte" abgetan. Da das Buch jedoch alles im Zusammenhang Siegfried-Winifred beschönigt (seine Homosexualität wird mit keinem Wort erwähnt), frage ich mich weshalb es wirklich diese Zurückhaltung Winifreds gab. Weiß da jemand (z.B. Rheingold ;) ) etwas?

    LG
    Christian

  • in der (m.E. beschämend unseriösen) Winifred-Wagner Biografie von Schertz-Parey wird das Verhältnis von Winifred Wagner zu den Werken Siegfrieds thematisiert. Im letztgenannten wird das Aufführungsverbot der Wagner-Werke durch Winifred kurz durch den Spruch "besser keine Aufführungen als schlechte" abgetan.

    Ich habe das Buch nicht gelesen, Christian Lindner aber offenbar schon... :hahahaha:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe mir vor knapp zehn Jahren "Sternengebot" und "Sonnenflammen" zugelegt, die wohl zu Siegfried Wagners stärksten Opern zählen (wobei ich sagen muss, die restlichen nicht komplett zu kennen, nur die Vorspiele). Diskographisch hat sich seither nicht allzu viel getan. "An allem ist Hütchen Schuld!" scheint mittlerweile auf DVD erschienen zu sein.


    Listen wir mal auf, welche seiner Opern als Aufnahmen vorliegen:









    Das ist so wenig nicht. Ohne Marco Polo und cpo gäbe es allerdings bis heute fast nichts. Es fehlen noch eine Gesamtaufnahme von "Herzog Wildfang" sowie der Fragmente von "Wahnopfer", "Walamund" und "Das Flüchlein, das Jeder mitbekam".


    Wer bei Siegfried Wagner mit der Erwartung herangeht, eine Oper ähnlich der seines seligen Vaters zu hören, wird enttäuscht werden. Zumindest konnte ich seinerzeit keine besonders ausgeprägten Parallelen feststellen. Aber meine Höreindrücke liegen auch etliche Jahre zurück.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wer sich nicht zutraut, dass er gleich eine ganze Oper von Siegfried Wagner durchhalten wird (was ich voll verstehen kann), dem empfehle ich drei Alben, auf denen Szenen aus verschiedenen Opern zusammengestellt sind!


    Szenen für Mezzsopran mit Iris Vermillon


    -


    Szenen für Bariton mit Roman Trekel


    -


    Szenen Für Sopran mit Dagmar Schellenberger


    -


    Sicher ist Fiesco wieder unzufrieden mit mir, aber besser schaffe ich die Einstellungen nicht!


    Die CDs wurden übrigens vor einiger Zeit bei JPC für 1.90 € verramscht. Jetzt sind es gesuchte Sammlerstücke.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Wer sich nicht zutraut, dass er gleich eine ganze Oper von Siegfried Wagner durchhalten wird (was ich voll verstehen kann), dem empfehle ich drei Alben, auf denen Szenen aus verschiedenen Opern zusammengestellt sind!
    Sicher ist Fiesco wieder unzufrieden mit mir, aber besser schaffe ich die Einstellungen nicht!
    Caruso41


    :D


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Essentiell in Sachen Siegfried Wagner ist natürlich auch diese 7-CD-Box mit sämtlichen Orchesterwerken, eingespielt von Werner Andreas Albert in den Jahren 1993 bis 1997 für cpo:



    Enthalten sind:


    CD 1: Ouvertüren zu "Herzog Wildfang", "Der Friedensengel", "Der Schmied von Marienburg", "Die heilige Linde"
    CD 2: Ouvertüren, Vorspiele und weitere Orchestermusik aus "An allem ist Hütchen Schuld!", "Das Flüchlein, das jeder mitbekam", "Der Bärenhäuter"
    CD 3: Ouvertüren, Vorspiele und weitere Orchestermusik aus "Herzog Wildfang", "Bruder Lustig", "Banadietrich", "Schwarzschwanenreich", "Wahnopfer"
    CD 4: Ouvertüren, Vorspiele und weitere Orchestermusik aus "Sternengebot", "Sonnenflammen", "Heidenkönig", "Rainulf und Adelasia"
    CD 5: Symphonie C-Dur plus spätere Version des langsamen Satzes, Ekloge (nach Franz Liszt)
    CD 6: Symphonische Dichtungen "Sehnsucht" (nach Schiller), Scherzo "Und wenn die Welt voll Teufel wär", "Glück"
    CD 7: Violinkonzert, Konzertstück für Flöte und kleines Orchester, Orchestermusik aus "Der Kobold", "Die heilige Linde", "Das Märchen vom dicken fetten Pfannekuchen"

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die im Vorbeitrag gezeigte Box der kompletten Orchestermusik Siegfried Wagners ist ein echtes Kleinod der Diskographie. Als ich die diversen Ouvertüren und Vorspiele vor über einem Jahrzehnt zum ersten Mal hörte, hinterließen sie nicht den ganz großen Eindruck. Vermutlich war ich zu sehr in der Erwartung, etwas wie von Wagner senior zu hören. Die letzten Tage hörte ich mich sukzessive wieder durch diese (teils sehr ausgedehnten) Werke und stelle vermehrt fest, dass da einiges wirklich Tolles dabei ist. Fangen wie mit der Ouvertüre zu Herzog Wildfang, Siegfrieds zweiter Oper, an, die eine gekonnte Meistersinger-Parodie darstellt (was ihr seinerzeit auch eine schlechte Presse einbrachte). Wirklich stark erscheinen mir auch die instrumentalen Einleitungen zu Bruder Lustig, zum Schmied von Marienburg oder zur Heiligen Linde. Sicherlich finden sich noch spätromantische Anleihen in der Musik, doch gehört sie insgesamt dann doch eher zur Nachromantik, aber sicher nicht zur Moderne. Die Themen der Opern von Siegfried Wagner muten ja zuweilen etwas absonderlich an, allerdings streift er gesellschaftlich interessante Aspekte wie abgetriebene Kinder (Der Kobold) oder den religiösen Fanatismus (Wahnopfer). In seiner letzten Oper Das Flüchlein, das jeder mitbekam wagt er sich sogar an eine Hitler-Parodie (Räuberhauptmann Wolf).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões