Jean Ferrat verstorben

  • Soeben erfahre ich, daß der französische Chansonier Jean Ferrat im Alter von 79 Jahren verstorben ist.


    Ferrats Aufstieg begann in den 1960er Jahren mit Chansons, die oftmals politisch waren und gesellschaftliche Veränderungen beschrieben, ebenso oft auch zärtliche Liebeserklärungen waren. Die Texte waren pointiert, jedoch nie agressiv. Seine eninschmeichelnde, dunkel timbrierte Stimme und die zeitlos schönen Melodien hielten ihn über Jahrhzehnte in der Spitze der französischen Chansonniers neben Jacques Brel, Leo Ferré oder Georges Brassens.


    "La Montagne" dürfe zu seinen bekanntesten Chansons zählen, "C'est beau la vie", "Nuit et bruillard" oder "Que serais-je sans toi" erwähne ich aus seiner Frühzeit. "Potemkine", "Les Saisons", "Paris 2000" oder "L'embellie" aus späteren Jahren.


    Neben eigenen Texten vertonte er auch Gedichte von Louis Aragon ("Aimer a perdre la raison" , "J'entend, j'entend" oder "Les Poetes"). Die ruhige, konservative Melodik seiner Lieder täuscht schnell über die oft kritischen Botschaften hinweg; der französiche Rundfunk hat seine Chansons mehrfach indiziert. Das Eröffnungschanson "Le Bilan" seiner Platte "Ferrat 80" rechnete harsch mit der französischen Politik ab und sorgte für einen Skandal.


    Zum ersten Kennenlernen empfehle ich diese CD:



    Gesellschaftliche Verantwortung übernahm Ferrat über die Liste der Kommunistischen Partei Frankreichs jahrelang als Bürgermeister seines Heimatortes in den Ardeches in Frankreich. Nach dem Tod seiner Frau ist es still um ihn geworden. Heute ist er von uns gegangen.


    R.I.P.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Danke für diesen Beitrag, Thomas.


    Chanson-Sänger werden hier leider viel zu wenig beachtet. Der Tod von Jean Ferrat hat mich doch sehr berührt.


    Erst vor wenigen Wochen konnten wir im Fernsehen ein Wiedersehen mit dem (jungen) Sänger feiern: Der ZDF-Theaterkanal wiederholt z.Zt. die Serie "Liederzirkus" mit Michael Heltau. In dessen Thread habe ich damals geschrieben:


    Zitat

    1982 schlug der Liedercircus seine Zelte in der Wiener Stadthalle auf. Michael Heltau und Senta Berger präsentierten ein Programm mit vielen internationalen Stars. Aus Prag kommen Helena Vondrackova und Jiri Korn. Ihr Repertoire reicht von moderner Popmusik über Chanson und Musical bis hin zum Steptanz.


    Aus Italien kommt Ornella Canoni. Ihr Name wird häufig in einem Atemzug mit dem einer anderen großen Italienerin genannt: Milva und "die Vanoni" wurden beide von dem großen Entdecker und Regisseur Giorgio Strehler "gemacht". Ein fast schon legendärer Altmeister des poetischen und auch politischen Chansons kommt aus Paris: Jean Ferrat.


    Jean Ferrat (eigentlich Jean Tennenbaum) (* 26. Dezember 1930 in Vaucresson (Hauts-de-Seine), † 13. März 2010 in Aubenas (Ardèche) war das jüngste von vier Kindern einer jüdischen Familie. Sein Vater starb im Konzentrationslager Auschwitz.



    Seine weiche Stimme bleibt im Ohr - wir werden sein Andenken bewahren.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Harald Kral


    Chanson-Sänger werden hier leider viel zu wenig beachtet.


    Lieber Harald, das können wir gerne ändern.


    Zu Ferrat trage ich noch etwas nach. Seine politische Haltung bedarf ja keinerlei Entschuldigung (letztendlich und vor allem aus französischer Sicht war es eine grundsätzlich gute und richtige), erklärbar ist sie dennoch aus seinen persönlichen Lebensumständen. Ferrats Vater war ein aus der Sowjetunion emigrierter Jude. 1941 wurde Vater Ferrat nach Ausschwitz deportiert und ermordet. Jean überlebte dank der Hilfe kommunistischer Widerstandskämpfer.


    Die Schrecken dieser Zeit haben ihren Niederschlag in dem Chanson "Nuit et Bruillard" gefunden. Und hier komme ich zu meiner ersten Jean Ferrat-Platte, einer EP-Single mit vier Chansons. Sie beginnt mit "C'est beau la vie", es folgt "A Brassens", eine Hommage an den Kollegen Georges Brassens. Die zweite Seite beginnt mit "Nuit et Bruillard" und endet mit "Nous dormirons ensemble". Welch eine Geste und welch ein Gegensatz! Das Schergenlied "Nuit et bruillard" wird eingerahmt von solch hoffnugsvollen wunderschönen Chansons wie "C'est beau la vie" und "Nous dormirons ensemble". Das ist grandios.


    Für mich eine besondere Form von Glaubwürdigkeit, die Ferrat erhält.


    Eine interessante Single-Kopplung findet sich auch bei "Potemkine" wieder. Ferrat nimmt hier die (mehr als berechtigte) studentische Revolte 1968 vorweg. Und hier passt die B-Seiter der Single perfekt zur A-Seite: "Je ne chante pas pour passer le temps", ein wunderbares Bekenntnis zum Engagement des Künstlers für die Gesellschaft. Ferraz hat es dabei stets vermocht, sein Engagement in einer verständlichen Sprache - auch musikalisch - zu vermitteln. Die Überspitzung war ihm femd.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.