Wagners „Tristan“ an der Berliner Staatsoper (mit Seiffert, Meier, Pape, Barenboim) – 21.03.2010

  • Kein Musikdrama Wagners hat mich seit meiner frühesten Jugend so in den Bann gezogen wie der „Tristan“. Zunächst faszinierte mich schon immer die Reduktion des Handlungsverlaufes auf das konkrete Drama „Tristan und Isolde“ durch den Dichterkomponisten. Dann dieser „Tristan“-Akkord, das fulminante Finale des 1. Aufzuges, dann die eruptiven Tristan-Ausbrüche im 3. Aufzug und schließlich der grandiose Liebestod… Und dies alles ummantelt mit einer so genialen zukunftsweisenden Musik, die mich bis ins innerste berührt. All diese wunderbaren Momente lassen mich immer wieder ins Opernhaus gehen, gerade zu dieser herrlichen Oper.


    Nach längerer „Tristan“-Abstinenz (besetzungstechnischer Art) lenkte ich meine Schritte ins Opernhaus, weil herausragende Protagonisten zu Nicht-Festtagspreisen zu erleben waren:


    Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
    Inszenierung: Harry Kupfer
    Bühnenbild: Hans Schavernoch
    Kostüme: Buki Shiff
    Chöre: Eberhard Friedrich


    Tristan: Peter Seiffert
    Isolde: Waltraud Meier
    König Marke: René Pape
    Kurwenal: Roman Trekel
    Brangäne: Ekaterina Gubanova
    Melot: Reiner Goldberg
    Ein Hirt: Florian Hoffmann
    Ein Steuermann: Arttu Kataja
    Stimme eines jungen Seemanns: Florian Hoffmann


    Staatsopernchor
    Staatskapelle Berlin


    Wo auf dem Erdball kann man heutzutage noch solch eine Besetzung erleben? Selbst in Bayreuth gab es schon jahrelang nicht mehr ein solches Aufeinandertreffen von hochkarätigen Protagonisten. Ganz zu schweigen von der szenischen Umsetzung.


    Die Inszenierung aus dem Jahre 2000 stammt von Harry Kupfer, dem wir viele Wagner-Arbeiten in Zusammenarbeit mit Barenboim an der Staatsoper zu verdanken haben. Für die in diesem Jahr anfallenden Festtage wurde diese Inszenierung wieder frisch aufpoliert.


    Mit seinem Bühnenbildner Hans Schavernoch lässt er das Gesamtgeschehen um einen überdimensionalen gefallenen Engel als Schiffs-Gallionsfigur kreisen. Dieser Ort markiert mit der Einnahme des Liebestranks schon die Liebe und den Tod des Paares. Kupfers Personenregie ist auch hier wieder mustergültig.


    Peter Seiffert sang einen ausgezeichneten Tristan. Mühelos überwand er die Klippen dieser schweren Partie. Auch im 3. Aufzug hatte er noch ausreichende Kräfte, seinen strahlenden Tenor über die Orchesterfluten zu schmettern. Dafür gab es verdient viele Bravos.
    Als Waltraud Meier (vorab mit abklingender Erkältung angesagt) vor den Vorhang trat, geriet das Publikum völlig aus dem Häuschen. Gesanglich und darstellerisch stellte sie erneut ihre einzigartige Stellung unter den Isolden-Sängerinnen unter Beweis.
    René Pape bot mit seiner wohltuenden Bassstimme ein erschütterndes Rollenporträt des König Marke.
    Mit zwischenzeitlichen Intonationsproblemen hatte Ekaterina Gubanovas Brangäne zu kämpfen.
    Darstellerisch zu blass blieb Roman Trekel, der ansonsten gesanglich einen soliden Kurwenal gab.


    Der von Eberhard Friedrich einstudierte Chor der Staatsoper Berlin war hervorragend disponiert.


    Leider dirigierte Daniel Barenboim „Tristan Isolde“ statt „Tristan und Isolde“. Auch hier hat sich Routine eingespielt. Barenboim ließ die Musik über weite Strecken nicht fließen, bremste hier und da aus, verschob einige Akzente. Das tat dem musikalischen Gesamteindruck nicht gut. Dadurch fand das musikalische Seelendrama „Tristan und Isolde“ aus dem Orchestergraben nicht statt. Das war sehr schade, zumal die Staatskapelle in blendender Verfassung war. Dazu kam, dass Barenboim das Orchester oft zu laut spielen ließ. Die Gesangssolisten mussten sich so völlig unnötig gegen das Orchester stemmen. Natürlich gelang Barenboim mit seinem Orchester auch sehr schöne Momente, auch der „Liebestod“ war grandios.


    Dank der herausragenden gesanglichen und darstellerischen Leistungen der Protagonisten war es dennoch ein erlebnisreicher Opernabend.



    :hello: LT

  • Zitat

    Original von Liebestraum


    Wo auf der Erdball kann man heutzutage noch solch eine Besetzung erleben? Selbst in Bayreuth gab es schon jahrelang nicht mehr ein solches Aufeinandertreffen von hochkarätigen Protagonisten. Ganz zu schweigen von der szenischen Umsetzung.


    :hello: LT


    In der Tat, das ist wirklich eine fantastische Besetzung, die ich auch gerne gehört hätte. Peter Seiffert und W.Meier zusammen sind ein echtes Ereignis. Die Inszenierung wurde bei ihrer Premiere - glaube ich - ziemlich zerissen.

  • Lieber Liebestraum!


    Da werde ich doch ganz blass und grün vor Neid! ;)


    Ich habe diese Inszenierung im November 2000 mit einem damals noch hervorragenden Christian Franz und einer ebensolchen Meier unter Barenboim gesehen. Ich mochte die Kupfer - Arbeit, verzichtet sie doch auf Mätzchen und lässt der Musik ihren Raum und auch den Gedanken und Empfindungen des Publikums. Wir waren so voll von der Musik und der Aufführung, dass ich auf der Heimfahrt nach Hamburg durch mehrere Baustellen auf der Autobahn zu schnell gefahren bin und mitten in der Nacht noch von der Polizei angehalten wurde. :no: Wagner kann eben gefährlich werden.


    Damals waren Youn und Lang mit dabei, aber Pape als Marke würde ich natürlich zu gerne einmal erleben.


    :hello: Gustav


  • Lieber Liebestraum!


    War es nicht toll?


    :hello: Gustav

  • Ja es war toll, Franz noch in Glanzzeiten und die Lang fand ich damal so grandios. Mit Youn konnte ich noch nie so richtig was anfangen...



    :hello: LT

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Ja es war toll, Franz noch in Glanzzeiten und die Lang fand ich damal so grandios. Mit Youn konnte ich noch nie so richtig was anfangen...



    :hello: LT


    Na, da sind wir uns einig. Auch seinen Gurnemanz in Bayreuth last year fand ich wenig überzeugend.


    :hello: Gustav