Liebeslieder - Dauerbrenner durch die Jahrhunderte

  • Kaum hält man es für möglich - und dennoch ist es so:
    Das banalste, verbreittste, und wahrscheinlich ältete Theme der Welt - im Lied verewigt . ist bei uns noch nicht zum Zug gekommen.
    Vielleicht fanden die Forianer Liebeslieder als "zu kitschig" für dieses Forum - oder aber -ich vermute, daß dies eher zutrifft - als bereits in hunderten Beiträgen abgehandelt und zu Tode geredet, äh geschrieben. Oder aber man wollte dieses Thema nicht behandeln, weil allzu bittere Erlebnisse damit verbunden sind, bzw weil man fürchtet, daß man allzuvile von sich selbst preisgibt, wenn man hier Statements oder Empfehlungen von sich gibt, bzw schreibt, welche Liebeslieder einen persönlich beeindruckt haben. Beim liebeslied ist mehr noch als sonst in diesem Genre, der Übergang vom Volkkslied zum Kunstlied gegben, bzw werden viiele Kunstlieder - so sie nur alt genug sind - als Volkslieder bezeichnet - obwohl Verfasser und Komponist (oft in Personalunion) sehr wohl bekannt sind.


    Liebeslieder könne aus einem bestimmten Anlass heraus geschrieben worden sein, für eine bestimmte Person, die man für sich erobern will, oder aber auch für ein nicht existierendes Idealbild, sie können aber auch resignierend sein, über eine verlorene Liebe klagen.


    Das Thema ist schier unerschöpflich, die Zeitspann reicht vom Mittelalter bis heute. Ran an die Tastatur - schreibt zwanglos was Euch zu diesem Thema einfällt.


    Philosophische Betrachutngen, historisches, persönliches, auch Aufnahme-Empfehlungen - alles passt in diesen Thread...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da scheinbar der Funke nicht so recht überspringen will, probier ich mal einen ersten Beitrag zum eigentlichen Thema zu schreiben.
    An sich ist das einfach. Man nehme ein x-beliebiges Liebeslied und poste hier seinen Titel (bzw seinen Text, wenn der Autor schon mehr als 70 Jahre tot ist)


    Aber das ist natürlich nur die halbe Miete, ein paar persönliche Anmerkungen wären da schon recht schön.
    Ich hab lange nachgedacht, welches mein erstes Liebeslied sein würde, welches ich hier poste. Natürlich böte sich da manches von Schubert an - und das werde ich auch dereinst besprechen. Aber ich wollte ein wenig "exotisches" in diesen Thread bringen.
    "All mein Gedenken die ich hab" - den meisten ist dfieses Liebeslied bekannt. Wir denken an Brahms dabei - und haben nicht mal so Unrecht. Auf dieser CD mit 49 Volksliedern steht es gleich an erster Stelle. Ein Klick aufs Cover und man kann ein Stückchen davon hören (Track 1). Hermann Prey singt - ein Glücksfall......



    Ist das wirklich so ?
    Brahms hat, so ist das Ergebnis mit Sicherheit ein anderes als der Versuch es weitgehend so zu interpretieren, wie es im 15. Jahrhundert üblich war. Damals wurde das Volkslieb nämlich erstmals niedergeschrieben, im sogenannten "Lochamer Liederbuch", soll heissen das Lochamer Liederbuch ist die früheste ERHALTENE schriftliche Quelle zu diesem Volkslied, vielleicht gab es ältere Niederschrieften - aber die sind uns nicht überliefert - oder irgendwo verschollen.


    Naxos hat dankenswerterweise diese unten abgebildete CD
    auf den Markt gebracht - und die Originalfassung , wenn man bei einem Volkslied von einer sochen überhaupt reden kann, ist auf Track 14 auszugsweise zu hören.
    Man beachte die beinahe hypnotische Wirkung die dieses lied ausstrahlt, die inder Brahmsschen Fassung (und nicht nur dort) völlig verloren geht.






    Zwei Seiten aus dem Lochamer Liederbuch...



    All´ mein´ Gedanken, die ich hab
    Die sind bei dir.
    Du auserwählter einz´ger Trost,
    Bleib stets bei mir!
    Du, du, du sollst an mich gedenken!
    Hätt´ ich aller Wünsch Gewalt,
    Von dir wollt´ ich nicht wenken


    Du auserwählter einz´ger Trost,
    Gedenk daran!
    Mein Leib und Seel, die sollst du gar
    zu eigen han
    Dein, dein, dein will ich immer bleiben
    Du gibst Freud und hohen Mut
    Und kannst mir Leid vertreiben


    Dein allein und Niemands mehr
    das wiß fürwahr
    tätst du desgleichen Treu an mir
    so wär ich froh
    Du, du, du sollst von mir nit setzen
    Du gibst Freud und hohen Mut
    und kannst mich Leids ergetzen


    Die Allerliebst und minniglich
    die ist so zart
    ihresgleich in allem Reich
    findt man hart
    Bei, bei, bei ihr ist mein Verlangen
    da ich nun von ihr scheiden sollt
    da hält sie mich umfangen


    Die werte Rein, die ward sehr wein´n
    do das geschah
    Du bist mein und ich bin dein
    sie traurig sprach
    Wann, wann, wann ich soll von dir weichen
    Ich nie erkannt, noch nimmer mehr
    erkenn ich deinesgleichen


    Text und Musik: anonym - 15. Jahrhundert
    aus dem Lochamer Liederbuch , 1460/62 ?


    Ich hoffer Euer Interesse ein wenig geweckt zu haben, und wenn nich jenes der Mitglieder, so doch jenes der Mitleser....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Liebeslieder - Brahms hat zwei wundervolle Serien von Walzern für gemischten Chor und zwei Klaviere unter dem Namen "Liebesliederwalzer" komponiert.


    "O Haupt voll Blut und Wunden" - für viele, auch wegen Bachs Matthäuspassion der Inbegriff des protestantischen Passionschorals, ist eine geistliche Kontrafaktur eines Minneliedes: "Mein G'müt ist mir verwirret, das macht ein Jungfrau zart". Zweifelsohne ein Liebeslied.


    Das Adagietto aus Mahlers 5. Sinfonie ist ein Liebeslied an Alma. Text (passend auf die Melodie in den 1. Violinen am Anfang des Satzes):


    Wie ich dich liebe,
    du meine Sonne,
    ich kann mit Worten Dir's nicht sagen
    Nur meine Sehnsucht kann ich Dir klagen
    Und meine Liebe
    Meine Wonne!

  • Ich darf hier gleich anknüpfen.


    Mein G'müt ist mir verwirret


    i von Leo Hassler (1564-1612) st doppelbödig, soll heissen es kann als Liebeslied, oder aber auch als keusche Anbetung der Jungfrau MARIA gedeutet werden.


    Der Text ist ein Akrostichon, wo die Anfangsbuchstaben der Strophen aneinandergereht einen Sinn, im speziellen Fall das Wort MARIA ergeben, Aber Lieb kann ja auch esotherisch sein, Liebeslied bleibt als Liebeslied, wobei nicht auszuscließen ist, daß die Doppelbödigkeit bewusst gewählt wurde...


    Mein Gmüth ist mir verwirret,
    das macht ein Jungfrau zart,
    bin ganz und gar verjirret,
    mein Herz das kränckt sich hart,
    hab tag und nacht kein Ruh,
    führ allzeit grosse klag,
    thu stets seufftzen und weinen,
    in trauren schier verzag.


    Ach daß sie mich thet fragen,
    was doch dir versach sei,
    warum ich führ solch klagen,
    ich wolt irs sagen frei,
    daß sie allein die ist,
    die mich so sehr verwundt,
    köndt ich ir Hertz erweichen,
    würd ich bald wider g’sund.


    Reichlich ist sie gezieret,
    mit schön thugend ohn Ziel,
    höflich wie sie gebüret,
    ihrs gleichen ist nicht viel,
    für andern Jungfraun zart,
    führt sie allzeit den Preiß,
    wann ichs anschau, vermeine,
    ich sei im Paradeiß.


    Ich kann nicht gang erzehlen,
    Ihr schon und tugend
    Fur all'n wot ich's erwehlen,
    wer es nur auch ihr will,
    Dass sie ihr Herz und Lieb
    geg'n mir wendet allzeit,
    So wurd mein Schmerz und klagen,
    verkehrt in grosse Freud


    Aber ich muß auffgeben,
    und allzeit traurig sein,
    solts mir gleich kosten Leben,
    das ist mein gröste Pein,
    dann ich bin ir zu schlecht,
    darumb sie mein nicht acht,
    Gott wolts für leid bewahren,
    durch sein Göttliche macht



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ... das wird mal wieder eine Herausforderung, am Karfreitag an der Orgel diese Doppelbödigkeit abzubilden ... :-)


    Ich finde das mit dem Akrostichon sehr interessant! Maria könnte aber auch der Name des Liebchens sein ... weiß man, wie der Hasslersche Text (wohl nicht von ihm?) gemeint ist?

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich darf hier gleich anknüpfen.


    Mein G'müt ist mir verwirret


    i von Leo Hassler (1564-1612) st doppelbödig, soll heissen es kann als Liebeslied, oder aber auch als keusche Anbetung der Jungfrau MARIA gedeutet werden.


    Ich weiß nicht so recht, ob man das als "Doppelbödigkeit" ansehen soll, schließlich ist das Ideal der Liebe von damals ein wesentlich keuscheres als heute und die Marienverehrung hatte wohl etwas von Liebe/Verliebtsein (so wie die Nonnen ihren Bräutigam Jesus liebten).


    Aus der Barocklyrik kann man dazu sicher einiges zusammensammeln, besonders auf Spee sei verwiesen.


    Und dann bedenke man die ideale Schönheit all der Madonnen, die beim sensiblen Betrachter schon eine zarte Aufregung erzeugen kann und wohl auch soll.


    Wenn man das vielleicht als Sublimation der irdischen Liebe ansehen kann (vergleiche vielleicht Tizians "himmlische und irdische Liebe" in der Galleria Borghese) so ist das eher eine Art Reinigung als eine Doppelbödigkeit.
    :hello:

  • Wenn ich auf dem Friedhof in Rottach-Egern am Tegernsee vor dem Grab Leo Slezaks stehe, sehe ich auf dem Stein einen von Franz Liszt vertonten Text:


    Es muss ein Wunderbares sein
    Ums Lieben zweier Seelen,
    Sich schließen ganz einander ein,
    Sich nie ein Wort verhehlen,
    Und Freud und Leid und Glück und Not
    So miteinander tragen;
    Vom ersten Kuss bis in den Tod
    Sich nur von Liebe sagen.


    Text: Oscar von Redwitz-Schmölz (1823-1891)


    Auf YouTube kann man die Interpretation unter anderem von Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey und eine alte Aufnahme von Karl Erb hören.

  • L. v. Beethoven


    Ich liebe dich, so wie du mich,
    Am Abend und am Morgen,
    Noch war kein Tag, wo du und ich
    Nicht teilten unsre Sorgen.


    Auch waren sie für dich und mich
    Geteilt leicht zu ertragen;
    Du tröstetest im Kummer mich,
    Ich weint in deine Klagen.


    Drum Gottes Segen über dir,
    Du, meines Lebens Freude.
    Gott schütze dich, erhalt dich mir,
    Schütz und erhalt uns beide.



    C. Bohm
    Still wie die Nacht und tief wie das Meer,
    soll deine Liebe sein!
    Wenn du mich liebst,
    so wie ich dich,
    will ich dein eigen sein.
    Heiß wie der Stahl und fest wie der Stein
    soll deine Liebe sein!

  • Aus Robert Schumanns Zyklus Dichterliebe op. 48 nach Texten aus dem Buch der Lieder von Heinrich Heine:


    4. Wenn ich in deine Augen seh'

    Wenn ich in deine Augen seh',
    So schwindet all' mein Leid und Weh;
    Doch wenn ich küsse deinen Mund,
    So werd' ich ganz und gar gesund

    Wenn ich mich lehn' an deine Brust,
    Kommt's über mich wie Himmelslust;
    Doch wenn du sprichst: ich liebe dich!
    So muß ich weinen bitterlich.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • John Dowland


    If my complaints could passions move


    If my complaints could passions move,
    Or make Love see wherein I suffer wrong:
    My passions were enough to prove,
    That my despairs had govern'd me too long.
    O Love, I live and die in thee,
    Thy grief in my deep sighs still speaks:
    Thy wounds do freshly bleed in me,
    My heart for thy unkindness breaks:
    Yet thou dost hope when I despair,
    And when I hope, thou mak'st me hope in vain.
    Thou say's thou canst my harms repair,
    Yet for redress, thou let'st me still complain.


    Can Love be rich, and yet I want?
    Is Love my judge, and yet am I condemn'd?
    Thou plenty hast, yet me dost scant:
    Thou made a god, and yet thy pow'r contemn'd.
    That I do live, it is thy pow'r:
    That I desire it is thy worth:
    If Love doth make men's lives too sour,
    Let me not love, nor live henceforth.
    Die shall my hopes, but not my faith,
    That you that of my fall may hearers be
    May here despair, which truly saith,
    I was more true to Love than Love to me.


    Balsam für das geschundene Herz...
    Leider habe ich noch keine gute Aufnahme davon entdeckt. Aber bevor es zu romantisch wird, Dowland hat mit diesem Liebeslied eigentlich seiner Sehnsucht nach einer Anstellung bei Hof Ausdruck verliehen.

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  • Wer kennt nicht Schumanns Vertonung von:


    Du meine Seele, du mein Herz,
    Du meine Wonn', o du mein Schmerz,
    Du meine Welt, in der ich lebe,
    Mein Himmel du, darein ich schwebe,
    O du mein Grab, in das hinab
    Ich ewig meinen Kummer gab!


    Du bist die Ruhe, du bist der Frieden,
    Du bist der Himmel, mir beschieden.
    Daß du mich liebst, macht mich mehr wert,
    Dein Blick hat mich vor mir verklärt;
    Du hebst mich liebend über mich,
    Mein guter Geist, mein bess'res Ich!



    von Friedrich Rückert!?

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Heute am Valentinstag ist es ja sehr passend, hier zumindest ein Liebeslied einzustellen !


    Eines der allerschönsten ist für mich dieser Schubert (D 776):



    1. Du bist die Ruh,
    Der Friede mild,
    Die Sehnsucht du
    Und was sie stillt.


    2. Ich weihe dir
    Voll Lust und Schmerz
    Zur Wohnung hier
    Mein Aug und Herz.


    3. Kehr ein bei mir,
    Und schließe du
    Still hinter dir
    Die Pforten zu.


    4. Treib andern Schmerz
    Aus dieser Brust!
    Voll sei dies Herz
    Von deiner Lust.


    5. Dies Augenzelt
    Von deinem Glanz
    Allein erhellt,
    O füll' es ganz!




    Hievon gibt es viele viele schöne Aufnahmen. Eine wunderbare Version wird von Ian Bostridge gesugen.


    Schubert legt je zwei Textstrophen zu einer Liedstrophe zusammen. Die fünfte Strophe wird ja ein wenig variiert wiederholt. Hier strahlt Bostridge auf dem Höhepunkt, dem "erhellt" zunächst in einem überzeugten Forte, während er sich (im Gegensatz zu allen anderen Aufnahmen, die ich kenne) "traut", auf dem letzten "erhellt" (in der Wiederholung) ganz ins Piano zurück zu gehen. Ein bemerkenswerter Effekt der Verinnerlichung !


    http://www.youtube.com/watch?v=X_VUQLRdz_A

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Zit: "...während er sich (im Gegensatz zu allen anderen Aufnahmen, die ich kenne) "traut", auf dem letzten "erhellt" (in der Wiederholung) ganz ins Piano zurück zu gehen."


    Das muss man sich nicht "trauen". Das steht in den Noten. Schubert hat den gedehnten Sekundanstieg der melodischen Linie bei der Silbe "-hellt" ausdrücklich mit einem Decrescendo versehen, das jeder Interpret beachten sollte, weil es einen tiefen Sinn hat. Die nachfolgende lyrische Beschwörung "O füll´es ganz" muss nämlich - nach der eintaktigen Pause der Singstimme - in einem stark verinnerlichten Ton pianissimo deklamiert werden. Sie kommt aus dem tiefsten Herzen des lyrischen Ichs und ist Ausdruck seiner Sehnsucht.

  • Na das ist ja interessant ! Ich habe jetzt (seit sehr langem) nochmal Hermann Prey und Fischer-Dieskau nachgehört, die beide dieses Piano machen, aber bei weitem nicht so eindeutig wie Bostridge. Goerne hingegen scheint die Angabe fast zu ignorieren. Und: Bryn Terfel, den ich heute das erste Mal mit diesem Lied hörte, geht tatsächlich bis ins leise Pianissimo zurück !

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Gerade wegen dieser Stelle ist "Du bist die Ruh" so unheimlich schwer zu singen. Ich hatte daran ein halbes Jahr geübt, doch um es überzeugend vorzutragen brauchts einen sehr guten Tag.


    Um Interpretationen vergleichen zu können, ist YT eine wahre Fundgrube. :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zu dem Lied „Du bist die Ruh“, D 776:


    Dieses Lied wäre einer näheren Betrachtung wert, - als Lied und nicht als Gegenstand seiner sängerischen Interpretation.
    Und das aus gleich mehreren Gründen: Seiner zweifellos großen Schönheit wegen, der Art Weise wegen, wie Schubert hier mit der – von Hafis inspirierten - lyrischen Sprache Rückerts kompositorisch umgeht und - nicht zuletzt – aus dem Grund, der allemal die Beschäftigung mit Schuberts Liedern lohnt: Dem Geheimnis seiner Melodik.


    Hier kann man diesem Geheimnis ein wenig näher kommen, wenn man vernimmt, wie sie, getragen von dem wiegenden Rhythmus des Dreiachtel-Taktes, das jambische Metrum der lyrischen Textvorlage gleichsam transzendiert, um in den Bereich melodischer Emphase vorzustoßen und dem Text immanente Aussagen zu entlocken, die er als solcher nicht zu artikulieren vermag, - und dabei dennoch ihre so überaus eingängige strukturelle Einfachheit nicht zu verlieren.


    Dieser Thread verfolgt aber eine andere Zielsetzung, und deshalb nur noch eine kurze Anmerkung zu dem hier zur Sprache gekommenen Schluss des Liedes und seiner sängerischen Interpretation.
    Dietrich Fischer-Dieskau kommentiert das mit den Worten:
    „Das hohe G muß bei der Wiederholung abschwellen, was, der Schwierigkeit des Ausführens wegen, gern übersehen wird. Aber Schubert singt eben nicht über den Souffleurkasten, sondern im inneren Bezirk.“


    (Auch dieser Kommentar wäre, insbesondere was die Formulierung "Schuberts Singen im inneren Bezirk“ anbelangt, einer Reflexion wert. Das gehörte aber ebenfalls nicht hierher.)

  • um in den Bereich melodischer Emphase vorzustoßen und dem Text immanente Aussagen zu entlocken, die er als solcher nicht zu artikulieren vermag, - und dabei dennoch ihre so überaus eingängige strukturelle Einfachheit nicht zu verlieren.


    Das hast du wunderschön gesagt! Man sollte jedoch auch bei Schubert (und seinem unwahrscheinlichen "Melodieren") die harmonische Komponente auch einbeziehen...
    Vielleicht spendest du uns eine Analyse? Oder gibt es schon eine zum Nachlesen?


    Siegfried
    Großartig! Du kannst singen! Ich hingegen versuche es nur! Vielleicht singen wir "im nächsten Leben" mal etwas zusammen? :rolleyes:

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Zitat

    Hievon gibt es viele viele schöne Aufnahmen


    Ja, die gibt es in der Tat, Bachiania!
    Wer sich für die gesangstechnischen Möglichkeiten dieses Liedes interessiert, sollte die 1952 entstandene Aufnahme der zu ihrer Zeit größten russischen Sopranistin Zara Dolukhanova (1918-2007) unbedingt kennen. Natürlich ist diese Aufnahme technisch "angestaubt", aber trotzdem für jeden ein Hörgenuss, der sich für Interpretationen interessiert; allerdings singt die Künstlerin das Stück in ihrer Muttersprache...
    In meiner Sammlung ist sie übrigens unangefochtene Rekordhalterin bezüglich der Länge des Liedes. Hierzu eine kleine Statistik: Karl Erb 3:44 / Hermann Prey 4:01 / Dietrich Fischer-Dieskau 4:16 / Ian Bostridge 4:19 / Bryn Terfel 4:42 / Zara Dolukhanova 5:17