Sind "schöne Stimmen" rar geworden ? VOL - 1 Lied - Männerstimrnen

  • "Sind schöne Stimmen rar geworden ?"
    Diese Frage hat mich vor allem in Zusammenhang mit den Liederthtreads, mit der Thematik "Dietrich Fischer Dieskau" etc. beschäftigt., hat ihre Berechtigung aber auch - wennglkeich nur in eingeschränktem Maße - im Bereich der Oper.
    Ich meine, wenn wir diese Frage erörtern wollen, daß eine Trennung von Liedgesang und Oper - bzw Männerstimmen und Frauenstimmen ausreichend sein sollte. Daher sind VIER Folgen dieses Themas geplant, die einer nach dem anderen, allmählich ins Forum gestellt werden sollen.


    Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir derzeit über eine Vielzahl von hervorragenden INTERPRETEN verfügen, welche den Bereich Kunstlied bestens abdecken. Ich habe das Wort INTERPRETEN bewusst groß geschrioeben, weil das genau den Punkt trifft. Es wird heute - meiner Meinung nach - mehr als in der Vergangenheit - darauf geachtet, den emotionalen Gehalt, oder die Geschichte eines Liedertextes dem Publikum nahezubringen - unter gleichzeitigem Verzicht auf die Schönheit des Gesanges. Das Lied als Opernarie des Verismo?


    Wird hier der Zeitgeschmack (bestens) bedient - oder werden hier stimmliche Mängel kaschiert.
    Wenn ich an dieser Stelle "stimmliche Mängel" geschrieben habe, dann meine ich keine technischen oder Intonationsprobleme, auch keine Ermüdungserscheinungn etc, sondern schlicht und einfach, daß ich glaube feststellen zu müssen, daß es heutzutage viel weniger Stimmen gibt, die - trotz oft gravierender technischer Defizite - einfach als "schön" - vom Timbre her zu sehen - zu bezeichnen sind.


    Eine ausnehmend schöne Stimme hatte beispielsweise Fritz Wunderlich. Auch Hermann Prey verströmte balsmischen Wohllaut, Fischer Dieskau war vor allem in jungen und mittleren Jahren von der Klangfarbe für sich einnehmend, im Alter verlor die Stimme etwas an Elastizität, gewann aber gleichzeitig etwas an Charakteristik - das ist genau das was in diesem Thread nicht gesucht wird, sondern die Schönheit des Timbres, wo einem eigentlich der Inhalt des Liedes völlig gleichgültig ist -Haupsache es erzeugt ein angenehmes Gefühl...


    Es sollen hier ausschließlich Liedsänger erwähnt werden, deren Karierre noch am Laufen ist, und deren Timbe an sich schon als "schön" einzuordnen ist. - Oder gibt es sowas heute gar nicht mehr ??


    Es sollten in diesem Zusammenhang nicht nur Namen genannt werden, sondern allenfalls auch Beispiele angeführt werden, wo sich diese Schönheit bemerkbar macht, bzw Vergleiche mit den Großen (und weniger Großen) der Vergangenheit gezogen werden....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wir haben bereits an anderer Stelle darüber diskutiert, weshalb trotz höchster Begabung und bester Ausbildung Stimmen heute so einheitlich
    "schön" klingen, dafür aber den eigenständigen Charakter verlieren. Es liegt weitgehend an der Gesangsausbildung.
    Thomas Quasthoff z. b. ist ein ausgezeichneter Liedersänger. Wenn er allerdings mit seinem Basskollegen Kurt Moll verglichen wird, dann wird hörbar, um was es geht. Bei Quasthoff ist eine technisch gut geführte, wohlklingende Stimme zu hören. Moll stehen aber auch im Liedgesang ganz andere stimmliche Möglichkeiten zur Verfügung, die der fabelhafte Bassist besonders im Spiel mit der Stimme und den Klangfarben voll ausnützt. Reiner Schöngesang reicht nicht aus, kann auf Dauer sogar schrecklich langweilig wirken. Dazu kommen muss die Autorität, Ausstrahlung und das Charisma einer großen Sängerpersönlichkeit und die Unverwechselbarkeit einer Stimme.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Einer, der aus der Gilde der heutigen Liedsänger herausragt, ist Christian Gerhaher. Der Bariton vereint eine schöne Stimme mit Gestaltungskunst und Textverständlichkeit, weshalb ich seine Mahler-Lieder besonders schätze.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Ich durfte unlängst Michael Schade erleben und es war für mich Liedgesang vom Feinsten. Eide ideale Stimme für Lieder, für Mozart und für vieles mehr!

  • Nein, schöne Stimmen sind selbstverständlich nicht rar geworden. Ich darf erinnern an Christoph Pregardien. Egal ob Schubert oder Loewe. Er kann beides und singt für meine Begriffe auf hohem Niveau und sehr schön.


    Gruß aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Es ist eigenartig, mein persönlicher Eindruck ist völlig anders,ich mag das Timbre von Gerhaher und Pregardien nicht, das gekiche gilt für Ian Bostridge und Bryn Terfel. Die Liste liesse sich fortsetzen.....


    Niemand kommt auch nur entfernt den "Göttern" Fritz Wunderlich, Dietrich Fischer Dieskau, oder Hermann Prey nahe, wobei ich natürlich den JUNGEN Fischer-Dieskau meine, wenn ich ihn hier nominiere.


    FDast hätte ich hier meine eigenen Reglen gebrochen und über Frauenstimmen geschrieben - aber die bekommen einen eigenen Thread...


    Wenigstens im Bereich der Oper habe ich EINE Stimme der neueren Generation als unvergleichlich schön eingestuft: Juan Diego FLOREZ. Die Stimme soll zwar im Original eher "klein" sein - was ich nicht überprüfen kann, jedoch auf Tonträger ist sie metallisch strahlend und - wunderschön. Da ist es eigentlich völlig egal worüber er singt.


    mfg


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred :



    Carlo BERGONZI hat Ende der 1960er Jahren und dann noch einmal rund zehn Jahre später öffentlich erklärt, , dass es aufgrund der schlechten Gesangsausbildung auf zig Jahre hinaus k e i n e n
    einezigen italienischen Sänger von grossem Format geben werde .


    Wer dieswe Aussage in der Entwicklung verfolgt, der mus s diesem Ausnahmetenor doch uneingeschraänkt Recht geben .


    W e r ist denn auf Corelli , Schipa , Caruso , Lauri - Volpi , Martinelli , di Stefano , Gianni Raimondi und Bergonzi gefolgt ?


    Niemadn .


    Du hast das grosse Glück doch in Wien zu leben un d kannst Dir das doch jedes Jahr x - fach anhören ( müssen ) .


    Und im Wagnerfach schaut es auch nicht anders aus , wenn wir an Wolfgang Windgassen, den Du sicherlich erlebt hast , denken .


    Un d wo sind die herrliche lyrischen Tenöre wie gedda , Wunderlich oder Simoneau oder Valletti den geblieben bzw. ihre Nachfolger ?


    Dank Herbert v. Karjaan , ich muss ihn halt der Korrektheit halber mit Namen nennen , war doch jahrelang in der weltberühmten Winer Staastoper fast jeden OPerntag ein ein "Sonntag" ( O-Ton v. Karajan ) .


    Bei den Baritonen schaut es nicht anders aus . Ich erinner emich sehr genau an all die umjubelten Groseen wie Sereni , Bastianinini oder Panerai . Du sicherlich auch .


    W o sind, bitte , die "Nachfolger" , die einem Rigoletto Stimme wie Darstellung verleihen wie Piero Cappuccilli dies vermochte ?


    Wo sind die legendären Bässe ?


    Ich eriner emich an nicht wenige frühere Mitschüler und ältere Studienfreunde , die extra die zwei anrechenbaren Semster nach Wien gegangen sind, um eben "jden Abend als Festtag in Oper , konzert und Burg " erleben zu können .


    A l l e spreche n icht aus nostalgischen Effekten heraus über dies e Zeit(en), sondern , weil sie heute als sehr gut anerkennen sollen, was ihnen die Firmen - PR weismachen will .


    Wer singt die "Stimme vom Himmel" so wie dies Gundulan Janowitz vermochte ? Niemand .


    Ich kenn e in D. ein inzwischen älteres Ehepaar, die sind an ihrem Jubiläumshochzeitstag nach Wien für viel Geld gereist, um unter anderem Hilde Güden als "Violetta" zu hören ( etwa 1964 / 1965 ) .
    Hat sie einen Nachfolgerin später gefunden mit derselben natürlichen Ausstrahlung, derselben herrlichen Stimme ?


    Und wie beide haben dies jahrlang unter HvK und seiner direkten Folgeziet fast jeden Tag , zuminstet auf Stehplätzen , erlben können !


    Das waren grösste Stimmen und ganz bescheidene Interpretinnen und Interpreten !


    Einen schönen And Dir nach Wien !



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo, Alfred,


    da hätten wir wiedermal die Frage "schöne" oder ausdrucksvolle Stimme.Auch ich schätze die Stimme von Pregardien als nicht sonderlich schön ein, muss aber zugeben, dass er das bestmögliche aus den Liedern, die singt herausholt. Andererseits hat zwar Florez unbesteitbar eine schöne Stimme, aber sie lässt mich völlig kalt. Hochgelobt wegen seiner Spitzentöne (als ob das so wichtig wäre - bekanntlich verglich Rossini das hohe "c" mit der Bruststimme mit dem Schrei eines Kapauns, dem gerade der Hals umgedreht würde), fehlt es ihm meiner Ansicht nach an Charme und Zärtlichkeit - während ich das schreibe, höre ich gerade die Gesamtaufnahme von " Mathile di Shabran". Insofern finde ich eine "nur" schöne Stimme auch nicht als das Maß aller Dinge. Schöne Stimmen gibt es zwar immer noch reichlich, aber wenn sie nichts "rüberbringen", nützt ihnen alle Schönheit nichts.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Liebe Mme Cortese!


    Du sprichst mir aus dem Herzen, was Florez angeht. Und was ist Rossini schon ohne Charme? Eine Torte ohne Sahne, essbar zwar, aber das gewisse Etwas fehlt.


    Aber vielleicht müsssten wir hier einmal definieren, was eine schöne Stimme eigentlich ist. Geht es um die reine Oberfläche, den Samt und Glanz oder geht es um die Gesamtpersönlichkeit inklusive Ausdruck, die eine Schönheit erst entstehen lässt. Und das wäre dann eine Schönheit, die aus einem gelebten Leben erwächst, hinter der ein Mensch durchscheint, der eben ein Mensch ist, mit allen Vorzügen und allen Nachteilen. Sicherlich hatte Wunderlich, und ich bin der letzte, der das Gegenteil behaupten würde, eine ausgesprochen schöne Stimme. Aber auch bei ihm stand eine Gesamtpersönlichkeit dahinter, eine Haltung dem Leben gegenüber, deren Ausdruck eben diese Stimme war.


    :hello: Gustav

  • Dem Vorgenannten kann ich mich vollinhaltlich anschließen.


    Danke, Mme. Cortese und Gustav! :hello: :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Mir fällt da natürlich Simon Keenlyside ein, der nicht nur ein schönes Timbre besitzt, sondern auch wunderbar gestaltet. Ein Liederabend mit ihm ist ein ganz besonderes Erlebnis, weil er eben nicht nur singt, sondern mit Mimik und Gestik "interpretiert".


    Hinzu kommt eine unglaubliche Textverständlichkeit, die ich bei einem gebürtigen Engländer gerade im deutschen Lied - welches ein Kernrepertoire bildet - nicht unbedingt erwarte. Das gleiche gilt übrigens für sein vorzügliches Französisch. Es ist immer erstaunlich, wie er sich dem jeweiligen Duktus anpassen kann und jede Betonung richtig setzt.


    Vielleicht geht aufgrund der Interpretation der eine oder andere Ton auf Kosten der Schönheit. Kommt aber auch immer darauf an, was für Lieder er gerade singt. Soll heißen, worum sich der Text des Liedes handelt. Sei es Schubert oder Debussy, Schumann oder Ravel, Richard Strauss oder Poulenc. Immer liefert er sich der Musik UND dem Text aus. Ich habe bereits mehrere Liederabende mit ihm gesehen und gehört, und das ist ein Eindruck der sich mir stets vermittelt hat.


    Gregor