Kein Musikdrama Wagners hat mich seit meiner frühesten Jugend so in den Bann gezogen wie der „Tristan“. Zunächst faszinierte mich schon immer die Reduktion des Handlungsverlaufes auf das konkrete Drama „Tristan und Isolde“ durch den Dichterkomponisten. Dann dieser „Tristan“-Akkord, das fulminante Finale des 1. Aufzuges, dann die eruptiven Tristan-Ausbrüche im 3. Aufzug und schließlich der grandiose Liebestod… Und dies alles ummantelt mit einer so genialen zukunftsweisenden Musik, die mich bis ins innerste berührt. All diese wunderbaren Momente lassen mich immer wieder ins Opernhaus gehen, gerade zu dieser herrlichen Oper.
Nach längerer „Tristan“-Abstinenz (besetzungstechnischer Art) lenkte ich meine Schritte ins Opernhaus, weil herausragende Protagonisten zu Nicht-Festtagspreisen zu erleben waren:
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung: Harry Kupfer
Bühnenbild: Hans Schavernoch
Kostüme: Buki Shiff
Chöre: Eberhard Friedrich
Tristan: Peter Seiffert
Isolde: Waltraud Meier
König Marke: René Pape
Kurwenal: Roman Trekel
Brangäne: Ekaterina Gubanova
Melot: Reiner Goldberg
Ein Hirt: Florian Hoffmann
Ein Steuermann: Arttu Kataja
Stimme eines jungen Seemanns: Florian Hoffmann
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Wo auf dem Erdball kann man heutzutage noch solch eine Besetzung erleben? Selbst in Bayreuth gab es schon jahrelang nicht mehr ein solches Aufeinandertreffen von hochkarätigen Protagonisten. Ganz zu schweigen von der szenischen Umsetzung.
Die Inszenierung aus dem Jahre 2000 stammt von Harry Kupfer, dem wir viele Wagner-Arbeiten in Zusammenarbeit mit Barenboim an der Staatsoper zu verdanken haben. Für die in diesem Jahr anfallenden Festtage wurde diese Inszenierung wieder frisch aufpoliert.
Mit seinem Bühnenbildner Hans Schavernoch lässt er das Gesamtgeschehen um einen überdimensionalen gefallenen Engel als Schiffs-Gallionsfigur kreisen. Dieser Ort markiert mit der Einnahme des Liebestranks schon die Liebe und den Tod des Paares. Kupfers Personenregie ist auch hier wieder mustergültig.
Peter Seiffert sang einen ausgezeichneten Tristan. Mühelos überwand er die Klippen dieser schweren Partie. Auch im 3. Aufzug hatte er noch ausreichende Kräfte, seinen strahlenden Tenor über die Orchesterfluten zu schmettern. Dafür gab es verdient viele Bravos.
Als Waltraud Meier (vorab mit abklingender Erkältung angesagt) vor den Vorhang trat, geriet das Publikum völlig aus dem Häuschen. Gesanglich und darstellerisch stellte sie erneut ihre einzigartige Stellung unter den Isolden-Sängerinnen unter Beweis.
René Pape bot mit seiner wohltuenden Bassstimme ein erschütterndes Rollenporträt des König Marke.
Mit zwischenzeitlichen Intonationsproblemen hatte Ekaterina Gubanovas Brangäne zu kämpfen.
Darstellerisch zu blass blieb Roman Trekel, der ansonsten gesanglich einen soliden Kurwenal gab.
Der von Eberhard Friedrich einstudierte Chor der Staatsoper Berlin war hervorragend disponiert.
Leider dirigierte Daniel Barenboim „Tristan Isolde“ statt „Tristan und Isolde“. Auch hier hat sich Routine eingespielt. Barenboim ließ die Musik über weite Strecken nicht fließen, bremste hier und da aus, verschob einige Akzente. Das tat dem musikalischen Gesamteindruck nicht gut. Dadurch fand das musikalische Seelendrama „Tristan und Isolde“ aus dem Orchestergraben nicht statt. Das war sehr schade, zumal die Staatskapelle in blendender Verfassung war. Dazu kam, dass Barenboim das Orchester oft zu laut spielen ließ. Die Gesangssolisten mussten sich so völlig unnötig gegen das Orchester stemmen. Natürlich gelang Barenboim mit seinem Orchester auch sehr schöne Momente, auch der „Liebestod“ war grandios.
Dank der herausragenden gesanglichen und darstellerischen Leistungen der Protagonisten war es dennoch ein erlebnisreicher Opernabend.
LT