Sind "schöne Stimmen" rar geworden ? VOL - 2 Lied - Frauenstimmen

  • Hier ist nun die zweite folger dieser Threadserie. Sie befasst sich mit Frauenstimmen im Liedgesang.
    Und wieder gilt die Titelfrage.
    Mir ist völlig bewusst, da0ß heutzutage wunderbar auf den Text der Lieder eingegangen wird, daß die Gestaltung oft Opernnähe erreicht.
    Jedoch der "schöne, kultivierte Klang bleibt aus diesem Grund oft auf der Strecke, oder hat sich das Timber von Singstimmen in den letzten Jahren gewandelt. Inwieweit spielt der Zeitgeschmack eine Rolle ?


    Man höre nur die glockenreine Stimme von Gundula Janowitz oder die "große Dame" Elisabeth Schwarzkopf mit ihrer sprachlichen Vornehmheit, die gelegentlich fast unerbittlich perfekt wirkt - ohne je die klangliche Schönheit eines Liede je in Frage zu stellen oder zu gefährden.


    Da ich selst erst heute die Grenzen des Schwesterthreads "Männerstimmen - Lied" beinahe im Überschwang der Begeisterung verlassen hätte, weisae ich darauf hin, daß das Thema "Oper" in diesem Zusammenhang gesondert abgehandelt wird...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist fast halb zwei in der Früh und ich bin mir nicht sicher, ob ich noch so richtig klar denken kann.


    Trotzdem oder gerade deshalb wage ich einmal folgende These:


    Könnte es sein, wenn denn die Beobaschtung stimmt und Frauenstimmen heute nicht mehr so schön klingen wie früher, dass das an der Emanzipation liegt. Kann es sein, dass eine heutige Frau, mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein ausgestattet, schlichtweg nicht mehr so hingebungsvoll in allen Belangen und eben auch hinsichtlich der Musik ist und deshalb velleicht nicht mehr so "schön" klingt, wie die Sängerinnen der 50iger und 60iger Jahre?


    Frauen sind nicht mehr gewillt, hoffe ich doch wohl, sich einem höheren Etwas, dem Manne oder der Musik, zum Opfer zu bringen und es vorbehaltlos anzubeten oder anzusingen. Vielleicht findet man deshalb das Reine und Engelhafte vieler Frauenstimmen aus früheren Jahrzehnten heute nicht mehr.


    Vielleicht ist es aber auch Quatsch, was ich geschrieben habe, dann haltet es der späten Stunde zugute.


    :hello: Gustav

  • Stimmen, die sich durch andauerndes mobiles Telephonieren, das Anschreien gegen eine laute, nervige Umwelt und den allgemeinen Verzicht auf jede Zurückhaltung im täglichen Leben (Alkohol, Rauchen, Sex, Reisen) belasten, sind das getreue Spiegelbild dieses Stresses und können kaum mehr engelhaft klingen - an welchem höheren Ideal sollte sich die engelhafte Stimmfarbe denn auch orientieren? Hinzu kommt, daß unsere Kultur des Relativismus noch jeder Tugend Falschheit und Heuchelei unterstellt; da hat auch der Schönklang um seiner selbst willen schlechte Karten - ein sensationslüsternes Publikum unterstellt ihm dazu noch eher Langeweile. Liedgesang funktioniert aber nach anderen Gesetzen, weil er die Konzentration auf den textlichen und musikalischen Wesensgehalt eines Werkes voranstellt, weniger das Ego der Ausführenden.
    Am Sonntag zappte ich zufällig im ZDF-Theaterkanal in die Aufzeichnung eines Konzerts vom Schleswig-Holstein-Festival 1988, wo Arleen Auger mit, wenn ich recht erinnere, Irwin Gage einen Liederabend gab. Auger ist nun leider auch schon eine Sängerin einer -besseren- Vergangenheit: gepflegtes Aussehen, noble Ausstrahlung, hervorragende Diktion, vollkommene Beherrschung des musikalischen Gegenstandes (Strauss, Mahler); dazu souverän stimmschön und klanglich berückend gestaltend - so etwas gibt es, kaum 20 Jahre später, nur noch sehr selten.


    Eine Ausnahme ist sicher eine Sängerin wie Bernarda Fink, deren Lied-Aufnahmen Studien im Wohlklang sind - sie verfügt über eine nicht sehr große, aber ungemein runde und kultivierte Stimme, eine hohe Musikalität und die Fähigkeit, dem Wesensgehalt eines Textes musikalisch-empathisch Worte zu verleihen. Sie hat u.a. Frauenliebe und -leben -ein für unsere Zeiten völlig unmöglicher Zyklus ;)- exemplarisch eingespielt - davon kann jede Schumann-Sängerin noch etwas lernen. Frau Finks Beispiel zeigt aber, daß ein solches Wunder eher in der Stille gedeiht als im Fokus der gierigen Haie des Medienhype.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Danke, Honoria, für deine lesens- und nachdenkenswerten Zeilen. :angel:


    Zum eigentlichen Thema möchte ich bemerken, daß ich eine warm timbrierte Frauenstimme viel lieber in der Oper oder einem Sakralwerk höre als bei einem Liedvortrag. Warum das so ist, konnte mir noch niemand sagen. Wahrscheinlich eine reine Bauchgefühlsangelegenheit :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried