DON GIOVANNI (Premiere Theater am Goetheplatz Bremen, 6. 2. 2010)

  • Es ist kein Geheimnis, dass Programmhefte oftmals wenig mit der tatsächlichen Inszenierung zu tun haben. So ist es auch beim neuen "Don Giovanni" des Theaters Bremen. Ließen die Fotos trotz aller Buntheit auf eine düstere, bedeutungsschwangere Produktion schließen, kam doch alles anders. Dieser Giovanni macht Spaß, ist spannend, aber gewiss nicht oberflächlich. Ganz im Gegenteil: Hinter allen scheinbaren Oberflächlichkeiten verbergen sich lauter seelische Abgründe.


    Regisseurin Andrea Moses überzeugte mich mit ihrem Konzept auf ganzer Linie. Bei ihr ist Giovanni klar das Zentrum der Handlung, der Verführer, das Faszinosum. Die anderen Figuren können nicht mit, aber auch nicht ohne ihn.
    Verortet ist das Ganze im "DG STAR HOTEL", einer riesigen, ellipsenförmigen Drehkulisse mit mehreren Zimmern, einer Bar, einem Treppenhaus, wechselnder Beleuchtung, einem Partyraum, einer Videoleinwand (beide hinter Garagentoren versteckt), einer (ausklappbaren!) Lounge, dem berühmten Marilyn-Monroe-Gemälde von Andy Warhol und, und, und.
    Zu Beginn füllt Giovanni Don Ottavio in der Bar ab, um Anna verführen zu können. Zugegebenermaßen nicht besonders eindrucksvoll ist die Tötung des Komturs (an der Leporello aktiv mitwirkt), dem sein Spazierstock in die Seite gerammt wird.
    Zur Registerarie zückt Leporello ein iPhone und führt auf der Videoleinwand eine Multimedia-Präsentation der Liebschaften seines Herrn vor. Es erscheinen Landkarten aus Frauengesichtern und obendrauf die Zahl der dort Eroberten. Die Aufzählung der Frauentypen wird von nummerierten Fotos der Damen illustriert - alles perfekt mit der Musik getimt, dass es einfach Spaß macht.
    Als Leporello eben Elvira dem Register zufügen will, geht das zweite Garagentor auf und Masetto und Zerlina erscheinen. Die beiden sind originalgetreu wie die heutige Jugend gekleidet, auch der Partyraum (Poster an der Wand, Stereoanlage auf dem Boden) ist ohne Fehl und Tadel reproduziert (ich spreche da aus Erfahrung ;)). Das junge Paar hat zur Party mit reichlich Alkohol und Grillwürstchen geladen, und ihre jungen Freunde sind zahlreich erschienen. Leporello nutzt die Gelegenheit und filmt die ausgelassen tanzende Zerlina, und ihr Bild erscheint auf der Videoleinwand - ein Hochzeitsvideo, das sich Zerlina und Masetto in dreißig Jahren entweder entgeistert oder befreit lachend ansehen werden, ein Blick in die Zukunft also.
    Wenn die Ehe überhaupt lang hält. Masetto ist mal brutal, mal lammfromm, weiß nie, wohin und was er will. Zerlina dagegen will einfach Spaß und versteht nicht, warum ihr Gatte aus der Sache mit Giovanni so ein Drama macht. Als die beiden nach "Vedrai, carino" zur Sache kommen wollen, werden sie von Leporello und Elvira gestört.
    Ohnehin ist jede Figur "ausinszeniert". Leporello ist der Diener des Menschen und nicht des Faszinosums Don Giovanni, Anna eine Frau, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt, Ottavio ein Loser, der darüber mit Fremdschäm-Attitüde hinwegzuspielen versucht (zu "Il mio tesoro intanto" fordert Don Giovanni ihn höhnisch auf, ihn zu erschießen), Elvira versucht, durch ständige Maskerade ihren eigenen seelischen Abgründen zu entfliehen.
    Am Ende ist freilich nicht viel übrig von der Revue, die uns der Don noch am Ende des ersten Aktes bot. Zerlina, Masetto, Anna und Elvira sitzen in der Bar und warten auf das Schicksal ihres Lebenszentrums. Giovanni hat sich nochmal die Nutten ins Haus kommen lassen, fläzt sich auf seinen Loungesesseln und lässt sich bedienen - bis der Komtur (der in der Friedhofszene sein eigenes Grab bestaunte) ihn zur Rede stellt. Am Ende ist er umzingelt von Leuten, die sich an ihm rächen wollen, bricht in höhnisch-ungläubiges, tierisches Schrei-Gelächter aus - und erschießt sich. Lieber stirbt er, als zu verlieren.
    Die anderen Akteure belegen ihn mit dem Trauerschmuck des Komturs, der in den letzten Takten auf den Balkon des Hotels geht, sich eine Zigarette anzündet und die Lage überblickt - er weiß schließlich bereits, wie man enden kann, und macht sich keine Hoffnungen mehr wie die anderen Protagonisten...


    Musikalisch gab es wenig auszusetzen. Das Dirigat von GMD Markus Poschner war nichts Revolutionäres, dafür ließ er es in der Komturszene schön krachen. Der Orchestergraben war von meinem Platz gut einsehbar, und die gelangweilte Laune der Blechbläser wirkte sich leider auch auf ihre Tonproduktion aus.
    José Gallisa sang einen bassgewaltigen, wenngleich wenig textverständlichen Komtur. Alberto Albarrán war als Masetto schönstimmig und spielerisch engagiert, die Zerlina von Nadine Lehner voller Ausdruck mit bisweiligen Höhenschärfen. Zu überzeugen wussten sowohl Nadja Stefanoff als Elvira wie auch die erst 29-jährige Sara Hershkowitz als Anna, die mit gut voneinander abgesetzten Timbres, sauberer Koloratur und großer Spielfreude nicht nur ihre Arien zum Erlebnis machten. George Stevens (Leporello) sang und spielte tadellos, dass es eine Freude war. Juan Orozco als Don Giovanni begann sehr gut, war am Anfang des zweiten Aktes aber erschöpft und brach in der Kavatine stimmlich nahezu völlig ein, fing sich dann aber wieder und fand in der Finalszene sogar noch ein schönes hohes A. Spielerisch machte er aber ein paar Unzulänglichkeiten wieder wett. Gänzlich unerfreulich dagegen der Ottavio von Luis Olivares Sandoval, der spielerisch einförmig war und zudem mit argen Intonationsproblemen zu kämpfen hatte.
    Großer Beifall für alle Beteiligten, auch für die Regisseurin, nur wenige Buhs und einige Bravi (von wem wohl :beatnik:). Großes Musiktheater.

  • Na hört sich ja spannend an. Bremen ist vielleicht ein bissl weg von Münster, aber geht ja theoretisch gut zu erreichen. A1 lässt grüßen....
    Wer weiß veillicht komme ich mal vorbei....
    Sehr gespannt bin ich auf den Don Giovanni in Köln, da meine Freundin und ich ja für die Premeire ja Karten haben.
    War denn meine Lieblingsszene, die Stretta am Ende des ersten aktes, wenigstens ordentlich spannend inszeniert und musiziert?

  • Zitat

    Original von Basti
    Verortet ist das Ganze im "DG STAR HOTEL", einer riesigen, ellipsenförmigen Drehkulisse mit mehreren Zimmern, einer Bar, einem Treppenhaus, wechselnder Beleuchtung, einem Partyraum, einer Videoleinwand (beide hinter Garagentoren versteckt), einer (ausklappbaren!) Lounge, dem berühmten Marilyn-Monroe-Gemälde von Andy Warhol und, und, und.


    Lieber Basti!


    Der Hamburger Giovanni (Pet Halmen) spielt auch in einem Hotel, allerdings in den 30iger Jahren, so dass Elvira als Marlene Dietrich herumläuft und Monroe noch nicht an der Wand hängt. War ja alles ganz nett, ich habe mich damals am Anfang der Oper nur gefragt: Wann kommt den nun endlich die Polizei, nimmt ihn fest und wir können alle nach Hause gehen?


    Will sagen: Es funktioniert nicht, den Giovanni in eine andere Zeit zu verpflanzen. Der Konflikt zwischen den verschiedenen sozialen Schichten ist so einfach nicht in das Heute zu übertragen. Wenn das aber nicht funktioniert, empfinde ich vieles, was solch eine Inszenierung aufbietet, einfach als "Schnickschnack", ohne einen tieferen Sinn zu haben und die Grundkonflikte des Stückes wirklich zu durchleuchten. Dazu gehört auch der Selbstmord des Giovanni. Es ist eindeutig im Stück eine religiöse Ebene vorgegeben (meinetwegen auch ein Vater-Sohn-Konflikt. Diese Ebene muss kommen, sie kann ja gerne hinterfagt werden, aber ohne sie findet das Stück nicht statt.


    :hello: Gustav


  • Was die meisten nicht wissen, ist, das der Don Giovanni von Pet Halmen nicht aus hamburg kommt sondern eigentlich aus Essen. Hamburg hat ihn später ünernommen. Obwohl die Inszneirung nur wenige gute Momente hatte....


    Im übrigen finde ich schon, dass die Oper in der Moderne funktioniert. Die Polizei muss ja erstmal jemand rufen. Selbst in einigen Partituren findet sich erst nach der Höllenfahrt die Notiz, dass seine Verfolger Rechtsdiener mitgebracht haben. Im Finale des ersten Aktes kommen sie alleine. So gibt es zwar durchaus einen Mord (von dem der Zuschauer auch weiß) aber Zwiefel an dem Mörder gibt es doch eine gewisse Zeit.

  • Zitat

    Original von WotanCB
    War denn meine Lieblingsszene, die Stretta am Ende des ersten aktes, wenigstens ordentlich spannend inszeniert und musiziert?


    Ja, durchaus. Zu Giovannis Fest kamen Menschen jeden Alters und jeden Standes, die wohl einfach mal was erleben wollten. Prima war's, als ihr Gastgeber enttarnt wurde und sie dies schockiert beobachteten.


    :hello:


    (Don Giovanni verdient sich übrigens als Pelzhändler was dazu und läuft dementsprechend bei dieser Festivität in einem rum; kann aber sein, dass er auch sich selbst verkauft.)

  • Habe gerade bei Youtube ein Video gefunden und muss sagen, dass mir gerade das Orchester sehr gut gefallen hat.


    "http://www.youtube.com/watch?v=xzbLWV_Gyrc"


    Die Inszenierung sieht zumindest nicht langweilig aus :yes: